WD 3 - 3000 - 169/20 (9. Juli 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Der Anspruch auf Schadensersatz im Falle von Amtspflichtverletzungen ist in § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG normiert.1 Gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB hat ein Beamter, der vorsätzlich oder fahrlässig eine gegenüber einem Dritten bestehende Amtspflicht verletzt, dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Nach Art. 34 S. 1 GG wird die Haftung auf den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst die Amtsperson steht, übergeleitet. Für die Amtshaftung des Staates ist zunächst erforderlich, dass ein Beamter gehandelt hat. „Beamter“ im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB kann nicht nur jemand sein, der in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat steht (Beamter im statusrechtlichen Sinne), sondern jede Person, die von der zuständigen Stelle mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes betraut worden ist (haftungsrechtlicher Beamtenbegriff).2 Neben Angehörigen des öffentlichen Dienstes können auch Zivilpersonen unter den Begriff des Beamten in diesem Sinne fallen, wenn diesen die Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Funktionen anvertraut worden ist.3 Dieses weite Verständnis des Beamtenbegriffs in § 839 Abs. 1 S. 1 BGB folgt aus der Auslegung im Lichte der höherrangigen Verfassungsnorm des Art. 34 S. 1 GG, der allgemein von „jemand“ und nicht von „Beamter“ spricht.4 Die Amtsperson muss zudem in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die Person aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen tätig geworden ist.5 Die schädigende Handlung muss zudem „in Ausübung“ des öffentlichen Amtes erfolgt sein, Art. 34 S. 1 GG. Geschieht die Schädigung des Dritten nur „bei Gelegenheit“ der Ausübung einer 1 Zum Zusammenspiel der Normen siehe Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 119 ff.; Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 54 f. 2 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 130. 3 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 132. 4 Hartmann/Tieben, Amtshaftung, in: JA 2014, 401 (401 f.). 5 Vgl. Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 143 ff. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Grundsätze der Amtshaftung Kurzinformation Grundsätze der Amtshaftung Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 hoheitlichen Tätigkeit, besteht kein hinreichender Bezug zum staatlichen Tätigkeitsbereich, sodass dem Staat das Fehlverhalten nicht zugerechnet werden kann und dieser folglich nicht haftet.6 Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu ausgeführt: „Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und – falls dies zutrifft – ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss.“7 Ferner muss der Schädiger durch seine Handlung eine Amtspflichtverletzung begangen haben. Amtspflichten sind die persönlichen Verhaltenspflichten des Amtswalters in Bezug auf seine Amtsführung.8 Ausprägung und Umfang dieser Pflichten werden insbesondere durch die Rechtsprechung entwickelt.9 Für eine Amtshaftung genügt allerdings nicht jede Art der Amtspflichtverletzung . Vielmehr muss nach dem Schutzzweck der jeweiligen Amtspflicht ein Drittbezug zu dem jeweils Geschädigten bestehen.10 Nach der Rechtsprechung des BGH muss sich dazu „aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts [...] ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen.“11 6 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 90. EL Februar 2020, Art. 34 Rn. 154; Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 188 ff. 7 BGH, Urteil vom 16.1.1992 – I ZR 36/90 – NJW 1992, 1310 (1310). 8 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 191. 9 Vgl. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 77 f., der einige konkrete Amtspflichten benennt. 10 Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 82; Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 227 ff., 234. 11 BGH, Urteil vom 8.11.2012 – III ZR 151/12 – NJW 2013, 604 (605). Kurzinformation Grundsätze der Amtshaftung Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Der Zweck des Erfordernisses eines Drittbezuges liegt darin, die Haftung des Staates zu begrenzen, um nicht jede auch nur mittelbare Beeinträchtigung der Interessen eines Betroffenen für eine Schadensersatzpflicht ausreichen zu lassen.12 Die Amtspflichtverletzung muss kausal für einen Schaden des geschützten Dritten geworden sein. Dies ist der Fall, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele.13 Die Amtsperson muss zudem mindestens fahrlässig gehandelt haben. Dies setzt voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde.14 Zu beachten ist, dass § 839 Abs. 1 S. 2 BGB für den Fall, dass dem Beamten kein Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit zur Last zu fällt, bestimmt, dass der Staat nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Schadensersatz zu erlangen vermag. Die Amtshaftung entfällt daher insbesondere , wenn der Geschädigte von einem anderen Schädiger Ersatz verlangen kann.15 Haftungsschuldner eines Amtshaftungsanspruchs ist gemäß Art. 34 S. 1 GG der Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Schädiger steht. Für die Durchsetzung des Anspruchs ist nach Art. 34 S. 3 GG der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Zuständig sind damit die Zivilgerichte.16 *** 12 Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 80 f. 13 Hartmann/Tieben, Amtshaftung, in: JA 2014, 401 (405). 14 Hartmann/Tieben, Amtshaftung, in: JA 2014, 401 (405). 15 Hartmann/Tieben, Amtshaftung, in: JA 2014, 401 (406). 16 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 90. EL Februar 2020, Art. 34 Rn. 317.