© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 171/17 Fragen zum Rechtsrahmen für das Tragen von Kopftüchern durch Lehrkräfte in Schulen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 171/17 Seite 2 Fragen zum Rechtsrahmen für das Tragen von Kopftüchern durch Lehrkräfte in Schulen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 171/17 Abschluss der Arbeit: 19. September 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 171/17 Seite 3 1. Fragestellung Vor dem Hintergrund der Diskussion über ein Kopftuchverbot für Lehrkräfte in Schulen wird gefragt, welche rechtlichen Grundlagen zur Erfassung von Daten in Personalakten im Beamten- und Personalrecht bestehen. Ferner wird gefragt, wie regelmäßige Abfragen der Verwaltung bei den Schulen bezüglich Lehrkräften mit Kopftuch im Verhältnis zum Bundesdatenschutzgesetz zu beurteilen sind. Abschließend soll auf die Frage eingegangen werden, ob zum Schutz der Religionsfreiheit eine bundeseinheitliche Regelung bezüglich des Tragens von Kopftüchern durch Lehrkräfte geschaffen werden kann. 2. Rechtsrahmen für die Erfassung von Daten in Personalakten im Beamten- und Personalrecht 2.1. Personalaktenrecht für Beamte Die Regelungen zum Personalaktenrecht ergeben sich für Beamte des Bundes aus § 50 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sowie dem Abschnitt „Personalaktenrecht“ des Bundesbeamtengesetzes (§§ 106 ff. BBG). Für Landesbeamte gelten § 50 BeamtStG und die Vorschriften des Beamtenrechts der Länder.1 Zu der für jeden Beamten zu führenden Personalakte gehören nach § 50 S. 2 BeamtStG „ alle Unterlagen, die die Beamtin oder den Beamten betreffen, soweit sie mit dem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen (Personalaktendaten)“.2 Für Bundesbeamte ist in § 106 Abs. 1 S. 5 BBG klargestellt, dass „andere Unterlagen“ in die Personalakte nicht aufgenommen werden dürfen. Angaben über die politische, weltanschauliche oder religiöse Überzeugung des Beamten dürfen ohne seine Zustimmung nur in die Personalakte aufgenommen werden, wenn ein anerkennenswertes rechtliches Interesse hieran vorhanden ist.3 Dabei sind an das rechtliche Interesse hohe Anforderungen zu stellen. Ein solches Interesse kann sich insbesondere aus § 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG bzw. aus § 60 Abs. 1 S. 3 BBG ergeben, wonach der Beamte verpflichtet ist, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. 1 Siehe statt vieler nur Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 12 Rn. 2 und 3. Als Beispiel für eine entsprechende Regelung des Landesbeamtenrechts siehe etwa Art. 102 Bayerisches Beamtengesetz : „Der Dienstherr darf personenbezogene Daten über Bewerber, Bewerberinnen, Beamte und Beamtinnen sowie ehemalige Beamte und Beamtinnen nur erheben, soweit dies zur Begründung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienstverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift dies erlaubt. Fragebogen, mit denen solche personenbezogenen Daten erhoben werden, bedürfen der Genehmigung durch die oberste Dienstbehörde.“ 2 Vertiefend zum Personalaktenbegriff Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 8. Aufl. 2017, S. 431 ff. 3 Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 12 Rn. 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 171/17 Seite 4 2.2. Personalaktenrecht für Angestellte im öffentlichen Dienst Das Personalaktenrecht für Angestellte im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen ist in § 3 Abs. 5 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), das für die Angestellten im öffentlichen Dienst der Länder in § 3 Abs. 6 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) geregelt.4 Zur Definition des Begriffs der Personalakte werden die beamtenrechtlichen Vorschriften sinngemäß herangezogen; Bindungswirkung besitzen die Vorschriften jedoch insoweit nicht.5 Die genannten Tarifverträge enthalten keine Details zur Personalaktenführung, sondern lediglich eine Kodifizierung der Einsichtnahme. Im Übrigen gelten die Grundsätze des Arbeitsrechts, insbesondere die Grundsätze der Vertraulichkeit, der Offenheit, der Vollständigkeit und der Wahrheit.6 3. Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes auf Abfragen der Landesschulverwaltung bei den Schulen zum Thema der kopftuchtragenden Lehrkräfte? Der Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) wird insbesondere durch dessen Adressatenkreis bestimmt. Der Adressatenkreis des BDSG ergibt sich dabei aus § 1 Abs. 2 BDSG. Die Regelung differenziert nach drei Gruppen von Regelungsadressaten: Öffentliche Stellen des Bundes (Abs. 2 Nr. 1), öffentliche Stellen der Länder (Abs. 2 Nr. 2) und nicht-öffentliche Stellen (Abs. 2 Nr. 3). Die vorliegende Fragestellung betrifft die Landesschulverwaltung, also öffentliche Stellen der Länder. Für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder gilt nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG das BDSG, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit die Stellen der Länder entweder Bundesrecht ausführen (a)) oder als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt (b)). Bei entsprechenden Abfragen der Landesschulverwaltung handelt es sich jedoch weder um ein Ausführen von Bundesrecht, noch werden die Stellen der Landesschulverwaltung insoweit als Organe der Rechtspflege tätig. Auf die Frage der Regelung des Datenschutzes durch Landesgesetz kommt es damit vorliegend nicht an.7 Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG für die Anwendung des BDSG sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Damit sind für entsprechende Abfragen der Landesschulverwaltung die Landesbeamtengesetze oder subsidiär die Landesdatenschutzgesetze maßgeblich.8 4 Siehe hierzu Müller/Preis, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 7. Aufl. 2009, S. 269. 5 Grimm, in: Groeger (Hrsg.), Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2010, S. 294. 6 Grimm, in: Groeger (Hrsg.), Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2010, S. 294 ff.; siehe auch Müller/Preis, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 7. Aufl. 2009, S. 267 ff. 7 Teilweise wird in der Literatur die Vorschrift auch als gegenstandslos angesehen, da in allen Bundesländern Landesdatenschutzgesetze in Kraft seien, siehe Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz , 12. Aufl. 2015, § 1 Rn. 19a. 8 Vgl. auch Ruge/Krömer/u.a., Lexikon Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2015, 8. Aufl. 2015, S. 202. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 171/17 Seite 5 4. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Regelung bezüglich des Tragens von Kopftüchern durch Lehrkräfte zum Schutz der Religionsfreiheit? Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen richtet sich in erster Linie nach den Grundregeln in Art. 30 GG und Art. 70 Abs. 1 GG. Danach haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zuweist. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich dabei nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung (Art. 70 Abs. 2 GG). Jedes Handeln des Bundes muss deshalb positiv kompetenzrechtlich belegt werden. Eine Ausnahme bilden lediglich die Fallgruppen der ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die jedoch als absolute Ausnahme nur mit größter Zurückhaltung anzuerkennen sind.9 Weder aus den Regelungen des Grundgesetzes noch aus ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes ergibt sich jedoch eine Bundeskompetenz, die mit einer Grundrechtsbetroffenheit begründet wird. Auf die Argumentation des Schutzes der Religionsfreiheit kann daher im vorliegenden Fall eine bundeseinheitliche Regelung nicht gestützt werden. Soll sich die Regelung nicht nur auf Lehrkräfte in Schulen beschränken, sondern für alle Beamten gelten, kommt – vorbehaltlich der materiellen Verfassungsmäßigkeit – eine Regelung im BeamtStG in Betracht, gestützt auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG für die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern (mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung).10 Als Anknüpfungspunkt könnte insoweit die Regelung des § 34 S. 4 BeamtStG dienen: „Sie [die Beamtinnen und Beamten] dürfen ihr Gesicht bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.“ Zu betonen ist aber, dass eine Regelung im Beamtenstatusgesetz unmittelbar nur Beamte und nicht Angestellte im öffentlichen Dienst erfasst. Für spezifisch auf Lehrkräfte (unabhängig ob Beamte oder Angestellte) zugeschnittene Regelungen – wie sie in einigen Bundesländern auch bereits existieren – greift die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Schulrecht. Es bleibt den Ländern unbenommen, sich untereinander abzusprechen und – wiederum vorbehaltlich der materiellen Verfassungsmäßigkeit – identische Regelungen und damit im Ergebnis eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen. *** 9 Bei den ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes handelt es sich um die Bundeskompetenz kraft Natur der Sache, die Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhang und die Annexkompetenz des Bundes; siehe hierzu Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 70 Rn. 29 ff. 10 Vgl. BT-Drs. 18/11180, S. 10.