© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 178/14 Rechtliche Handhabe gegen salafistische Bestrebungen in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 2 Rechtliche Handhabe gegen salafistische Bestrebungen in Deutschland Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 178/14 Abschluss der Arbeit: 14.08.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vorgehen im Wege des Vereinsrechts 5 2.1. Vorliegen eines Vereins 6 2.2. Vorliegen eines Verbotsgrundes 7 2.2.1. Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze 8 2.2.2. Gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet 8 2.2.3. Gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet 10 2.2.4. Abwägung mit der Religionsfreiheit aus Art. 4 GG und Verhältnismäßigkeit 10 2.3. Verfahren und Zuständigkeit eines Vereinsverbots 11 2.4. Folgen eines Vereinsverbots 11 3. Vorgehen im Wege des Strafrechts 11 4. Vorgehen im Wege des Versammlungsrechts 12 5. Vorgehen im Wege des Polizei- und Ordnungsrechts 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 4 1. Einleitung Der Verfassungsschutzbericht 2013 benennt eine Vielzahl von islamistischen Bewegungen, die in Deutschland aktiv sind. Aus diesen sticht der Salafismus als die „dynamischste islamistische Bewegung“, die zugleich einen starken Zuwachs verzeichnen kann, heraus.1 Kennzeichnend für den Salafismus ist eine streng rückwärts gewandte Auffassung des Islam und eine massive Propagandierung (so genannte Da’wa) dieser Ideologie.2 Der jihadistische Salafismus – eine der drei Hauptströmungen des Salafismus – sieht dabei Gewalt als legitimes Ziel zur Durchsetzung seiner gesellschaftlichen und politischen Ziele an.3 2. Grundrechtliche Gewährleistungen Trotz dieser Zielsetzungen besteht ein grundsätzlich umfassender grundrechtlicher Schutz solcher Glaubensinhalte. Der Salafismus selbst ist als Ausprägung des Islam eine Religion im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG4).5 Der Schutzbereich der Religionsfreiheit umfasst dabei unter anderem für seinen Glauben zu werben sowie andere von ihrem Glauben abzuwerben.6 Die „Da’wa“ als Form der Missionierung ist demnach hiervon geschützt. Auch geschützt ist das Recht, sich mit religiösen und weltanschaulich geprägten Positionen am politischen Diskurs zu beteiligen.7 Schließlich fällt in den Schutzbereich der Religionsfreiheit in seiner kollektiven Dimension auch die Freiheit, religiöse Überzeugungen in Gemeinschaft mit anderen zu betätigen, als auch die Freiheit, sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen.8 Demnach ist 1 Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 221, im Internet aufrufbar unter: www.verfassungsschutz.de/download/vsbericht-2013.pdf. 2 Salafismus in Deutschland, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste WD 1 - 3000 - 013/13, S. 4; Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 223. 3 Fn. 2, S. 7. 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478). 5 Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Eilentscheidung in dem Verbotsverfahren der „DawaFFM“ ohne nähere Ausführungen davon aus, dass der Salafismus eine Religion ist, die als solche von Art. 4 Abs. 1 GG geschützt ist: BVerwG, Beschluss vom 18.11.2013, Az. 6 VR 1.13, Rn. 11, abrufbar unter http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=181113B6VR1.13.0. 6 BVerfGE 24, 236 (245); 105, 279 (294). 