Gesetzliche Grundlagen und Voraussetzungen für die Einführung und Anwendung von Automatisierten Externen Defibrillatoren sowie eine mögliche Verpflichtung öffentlicher Feuerwehren zu deren Vorhaltung und Anwendung - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 -182/06 - 2 - Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Gesetzliche Grundlagen und Voraussetzungen für die Einführung und Anwendung von Automatisierten Externen Defibrillatoren sowie eine mögliche Verpflichtung öffentlicher Feuerwehren zu deren Vorhaltung und Anwendung Ausarbeitung WD 3 -182/06 Abschluss der Arbeit: 5. Mai 2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - - Zusammenfassung - Gesetzliche Grundlagen hinsichtlich einer verpflichtenden Einführung und Anwendung von Automatisierten Externen Defibrillatoren (AED) durch Nichtärzte existieren nicht. Deren Einführung ist in das Benehmen des Arbeitgebers beziehungsweise sonstiger Institutionen gestellt. Bei der Anwendung von AEDs durch Nichtärzte sollen die hierzu ergangenen Empfehlungen der Bundesärztekammer berücksichtigt werden. - 4 - 1. Einleitung Ein Defibrillator ist ein elektrisches Hochspannungsgerät der Notfallmedizin. Er wird zur Wiederbelebung nach einem Herzstillstand (Asystolie) oder zur Beendigung von Herzrhytmusstörungen eingesetzt. Mit einem - oder wenn nötig - mehreren Stromstößen regen Defibrillatoren stillstehende Herzen wieder an, wieder zu schlagen, oder sie beenden Fibrillationen genannte Rhytmusstörungen des Herzschlags wie beispielsweise Kammerflimmern. Die Stromstöße werden entweder von außen über flache auf der Haut aufliegende Elektroden oder innerlich mit direkt am Herzen platzierten Elektroden verabreicht .1 Die Defibrillatoren lassen sich in konventionelle Geräte, Halbautomaten und Defibrillatorimplantate unterteilen. Gegenstand der folgenden Betrachtung sind ausschließlich die Halbautomaten, so genannte Automatisierte Externe Defibrillatoren (AED). Die AEDs verfügen über ein Analysesystem, welches das Elektro-Kardiogramm (EKG) eines Patienten auswertet und bei Kammerflimmern oder pulsloser elektrischer Aktivität eine Defibrillation empfiehlt. AEDs übernehmen die komplette EKG-Analyse, das heißt dass der Anwender dieser Geräte über keinerlei EKG-Kenntnisse verfügen muss. Halbautomatische Defibrillatoren bestehen aus dem Defibrillator und zwei Flächenelektroden, die auf den Brustkorb des Patienten aufgeklebt werden müssen. Alle Schritte, die ein Ersthelfer zu tun hat, werden über eine Sprachsteuerung per Ansage mitgeteilt. Nach Aufkleben der Flächenelektroden und einer vollautomatischen EKG-Analyse erhält der Ersthelfer bei Kammerflimmern oder pulsloser elektrischer Aktivität die Aufforderung, einen Stromstoß durch Knopfdruck auszulösen, bei einigen neueren AED-Geräten erfolgt dieser Schritt auch automatisch. Nach der Schockabgabe analysiert das Gerät erneut das EKG und gibt weitere Anleitungen zum Vorgehen: bei weiter bestehendem Kammerflimmern wird eine erneute Schockabgabe empfohlen, bei Asystolie wird eine Herzdruckmassage vorgeschlagen. AEDs arbeiten mit einer wartungsfreien Langzeitbatterie und führen automatische Selbsttests zur Funktionsprüfung durch. AEDs, die mittlerweile von verschiedenen Herstellern angeboten werden, wiegen etwa 2 bis 3 kg und sind leicht zu tragen.2 1 Brockhaus Enzyklopädie online, 2005 2 H.-J. Trappe, Frühdefibrillation: Wo stehen wir?, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130: S. 685 ff. - 5 - 2. Gesetzliche Grundlagen und Voraussetzungen für die Einführung von AEDs Gesetzliche Regelungen, die eine Einführung von AEDs, etwa in Verwaltungsbehörden, Unternehmen oder sonstigen Institutionen, verpflichtend vorschreiben, sind nicht ersichtlich . Die Einführung von AEDs beruht ausschließlich auf der Freiwilligkeit von Arbeitgebern beziehungsweise sonstigen Institutionen. 