Staatsvertrag zum Glücksspielwesen - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 171/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Staatsvertrag zum Glücksspielwesen Ausarbeitung WD 3 - 171/07 Abschluss der Arbeit: 29.05.2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 3 2. Einige grundsätzliche Anmerkungen 3 3. Die Auswirkungen des Binnenmarktes und der Rechtsprechung des EuGH 4 3.1. Das Urteil in Sachen Gambelli 4 3.2. Die Schlussanträge in Sachen Gambelli 6 3.2.1. Ziel der Beschränkung 6 3.2.2. Eindämmung des Spieltriebes 6 3.3. Urteil in Sachen Placanica 7 3.4. Urteil in Sachen Lindman 8 3.5. Kriterium der Konsistenz der Glücksspielregelungen 8 3.6. Haltung der EU Kommission 8 4. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 9 5. Anforderungen an den Staatsvertrag 11 6. Zusammenfassende Bewertung 13 - 3 - 1. Einleitung Im Auftrag wurde um Prüfung des Entwurfes des Staatsvertrages zum Glückspielwesen (Glücksspielstaatsvertrag-GlüStV) in Deutschland (Fassung vom 14.12.2006) gebeten. Es wurde insbesondere gefragt, ob der Entwurf verfassungs- und europarechtskonform ist. 2. Einige grundsätzliche Anmerkungen Glücksspiele sind in Deutschland grundsätzlich verboten. Der Gesetzgeber will das Spielen gleichwohl nicht völlig verbieten, sondern die Spielsucht der Menschen „kanalisieren und in geordnete Bahnen lenken“. Dies ergibt sich aus § 1 des Staatsvertrages der Länder zum Lotteriewesen – LottStV) vom 22.6.2004, der am 30.6.2004 in Kraft getreten ist.1 Im Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages findet sich eine ähnliche Formulierung . Danach ist u.a. Ziel des Staatsvertrages den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, übermäßige Spielanreize zu vermeiden, aber auch sicherzustellen, dass ein erheblicher Teil der Einnahmen aus Glücksspielen2 zur Förderung öffentlicher oder steuerbegünstigter Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verwendet werden. Die Aufgabe des staatlichen Glücksspielmonopols liegt in der Bereitstellung von Lotterien, Sportwetten und Spielbanken, wobei dieses Betätigungsfeld zu den ertragreichsten des öffentlichen Wirtschaftslebens zählt. Dennoch ist die Veranstaltung von Glücksspielen an sich unerwünscht und gehört zum Recht der Gefahrenabwehr. Die Wahrnehmung der Gefahrenabwehraufgabe fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder.3 Die Bundesländer haben teilweise Gesetze über die Veranstaltung von Glücksspielen erlassen. Privaten Anbietern ist die Ausrichtung von Glücksspielen – unter Strafandrohung - verboten , sofern sie nicht über eine von den Bundesländern vergebene Konzession verfügen . Eine solche ist jedoch aufgrund der hohen Genehmigungsanforderungen nahezu nicht zu erlangen. Im Rahmen der Genehmigungsvoraussetzungen muss die Veranstaltung , Durchführung und gewerbliche Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen mit 1 http://www.recht.nrw.de/gesetze/Gesetz5279/index.php (zuletzt abgerufen 26.7.05) 2 Zu den unterschiedlichen Glücksspielen und dem Glücksspielrecht in Deutschland siehe WF III - 043/05. 3 WF III - 043/05. - 4 - den Zielen des Lotteriestaatsvertrages übereinstimmen. Häufig scheitert eine Genehmigung an dem erforderlichen hinreichenden öffentlichen Bedürfnis für die geplante Lotterieveranstaltung . Ein solches wird noch nicht durch eine erwartete Nachfrage, sondern vielmehr durch die Notwendigkeit zur Eindämmung und Kanalisierung des Spieltriebes begründet.4 Eine Ausnahme von der Regel des Staatsmonopols stellen vier private Anbieter dar, die Konzessionen von DDR Sportwettenanbietern erhielten.5 Bei der Wiedervereinigung erhielten diese Konzessionen Bestandsschutz.6 Problematisch