© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 170/16 Humanitärer Schutz für afghanische Ortskräfte Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 170/16 Seite 2 Humanitärer Schutz für afghanische Ortskräfte Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 170/16 Abschluss der Arbeit: 23.06.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 170/16 Seite 3 1. Fragestellung Es wird die Frage gestellt, ob afghanische Staatsangehörige, die im Zusammenhang mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan als sogenannte Ortskräfte für deutsche Behörden tätig waren (z.B. Dolmetscher), besonderen asylrechtlichen oder sonstigen humanitären Schutz erhalten. 2. Allgemeine Vorschriften des Asyl- und Aufenthaltsgesetzes Besondere gesetzliche Regelungen, die afghanischen Ortskräften ein Recht auf asylrechtlichen oder sonstigen humanitären Schutz einräumen, gibt es nicht. Vielmehr gelten die allgemeinen Vorschriften des Asylgesetzes (AsylG) und des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Für die Inanspruchnahme des asylrechtlichen Schutzes nach dem Asylgesetz müssen die Asylsuchenden das deutsche Bundesgebiet erreicht haben. Nach dem Aufenthaltsgesetz sind aber auch Aufnahmen aus dem Ausland zur Gewährung humanitären Schutzes möglich. Die Gewährung des humanitären Schutzes nach dem Aufenthaltsgesetz liegt im Ermessen der zuständigen Behörden. 3. Einzelaufnahmen aus dem Ausland Seit dem Jahr 2013 erfolgen Einzelaufnahmen von gefährdeten afghanischen Ortskräften und ihren engen Familienangehörigen aufgrund von Aufnahmezusagen durch das Bundesministerium des Innern. Rechtsgrundlage ist die Vorschrift in § 22 S. 2 AufenthG. Danach kann das Bundesministerium des Innern (BMI) die Aufnahme „zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ zusagen. Das BMI entscheidet insoweit im Rahmen einer Einzelfallprüfung nach Ermessen. Auf eine parlamentarische Anfrage hin erläuterte es die Verfahrensweise und Entscheidungspraxis der sogenannten Ortskräfteverfahren wie folgt: „Afghanischen Ortskräften, die für ein deutsches Bundesressort arbeiten, steht das Ortskräfteverfahren unabhängig von Position, Dienstort, Beschäftigungsdauer und -zeitpunkt offen. Jede aktuell oder ehemals beschäftigte Ortskraft kann sich bei ihrem jeweiligen Arbeitgeber oder der Botschaft als gefährdet melden. Bei der Gefährdungsprüfung wendet die Bundesregierung einen großzügigen Maßstab an.“1 „Die Ressorts haben jeweils vor Ort einen Beauftragten ernannt, der die Gefährdungsmeldungen der Ortskräfte in seinem Zuständigkeitsbereich prüft. Hierbei wendet die Bundesregierung einen großzügigen Maßstab an und entscheidet im Zweifel für die Ortskraft. Bei Vorliegen einer individuellen Gefahr wird eine Aufnahmezusage erteilt. Der Ortskraft steht es dann offen – zusammen mit ihrer Kernfamilie – nach Deutschland auszureisen.“2 „Jeder individuell gefährdeten Ortskraft bietet die Bundesregierung die Aufnahme in Deutschland nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes an. Dabei wird jeweils der konkrete Einzelfall geprüft – eine pauschale Vergabe ist nicht vorgesehen. Die Gefährdungssituation gestaltet sich regional sehr unterschiedlich und variiert je nach Art der Beschäftigung der 1 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/007/1800729.pdf, 15. 2 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/007/1800729.pdf, 23 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 170/16 Seite 4 jeweiligen Ortskraft erheblich. Die Bundesregierung ist der Auffassung, mit diesem individualisierten Verfahren den Interessen aller beteiligten Akteure (der Ortskraft sowie den beteiligten Staaten Afghanistan und Deutschland) am besten entsprechen zu können. Die Bundesregierung berücksichtigt dabei insbesondere das Interesse der afghanischen Regierung, des afghanischen Parlaments und der afghanischen Zivilgesellschaft, die sich mit dem Hinweis auf die Gefahr der Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte (Brain Drain) gegen pauschale Aufnahmezusagen ausgesprochen haben.“3 Die nach § 22 S. 2 AufenthG aufgenommen Ausländer können mit einem Visum nach Deutschland einreisen. Sie erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst längstens drei Jahre, die bei Fortbestehen der Gefährdungslage verlängert werden kann. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, § 22 S. 3 AufenthG. Ende der Bearbeitung 3 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/007/1800729.pdf, 24.