© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 174/16 Zulässigkeit einer Fraktionsspaltung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Es würden dadurch in einem Parlament zwei selbständige Fraktionen entstehen, deren Mitglieder jedoch derselben Partei angehören („zwei Fraktionen derselben Partei“).1 Für die rechtlichen Grundlagen wird nachfolgend im Wesentlichen auf Bundesrecht, insbesondere das Grundgesetz und die Geschäftsordnung des Bundestags, verwiesen, wobei die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften davon jedenfalls nicht grundlegend abweichen.2 Da das Gutachten kurzfristig erstellt werden sollte, konnte die Untersuchung nur im Rahmen einer summarischen Prüfung der aufgeworfenen Frage erfolgen. 2. Erläuterungen Soweit ersichtlich haben bisher weder das Bundesverfassungsgericht noch eines der Landesverfassungsgerichte die vorliegende Frage entschieden. Das Bundesverfassungsgericht leitet das Recht der Abgeordneten zur Bildung einer Fraktion aus ihrem freien Mandat ab. Das freie Mandat kann von der Geschäftsordnung des Parlaments eingeschränkt werden (dazu unten Ziff. 2.1.). Neben den Regeln der Geschäftsordnung über die Fraktionsbildung, ist das Verbot der Fraktionsmehrung anerkannt (dazu unten Ziff. 2.2.). Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Verbot auch dann gilt, wenn sich ein Teil einer Fraktion im Dissens abspaltet und eine eigenständige Fraktion gründen will („Fraktionsspaltung“, dazu unten Ziff. 2.3.). 2.1. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Fraktionsbildung Das Grundgesetz trifft keine Regelung über die Bildung von Fraktionen. Art. 53a Abs. 1 GG, in dem sich die Vorgaben für die Zusammensetzung des Gemeinsamen Ausschusses finden, setzt die Existenz von Fraktionen im Bundestag lediglich voraus. In den Landesverfassungen ist dies unterschiedlich geregelt.3 Teilweise sind dort auch die Voraussetzungen zur Bildung von Fraktionen festgelegt.4 1 Ein konkreter Fall ist jüngst in Baden-Württemberg aufgetreten. Dort haben 13 Abgeordnete die Fraktion der AfD verlassen und eine eigenständige Fraktion gegründet. Ihre Mitgliedschaft in der AfD haben sie jedoch beibehalten. Siehe dazu die Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6. Juli 2016, online abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/baden-wuerttemberg-afd-chef-meuthen-gruendet-neue-fraktion- 14327071.html. 2 Zum Beispiel findet sich im Landesrecht von Baden-Württemberg die Regelung zum freien Mandat (Art. 38 Abs. 1 GG) in Art. 27 Abs. 3 Verf.BW und zu den Fraktionen (§ 10 GO-BT) in § 17 GO LT-BW. 3 Vgl. dazu ausführlich Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion – verfassungsrechtliche Vorgaben und gesetzliche sowie binnenrechtliche Ausgestaltung, 2008, S. 50 ff.; Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 182 ff. 4 Siehe z.B. Art. 40 BerlVerf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/16 Seite 5 Das Bundesverfassungsgericht5 und die verfassungsrechtliche Literatur6 leiten das Recht, Fraktionen zu bilden, aus dem freien Mandat der Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ab (Assoziierungsrecht der Abgeordneten). Das freie Mandat kann jedoch durch die Regeln der Geschäftsordnung (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG) eingeschränkt werden. Diese Einschränkung dient der Herstellung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit und damit der Erfüllung der Aufgaben des Parlaments.7 Die Voraussetzungen, die die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages an die Bildung von Fraktionen stellt, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.8 2.2. Regelungen zur Fraktionsbildung und Verbot der Fraktionsmehrung Für den Bundestag sind die Voraussetzungen für die Fraktionsbildung in § 45 Abs. 1 AbgG9 und in § 10 GO BT10 geregelt. In den Bundesländern finden sich Vorschriften dazu in der jeweiligen Landesverfassung, den Abgeordneten- oder Fraktionsgesetzen oder den Geschäftsordnungen der Landesparlamente.11 § 10 Abs. 1 Satz 1 GO BT bestimmt für den Bundestag: „Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages , die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen.“ Neben einer bestimmten Mindestanzahl von Abgeordneten setzt die Geschäftsordnung des Bundestages für die Fraktionsbildung somit auch die politische Homogenität der Fraktionsmitglieder voraus. Entsprechende Regelungen zur politischen Homogenität finden sich in der überwiegenden 5 BVerfGE 80, 188, 217 ff. – Wüppesahl; BVerfGE 84, 304, 322 ff. – PDS/Linke Liste; BVerfGE 93, 195, 203 f. – Ausschluss aus einem Untersuchungsausschuss, jeweils m.w.N. 6 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 301 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 60. Ergänzungslieferung (Stand: Oktober 2010), Art. 38 Rdnr. 241; Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion – verfassungsrechtliche Vorgaben und gesetzliche sowie binnenrechtliche Ausgestaltung, 2008, S. 83; Badura, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 132. Aktualisierung (Stand: Februar 2008), Art. 38 Rdnr. 89; Morlok, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band 2, 3. Auflage 2015, Art. 38 Rdnr. 184, Risse/Witt, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz Handkommentar, 11. Auflage 2016, Art. 38 Rdnr. 24. 7 BVerfGE 80, 188, 218 f. – Wüppesahl. 8 BVerfGE 84, 304, 322 – PDS/Linke Liste. 9 Abgeordnetengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 (BGBl. I S. 326), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2014 (BGBl. I S. 906) geändert worden ist. 10 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1980 (BGBl. I S. 1237), die zuletzt durch Beschluss d. Bundestages vom 3. April 2014 geändert worden ist. 11 Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion – verfassungsrechtliche Vorgaben und gesetzliche sowie binnenrechtliche Ausgestaltung, 2008, S. 50 ff., S. 60 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/16 Seite 6 Zahl der Bundesländer (dieselbe Partei, von derselben Partei als Wahlbewerber aufgestellt).12 Die Voraussetzung der politischen Homogenität soll vermeiden, dass sich fraktionslose Abgeordnete, deren politische Auffassungen und Ziele voneinander abweichen, nur zu dem Zweck zusammenschließen , die Vorteile des Fraktionsstatus zu erlangen. Bei solchen heterogenen Fraktionen besteht die Gefahr, dass sie aufgrund der politisch abweichenden Auffassungen ihrer Mitglieder als Fraktion nicht arbeitsfähig sind.13 Daher wäre durch heterogene Fraktionen auch die Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments als Ganzes gefährdet, so dass die damit verbundene Einschränkung des Assoziierungsrechts gerechtfertigt ist.14 Neben diesen geschriebenen Voraussetzungen für die Fraktionsbildung besteht nach der herrschenden Meinung in der Literatur außerdem das ungeschriebene Verbot der Fraktionsmehrung. Nach dem Wortlaut der Vorschriften wäre es möglich, dass sich Fraktionen, die über eine ausreichende Zahl von Mitgliedern verfügen, in mehrere Fraktionen aufteilen (Fraktionsmehrung). Die Motivation für eine solche Teilung kann darin bestehen, die finanziellen und parlamentarischen Fraktionsrechte auf diese Weise für eine Partei zu vermehren. Der finanzielle Grundbetrag würde etwa zwei- oder mehrmals anfallen, die Rederechte und sonstigen Mitwirkungsrechte würden sich vervielfältigen .15 Eine Fraktionsmehrung, die aus diesen Motiven erfolgt, wäre jedoch missbräuchlich und daher nach herrschender Meinung unzulässig.16 Die damit verbundene Einschränkung des Assoziierungsrechts der Abgeordneten ist schon aufgrund der missbräuchlichen Absicht gerechtfertigt . Somit haben politisch homogene Abgeordnete nur die Möglichkeit, sich zu einer Fraktion zusammenzuschließen.17 2.3. Möglichkeit der Fraktionsspaltung Die Teilung einer Fraktion und die Bildung von zwei Fraktionen durch politisch homogene Abgeordnete im Konsens ist somit nicht zulässig. Es ist aber auch möglich, dass sich eine Fraktion nicht im Konsens und nicht missbräuchlich zur Vermehrung der finanziellen und parlamentarischen 12 Siehe dazu Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion – verfassungsrechtliche Vorgaben und gesetzliche sowie binnenrechtliche Ausgestaltung, 2008, S. 57 ff. 13 Hölscheidt, Die Gruppe als Zwitterstatus, DÖV 2015, 266, 269 f.; ders., Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 418 f.; Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion – verfassungsrechtliche Vorgaben und gesetzliche sowie binnenrechtliche Ausgestaltung, 2008, S. 82. 