7 Germann, in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 01.06.2014, Art. 4 Rn. 24.6; v. Campenhausen /de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage 2006, S. 58f. 8 BVerfGE 105, 279 (293f.). Die religiöse Vereinigungsfreiheit wird in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV wiederholt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 5 sowohl die Gründung salafistischer Vereinigungen als auch die Missionierungstätigkeit der Vereinigung grundrechtlich durch die Religionsfreiheit geschützt.9 Gleichwohl gilt dieser Grundrechtsschutz nicht schrankenlos. Zwar kennt die Religionsfreiheit (Art. 4 GG) – anders als z.B. die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) – keinen Gesetzesvorbehalt. Das Bundesverfassungsgericht erkennt jedoch in ständiger Rechtsprechung an, dass Eingriffe in die Religionsfreiheit durch kollidierendes Verfassungsrecht, insbesondere Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang, gerechtfertigt werden können.10 Die hierauf beruhenden einfachgesetzlichen Grenzen der Religionsfreiheit und damit die Handhabungsmöglichkeiten gegen salafistische Bestrebungen werden im Folgenden näher erläutert. In Betracht kommen dabei Vorschriften des Vereins-, Straf-, Versammlungs- und Polizeirechts. 3. Vorgehen im Wege des Vereinsrechts Es ist jedoch auch möglich, religiöse Vereine bzw. Religionsgemeinschaften zu verbieten. Die Voraussetzungen hierfür ergeben sich unmittelbar aus dem Grundgesetz, das das Verbot von Vereinen unter bestimmen Voraussetzungen vorsieht (Art. 9 Abs. 2 GG).11 Die Modalitäten eines Vereinsverbots werden im Vereinsgesetz (VereinsG)12 näher ausgeführt. Von Bedeutung ist dabei, dass das sog. Religionsprivileg (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG a.F.13) im Jahr 2001 abgeschafft wurde. Danach gelten nun auch Religionsgemeinschaften als Vereine im Sinne des Vereinsgesetz. Die Abschaffung des Religionsprivilegs ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch verfassungskonform.14 Diese Entwicklung erleichtert ein Verbot salafistischer Vereinigungen. Es ist nun unerheblich, ob diese Religionsgemeinschaften oder (religiöse ) Vereine sind. Von der Möglichkeit, salafistische Vereine zu verbieten, hat der Bundesminister des Innern bereits Gebrauch gemacht. So wurde am 14. Juni 2012 ein Verbot gegen den salafistischen Verein 9 Gegebenenfalls können einzelne Betätigungen den Schutzbereich der Religionsfreiheit verlassen. Jedoch ist ein solches Verhalten meist der Meinungs- (Art. 5 Abs. 1 GG), Versammlungs- (Art. 8 Abs. 1 GG) oder Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) zuzurechnen (Herzog, in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 27. Ergänzungslieferung 1988, Art. 4 Rn. 18). 10 BVerfGE 108, 282 (297) – Kopftuch (mit weiteren Nachweisen); Germann, Fn. 7, Art. 4 Rn. 50ff. 11 So das BVerwG, Urteil vom 25.01.2006 [Hizb ut-Tahrir], NVwZ 2006, 694f. mit weiteren Nachweisen. Nach einer anderen Ansicht findet Art. 9 Abs. 2 GG für Religionsgemeinschaften keine Anwendung. Diese Ansicht leitet jedoch inhaltsgleiche Verbotsgründe für Religionsgemeinschaften aus mit der Religionsfreiheit in Konflikt geratendem Verfassungsrecht ab, so dass im Ergebnis kein Unterschied besteht; vgl. Germann, Fn. 7, Art. 4 Rn. 59. 12 Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 05.08.1964, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3198). 13 § 2 Abs. 2 Nr. 3 aufgehoben mit Wirkung vom 08.12.2001 durch Gesetz vom 04.12.2001 (BGBl. I S. 3319). 14 BVerfG, Beschluss vom 02.10.2003 – Az. 1 BvR 536/03, Rn. 18ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 6 „Millatu Ibrahim“ und dessen Teilorganisation „an-Nussrah“ erlassen. Am 13. März 2013 wurden die Vereine „DawaFFM“ und „DawaTeam Islamische Audios“ verboten. „DawaFFM“ hat gegen das Verbot Klage zum Bundesverwaltungsgericht15 erhoben, die jedoch erfolglos blieb.16 Die weiteren Verbote sind bestandskräftig. 