ist, dass durch Internet- Anbieter und Anbieter, welche eine ausländische Genehmigung besitzen, das staatliche Glücksspielmonopol zunehmend unterlaufen wird. 3. Die Auswirkungen des Binnenmarktes und der Rechtsprechung des EuGH Das Glücksspiel und das Angebot von Sportwetten sind Dienstleistungen und unterfallen den Bestimmungen des EG – Vertrages. Dies ergibt sich aus Art. 43, 49 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) und den Entscheidungen des EuGH vom 24.3.1994 (Schindler - Urteil Rs. C-275/92) und 21.9.1999 (Läärä - Urteil Rs. 124/97), 21.10.1999 (Senatti - Urteil, Rs.97/98) und 6.11.2003 (Gambelli - Urteil Rs. 243/01) und 6. März 2007 (Placania - Urteil, Rs. C-338/04). In diesen Entscheidungen hatte der EuGH festgestellt, dass die Veranstaltung von Lotterien und Sportwetten dem europäischen Dienstleistungsbegriff unterfällt. 3.1. Das Urteil in Sachen Gambelli In dem sog. Gambelli - Urteil des Europäischen Gerichtshofes hatte dieser zu prüfen, ob das Sammeln und Weiterleiten von Wetten via Internet für einen englischen Buchmacher , der in Italien keine staatliche Konzession hält, in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 49 EGV fällt und daher gegebenenfalls die italienischen Strafvorschriften zurückzutreten hätten. 4 P.J. Tettinger, DVBl. 2000, 868 ff. (872). 5 Laut Spiegel (3/2004, S. 64) handelt es sich um die Firmen bet-and-win e.K., Neugersdorf; digibet wetten.de AG, Berlin; DSG Deutsche Sportwett-Gesellschaft mbH, Dresden und Sportwetten GmbH, Gera. 6 Siehe hierzu WF III - 043/05, S. 16. - 5 - Eine Beschränkung der EG-Grundfreiheiten kann nach ständiger Rechtsprechung des EuGH durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden.7 Voraussetzung hierfür ist, dass die beschränkende Regelung geeignet, nicht - diskriminierend und verhältnismäßig ist. Die Gründe, die die Mitgliedstaaten für die Reglementierung des Glücksspielwesens vorbringen, müssen sich dem Verbraucherschutz und dem Schutz der Sozialordnung zuordnen lassen.8 Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu entscheiden, auf welche Weise sie den Bürgern Schutz vor dem vom Glücksspiel ausgehenden Gefahren gewähren wollen.9 Beschränkungen sind demnach zulässig, wenn sie in erster Linie wirklich dem Ziel dienen, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern. Die Finanzierung sozialer Aktivitäten darf nur eine erfreuliche Nebenfolge des Hauptziels der Gefahrenabwehr, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein. 10 Nach der Entscheidung im Fall Gambelli11 bleibt die Kompetenz der Vertragsstaaten unberührt, aus überragend wichtigen Gründen des Gemeinwohls die Durchführung von Glücksspiel unter Vorbehalt zu regeln.12 Den Mitgliedstaaten kommt dabei ein weiter Beurteilungsspielraum zu, um festzustellen, ob und welche Mechanismen erforderlich sind. Selbst ein Totalausschluss privater Veranstalter kann verhältnismäßig sein.13 Der EuGH setzt sich mit dem Gambelli - Urteil nicht in Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung, er führt aber aus, dass eine Begrenzung des Glücksspiels durch nationale Bestimmungen nur dann zulässig sei, wenn diese in erster Linie dem Ziel dienten, die Gefahren des Glücksspiels zu verringern und die fiskalischen Interessen nur eine Nebenfolge seien.14 7 EuGH - Urteil vom 24.3.1994 (Schindler Urteil Rs. C-275/92) und 21.9.1999 (Läärä Urteil Rs. 124/97), 21.10.1999 (Senatti-Urteil, Rs.97/98) und 6.11.2003 (Gambelli-Urteil Rs. 243/01). 8 EuGH –Rs.-C-275/92 (Schindler) EWS 1994, 204. 9 EuGH, EuZW 2000,148 (Läärä). 10 EuGH Rs. C-243/01, NJW 2004,139. 11 EuGH Rs. C-243/01, NJW 2004,139. 12 H. Rüping, JZ 2005,238. 13 P.J.Tettinger, DVBl. 2000, 876. 