3. Gesetzliche Grundlagen und Voraussetzungen für die Anwendung von AEDs 3.1. Gesetzliche Grundlagen Die Durchführung der „klassischen“ Defibrillation mittels konventioneller Defibrillatoren mit der vorangestellten Diagnostik und darauf folgenden Therapie ist zunächst eine ärztliche Aufgabe, die im Notfall in der Regel durch Notärzte erfolgt. Unter Frühdefibrillation wird die Intervention durch nicht ärztliche Rettungskräfte als ergänzende Behandlung im Rahmen der Reanimation verstanden.3 Gesetzliche Regelungen, die die Anwendung von AEDs durch Nichtärzte bestimmen, sind nicht vorhanden. 3.2. Empfehlung der Bundesärztekammer Die gegenwärtige Anwendung von AEDs durch medizinische Laien basiert auf einer Empfehlung der Bundesärztekammer: „Empfehlung zur Defibrillation mit automatisierten externen Defibrillatoren (AED) durch Laien“. In ihrer Empfehlung spricht sich die Bundesärztekammer ausdrücklich für eine Frühdefibrillation durch Nichtärzte als ergänzende Behandlung im Rahmen der Reanimation aus. Diese Behandlung ersetzt jedoch nicht die Aufgaben des Rettungsdienstes, sondern verkürzt die Zeitspanne zwischen Auftreten des Kammerflimmerns und der Defibrillation durch den Rettungsdienst und erhöht dadurch die Überlebenswahrscheinlichkeit des Opfers. 4 3.3. Voraussetzungen für die Anwendung von AEDs durch Nichtärzte Die Bundesärztekammer empfiehlt weiterhin, dass Voraussetzung für die Anwendung eines AED durch Nichtärzte eine Ausbildung gemäß §§ 14, 37 Absatz 5 des Gesetzes über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG)5 in Verbindung mit § 2 Absatz 2 und Absatz 4; § 5 Absatz 2 der Verordnung über das Errichten, Betreiben, und An- 3 H.-J. Trappe, Frühdefibrillation: Wo stehen wir?, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130: S. 685 ff. 4 Bundesärztekammer in: Deutsches Ärzteblatt, Jahrgang 98, Heft 18, 4. Mai 2001, S. A 1211 vergleiche Anlage 1 5 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBL. I S. 3146), zuletzt geändert durch Art. 109 der Achten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25. November 2003 (BGBL. I S. 2304) - vormals § 22 MPG -, vergleiche Anlage 3 - 6 - wenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung - MPBetreibV)6 ist. (Die vollständigen Gesetzestexte sind in der Anlage 3 und Anlage 4 der Ausarbeitung beigefügt.) Danach dürfen Defibrillatoren nur von Personen angewendet werden, die durch qualifizierte Personen unter Berücksichtigung der Gebrauchsanweisung in die sachgerechte Handhabung des Defibrillators eingewiesen worden sind. In der Empfehlung der Bundesärztekammer heißt es weiter, dass „jede Institution, die die automatisierte externe Defibrillation durch Laien in ihrem Bereich einführt, die ärztliche Fachaufsicht sicherzustellen und ein Schulungsprogramm zu implementieren hat.“ Dies soll unter Berücksichtigung der zeitgleich mit der in Rede stehenden Empfehlung veröffentlichten „Stellungnahme der Bundesärztekammer zur ärztlichen Verantwortung für die Aus- und Fortbildung von Nichtärzten in der Frühdefibrillation“ erfolgen.7 Hierin werden Qualitätsanforderungen für die Aus- und Fortbildung von Nichtärzten und Qualifikationsanforderungen für den ärztlichen Ausbilder formuliert. Wird die Defibrillation von trainierten Ersthelfern (Polizisten, Feuerwehrleute, Wachund Sicherheitspersonal etc.) durchgeführt, spricht man von „First Responder“ - Defibrillation . Wird die Defibrillation von untrainierten Personen, die sich zufällig in der Nähe eines AED aufhalten, durchgeführt, handelt es