© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 169/14 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Maßgaben für die Auskunftsrechte der Bundesministerien gegenüber nachgeordneten Behörden Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 2 Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Maßgaben für die Auskunftsrechte der Bundesministerien gegenüber nachgeordneten Behörden Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 169/14 Abschluss der Arbeit: 05.09.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Grenzen der Auskunftsrechte im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht 4 2.1. Grundrechtliche Grenzen 4 2.2. Grenzen aufgrund der Integrität des Strafverfahrens 6 2.3. Grenzen durch die Immunität von Abgeordneten 7 2.4. Zwischenergebnis 8 3. Die einfachgesetzlichen Ermächtigungen für die Auskunftsrechte im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht 8 3.1. Regelung im Bundesdatenschutzgesetz 9 3.1.1. Verfassungslegitimer Zweck 10 3.1.2. Geeignetheit und Erforderlichkeit 10 3.1.3. Verhältnismäßigkeit 11 3.2. Regelung in Bezug auf das Telekommunikationsgeheimnis 12 3.3. Regelungen für die Nachrichtendienste des Bundes und das Bundeskriminalamt 13 3.3.1. Bundesamt für Verfassungsschutz 13 3.3.2. Bundesnachrichtendienst 14 3.3.3. Bundeskriminalamt 15 4. Zusammenfassung 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 4 1. Einleitung Die Bundesverwaltung ist hierarchisch aufgebaut, wodurch die demokratische Legitimation der Bundesministerinnen und Bundesminister von der Leitung bis an die Basis weitergegeben werden kann.1 Die Bundesminister leiten ihre demokratische Legitimation vom Bundeskanzler ab, der durch den Bundestag gewählt wird (Art. 63 Abs. 1 GG) und damit unmittelbar parlamentarisch legitimiert ist. Der Bundeskanzler schlägt die Minister vor und legitimiert sie damit mittelbar (Art. 64 Abs. 1 GG). Die Bundesminister leiten ihr Ressort und können gegenüber den ihnen nachgeordneten Behörden Weisungen erteilen. Über diese Weisungsgebundenheit wird die demokratische Legitimation der Bundesminister an die nachgeordneten Behörden weitergegeben. Die bundeseigene Verwaltung (Art. 86 ff. GG) besteht aus den Fachministerien und den ihnen nachgeordneten Behörden, d.h. den Bundesoberbehörden und – soweit vorhanden – den Bundesmittel - und Bundesunterbehörden (Behördenzug). In dem jeweiligen Behördenzug unterliegen die nachgeordneten Behörden der umfassenden Steuerungsmacht durch die Fachaufsicht der Bundesministerien.2 Aufgrund der in diesem Rahmen bestehenden Aufsichtsrechte und Berichtspflichten werden auch Informationen von der nachgeordneten an die übergeordnete Behörde weitergegeben. Dabei kann es vorkommen, dass auch persönliche Daten von Mitgliedern des Deutschen Bundestages , die von einer Behörde erhoben wurden, an die ihr übergeordnete Behörde weitergegeben werden. Daher wurde die Frage aufgeworfen, ob die Grundrechte, das Prinzip der Integrität des Strafverfahrens und das Immunitätsprinzip der Weitergabe solcher Informationen in einem Behördenzug Grenzen setzen (dazu unten Ziff. 2.). Sollten solche Grenzen bestehen, wird außerdem gefragt, ob die Rechte der Aufsichtsbehörden unter diesem Gesichtspunkt genauer gesetzlich begrenzt werden müssen (dazu unten Ziff. 3.). 2. Grenzen der Auskunftsrechte im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht 2.1. Grundrechtliche Grenzen Das Erheben, Speichern, Verändern und Nutzen von personenbezogenen Daten durch staatliche Stellen ist jeweils ein Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1983 in seinem Volkzählungsurteil festgestellt.3 Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung bedürfen stets einer gesetzlichen Ermächtigung. Neben diesem allgemeinen Datenschutzgrundrecht schützt das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) den spezifischen Bereich des kommunikativen Übertragungsvorgangs von Informationen. Inhaltlich sind davon sowohl der Telekommunikationsinhalt als auch die Tele- 1 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 84, Rdnr. 1 ff. 2 Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 52. Ergänzungslieferung (Stand: Mai 2008). Art. 86 Rdnr. 6. 