14 EuGH Rs. C-243/01, NJW 2004,139. - 6 - 3.2. Die Schlussanträge in Sachen Gambelli Zusätzlich zu den Kriterien des Urteils in Sachen Gambelli sollten bei einer Prüfung der Europarechtskonformität des Entwurfes des Glücksspielstaatsvertrag die Argumente des Generalanwaltes Alber beim Europäischen Gerichtshof einbezogen werden. Nach Art.222 Satz 2 EGV ist es Aufgabe der Generalanwälte öffentlich und in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen. 3.2.1. Ziel der Beschränkung In seinen Schlussanträgen in Sachen Gemelli hatte der Generalanwalt herausgearbeitet, dass es a priori nicht zu beanstanden sei, wenn ein Mitgliedstaat den Glücksspielmarkt durch ein Konzessionssystem reglementiert. Ausländische Wirtschaftsteilnehmer müssten sich jedoch wie Inländer um die Konzessionserteilung bewerben können.15 Der Generalanwalt formulierte jedoch auch tiefgehende Zweifel an der Zulässigkeit von nationalen beschränkenden Vorschriften.16 Beschränkungen müssen den Allgemeininteressen entsprechen. Die Beschränkungen müssen zur Erreichung der verfolgten Ziele (Eindämmung der Spiellust, Ausschaltung der Risiken, Abführung der Gewinne zu gemeinnützigen Zwecken) geeignet sein. So ist auch zu prüfen, ob die möglicherweise vom Veranstalter ausgehenden Gefahren durch Kontrollen bei der Zulassung und durch Überwachung des Spielbetriebes zu begegnen sind. Im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit ist es problematisch, wenn ausländische Bewerber ausgeschlossen werden. Aus diesem Grunde muss es nach Ansicht des Generalanwaltes ausreichen, wenn ein Veranstalter eines anderen Mitgliedsstaates die dortigen Regelungen erfülle.17 3.2.2. Eindämmung des Spieltriebes Hinsichtlich des Ziels der Eindämmung der Spielleidenschaft stellt der Generalanwalt fest, dass das Verhalten des Spielveranstalters insgesamt berücksichtigt werden müsse, um zu überprüfen, ob er dieses Ziel wirklich verfolge. Dies sei zum Beispiel durch die Anzahl der vergebenen Konzessionen möglich. Auch der Art der Werbung 15 Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber vom 13.3.2003 Rs C-243/01 (Gambelli); Rdnr. 87. 16 Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber vom 13.3.2003 Rs C-243/01 (Gambelli); Rdnr. 98. 17 Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber vom 13.3.2003 Rs C-243/01 (Gambelli) Rdnr.118. - 7 - kommt Bedeutung zu. So ist nach Ansicht von Alber18 aggressive Werbung dazu bestimmt , die Spiellust zu wecken und zu fördern. Es sei darüber hinaus fraglich, ob für die Mitgliedsstaaten die schädlichen Auswirkungen für die Spieler überhaupt im Mittelpunkt ständen, denn in ihren Stellungnahmen zu einer Liberalisierung des Glücksspielmarktes fürchteten die Vertreter der Mitgliedsstaaten insbesondere die wirtschaftlichen Einbußen.19 Die positiven finanziellen Auswirkungen des Glücksspiels für den Staatshaushalt sind kein Argument, die den Ausschluss vom Glücksspielmarkt von Veranstaltern aus anderen Mitgliedsstaaten rechtfertigen.20 3.3. Urteil in Sachen Placanica Der Europäische Gerichtshof hat sich am 6. März 2007 erneut mit den Fragen der Glücksspielregelungen befasst.21 Das Urteil enthält drei Kernaussagen: Eine nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, ohne eine von dem betreffenden Mitgliedstaat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung verbietet, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 EG und 49 EG dar. Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob die nationale Regelung, soweit sie die Anzahl der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer begrenzt, tatsächlich dem Ziel entspricht, der Ausbeutung von Tätigkeiten in diesem Sektor zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Die schädlichen Folgen von Glücksspiel und Wetten rechtfertigen eine Beschränkung der Handelsfreiheiten des EG-Vertrages,22 jedoch müssen diese Beschränkungen verhältnismäßig sein und dem Anliegen gerecht werden, die Gelegenheit zum Spiel zu begrenzen. 18 Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber vom 13.3.2003 Rs C-243/01 (Gambelli) Rdnr.121. 19 Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber vom 13.3.2003 Rs C-243/01 (Gambelli) Rdnr.126. 20 Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber vom 13.3.2003 Rs C-243/01 (Gambelli) Rdnr.126. 21 Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 6.März 2007 (Rs. C-338/04 ). 22 Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 6. März 2007 (Rs. C-338/04), Rnr. 47. - 8 - 3.4. Urteil in Sachen Lindman Am 7. Januar 1998 gewann eine finnische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Finnland 1 000 000 SEK bei der Ziehung einer Lotterie der Gesellschaft AB Svenska Spel, die in Stockholm (Schweden) stattfand. Sie hatte ihren Gewinnschein bei einem Aufenthalt in Schweden gekauft. Dieser Lotteriegewinn wurde im Rahmen der Einkommensteuer für das Jahr 1998 als steuerbares Erwerbseinkommen angesehen und höher besteuert als ein Lotteriegewinn in Finnland. In dem Urteil vom 13. November 200323 verlangt der Gerichtshof , dass Beschränkungen geeignet und verhältnismäßig sein müssen und dass die Mitgliedsstaaten hierzu eine Prognose abgeben müssen. 3.5. Kriterium der Konsistenz der Glücksspielregelungen Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH lässt sich feststellen, dass die Konsistenz der nationalen Regelung nur in Bezug auf den spezifischen Sektor zu prüfen ist. Daneben ist die Marktstrategie des staatlichen Veranstalters von Bedeutung. Hieraus folgt, dass man die Konsistenz und Kohärenz der der Regelung jeweils für Lotterien, Sportwetten, Casinospiele und die anderen Spielarten getrennt prüft. 3.6. Haltung der EU Kommission Die Kommission der Europäischen Union hat Anfang Juli 2005 erklärt, dass sie gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten wolle. Nach Ansicht der Kommission verstößt das staatliche Monopol bei Sportwetten in Deutschland gegen die Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt. Das Verfahren geht zurück auf eine Beschwerde des Dachverbandes privater europäischer Sportwettenanbieter.24 Im März 2007 hat die Kommission eine Stellungnahmen an drei Mitgliedstaaten gesandt, weil sie privatrechtlichen Anbietern von Sportwetten keine Genehmigungen erteilen. Das Vertragsverletzungsverfahren erfolgt in drei förmlichen Schritten: Zunächst ergeht ein „Aufforderungsschreiben“, in dem um Äußerung zu bestimmten Fragen gebeten wird; anschließend eine „mit Gründen versehene Stellungnahme“, in der bekräftigt wird, dass nach Auffassung der Kommission die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt; schließlich erfolgt die Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, der über die entsprechenden rechtlichen Verpflichtungen entscheidet. Diese Schritte können sich in einem weiteren Verfahren wiederholen, das sicherstellen soll, dass der Mitgliedstaat einem schon vom Gerichtshof erlassenen Urteil nachgekommen ist; andernfalls können finanzielle Sanktionen auferlegt werden. 23 Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13. November 2003 (Rs. C-042/02). 