3.1. Vorliegen eines Vereins Voraussetzung für das Verbot eines Vereins ist das Besehen einer verbotsfähigen Vereinigung. Nach § 2 Abs. 1 VereinsG ist ein Verein ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Auf die zivilrechtliche Anerkennung als Verein (nach §§ 21 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB17) kommt es dabei nicht an.18 Von praktischer Bedeutung sind zwei Kriterien: Einerseits muss eine Vereinigung einen Zusammenschluss bilden. Dies setzt einen über ein nur faktisches Zusammenwirken hinausgehenden Vereinigungswillen voraus.19 Andererseits muss die Vereinigung zu einer organisierten Willensbildung in der Lage sein. Die Vereinigung muss über eine vom Willen der Einzelnen losgelöste und organisierte Gesamtwillensbildung verfügen, an deren Vorliegen gleichwohl nicht zu hohe Anforderungen zu stellen sind.20 Formale Kriterien, wie das Bestehen satzungsmäßiger Vereinsorgane , müssen nicht erfüllt sein. Auch ist unerheblich, ob die Beschlussfassung demokratisch oder hierarchisch organisiert ist. Es genügt bereits, wenn Aktivitäten der Gruppierung im Vorfeld mit einem höhergestellten Mitglied abgesprochen werden.21 Der Salafismus selbst ist an und für sich keine eigene strukturierte Organisation, sondern eine Geisteshaltung.22 Die praktische Schwierigkeit eines Verbots liegt daher in der Begründung der Vereinseigenschaft. Dieser Umstand wurde in dem Verbotsverfahren von „DawaFFM“ umfassend 15 Das Bundesverwaltungsgericht ist für Klagen gegen bestimmte Vereinsverbote erstinstanzlich zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 VwFGO). 16 Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in der Hauptsache zum Verbotsverfahren von „DawaFFM vom 14. Mai 2014, Az: 6 A 3.13, ist noch nicht veröffentlicht, vgl. zum Inhalt der Entscheidung die Pressemitteilung vom selben Tag: http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2014&nr=32. 17 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.07.2014 (BGBl. I S. 1218). 18 Groh, Kommentar zum Vereinsgesetz, 1. Auflage 2012, § 2 Rn. 3. 19 Groh, Fn. 18, § 2 Rn. 3. 20 Groh, Fn. 18, § 2 Rn. 9. 21 BVerwG, Beschluss vom 06.01.2014 – Az. 6 B 60.13, Rn. 14. 22 Fn. 2, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 7 thematisiert, wobei das Bundesverwaltungsgericht die Vereinseigenschaft bejahte.23 Im Übrigen lassen sich salafistische Bestrebungen wohl nur in Ausnahmefällen als Vereinigung einstufen. In Deutschland tätige Salafisten sind in einer Vielzahl von größtenteils in nur schwer zu durchschauenden und sich teilweise rasch verändernden Gruppen verbunden.24 Diese sind meist nur mit informellen Beziehungsmustern und informellen hierarchischen Strukturen ausgestattet und in nur locker verbunden Netzwerken organisiert.25 Gleichwohl treten immer wieder Vereinigungen auf, die sogar als eingetragener Verein organisiert sind, wie der Verein „Einladung zum Paradies (EZP)“, der sich unter anhaltendem Ermittlungsdruck im Jahr 2011 aufgelöst hat.26 Hingegen unterfallen Tätigkeiten von Einzelnen, die nicht als Verein organisiert sind, nicht dem Vereinsgesetz. Für diese greifen grundsätzlich nur allgemeine strafrechtliche Verbote (s. unten 3.). 