sich um eine „Public Access“ – Defibrillation. Aufgrund mangelnder Erfahrung und fehlender Studien erscheint das Konzept der „Public Access“ – Defibrillation, die in den USA teilweise eingeführt ist, für Deutschland zurzeit nicht geeignet. Es erscheint vorrangig, die „First Responder“ – Defibrillation konsequent und flächendeckend einzuführen und die Ersthelfer nicht nur initial auszubilden, sondern auch durch Nachschulungen die Qualität der Ersthelfer zu erhalten.8 3.4. Rechtfertigung der Körperverletzung Die Anwendung von AEDs ist durch trainierte Laien zulässig. Voraussetzung dafür ist die von der Bundesärztekammer empfohlene Ausbildung des Anwenders, um die Körperverletzung zu rechtfertigen und den Bestimmungen des MPG und der MPBetreibV, der diese Geräte unterliegen, zu entsprechen. Die Rechtssicherheit des Helfers in der Not erwächst daraus, dass zur Rechtfertigung der Rettungsmaßnahme eine mindestens mutmaßliche Einwilligung des Opfers in die mit einer Defibrillation tatbestandlich vorliegende Körperverletzung angenommen wer- 6 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 2002 (BGBL. I S. 3396), zuletzt geändert durch Art. 288 der Achten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25. November 2003 (BGBL. I S. 2304), vergleiche Anlage 4 7 Bundesärztekammer in: Deutsches Ärzteblatt, Jahrgang 98, Heft 18, 4. Mai 2001, S. A 1211, vergleiche Anlage 1, modifiziert am 14. November 2003, Bundesärztekammer in: Deutsches Ärzteblatt, Jahrgang 100, Heft 51-52, 22. Dezember 2003, S. A 3407, vergleiche Anlage 2 8 H.-J. Trappe, Frühdefibrillation: Wo stehen wir?, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130: S. 685 ff. - 7 - den kann. Rechtswidrig bleibt die Handlung doch dann, wenn die helfende Person („der Täter“) riskante, insbesondere grob sorgfaltswidrige Handlungen vornimmt, die durch die Einwilligung nicht gedeckt sind. Eine Verletzung beziehungsweise ein Schaden wäre dann nicht mehr die Folge der Einwilligung in ein gerechtfertigtes Risiko, sondern Folge einer Sorgfaltspflichtverletzung. Das Bundesministerium der Justiz führt dazu aus: „ Entscheidend ist damit immer, ob das Risiko bei Einsatz der Geräte in der konkreten Rettungssituation in einem angemessenen Verhältnis zu den Rettungschancen steht und der Einsatz sorgfältig durchgeführt wurde. Bei der Beurteilung der anzuwendenden Sorgfalt durch medizinische Laien ist auch die von der Bundesärztekammer aufgestellte Empfehlung zur Aus- und Fortbildung von Laien mit zu berücksichtigen.“9 4. Verpflichtung öffentlicher Feuerwehren zur Vorhaltung und Anwendung von AEDs 4.1. Allgemeines Die öffentlichen Feuerwehren sind kommunale Einrichtungen. Ihnen obliegt im Rahmen der Gefahrenabwehr die Aufgabe des Brandschutzes und der technischen Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen.10 4.2. Rechtsgrundlagen Der Bereich des Feuer- und Katastrophenschutzrechts und des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts fällt in die allgemeine Gesetzgebungszuständigkeit der Länder, mit der Folge, dass in den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr unterschiedliche Rechtsgrundlagen bestehen, in denen die durch die öffentliche Feuerwehr wahrzunehmenden Aufgaben festgelegt sind. Nach hiesiger Einschätzung gilt für die Einführung und Anwendung von AEDs durch die öffentlichen Feuerwehren das unter den Ziffern 2 und 3 Gesagte. 9 Dr. med. Frank J. Hensel, Reanimation, Frühdefibrillation durch medizinische Laien, in: Deutsches Ärzteblatt, Jahrgang 99, Heft 8, 22. Februar 2002, S. A 476 10 Rotes Heft 68, Rechtsfragen beim Feuerwehreinsatz, Ralf Fischer, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2000, Verlag W. Kohlhammer