© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 179/14 Eilzuständigkeit von Beamten der Zollverwaltung in den Ländern Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 179/14 Seite 2 Eilzuständigkeit von Beamten der Zollverwaltung in den Ländern Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 179/14 Abschluss der Arbeit: 26. August 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 179/14 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, ob durch Bundesgesetz eine Eilzuständigkeit für Zollvollzugsbeamte in den Ländern begründet werden könnte. Auch soll geklärt werden, welches Bundesgesetz in diesem Fall – bzw. welche Landesgesetze im Fall einer Zuständigkeit der Länder – für eine solche Regelung in Betracht kämen. 2. Föderale Verteilung der Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr Die allgemeine polizeiliche Gefahrenabwehr obliegt nach der föderalen Ordnung des Grundgesetzes den Ländern. Sie besitzen für diese Aufgabe sowohl die Gesetzgebungs- als auch die Verwaltungskompetenz (sog. Polizeihoheit der Länder). Die Gesetzgebungskompetenz folgt aus Art. 70 Abs. 1 Grundgesetz (GG)1, wonach die Länder gesetzgebungsbefugt sind, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Der Vollzug von Landesrecht ist nach Art. 30 GG stets Sache der Länder. Für den Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr besitzt der Bund keine Kompetenz.2 Für bestimmte Aufgaben der besonderen Gefahrenabwehr allerdings weist das Grundgesetz dem Bund sowohl die Gesetzgebungs- als auch die Verwaltungskompetenz zu. Diese Bereiche der besonderen Gefahrenabwehr werden auch als sonderpolizeiliche Aufgaben bezeichnet. Derartige dem Bund obliegende Bereiche der besonderen Gefahrenabwehr sind insbesondere der Grenzschutz, der Zollschutz, die Bahnpolizei, die Luftpolizei sowie die Strom- und Schifffahrtspolizei. 3. Einfachgesetzliche Regelungen Die Regelung des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts findet sich in den jeweiligen allgemeinen Polizei- bzw. Ordnungsgesetzen der Länder. Diese werden – je nach polizeirechtlicher Tradition – entweder als Polizeigesetz (PolG) oder als Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG) bezeichnet. In Schleswig-Holstein, das als einziges Bundesland kein eigenständiges Ordnungsgesetz besitzt, finden sich die gefahrenabwehrrechtlichen Regelungen in den §§ 162 ff. Schleswig-Holsteinisches Landesverwaltungsgesetz3. In den meisten Ländern enthalten diese Gesetze nicht nur das materielle Gefahrenabwehrrecht, sondern auch die entsprechenden Zuständigkeitsvorschriften . In einigen Ländern sind die Zuständigkeiten in gesonderten Polizeiorganisationsgesetzen geregelt. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478) geändert worden ist. 2 Vgl. Denninger/Poscher, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschnitt B Rn. 143. 3 GVOBl. Schleswig-Holstein 1992, S. 243, 534. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 179/14 Seite 4 Die dem Bund zustehenden sonderpolizeilichen Aufgaben4 sind in verschiedenen Bundesgesetzen geregelt. Sie werden auch durch verschiedene Bundesbehörden wahrgenommen, vor allem durch die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Zollverwaltung und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. 4. Wahrnehmung von Aufgaben im fremden Zuständigkeitsbereich Unter bestimmten Umständen kann es erforderlich sein, dass eine an sich unzuständige Behörde im fremden Zuständigkeitsbereich tätig wird. Dies kann insbesondere auf das Instrument der Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG gestützt werden, die in den §§ 4 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)5 konkretisiert wird. Amtshilfe ist, vereinfacht ausgedrückt, Hilfeleistung zwischen Behörden unter Überwindung bestehender Kompetenzgrenzen.6 Sie ist auch zwischen Bundesund Landesbehörden möglich, hängt aber grundsätzlich von einem Amtshilfeersuchen der zuständigen Behörde ab. Insbesondere im Gefahrenabwehrrecht finden sich daneben häufig einfachgesetzliche Eilkompetenzen , die bei einer gegenwärtigen Gefahr ein Tätigwerden im fremden Zuständigkeitsbereich zulassen. Diese Hilfskompetenzen decken Maßnahmen des ersten Zugriffs in Not- oder Eilfällen. Die eilzuständigen Behörden betreiben die Gefahrenabwehr in Eilfällen dann als eigene Aufgabe, so dass keine Amtshilfe i.S.d. §§ 4 ff. VwVfG vorliegt, vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG. Sinn und Zweck der Bestimmungen über Eilkompetenzen ist die effektive Wahrnehmung der Gefahrenabwehr im föderalen Polizeiverbund. Sie sind insoweit Ausprägung eines kooperativen Föderalismus .7 § 64 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Bundespolizeigesetz (BPolG)8 räumt den Polizeivollzugsbeamten der Länder sowie den Vollzugsbeamten des Bundes eine Eilkompetenz zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren im Aufgabenbereich der Bundespolizei ein, soweit diese die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig selbst treffen kann. Auf diese Eilkompetenz können sich unter anderem die mit Vollzugsaufgaben betrauten Beamten der Zollverwaltung berufen, die nach § 6 Nr. 2 Gesetz über den unmittelbaren Zwang (UZwG)9 Vollzugsbeamte des Bundes sind. 4 Vertiefend Möstl, Polizeiliche Sicherheitsgewährung im Mehrebenensystem, Die Verwaltung 2008, 309 (323); Gade/Kieler, Polizei und Föderalismus, 2008, S. 41 ff. 5 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 25. Juli 2013 (BGBl. I S. 2749) geändert worden ist. 6 Vgl. Erbguth, in: Sachs (Hrsg.), GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 10. 