3.2. Vorliegen eines Verbotsgrundes Soweit im Einzelfall das Vorliegen eines salafistischen Vereins bejaht werden kann, ergeben sich die Gründe, unter denen der Verein verboten werden kann, abschließend aus der Verbotsanordnung des Grundgesetzes (Art. 9 Abs. 2 GG) sowie dem Vereinsgesetz. Da die Vereinsfreiheit des Grundgesetzes als staatsbürgerrechtliches Grundrecht („alle Deutschen “) ausgestaltet ist, ergibt sich – jedenfalls mit Blick auf die rechtliche Ausgestaltung – ein Unterschied zwischen Vereinen von Deutschen bzw. EU-Bürgern27 einerseits und sonstigen Ausländern andererseits. Bei Vereinen, die auf der Leitungs- oder Mitgliederebene tatsächlich von Deutschen und/oder EU-Bürgern beherrscht werden (sog. Kontrolltheorie28), sind nur die Verbotsgründe nach Art. 9 Abs. 2 GG (i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG) einschlägig. Von Drittstaatsangehörigen beherrschte Vereine (sog. Ausländervereine, § 14 Abs. 1 S. 1 VereinsG) unterliegen auch weiteren Verbotsgründen nach § 14 Abs. 2 VereinsG. Daneben kann Vereinen mit Sitz im Ausland (sog. ausländische Vereine), deren Organisation oder Tätigkeit sich auf das Gebiet der Bundesrepublik erstreckt, die Tätigkeit in Deutschland untersagt werden (§ 15 VereinsG). Die Untersagungsgründe entsprechen den Verbotsgründen für Deutschenvereine, wenn der Verein von 23 Vgl. die Pressemitteilung zu dem noch nicht veröffentlichten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.05.2014, Az: 6 A 3.13, Fn. 16, sowie die zuvor ergangene einstweilige Anordnung in dieser Sache, BVerwG, Beschluss vom 18.11.2013, Az. 6 VR 1.13, Rn. 7f., abrufbar unter http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=181113B6VR1.13.0. 24 Fn. 2, S. 10. 25 Fn. 2, S. 10. 26 Fn. 2, S. 13. 27 EU-Ausländer sind Deutschen bezüglich der Vereinigungsfreiheit gleichzustellen. Vgl. dazu im Einzelnen Bauer , in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 3. Auflage 2013, Art. 3 Rdnr. 17 m.w.N.; differenzierend: Cornils, in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 01.06.2014 (Edition 21), Art. 9 Rdnr. 4. 28 BVerwG, Beschluss vom 16.07.2003 – 6 VR 10/02 [Al Aqsa], Rn. 7; Groh, Fn. 18, § 14 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 8 Unionsbürgern beherrscht wird (§ 15 Abs. 2 VereinsG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 GG) bzw. andernfalls denen von Ausländervereinen (§ 15 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 14 VereinsG). Da frühere Vereinsverbote auch bei Ausländer- und ausländischen Vereinen nicht auf § 14 Abs. 2 VereinsG, sondern stets auf die Gründe des Art. 9 Abs. 2 GG, gestützt wurden,29 wird an dieser Stelle darauf verzichtet, auch auf die besonderen einfachgesetzlichen Verbotstatbestände einzugehen . In der Praxis erweist sich ein Vereinsverbot, das auf die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG gestützt wird, als der sicherste Weg, da sich so Streitigkeiten über die oft schwierige Frage, ob der Verein tatsächlich von Unionsbürgern oder Drittstaatsangehörigen beherrscht wird, verhindern lassen.30 Danach können Vereine aus drei Gründen verboten werden: wenn ihre Tätigkeit oder ihr Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet (Art. 9 Abs. 2 GG). 3.2.1. Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Der Zweck und die Tätigkeit eines Vereins läuft den Strafgesetzen bereits dann zuwider, wenn durch die dem Verein zurechenbaren (vgl. hierzu § 3 Abs. 5 VereinsG) Absichten und Verhaltensweisen seiner Mitglieder Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden.31 Mit Blick auf den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch – StGB32) wird dieser Verbotsgrund zumeist bei rechtsextremistischen Vereinigungen herangezogen.33 Bezüglich der in Deutschland aktiven salafistischen Vereinigungen ergeben sich ähnliche Anknüpfungspunkte einer strafbaren Tätigkeit (s. unten 3.). Jedoch wurden die bereits ergangenen Verbote gegen salafistische Vereinigungen nicht hiermit begründet.34 3.2.2. Gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Ein Verein ist auch dann verboten, wenn sich seine Tätigkeit oder sein Zweck gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. 