24 Siehe Handelsblatt 10.7.2005: EU will Sportwetten-Monopol brechen. - 9 - Für die Kommission sind die Bekämpfung der Spielsucht und die Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle und eines wirksamen Jugend- und Spieleschutzes zwingende Gründe des öffentlichen Interesses. Sie sind auch geeignet, Einschränkungen der Ausübung einer Grundfreiheit gemäß des EG - Vertrages zu rechtfertigen. Sie verweist jedoch darauf, dass der Europäische Gerichtshof in Sachen Lindman25 betont hat, dass die Gründe, die ein Mitgliedsstaat zur Rechtfertigung geltend macht, von einer Analyse der Eignung und Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Beschränkung begleitet werden müssen . Darüber hinaus bezweifelt die Kommission die Folgerichtigkeit des Internetverbotes von Lotterien und Sportwetten, weil es auf Glücksspiele, die nachgewiesener Massen eine höhere Gefahr der Spielsucht aufweisen (wie Glücksspielautomaten und Pferdewetten ), keine Anwendung finde. 4. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Seit dem so genannten Gambelli Urteil des EuGH fechten private Anbieter mehr und mehr ablehnende Verwaltungsgerichtsentscheidungen an und erhoben auch Verfassungsbeschwerde . Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich zuletzt im März 2006 mit dem Glücksspielrecht befasst.26 Nach Ansicht des BVerfG ist es mit Art.12 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar, dass nach dem Gesetz über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten (Staatslotteriegesetz) vom 29. April 199927 in Bayern Sportwetten nur vom Freistaat Bayern veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden dürfen, ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten. Gegen das staatliche Monopol hatte eine Buchmacherin geklagt, die im Jahr 1997 bei der Stadt München eine Genehmigung zur Veranstaltung und zur Vermittlung von Sportwetten an Veranstalter im EU-Ausland beantragt hatte. Nachdem ihr diese Genehmigung verweigert wurde, ging sie über mehrere Instanzen gerichtlich gegen die Stadt vor. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage im Jahr 2001 in letzter Instanz 25 Urteil des EUGH vom 13.11.2003 (Rs.C -42/02) . 26 Urteil BVerfG vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01) im Internet abrufbar unter: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg05-094.html 27 Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1999, S. 226. - 10 - ab und erklärte, dass das staatliche Monopol durch Gründe des Gemeinwohls, insbesondere die Verhinderung von Spielsucht und die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielablaufs, gerechtfertigt sei. In ihrer Verfassungsbeschwerde vertrat die Buchmacherin die Meinung, dass die staatliche Monopolisierung des Glücksspiels einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit darstelle. Die Gründe für das staatliche Glücksspielmonopol seien ein Vorwand, um die staatlichen Milliardeneinnahmen aus diesem Markt zu sichern. Der Staat schütze seine Bürger nicht vor der Spielsucht, da der staatliche Anbieter Oddset mit einem millionenschweren Werbeetat für die Teilnahme an Sportwetten werbe. Dieser Sichtweise schloss sich das Verfassungsgericht grundsätzlich an. Mit einem ordnungsrechtlich begründeten Wettmonopol wählt der Staat zur Begrenzung der Wettleidenschaft und zur Bekämpfung der Wettsucht ein Mittel, das über die bloße rechtliche Ordnung des Wettwesens, insbesondere durch die Normierung von Ge- und Verboten, hinausgeht. Der Staat selbst eröffnet eine Betätigungsmöglichkeit für das gefahrbehaftete Verhalten, nämlich die Teilnahme an erlaubten Glücksspielen. Gleichzeitig greift er in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ein, da privaten Buchmachern eine solche Betätigung untersagt wird. Zugleich ist es der Staat, dem aus der Veranstaltung von Wetten erhebliche finanzielle Einnahmen zufließen und der sich dies unter Verweis auf die Förderung von