14 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 419; für die Rechtslage im Europäischen Parlament entsprechend: EuG verb. Rs. T-222/99 u.a., Slg. 2001, II-02 823 – Martinez u.a./Parlament. 15 Vgl. zum ganzen Absatz: Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 406 f. 16 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 407; Butzer in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online- Kommentar GG, Stand: 01.03.2016 (Edition 28), Art. 38 Rdnr. 140; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 60. Ergänzungslieferung (Stand: Oktober 2010), Art. 38 Rdnr. 245; Klein/Krings, in: Morlok/ Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 1. Auflage 2016, § 17 Fraktionen, Rdnr. 11. 17 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 407. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/16 Seite 7 Fraktionsrechte teilt. Eine solche Teilung im Dissens und die Gründung einer weiteren Fraktion aus Mitgliedern derselben Partei werden auch als Fraktionsspaltung bezeichnet.18 Soweit auch eine solche Fraktionsspaltung verboten wäre, würde darin, wie in jeder Einschränkung des Assoziierungsrechts der Abgeordneten,19 ein Eingriff in das freie Mandat liegen. Das Verbot der Fraktionsmehrung rechtfertigt sich daraus, dass eine missbräuchliche Vervielfachung der Fraktionsrechte vermieden werden soll. Da bei einer Fraktionsspaltung die missbräuchlichen Motive entfallen, kommt dieser Rechtfertigungsgrund hier nicht in Betracht. Auch die höhere finanzielle Belastung des Parlamentshaushalts durch eine weitere Fraktion wird ein Verbot der Fraktionsspaltung wohl nicht rechtfertigen können. Das Assoziierungsrecht der Abgeordneten ist verfassungsrechtlich gesichert . Die Struktur der Zahlungen an die Fraktionen beruht auf einfachgesetzlichen oder sonstigen parlamentsinternen Regelungen. Da diese durch das Parlament selbst so geändert werden können, dass sich durch zwei Fraktionen einer Partei keine unangemessenen finanziellen Belastungen des Parlamentshaushalts ergeben, können sie die Einschränkung des Assoziierungsrechts nicht rechtfertigen. Rechtfertigende Gründe könnten allerdings in einer Verschiebung der Machtverhältnisse und der damit verbundenen Besserstellung einer Partei (mit zwei Fraktionen im Parlament) gesehen werden. Aus welchen Gründen die Fraktionsspaltung erfolgt, d.h. im Konsens oder im Dissens, macht nämlich in Bezug auf die damit verbundene Mehrung der parlamentarischen Fraktionsrechte keinen Unterschied. Werden die Rechte anderer Fraktionen dadurch beschnitten, z.B. durch entsprechende Kürzung der Redezeiten oder der Anzahl von Ausschlussvorsitzenden, geschieht dies unabhängig von den politischen Motiven der Mitglieder der neuen Fraktion. Zudem können sich aufgrund der spezifischen parlamentsrechtlichen Regeln besondere Rechte für zwei Fraktionen derselben Partei ergeben, die nur eine Fraktion nicht hätte. Dies wäre z.B. der Fall, wenn ein Untersuchungsausschuss nicht nur bei Erreichen eines bestimmten Quorums (etwa 25% der Stimmen des Parlaments), sondern auch auf Antrag von zwei Fraktionen eingesetzt werden muss. Verfügte die ursprüngliche Fraktion über dieses Quorum nicht, könnte sie nach Aufspaltung in zwei Fraktionen nunmehr dieses Recht wahrnehmen. Daraus würde sich eine erhebliche Machtverschiebung zugunsten der zwei Fraktionen ergeben. Die Wahrung der Rechte der anderen Fraktionen sowie der Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips 20 können aus diesen Erwägungen ein Verbot der Fraktionsspaltung rechtfertigen. Dabei kommt es jedoch auf die für das jeweilige Parlament geltenden Regeln und