29 Vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 25.01.2006 [Hizb ut-Tahrir] = NVwZ 2006, 694 (696). 30 Vgl. insoweit auch das Urteil des BVerwG vom 03.12.2004 [Al Aqsa] = NVwZ 2005, 1435 (1435), in dem die Einordnung mit Verweis auf die stets geltenden Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG dezidiert offengelassen wurde. 31 Cornils, in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 01.06.2014, Art. 9 Rn. 25. 32 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. April 2014 (BGBl. I S. 410). 33 Groh, Fn. 18, § 3 Rn. 8. 34 Vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 14.06.2012, abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/06/vereinsverbot.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 9 Der Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung“ im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG ist eng zu verstehen und gleichbedeutend mit „freiheitlich demokratischer Grundordnung“.35 Das Bundesverfassungsgericht fasst hierunter die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten , die Menschenwürde, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit für alle Parteien und das Recht von Minderheiten auf Opposition.36 Die salafistischen Glaubensinhalte erscheinen als politische und gesellschaftliche Ansichten und Ziele mit diesen Grundprinzipien in vielfacher Weise unvereinbar sind.37 Darüber hinaus fordert der Verbotsgrund jedoch auch, dass der Verein sich gegen diese Grundwerte „richtet“. Dieses Merkmal ist, mit Blick auf die Meinungs- und Religionsfreiheit, nicht bereits dann erfüllt, wenn ein Verein die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt.38 Er muss seine verfassungsfeindlichen Ziele auch „kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen“39. Dies ist nicht erst bei Gewalttätigkeiten oder Rechtsverletzungen gegeben. Es genügt, wenn der Verein die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will.40 Im Fall „DawaFFM“ wurde als wesentlicher Anknüpfungspunkt hierfür die Rechtfertigung schwerer gewaltsamen Ausschreitungen und die mit dieser Billigung verbundenen Drohungen auch gegenüber staatlichen Stellen herangezogen.41 In einem anderen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Verein seine Mitglieder fortlaufend im Geiste seiner verfassungsfeindlichen Gesinnung schult und indoktriniert und damit Verfassungsfeinde schafft.42 Ebenso hat es darauf abgestellt, dass ein Verein gegenüber Personengruppen eine „menschenverachtende Intoleranz zum Ausdruck bringt“43, die zusammen mit der wenigstens stillschweigenden Aufforderung, diese Personen zu bekämpfen, mit der durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde unvereinbar ist. Folglich kann der Aufruf zum Kampf („Jihad“) jedenfalls dann als hinreichend aggressivkämpferische Handlung gesehen werden, wenn er nicht lediglich als jenseitig-religiöse Idee, sondern als Handlungsanreiz für ein verfassungswidriges Verhalten mit Bezug zum deutschen Staat 35 Cornils, Fn. 31, Art. 9 Rn. 26; Groh, Fn. 18, § 3 Rn. 14. 36 BVerfGE 2, 1 (12ff.). 37 Fn. 2, insbes. S. 8 unten, S. 9f. 38 Cornils, Fn. 31, Art. 9 Rn. 27; BVerfG, Beschluss vom 2.10.2003 [Kalifatstaat] = NVwZ 2003, 1482 (1483). 39 BVerwG, Urteil vom 05.08.2009 [Collegium Humanum] = NVwZ 2010, 446 (451). 40 BVerwG, Urteil vom 05.08.2009 [Collegium Humanum] = NVwZ 2010, 446 (451). 41 Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 14.06.2012, abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/06/vereinsverbot.html; BVerwG, Beschluss vom 06.01.2014 – Az. 6 B 60.13, Rn. 12. 42 BVerwG, Urteil vom 27.11.2002 – Az. 6 A 4.02 [Kalifatstaat]. 