im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken, insbesondere in den Bereichen von Sport und Kultur , vorbehält. Die Einnahmeeffekte können aber dazu (ver)führen, dass der Staat die Zulassung von Wetten und das Eröffnen von Wettangeboten letztlich im Sinne einer Bewirtschaftung der Wettleidenschaft betreibt, indem die Wetten wie eine grundsätzlich unbedenkliche Freizeitbeschäftigung vermarktet werden. Die mit erheblichen Einnahmeeffekten für den Staat einhergehende Eröffnung eines Betätigungsfeldes für die in der Bevölkerung vorhandene Wettleidenschaft lässt nicht ohne weiteres eine konsequente und wirkliche Ausrichtung an der Bekämpfung und Begrenzung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten erkennen. Vielmehr muss sich dies in der rechtlichen wie tatsächlichen Ausgestaltung des Wettmonopols positiv ausdrücken. Gerade aus suchtmedizinischer Sicht wird insoweit auch im Rahmen staatlicher Glücksspielmonopole eine aktive Prävention gefordert, insbesondere durch angebotsimmanente - 11 - Aufklärung, Früherkennung problematischen Spielverhaltens und Förderung der Motivation zur Verhaltensänderung.28 Das Verfassungsgericht hat an dem Gesetz über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten (StaatslotterieG) vor allem kritisiert, dass dieser nahezu ausschließlich Bestimmungen zur Zuständigkeit und Organisation enthalte. Hauptzweck für die Errichtung eines staatlichen Wettmonopols ist die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht. Nach Auffassung des BVerfG haben verschiedene Studien nachgewiesen , dass Glücksspiele und Wetten zu krankhaften Suchtverhalten führen können. Jedoch haben die unterschiedlichen Glücksspielformen ein unterschiedliches Suchtpotential . Als besonders suchtgefährend gelten Glücksspielautomaten in Gaststätten und Casino-Spiel. Wie groß das Suchtpotential vom Sportwetten ist, ist ungeklärt.29 Die inhaltlichen Anforderungen an staatliche Lotterien und Wetten beschränkten sich auf Vorgaben zur Ausschüttung von Spielkapital und auf die Definition von Spieleinsatz Es sei deshalb nicht ausreichend dafür gesorgt, dass fiskalische Interessen hinter das Ziel der Erreichung der Schutzzwecke des Gesetzes zurücktreten. Das Gericht stellte gleichzeitig fest, dass die staatlichen Einnahmen aus dem Glücksspiel kein Argument für eine Monopolisierung sein können. Das Gericht gab dem Freistaat Bayern oder alternativ dem Bund bis Ende 2007 Zeit, eine verfassungsmäßige Regelung der Sportwetten zu erlassen. Diese Regelung muss entweder eine verstärkte Bekämpfung des Glücksspiels vorsehen oder den Markt auch für private Anbieter öffnen. Eine glaubwürdigere staatliche Suchtprävention müsste beispielsweise Werberestriktionen für Oddset und eine Einschränkung der Vertriebswege beinhalten. 5. Anforderungen an den Staatsvertrag Der Entwurf des neuen Staatsvertrages muss die oben aufgezeigten Kriterien erfüllen. Die Beschränkungen des Glücksspiels müssen vor allem dem Ziel des Spielerschutzes dienen. Der Entwurf muss auch den Spielerschutz vor fiskalische Interessen stellen. 28 vgl. Hayer/Meyer, Die Prävention problematischen Spielverhaltens, J Public Health 2004, S. 293. - 12 - Der Entwurf des Staatsvertrages gliedert sich in sieben Abschnitte. Der erste Abschnitt enthält allgemeine Vorschriften, die die Ziele des Staatsvertrages beschreiben, den Anwendungsbereich und welcher Begriffsbestimmungen und allgemeine Bestimmungen festlegt. Im zweiten Abschnitt werden die Aufgaben des Staates beschrieben, z.B. die Glücksspielaufsicht, die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots sowie die Suchtforschung. Der dritte Abschnitt regelt die Erlaubnis und die Versagungsgründe von Lotterien