© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Fragen zum Versorgungsausgleich Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Seite 2 Fragen zum Versorgungsausgleich Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Abschluss der Arbeit: 12.08.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung, WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht , Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Die Ausführungen unter den Ziffern 2.1. und 3.1. liegen in der fachlichen Verantwortung des Fachbereichs WD 7; die übrigen Ausführungen in der fachlichen Verantwortung des Fachbereichs WD 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Seite 3 1. Fragestellung Zum Versorgungsausgleich im Rahmen einer Ehescheidung wurden die folgenden Fragen aufgeworfen : 1. Wäre die ersatzlose Streichung des § 17 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG1) mit dem Grundgesetz und insbesondere mit dem Art. 14 GG vereinbar (dazu unten Ziff. 2.)? 2. Wäre das Ersetzen der externen Teilung in den im § 17 VergAusglG genannten Fällen – durch die Halbteilung des Rentenbetrags (Ehezeitanteil) oder – durch die Teilung aufgrund der Ermittlung gleichhoher Rentenbeträge aus dem Kapitalwert des Ehezeitanteils mit dem Grundgesetz vereinbar (dazu unten Ziff. 3.)? 2. Ersatzlose Streichung des § 17 VersAusglG 2.1. Rechtslage nach der Streichung des § 17 VersAusglG § 17 VersAusglG enthält eine Sonderregelung zur externen Teilung von Betriebsrenten für bestimmte betriebsnahe Versorgungsarten.2 Grundsätzlich ist nach dem VersAusglG die interne Teilung der Regelfall, da diese nach Auffassung des Gesetzgebers die hälftige Teilung während der Ehezeit erworbener Versorgungsansprüche (Halbteilungsgrundsatz) besser gewährleisten kann.3 In Abweichung von der internen Teilung kann ein Versorgungsträger ohne die Zustimmung der ausgleichsberechtigten Person im allgemeinen nur in engen Wertgrenzen die externe Teilung verlangen (§ 14 Absatz 2 Nr. 2 VersAusglG).4 § 17 VersAusglG erweitert den Spielraum für Versorgungsträger im betroffenen Bereich, indem er die Wertgrenzen wesentlich anhebt, unterhalb welcher eine Zustimmung des Versorgungsberechtigten entbehrlich ist.5 1 Versorgungsausgleichsgesetz vom 03.04.2009 (BGBl. I S. 700), zuletzt geändert durch Artikel 25 des Gesetzes vom 08.12.2010 (BGBl. I S. 1768). 2 Bergmann, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar VersAusglG, Stand: 01.05.2014, Edition: 31, § 17 Rdnr. 1. 3 Vgl. insoweit die Begründung des Gesetzentwurf zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs, BT-Drs. 17/10144, S. 37 re. Spalte, die sich der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Gesetzes zu eigen gemacht hat (BT-Drs. 16/11903, S. 52 re. Spalte, BT-Plenarprotokoll 16/205, S. 22182 [A]). 4 Zu Sinn und Zweck dieser Regelung vgl. nur Trips-Hebert, Versorgungsausgleich, Aktueller Begriff Nr. 65/08, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, 2008 (http://www.bundestag.btg/ButagVerw/W/Ausarbeitungen/Einzelpublikationen/Ablage/2008/Versorgungsausgl _1225179868.pdf). 5 Bergmann, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar VersAusglG, Stand: 01.05.2014, Edition: 31, § 17 Rdnr. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Seite 4 Ein ersatzloser Wegfall von § 17 VersAusglG bei ansonsten unveränderter Rechtslage hätte deshalb zur Folge, dass auch für die genannten Betriebsrenten für die Möglichkeit der nicht konsensualen externen Teilung die allgemeinen Wertgrenzen des § 14 Absatz 2 VersAusglG gelten würden. Die Versorgungsträger würden im Ergebnis bei Wegfall des § 17 VersAusglG in praxi wohl seltener die Möglichkeit haben, eine externe Teilung auch gegen den Willen der ausgleichberechtigten Person durchzusetzen und müssten die ausgleichsberechtigte Person mithin im Wege der internen Teilung fortan direkt berechtigen und betreuen. 