43 BVerwG, Urteil vom 27.11.2002 – Az. 6 A 4.02 [Kalifatstaat]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 10 aufgefasst werden kann. Auch eine Indoktrination in diesem Sinne genügt als Verbotsgrund. Die aktive Verfolgung der „Da’wa“44 dürfte in vielen Fällen daher als Verbotsgrund genügen. 3.2.3. Gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet Schließlich kann ein Verein auch dann verboten werden, wenn er sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Erforderlich ist hierfür, dass er durch seinen Zweck oder seine Tätigkeiten auf eine Störung des Friedens unter den Völkern abzielt.45 Die Rechtsprechung versteht dabei „richten“ hier nicht als „kämpferisch-aggressive“ Haltung, sondern stellt darauf ab, dass der Zweck oder die Tätigkeiten des verbotenen Vereins objektiv geeignet und subjektiv von dem Willen getragen sein müssen, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen.46 Hierunter hat das Bundesverwaltungsgericht z.B. die Leugnung des Existenzrechts eines anderen Staats und die Aufforderung zur gewaltsamen Beseitigung dieses Staats subsumiert.47 Auch die finanzielle Unterstützung von in Palästina ansässigen sog. Sozialvereinen, die der HAMAS zuzuordnen sind, über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang genügt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts hierfür.48 Die bisherigen Verbote salafistischer Vereinigungen (u.a. „Millatu Ibrahim“) wurden ebenfalls hierauf gestützt.49 Soweit salafistische Vereinigungen also des Ziel verfolgen, den globalen Jihad personell, finanziell oder ideell – insbesondere durch das Anwerben von Kämpfern – zu unterstützen,50 dürfte in der Regel ein Verbotsgrund gegeben sein. 3.2.4. Abwägung mit der Religionsfreiheit aus Art. 4 GG Jedes Verbot von religiösen Vereinen stellt einen Eingriff in deren Religionsfreiheit dar (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG). Die Religionsfreiheit kann jedoch durch das grundrechtliche Vereinsverbot (Art. 9 Abs 2 GG) eingeschränkt werden.51 Das Verbot eines religiösen Vereins ist nur dann gerechtfertigt, wenn in der nach dem Verhältnismäßigkeitsgebot52 notwendigen Abwägung das staatliche Interesse an dem Verbot des Vereins der Religionsfreiheit überwiegt. Dies ist nach der 44 Fn. 2, S. 12. 45 Groh, Fn. 18, § 3 Rn. 19. 46 BVerwG, Urteil vom 03.12.2004 [Al Aqsa] = NVwZ 2005, 1435 (1436ff.); BVerwG, Beschluss vom 08.08.2005 – 6 A 1/04, Rn. 24ff. 47 BVerwG, Urteil vom 25.01.2006 [Hizb ut-Tahrir] = NVwZ 2006, 694 ff. 48 BVerwG, Urteil vom 03.12.2004 [Al Aqsa] = NVwZ 2005, 1435 (1436). 49 Vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 14.06.2012, abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/06/vereinsverbot.html. 50 Fn. 2, S. 7f. 51 Vgl. dazu bereits oben S. 4f. 52 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 48. Ergänzungslieferung 2006, Art. 20, Rn. 107ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 11 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts jedoch in der Regel der Fall, wenn einer der Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG vorliegt.53 Die Religionsfreiheit steht nach dieser Rechtsprechung einem zulässigerweise auf Art. 9 Abs. 2 GG gestützten Vereinsverbot daher nur im Ausnahmefall entgegen. 3.3. Verfahren und Zuständigkeit zum Erlass eines Vereinsverbots Trotz der Formulierung des Art. 9 Abs. 2 GG: „Vereinigungen[…] sind verboten“ geht die absolut herrschende Lehre und Rechtsprechung davon aus, dass ein Vereinsverbot nicht ex constitutione wirkt, sondern der behördlichen Anordnung aufgrund des Vereinsgesetzes (§ 3 Abs. 1 VereinsG) bedarf.54 Zuständig für das Verbot ist der Bundesminister des Innern für Vereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VereinsG) – ansonsten die nach Landesrecht zuständige Behörde (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG). 