mit geringem Gefährdungspotential. Der vierte Abschnitt widmet sich der gewerblichen Spielvermittlung. Der fünfte Abschnitt enthält Vorschriften zu den Spielbanken, Sportwetten und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotential. Der sechste Abschnitt enthält Angaben zu Sperrdateien und Datenschutz . Der siebte Abschnitt enthält die Übergangs- und Schlussbestimmungen. Als Ziele des Staatsvertrages werden eindeutig die Verhinderung der Spielsucht, die Begrenzung des Angebots und der Spieler- und Jugendschutz beschrieben. Dies findet sich in § 1 des Entwurfes. In § 5 des Entwurfes ist niedergelegt, dass die Werbung für Glücksspiele den Zielen des Staatsvertrages entsprechen muss. So ist in § 5 Abs. 2 des Entwurfes festgelegt, dass die Werbung nicht im Widerspruch zu den formulierten Zielen stehen darf. Nach § 6 des Entwurfes soll ein Sozialkonzept von den Veranstaltern und Vermittlern öffentlicher Glücksspiele erstellt werden, um Glücksspielsucht vorzubeugen . Nach § 7 sind Glücksspielveranstalter und Vermittler angehalten, über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust zu informieren. In § 8 sind die Verpflichtung der Spielbanken und die öffentlichen Glücksspielveranstalter der Länder zur Einführung einer Spielersperre verpflichtet. Darüber hinaus sollen die Länder Mittel für die wissenschaftliche Suchtforschung (§ 11) zur Verfügung stellen. All diese Bestimmungen zeigen, dass die Regelungen den Zielen des neuen Staatsvertrages dienen sollen . In § 4 Abs. 4 des Entwurfes ist auch ein Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet vorgesehen. Gerechtfertigt wird dieses Totalverbot damit, dass die Spieler anonym spielen, es keine soziale Kontrolle gibt und anders nicht der Minderjährigenschutz gewährleistet werden kann. Sportwetten werden 29 Urteil BVerfG vom 28.3.2006 Rdn. 101. Im Internet abrufbar unter: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg05-094.html - 13 - dagegen nach § 21 des Entwurfes erlaubt. Casinospiele, die nach Auffassung von Suchtexperten und des BVerfG besonders suchtgefährdend sind, werden von dem Internetverbot erfasst. Dies ergibt sich aus dem Verweis aus § 2 Satz 2 des Entwurfes. Geldspielgeräte, die in Spielhallen und Gaststätten aufgestellt werden, werden von dem Verbot in § 4 Abs. 4 nicht erfasst Die Anforderungen an diese Geräte ergeben sich aus bundesrechtlichen Vorschriften (Gewerbeordnung). Neu ist die Evaluierung der Erfahrungen des Internetverbotes nach § 27 des Entwurfes. Nach dieser Vorschrift soll die Wirksamkeit des Spielerschutz durch das Internetverbot nach drei Jahren überprüft werden. 6. Zusammenfassende Bewertung Der Entwurf legt als Ziele des Vertrages den Spielerschutz fest. Er enthält viele Vorschriften zum Schutz vor Glücksspielen. Die Evaluierung des Internetverbotes wird zeigen, ob ein solches in der Lage ist, die Spieler zu schützen. Der Entwurf scheint in sich schlüssig und entspricht den Anforderungen des Euroarechts und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Entscheidend wird aber auch das Verhalten der Glücksspielanbieter in der Praxis sein. - 14 - Literaturverzeichnis B. Hoeller, R. Bodemann, Das Gambelli -Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf Deutschland, NJW 2004, 122-125 Hayer/ Meyer, Die Prävention problematischen Spielverhaltens, in: Journal of Public Health 2004, S. 293. H. Rüping, Strafrechtliche Fragen staatlich genehmigter Lotterien, in: JZ 2005, S..234- 239. P. J. Tettinger, Lotterien im Schnittfeld von Wirtschaftsrecht und Ordnungsrecht, in: DVBl.2000, S. 868-876. in: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Das Glücksspielrecht in Deutschland, WF III 043/05.