3 BVerfGE 65, 1, 42 – Volkszählung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 5 kommunikationsumstände (z.B. Zeitpunkt und Häufigkeit) umfasst.4 Zeitlich erfasst der Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses den Vorgang von der Absendung einer Information bis zu deren Eingang beim Empfänger.5 Da Telekommunikationsdienstleistungen in Deutschland von privaten Unternehmen erbracht werden, haben Behörden zunächst keinen Zugriff auf die entsprechenden Informationen. Die Weitergabe von Informationen über einzelne Telekommunikationsvorgänge zwischen dem privaten Telekommunikationsunternehmen und den Behörden ist stets ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis.6 Telekommunikationsunternehmen dürfen die entsprechenden Informationen nur aufgrund einer bereichsspezifischen gesetzlichen Erlaubnis an die Behörden weitergeben.7 Die hier betrachtete Fragestellung ist jedoch von dieser Informationsweitergabe zu unterscheiden. Hier geht es um die (spätere) Übermittlung dieser Informationen von der Behörde, die die Informationen von dem privaten Telekommunikationsunternehmen erhalten hat, an die übergeordnete Behörde. Daher stellt sich im vorliegenden Zusammenhang sowohl für den Schutz der informationellen Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) als auch für das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) die Frage, ob auch die Weitergabe der entsprechenden personenbezogenen Daten an eine übergeordnete Behörde im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht einen solchen Eingriff darstellt. Es könnte dann an einem solchen Eingriff fehlen, wenn die nachgeordnete und die übergeordnete Behörde aus dem Blickwinkel des Schutzbereichs der Grundrechte als rechtliche Einheit zu betrachten wären. Wenn also die verschiedenen Behörden durch ihre aufsichtsrechtliche Verknüpfung dasselbe grundrechtliche Eingriffssubjekt wären, so dass die Weitergabe der Informationen innerhalb dieser Behörden kein erneuter Eingriff in die betroffenen Grundrechte darstellen würde. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht in seiner Tendenz jedoch nicht in diese Richtung. Im Volkszählungsurteil klingt schon an, dass auch die Weitergabe von personenbezogenen Daten vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst ist.8 Allerdings bleibt dabei unklar, ob dies auch für die Weitergabe an die übergeordnete Behör- 4 Ständige Rechtsprechung zuletzt: BVerfGE 130, 151, 179 m.w.N. - Zuordnung dynamischer IP-Adressen. 5 Sobald die Nachricht in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt, z.B. sich eine E-Mail in dem Eingangsordner des Empfängers befindet, endet der Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses. Außerhalb des eigentlichen Kommunikationsvorgangs – etwa im Falle der Beschlagnahme eines bereits zugegangenen Briefs beim Empfänger oder der Auswertung der auf einem Computer befindlichen E-Mails – werden die im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Inhalte und Umstände der Kommunikation somit nicht mehr durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützt. Die Daten fallen dann aber immer in den grundrechtlichen Schutz der informationellen Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Vgl. zu dieser Grenzziehung Durner, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 57. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2010). Art. 10 Rdnr. 62 f m.w.N. 6 BVerfGE 125, 260, 310 – Vorratsdatenspeicherung. 7 Dabei bedarf sowohl das auskunfterteilende Telekommunikationsunternehmen als auch die auskunftersuchende Behörde jeweils eine auf diese Informationsnutzung zugeschnitte voneinander unabhängige gesetzliche Ermächtigung ; so genanntes „Doppeltürmodell“ vgl. BVerfGE 130, 151, 184 - Zuordnung dynamischer IP- Adressen; erläuternd dazu: Eckhardt, in: Geppert/Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Auflage 2013, § 113 Rdnr. 12 ff. 8 BVerfGE 65, 1, 43 – Volkszählung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 6 de gilt. In einer neueren Entscheidung aus dem Jahr 1999 stellte das Bundesverfassungsgericht allerdings ausdrücklich fest, dass die Übermittlung von Daten der Fernmeldeüberwachung im Rahmen der Berichtspflicht des Bundesnachrichtendienstes an die Bundesregierung einen erneuten , selbständigen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) darstellt. Zur Begründung führt es aus, dass sich durch die Übermittlung der Kreis derer erweitert, die die geschützten Daten und Informationen kennen und von dieser Kenntnis Gebrauch machen können.9 Diese Begründung stützt sich weder auf die spezifische Datenqualität (Telekommunikationsdaten) noch auf die datenverarbeitende Stelle (Bundesnachrichtendienst), sondern bezieht sich auf die Wirkungen der Weitergabe der entsprechenden Daten und Informationen . Daher lässt sich dieser Gedanke nach hiesiger Auffassung auf vergleichbare Sachverhalte übertragen, bei denen eine nachgeordnete Behörde einer übergeordneten Behörde im Rahmen der Berichtspflicht, wie z.B. das Bundeskriminalamt gegenüber dem Bundesinnenministerium, personenbezogene Daten und Telekommunikationsdaten weitergibt. Die Übermittelung solcher Daten führt stets dazu, dass der Kreis derjenigen erweitert