7 Vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 4. Aufl. 2010, § 64 Rn. 1. 8 Bundespolizeigesetz vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978, 2979), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. Juni 2013 (BGBl. I S. 1602) geändert worden ist. 9 Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 201-5, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 28 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 179/14 Seite 5 Umgekehrt räumen die Polizei- und Ordnungsgesetze sämtlicher Länder Polizeibeamten des Bundes entsprechende Eilkompetenzen im Zuständigkeitsbereich der Landespolizei ein. Diese im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen gehen zurück auf § 52 des 1976 von der Innenministerkonferenz beschlossenen „Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder“.10 In einigen Ländern wurden diese Eilkompetenzen in den vergangenen Jahren erstreckt auf bestimmte Vollzugsbeamte der Zollverwaltung des Bundes. Dies ist der Fall in Baden- Württemberg, Bayern, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein. Die Regelung im Polizeigesetz Baden-Württemberg11 lautet beispielsweise: „§ 78 Amtshandlungen von Polizeibeamten anderer Länder und des Bundes sowie von Vollzugsbeamten anderer Staaten im Zuständigkeitsbereich des Landes (1) Polizeibeamte eines anderen Landes können im Zuständigkeitsbereich des Landes Amtshandlungen vornehmen […] 3. zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten auf frischer Tat sowie zur Verfolgung und Wiederergreifung Entwichener, wenn die zuständige Stelle die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig treffen kann, […]. (2) Werden Polizeibeamte eines anderen Landes nach Absatz 1 tätig, haben sie die gleichen Befugnisse wie die des Landes. Ihre Maßnahmen gelten als Maßnahmen derjenigen Polizeidienststelle , in deren örtlichem und sachlichem Zuständigkeitsbereich sie tätig geworden sind. Sie unterliegen insoweit deren Weisungen. (3) Absätze 1 und 2 gelten für Polizeibeamte des Bundes und für Vollzugsbeamte der Zollverwaltung , denen der Gebrauch von Schusswaffen bei Anwendung des unmittelbaren Zwangs nach dem Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt gestattet ist, entsprechend. […]“12 10 Vgl. Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl. 1978, S. 139 f. 11 Polizeigesetz Baden-Württemberg in der Fassung vom 13. Januar 1992 (GBl. 1992, 1, ber. S. 596, ber. 1993 S. 155). 12 Hervorhebungen d. Verf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 179/14 Seite 6 In Bayern13, Brandenburg14 und Sachsen15 bestehen ähnliche Regelungen. In Schleswig-Holstein bedurfte es einer derartigen Bestimmung nicht, da Vollzugskräfte des Zolls, denen der Gebrauch der Schusswaffe durch das Gesetz über den unmittelbaren Zwang des Bundes gestattet ist, nach dortiger Rechtsauffassung materiell-rechtlich als Polizeivollzugsbeamte im Sinne des § 170 Landesverwaltungsgesetz angesehen werden. Dies hat zur Folge, dass die dort normierte Eilzuständigkeit 16 für Polizeivollzugsbeamte anderer Länder oder des Bundes auch für die genannten Zollbeamten gilt.17 In den übrigen elf Ländern wird den Zollbeamten bisher keine Eilzuständigkeit für polizeiliche Aufgaben eingeräumt. Aufgrund der uneinheitlichen landesrechtlichen Lage divergieren die Befugnisse der Zollbeamten des Bundes für den Bereich allgemeinpolizeilicher Eilmaßnahmen von Land zu Land. 5. Möglichkeiten der Einführung einer bundesweit geltenden Eilzuständigkeit Die Regelung der Zuständigkeiten und Befugnisse im Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr unterliegt, wie unter 2. ausgeführt, der alleinigen gesetzgeberischen Entscheidung der Länder. Dem Bund steht in diesem Bereich keine Gesetzgebungskompetenz zu. Durch bundesgesetzliche Regelung kann eine bundeseinheitliche Eilzuständigkeit der Zollbeamten im Aufgabenbereich der Länder daher – jedenfalls nach geltendem Verfassungsrecht – nicht begründet werden. Eine bundesweit einheitliche Rechtslage für Zollbeamte könnte allerdings durch koordinierte Landesgesetzgebung hergestellt werden, indem auch die übrigen elf Länder in ihre Polizei- und Ordnungsgesetze entsprechende Bestimmungen über eine Eilzuständigkeit der Zollbeamten aufnehmen würden. 13 § 11 Abs. 5 S. 1 Bayerisches Polizeiorganisationsgesetz. 14 § 77 Abs. 3 S. 1 Brandenburgisches Polizeigesetz. 15 § 77 Abs. 3 Nr. 2 Sächsisches Polizeigesetz. 16 § 170 Abs. 1 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein. 17 Vgl. hierzu Landtag Brandenburg, LT-Drs. 5/4200, S. 2.