2.2. Vereinbarkeit der Streichung mit dem Grundgesetz Der Halbteilungsgrundsatz ist eine notwendige Folge des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG) und des Schutzes der während der Ehe erworbenen Versorgungsansprüche (Art. 14 Abs. 1 GG).6 Diesem Grundrechtsschutz steht das Interesse der Unternehmen gegenüber, nicht mit zusätzlichen Verwaltungskosten für die Rentenansprüche betriebsfremder geschiedener Ehegatten belastet zu werden. Eine solche Belastung würde sich jedoch ergeben, wenn die externe Teilung nach § 17 VersAusglG ersatzlos entfallen würde und diese betrieblichen Rentenansprüche auch intern geteilt werden müssten. Es stellt sich daher die Frage, ob die betroffenen Unternehmen bei der ersatzlosen Streichung des § 17 VersAusglG in ihren Grundrechten verletzt wären. 2.2.1. Eingriff in den Schutzbereich der Grundrechte der Unternehmen Die Strukturreform des Versorgungsausgleichssystems im Jahr 2009 machte die interne Teilung zur Regel für die Teilung der Versorgungsansprüche von Ehegatten bei Ehescheidung (§ 9 Abs. 2 VersAusglG).7 Dies belastet die Versorgungsträger, da sie aufgrund der internen Teilung nunmehr auch die geschiedenen Ehegatten als Versorgungsberechtigte aufnehmen müssen, was mit erhöhten Verwaltungskosten bei gleichbleibenden Versorgungswerten verbunden ist.8 Nur bei den bereits erwähnten geringen Ausgleichswerten können die Versorgungsträger eine externe Teilung verlangen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG). Dadurch sollen unverhältnismäßige Verwaltungskosten für geringe Ausgleichswerte vermieden werden. 6 Die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG geben insoweit vor, dass die erworbenen Versorgungsansprüche hälftig zwischen den Eheleuten geteilt werden müssen. Siehe dazu BVerfGE 66, 324, 330 – Versorgungsausgleich ; BVerfGE 87, 348, 356 – Härten beim Versorgungsausgleich; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 01.06.2014, Edition: 21, Art. 6 Rdnr. 31; Bergner/Schnabel, Zur Notwendigkeit eines „Reparaturgesetzes“ zum Versorgungsausgleich und zu Verfahrensmöglichkeiten bis zu einer Rechtsänderung, Die Rentenversicherung – Sonderbeilage zu Heft 7/2011, S. 45. Der Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG geht in diesem Zusammenhang dahin, dass durch die gesetzliche Vorgabe, wie die Halbteilung durchzuführen ist, die erworbenen Versorgungsansprüche nur im Rahmen der Schrankenbestimmung des Grundrechts reduziert werden dürfen. Vgl. dazu: Bergmann, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck'scher Online- Kommentar VersAusglG, Stand: 01.05.2014, Edition: 31, § 11 Rdnr. 3. 7 Siehe zur historischen Entwicklung des Versorgungsausgleichssystems: Bergner/Schnabel, Zur Notwendigkeit eines „Reparaturgesetzes“ zum Versorgungsausgleich und zu Verfahrensmöglichkeiten bis zu einer Rechtsänderung , Die Rentenversicherung – Sonderbeilage zu Heft 7/2011, S. 3 ff. 8 Vgl. die Darstellung der Belastungen und Nachteile aus Sicht der Unternehmen bei Jäger, Halbteilungsgrundsatz bei externer Teilung von Direktzusagen im Versorgungsausgleich verletzt, FamRZ 2010, 1714. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Seite 5 Für Betriebsrenten aus einer Direktzusage oder einer Unterstützungskasse, d.h. für Rentenansprüche , die direkt von den Unternehmen verwaltet und gezahlt werden, wurden in § 17 Vers- AusglG deutlich höhere Wertgrenzen festgesetzt, bis zu denen das betroffene Unternehmen auf einer externen Teilung bestehen kann. Hintergrund für die Einführung dieser Begünstigung war, dass eine übermäßige Belastung der Unternehmen durch die Verwaltung der Ansprüche betriebsfremder Versorgungsempfänger (geschiedener