3.4. Folgen eines Vereinsverbots Von einem Vereinsverbot umfasst werden – soweit nicht ausdrücklich ausgenommen – alle Organisationen , die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen, § 3 Abs. 3 S. 1 VereinsG). Entsprechend wurden in der Vergangenheit auch stets neben den Hauptvereinen deren Unterorganisationen (wie Jugend-Sparten) mit verboten. Darüberhinaus ist es verboten, sog. Ersatzorganisationen zu bilden, die die verfassungswidrigen Bestrebungen des verbotenen Vereins weiterverfolgen (§ 8 Abs. 1 VereinsG). Solche Ersatzorganisationen müssen jedoch entsprechend dem Ursprungsverein gesondert verboten werden (§ 8 Abs. 2 VereinsG). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung des Vereinsvermögens verbunden (§ 3 Abs. 1 S. 2, §§ 10-13 VereinsG). Schließlich ist jede Mitgliedschaft oder Unterstützung eines verbotenen Vereins unter Strafe gestellt (§ 85 StGB - Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot und § 20 Abs. 1 VereinsG). 4. Vorgehen im Wege des Strafrechts Einzelpersonen, nicht hingegen Vereine als Organisation,55 können durch salafistische Bestrebungen gegen Strafgesetze verstoßen. In Betracht kommen hier die Tatbestände der Volksverhet- 53 BVerfG, Beschluss vom 2.10.2003 [Kalifatstaat] = NVwZ 2003, 1482; BVerwG, Urteil vom 02.12.1980 [Wehrsportgruppe Hoffmann] = NJW 1981, 1796 (1798); BVerwG, Urteil vom 25.1.2006 [Hizb ut-Tahrir] = NVwZ 2006, 694 (696); diese Frage offen lassend BVerwG, Urteil vom 03.12.2004 [Al Aqsa] = NVwZ 2005, 1435 (1440). 54 Cornils, Fn. 31, Art. 9 Rn. 23. 55 Eine Strafbarkeit juristischer Personen bzw. von Organisationen kennt das deutsche StGB nicht; vgl. Joecks, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2011, Vorbemerkung zu § 25 Rn. 16ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 12 zung (§ 130 StGB), der Gewaltdarstellung (§ 131 StGB) und des Hochverrates gegen den Bund (§ 81 StGB). Der Tatbestand der Volksverhetzung kommt z.B. in Betracht, wenn sich salafistische Propaganda (gleich welcher Form) zur Gewalt und Vernichtung der Juden oder anderer Volks- oder Glaubensgruppen – gleich ob diese im Inland leben56 – aufruft oder diese in verachtender Weise herabwürdigt . Der Tatbestand der Gewaltdarstellung kann erfüllt sein, wenn durch Schriften – nicht jedoch alleine mündlich – Bilder oder Beschreibungen von Gewalttaten gegen Menschen verbreitet und die Gewalttaten dadurch verharmlost oder verherrlicht werden. Hieran ist zum Beispiel beim Zeigen von Aufnahmen aus dem Jihad zu denken, die in einer solchen Weise dargeboten werden. Schließlich kann in Ausnahmefällen auch der Tatbestand des Hochverrates greifen. Hierfür ist jedoch erforderlich, dass tatsächlich eine Gewalteinwirkung zur Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung stattfindet. Dies wird regelmäßig bei salafistischer Propaganda und auch der Aufforderung zum Jihad nicht der Fall sein. Alle vorgenannten Straftatbestände werden als so genannte Offizialdelikte von Amts wegen durch die Staatsanwaltschaft verfolgt (§ 160 Abs. 1 StPO57). Dabei hat jeder Bürger die Möglichkeit , eine Strafanzeige zu stellen. Erfährt die Staatsanwaltschaft von einem solchen Delikt, so ist sie verpflichtet, Ermittlungen anzustellen und ggf. Klage zu erheben (§ 160 Abs. 1 StPO). 