die sich aus der konkreten Fraktionsspaltung ergebende Verschiebung der Machtverhältnisse im Parlament bzw. die Einschränkung der Rechte der anderen Fraktionen an. Eine Fraktionsspaltung könnte allenfalls dann zulässig sein, wenn der politische Dissens unter den Fraktionsmitgliedern trotz identischer Parteimitgliedschaft dermaßen tiefgreifend ist, dass ihnen der Verbleib in der Fraktion nicht zugemutet werden kann. Es geht also um die Konstellation, dass aufgrund des Dissenses die Grundlage für die Fraktionsbildung, nämlich die politische Homogenität der Mitglieder, im Nachhinein wegfällt, auch wenn sich dies nicht auf die Parteimitgliedschaft auswirkt. Zwar steht es den Abgeordneten immer frei, die Fraktion zu verlassen. Soweit sie sich 18 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 48. 19 Vgl. oben S. 4 f. 20 Vgl. dazu Morlok, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band 2, 3. Auflage 2015, Art. 38 Rdnr. 187. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/16 Seite 8 nicht politisch umorientieren und sich einer anderen Fraktion anschließen, blieben sie dann aber fraktionslose Abgeordnete und könnten daher die besonderen Rechte einer Fraktion nicht wahrnehmen . Aus verfahrensrechtlicher Sicht und um Missbräuche auszuschließen, müsste der Dissens in der Fraktion in einem solchen Fall jedoch für Dritte offenkundig und so tiefgreifend und umfassend sein, dass von einer echten politischen Homogenität nicht mehr gesprochen werden kann. Den Nachweis, dass ein solcher Dissens tatsächlich vorliegt, hätten die Mitglieder der neuen Fraktion zu führen. Schließlich wollen sie den Fraktionsstatus für sich in Anspruch nehmen und auch nur sie verfügen letztlich über die fraktionsinternen Informationen und Dokumente, die den Dissens belegen können. Bei den in der Praxis nicht selten auftretenden Richtungsstreitigkeiten zu einzelnen Themen, so genannten Flügelkämpfen oder Personalstreitigkeiten dürfte ein solcher Dissens noch nicht anzunehmen sein. Liegt tatsächlich ein solcher politischer Dissens vor, sind die Assoziierungsrechte der betroffenen Abgeordneten gegen die Rechte der anderen Fraktionen sowie die Arbeitsfähigkeit des Parlaments abzuwägen. Setzen sich in dieser Abwägung die Rechte der betroffenen Abgeordneten im Einzelfall ausnahmsweise durch, wäre die Gründung einer zweiten Fraktion derselben Partei zulässig. In diese Abwägung könnte aus dem Blickwinkel der Funktionsfähigkeit des Parlaments möglicherweise auch der Aspekt einfließen, dass die parlamentarischen Einzelrechte und verwaltungsmäßigen Verfahren , die mit einer nicht unerheblichen Zahl von fraktionslosen Abgeordneten verbunden sind, die parlamentarische Arbeit stärker belasten als eine Fraktion. Insgesamt kann diese Gesamtabwägung aber nur im jeweiligen Einzelfall und unter Berücksichtigung der einschlägigen parlamentsrechtlichen Regelungen vorgenommen werden. 3. Ergebnis Auf der Basis der summarischen Prüfung ist im Ergebnis festzuhalten, dass die Antwort auf die Frage, ob eine zweite Fraktion derselben Partei in einem Parlament zulässig ist, von den rechtlichen Rahmenbedingungen in dem jeweils davon betroffenen Parlament und den Besonderheiten des Einzelfalles abhängt. In einer entsprechenden Prüfung wäre zunächst zu klären, welchen Einfluss die Gründung einer weiteren Fraktion auf die Rechte der anderen Fraktionen und die Machtverhältnisse im Parlament in dem konkreten Fall hat. Sind diese von der zweiten Fraktion ausgehenden Einschränkungen und Verschiebungen nicht nur unerheblich, dürfte im Grundsatz davon auszugehen sein, dass die Gründung einer zweiten Fraktion unzulässig ist. Dies könnte nur dann anders sein, wenn die Teilung der Fraktion auf einem offenkundigen und tiefgreifenden und umfassenden politischen Dissens beruht. In diesem Fall wäre die Gründung einer neuen Fraktion derselben Partei zulässig, wenn hier ausnahmsweise die Assoziierungsrechte der betroffenen Abgeordneten den Rechten der anderen Fraktionen und der Funktionsfähigkeit des Parlaments vorgehen. Ende der Bearbeitung.