Ehegatte) vermieden werden sollte.9 Der Gesetzgeber war bei der Einführung des § 17 VersAusglG der Auffassung, dass das mögliche Interesse der geschiedenen Ehegatten an der systeminternen Teilhabe hinter diesem Verschonungsinteresse der Unternehmen zurückstehen müsse.10 Würde nunmehr diese Begünstigung ersatzlos wegfallen, könnten die betroffenen Unternehmen nur noch im Rahmen der engen Wertgrenzen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG) auf einer externen Teilung bestehen. Im Übrigen müssten sie die Ehegatten, die eine interne Teilung verlangen, in ihr Betriebsrentensystem aufnehmen, was entsprechend höhere Verwaltungskosten verursachen würde. Daraus folgt – wie bei allen gesetzlichen Belastungen – in jedem Falle ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der betroffenen Unternehmen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG). Ob darüber hinaus auch in den grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m Art. 19 Abs. 3 GG) und des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 i.V.m Art. 19 Abs. 3 GG) der Unternehmen eingegriffen wird, ist hingegen fraglich. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ergibt sich dann, wenn sich eine staatliche Maßnahme unmittelbar und zielgerichtet auf die Ausübung des Berufes bzw. die Tätigkeit des betroffenen Unternehmens bezieht.11 Eine solche Zielrichtung hätte der Wegfall des § 17 VersAusglG jedoch nicht. Darüber hinaus kann ein Eingriff auch dann vorliegen, wenn die Regelung aufgrund ihrer mittelbaren oder tatsächlichen Auswirkungen in einem engen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit steht und daher zumindest objektiv berufsregelnde Tendenz hat.12 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht einen Eingriff in die Berufsfreiheit bei einer gesetzlich begründeten Kostenbelastung im Zusammenhang mit einer betrieblichen Altersversorgung (Abgaben zur Insolvenzsicherung nach dem Betriebsrentengesetz) abgelehnt, da diese Belastung nicht an den Beruf, das Gewerbe oder einen bestimmten Markt anknüpfe, sondern an die betriebliche Altersversorgung. Zwar möge dem eine unternehmerische Entscheidung zu Grunde liegen; ein enger Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs lasse sich dabei aber gerade nicht feststellen.13 Diese Argumentation ließe sich wohl auf die Streichung des § 17 VersAusglG übertragen , da auch diese gerade nicht auf den jeweiligen Beruf oder das Gewerbe der betroffenen Unternehmen, sondern nur auf die betriebliche Altersversorgung abstellt. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit wäre dann nicht gegeben. 9 Siehe die Begründung zum Gesetzentwurf des § 17 VersAusglG: BT-Drs. 16/10144, S. 60. 10 Ebenda. 11 Mann, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 12 Rdnr. 93 mit weiteren Nachweisen. 12 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 111, 191, 213 f. – Notarkassen, mit weiteren Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung. 13 BVerfG NVwZ 2012, 1535, 1536 - Insolvenzsicherung nach dem Betriebsrentengesetz. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Seite 6 Auch ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 1 GG) erscheint zweifelhaft . Die erhöhten Verwaltungskosten sind nicht dem Eigentum oder den gesicherten Rechtspositionen der betroffenen Unternehmen zuzuordnen. Sie gehören eher zu dem Bereich der Vermögens - und Gewinnerwartungen, die von der Eigentumsfreiheit gerade nicht geschützt sind.14 Auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfasst diese Verwaltungskostenbelastung wohl nicht. Diese Rechtsfigur, so man sie überhaupt als Rechtsgut der Eigentumsfreiheit ansieht,15 schützt das Unternehmen in seiner Gesamtheit jenseits der einzelnen Unternehmensgegenstände als betriebsfähige, organisierte