5. Vorgehen im Wege des Versammlungsrechts Eine weitere Handhabe gegen salafistische Bestrebungen kann sich im Einzelfall aus dem Versammlungsrecht ergeben. Als Grundlage des Folgenden dient dabei das Versammlungsgesetz (VersG) des Bundes58, das – trotz der nunmehr entfallenen Bundeskompetenz – fortgilt (Art. 125 a Abs. 1 S. 1 GG). Danach können Versammlungen unter freiem Himmel verboten werden, wenn nach erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist (§ 15 Abs. 1 VersG). Mit Blick auf die bei einer Versammlung geäußerten Meinungen liegt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nur vor, wenn eine Strafnorm verletzt wird, die der Abwehr von kommunikativen Angriffen auf Schutzgüter der Verfassung dient.59 Nicht strafbewehrte Meinungsäußerungen können ein Versammlungsverbot hingegen nicht rechtfertigen.60 Salafistische Versammlungen können deshalb nicht alleine wegen nicht strafbaren verfassungsfeindlichen Äußerungen verboten werden (zur Grenze der Strafbarkeit vgl. oben 3.). 56 Rackow, in: Heintschel-Heinegg, Beck'scher Online-Kommentar StGB, Stand: 22.07.2013, § 130 Rn 13. 57 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 23. April 2014 (BGBl. I S. 410). 58 Gesetz über Versammlungen und Aufzüge in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978, zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366). 59 BVerfG, Beschluss vom 24.03.2001 = NJW 2001, 2069 (2071). 60 BVerfGE 111, 147 (154ff.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 178/14 Seite 13 Hingegen kann sich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung zwar nicht aus dem bloßen Inhalt von Äußerungen, jedoch aus besonderen, beispielsweise provokativen oder aggressiven, das Zusammenleben der Bürger konkret beeinträchtigenden Begleitumständen, ergeben.61 Dies zielt insbesondere auf ein martialisches, paramilitärisches und/oder besonders bedrohliches Auftreten von Versammlungsteilnehmern. Hierunter können wohl im Ausnahmefall auch größere salafistische Demonstrationen fallen, die auch durch eine einheitliche Kleidung, aggressive Sprechchöre, etc. ein solches besonderes Bedrohungsbild entfalten. Sind die Voraussetzungen für ein Verbot gegeben, kann dies verhängt werden (§ 15 Abs. 1 VersG) oder eine stattfindende Versammlung aufgelöst werden (§ 15 Abs. 3 VersG). Eine trotz eines Verbots stattfindende Versammlung ist aufzulösen (§ 15 Abs. 4 VersG). Zuständig für den Vollzug des Versammlungsrechts sind die durch Landesrecht bestimmten Sicherheitsbehörden; in Nordrhein-Westfalen sind dies beispielsweise die Kreispolizeibehörden.62 6. Vorgehen im Wege des Polizei- und Ordnungsrechts Schließlich kann auch das Polizei- und Ordnungsrecht der Abwehr salafistischer Bestrebungen im Einzelfall dienen. Das Polizeirecht unterliegt grundsätzlich der Regelungskompetenz der Länder . Exemplarisch sei als mögliche Eingriffsbefugnis § 38 Bundespolizeigesetz (BPolG)63 erwähnt, die Entsprechungen in den meisten Landesgesetzen findet. Diese erlaubt es der Bundespolizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort zu verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Orts zu verbieten (so genannter Platzverweis). Der Gefahrbegriff entspricht jedoch weitgehend dem des Versammlungsrechts (vgl. § 14 Abs. 2 S. 1 BPolG). Entsprechend können Personen, die z.B. in Innenstädten für den Salafismus oder den Jihad werben, erst dann mit einem Platzverweis belegt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sie gegen Strafgesetze verstoßen. 61 BVerfG, Beschluss vom 24.03.2001 = NJW 2001, 2069 (2071). 62 Nach § 10 S. 2 Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen - Polizeiorganisationsgesetz (POG NRW) - in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.07.2002, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.06.2013 (GV. NRW. S. 375). 63 Gesetz über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz) vom 19.10.1994, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.06.2013 (BGBl. I S. 1602).