Wirtschaftseinheit, die dem Unternehmer das Auftreten am Markt ermöglicht.16 Die Verwaltungskosten der Direktzusagen und Unterstützungskassen sind jedoch nur ein untergeordneter Teilaspekt eines Unternehmens und prägen nicht seinen Gesamtcharakter als Wirtschaftseinheit.17 Im Ergebnis kann an dieser Stelle offen bleiben, ob durch die Streichung des § 17 VersAusglG auch die Berufs- und Eigentumsfreiheit der Unternehmen betroffen wäre. Im Rahmen der Rechtfertigung des in jedem Falle gegebenen Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) müsste das Interesse des betriebsfremden geschiedenen Ehegatten und das Kosteninteresse des Unternehmens gegeneinander abgewogen werden. Eine entsprechende Abwägung wäre auch im Rahmen möglicher Eingriffe in die Berufs- und Eigentumsfreiheit vorzunehmen, so dass alle Grundrechtsprüfungen zu dieser Frage auf diese Abwägung hinauslaufen würden und die Argumentationslinien somit übertragbar wären. 2.2.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs Der Eingriff in die Grundrechte der Unternehmen durch die Streichung des § 17 VersAusglG wäre dann gerechtfertigt, wenn dieser auf einem Gesetz beruht, das den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Frage von besonderer Bedeutung, ob das Gesetz (hier die gesetzliche Streichung des § 17 VersAusglG) angemessen ist. Die Angemessenheit ist durch die bereits erwähnte Abwägung der widerstreitenden Interessen zu prüfen. Der Wegfall des § 17 VersAusglG wäre nur gerechtfertigt, wenn diese Abwägung ergibt, dass das Interesse der geschiedenen Ehegatten an einer internen Teilung gegenüber dem Kosteninteresse der Unternehmen doch – entgegen der Auffassung des Gesetzgebers bei Einführung des § 17 VersAusglG im Jahr 2009 überwiegt. 14 Wendt, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 14 Rdnr. 38 ff. mit umfangreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. 15 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage bisher ausdrücklich offen gelassen: BVerfGE 105, 252, 278 – Glykolwein ; BVerfG NVwZ 2009, 1426, 1428 - Einziehung einer öffentlichen Straße; BVerfG NJW 2010, 3501, Ls. 2 – „Gen-Milch“. 16 Axer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 01.06.2014, Edition: 21, Art. 14 Rdnr. 51. 17 Die Replik der Pensions-Beratungs-Gesellschaft mbH vom 22.01.2014 zur Initiativstellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zur Reform des Versorgungsausgleichs aus März 2013, „Die Abwälzung der Transferverluste auf den Arbeitgeber ist unzulässig“, geht leider nicht vertieft darauf ein, aus welchen Gründen die Verfasser davon ausgehen, dass bei Streichung von § 17 VersAusglG und verpflichtender interner Teilung der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG betroffen wäre (vgl. S. 5). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Seite 7 Es ist von verschiedenen Seiten, auch anhand von ausführlichen Beispielen, dargestellt worden, dass die externe Teilung von Versorgungsanteilen bei betrieblichen Direktzusagen und Unterstützungskassen zu einer erheblichen Benachteiligung des betriebsfremden geschiedenen Ehegatten führt.18 Diese Beispiele zeigen, dass der Ehegatte, dessen Versorgungsanteil aus dem Betriebsrentensystem auf einen externen Versorgungsträger übertragen wird (z.B. auf eine Versorgungsausgleichskasse oder die gesetzliche Rentenversicherung), einen Verlust von bis zur Hälfte der ihm nach dem Halbteilungsgrundsatz zustehenden Versorgung erleiden kann.19 Sind diese Beobachtungen zutreffend, kann dies gegen grundrechtlich geschützten Rechtspositionen des betriebsfremden Ehegatten verstoßen (Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 GG und 14 Abs. 1 GG20). Kann der Halbteilungsgrundsatz daher in der Praxis nicht eingehalten werden, muss dieses Ergebnis gegen das Kosteninteresse der betroffenen Unternehmen erneut abgewogen werden. In diesem Rahmen müsste vor allem der prognostizierte durchschnittliche Verlust des betriebsfremden Ehegatten bei externer Teilung der Kostenbelastung für das Unternehmen bei interner Teilung gegenübergestellt werden. Ein solcher Vergleich kann jedoch an dieser Stelle nicht vorgenommen werden, da den Verfassern weder der prognostizierte durchschnittliche Verlust des betriebsfremden Ehegatten noch die prognostizierte tatsächliche Kostenbelastung der Unternehmen bekannt ist. Ohne die entsprechenden Zahlen ist somit die Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht möglich. Folglich kann hier auch nicht entschieden werden, ob der Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Unternehmen bei Streichung des § 17 VersAusglG gerechtfertigt wäre. Allerdings wäre bei dieser Abwägung zu berücksichtigen, dass die widerstreitenden Interessen gegebenenfalls auch auf einem anderen Wege ausgeglichen werden können, durch den in die Grundrechtspositionen weniger stark eingegriffen wird. Statt einer ersatzlosen Streichung des § 17 VersAusglG wird in diesem Zusammenhang der Vorschlag gemacht, entweder die Bewertungsvorschrift des § 45 Abs. 1 VergAusglG zu verändern, um einen realistischeren Zinssatz für die Berechnung der Ansprüche herbeizuführen, oder die Grenzbeträge, bis zu denen eine externe 18 Jäger, Halbteilungsgrundsatz bei externer Teilung von Direktzusagen im Versorgungsausgleich verletzt, FamRZ 2010, 1714, Bergner/Schnabel, Zur Notwendigkeit eines „Reparaturgesetzes“ zum Versorgungsausgleich und zu Verfahrensmöglichkeiten bis zu einer Rechtsänderung, Die Rentenversicherung – Sonderbeilage zu Heft 7/2011, S. 43 f.; Ausschuss Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins, Initiativstellungnahme zur Reform des Versorgungsausgleichs , März 2013 (www.anwaltverein.de/downloads/stellungnahmen/DAV-SN21-13.pdf); Bergmann, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK VersAusglG, Stand: 01.05.2014, Edition: 31, § 17 Rdnr. 3; differenzierend: Replik der Pensions-Beratungs-Gesellschaft mbH vom 22.01.2014 zur Initiativstellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zur Reform des Versorgungsausgleichs aus März 2013, „Die Abwälzung der Transferverluste auf den Arbeitgeber ist unzulässig“. 19 Beispiele bei: Jäger, Halbteilungsgrundsatz bei externer Teilung von Direktzusagen im Versorgungsausgleich verletzt, FamRZ 2010, 1714, , Bergner/Schnabel, Zur Notwendigkeit eines „Reparaturgesetzes“ zum Versorgungsausgleich und zu Verfahrensmöglichkeiten bis zu einer Rechtsänderung, Die Rentenversicherung – Sonderbeilage zu Heft 7/2011, S. 43 f.; Ausschuss Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins, Initiativstellungnahme zur Reform des Versorgungsausgleichs, März 2013, S. 4 f., (www.anwaltverein.de/downloads/stellungnahmen/DAV-SN21-13.pdf). 20 Vgl. dazu die Nachweise oben in Fn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Seite 8 Teilung durchgeführt werden kann, herabzusetzen.21 Im Detail schlägt der Deutsche Familiengerichtstag zum milderen Ausgleich folgende Lösung vor: „Den widerstreitenden Interessen kann weitgehend dadurch Rechnung getragen werden, indem bei der Bewertung eines extern zu teilenden Anrechts (§ 17 VersAusglG und § 14 VersAusglG) ein modifizierter Zinssatz zu Grunde gelegt wird. Dieser kann anknüpfen an den Zins der Deckungsrückstellungsverordnung , geteilt durch 0,6. Mit der Division durch 0,6 wird der Ausgangswert und damit der marktübliche Zins wiederhergestellt. Allerdings wird voraussichtlich die Rechtsprechung allein das Problem nicht beheben können. Eine verbindliche Regelung ist erforderlich .“22 Ob dieser Vorschlag allerdings tatsächlich zu einem angemessenen Ausgleich führt, kann an dieser Stelle aufgrund der fehlenden Informationen und Berechnungsbasis ebenfalls nicht überprüft werden. 3. Ersetzen der externen Teilung durch Halbteilung des Rentenbetrags (Ehezeitanteil) oder durch die Teilung aufgrund der Ermittlung gleichhoher Rentenbeträge aus dem Kapitalwert des Ehezeitanteils 3.1. Rechtslage nach der Streichung des § 17 VersAusglG Für die Durchführung des internen Versorgungsausgleichs legt § 11 VersAusglG unter anderem fest, dass im Ergebnis „ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts“ entstehen müsse (§ 11 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 VersAusglG). Um zu erreichen, dass ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswertes entsteht, stehen dem Versorgungsträger drei unterschiedliche zulässige Berechnungsmodi zur Verfügung:23 Die Teilung erfolgt auf der Grundlage des Ausgleichswerts in Form des Deckungskapitals. Die Teilung erfolgt in Höhe der nominellen Hälfte der ehezeitlichen Rentenbeträge oder Bezugsgrößen . Die Teilung erfolgt in Höhe der Hälfte des Deckungskapitals. In dem Fall, dass eine externe Teilung aufgrund eines Wegfalls von § 17 VersAusglG nicht zulässig wäre, käme es nach dem VersAusglG ohnehin zur Anwendung der Bestimmungen zur internen Teilung und damit auch zur einfachgesetzlichen Statthaftigkeit einer der drei vorgenannten Berechnungsmodi. 21 Siehe die Stellungnahme der Versorgungsausgleichskommission des Deutschen Familiengerichtstags e.V., zur Initiativstellungnahme des Deutschen Anwaltvereins vom 18.06.2013, Ziff. 4 (http://www.dfgt.de/resources/SN- VA_Initiativstellungnahme%20des%20Deutschen%20Anwaltsvereins.pdf). 22 Ergänzende Stellungnahme des Deutschen Familiengerichtstags e.V. zur Initiativstellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins vom 29.11.2013 (http://www.dfgt.de/resources/SN- VA_Initiativstellungnahme%20des%20Deutschen%20Anwaltsvereins2.pdf). 23 Gräper, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 11 VersAusglG Rdnr. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 174/14, WD 7 – 3000 – 180/14 Seite 9 3.2. Verfassungsrechtliche Maßgaben für die Berechnungsvarianten Die Wahl der Berechnungsvariante muss verfassungsrechtlich sicherstellen, dass der Halbteilungsgrundsatz mit dem Ziel der hälftigen Teilung des in der Ehezeit erworbenen Versorgungswertes erfüllt wird. Wie schon im Zusammenhang mit der Streichung des Art. 17 VersAusglG dargestellt,24 folgt aus dem Eigentumsschutz (Art. 14 Abs. 1 GG) zugunsten der geschiedenen Ehegatten, dass die Art und Weise der Halbteilung nicht zu einem Wertverfall der erworbenen Versorgungsansprüche führen darf. Stellt sich in der Praxis heraus, dass eine der Berechnungsvarianten den Anforderungen an den verfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz nicht gerecht wird, dürfte diese Variante schon im Rahmen des § 11 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 VersAusglG keine Anwendung finden, da die Vorschrift vorgibt, dass bei der Teilung „ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts“ entstehen muss. Ist beabsichtigt, im Rahmen einer Streichung von § 17 VergAuglG eine der Berechnungsvarianten für die interne Teilung gesetzlich verbindlich vorzugeben, muss auch in diesem Zusammenhang abgewogen werden, welche der drei genannten Berechnungsvarianten die Interessen der Versorgungsberechtigten (geschiedene Eheleute) einerseits und das Kosteninteresse der Unternehmen andererseits einem möglichst für alle schonenden Kompromiss zuführt. Ob eine dieser Berechnungsvarianten in der Praxis den verfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz oder die Grundrechte der betroffenen Unternehmen verletzt, kann hier mangels ausreichender Informationen nicht festgestellt werden. 24 Vgl. oben Ziff. 2.2.