wird, die über diese Daten Kenntnis erhalten und diese Nutzen können. Folglich liegt in der Weitergabe dieser Daten innerhalb eines Behördenzuges stets ein erneuter Eingriff in die betroffenen Grundrechte (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und je nach Qualität der Daten auch Art. 10 Abs. 1 GG). Die Weitergabe von personenbezogenen Daten und Telekommunikationsdaten zwischen der nachgeordneten und der übergeordneten Behörde ist somit nur zulässig, wenn die Regeln, nach denen Grundrechtseingriffe gestattet sind, eingehalten werden. Danach bedarf der Eingriff einer gesetzlichen Ermächtigung, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, d.h. der durch die gesetzliche Ermächtigung gestattete Eingriff muss einem verfassungslegitimen Zweck dienen, zu dessen Erreichung das Gesetz geeignet, erforderlich und angemessen ist. 2.2. Grenzen aufgrund der Integrität des Strafverfahrens Die Integrität des Strafverfahrens, verstanden als Schutz des Strafverfahrens vor Eingriffen, die die Funktionsfähigkeit der Strafverfolgung einschränken können, ist nicht ausdrücklich durch das Grundgesetz geschützt. Sie kann jedoch dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) zugeordnet werden. Die Frage nach der Verletzung der Integrität des Strafverfahrens bei Weitergabe von Informationen in einem Behördenzug spielt auf die faktische Gefahr an, dass die für die Strafverfolgung relevanten Informationen an die Öffentlichkeit oder den Betroffenen weitergegeben werden, da ein größerer Personenkreis von den Informationen Kenntnis erhält.10 Erfährt der Betroffene von den Ermittlungen gegen ihn, könnte er möglichweise wichtiges Beweismaterial vernichten und so die Strafverfolgung erheblich erschweren. Bei einem solchen Sachverhalt wird die Integrität des Strafverfahrens jedoch nicht durch die Weitergabe von Informationen zwischen der nachgeordneten und der übergeordneten Behörde, sondern durch die unbefugte Weitergabe der Information durch einen Behördenmitarbeiter gefährdet . Durch die Informationsübermittlung als solche wird die Strafverfolgung nicht behindert. 9 BVerfGE 100, 313, 367 – Telekommunikationsüberwachung 10 Vgl. dazu z.B. die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.04.2008 über die Weitergabe von Ermittlungsergebnissen durch die ehemalige baden-württembergische Justizministerin Werwigk-Hertneck an den Betroffenen , NJW 2009, 2057. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 7 Daher steht die Integrität des Strafverfahrens der Weitergabe der Informationen im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht nicht entgegen. Der beschriebenen Gefahr des „Durchstechens“ von Informationen kann normativ nur durch Geheimhaltungspflichten und entsprechende Strafandrohungen begegnet werden. Solche Regelungen bestehen bereits, z.B. durch die Verschwiegenheitsverpflichtung für Bundesbeamte (§ 67 BBG11) oder die Strafbarkeit der Verletzung von Dienstgeheimnissen und besonderen Geheimhaltungspflichten (§ 353b StGB). 2.3. Grenzen durch die Immunität von Abgeordneten Aufgrund ihres Immunitätsschutzes dürfen Mitglieder des Deutschen Bundestages nur mit Genehmigung des Bundestages wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, wenn sie nicht bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen werden (Art. 46 Abs. 2 GG). Geschützt ist der Abgeordnete jedoch erst dann, wenn wegen einer strafbaren Handlung eine gerichtliche oder behördliche Untersuchung durchgeführt wird. Ermittlungen, die lediglich der Feststellung dienen, ob die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten beim Bundestag beantragt werden soll, fallen nicht unter den Immunitätsschutz .12 Dies bedeutet, dass nur dann die Immunität eines Abgeordneten berührt ist und ihre Aufhebung beantragt werden muss, wenn die Behörden den Abgeordneten als Beschuldigten identifizieren und ihre Ermittlungen und sonstigen Maßnahmen auf dieser Basis weiterführen wollen.13 Die Weitergabe von Informationen, die nicht im Zusammenhang mit einem solchen Verfahren stehen, zwischen Behörden im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht werden nicht von dem Immunitätsschutz erfasst, selbst wenn sie später zu der Entscheidung führen, dass die Immunitätsaufhebung beantragt wird. Die Immunität schützt die Abgeordneten auch vor jeder sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit (Art. 46 Abs. 3 1. Alternative GG). Es ist allerdings umstritten, wie weit der Begriff der persönlichen Freiheit zu fassen ist. Teilweise werden darunter alle staatlichen Maßnahmen verstanden, die die Ausübung der parlamentarischen Tätigkeit behindern, wie z.B. die Überwachung der Kommunikation von Abgeordneten.14 Begründet wird dies vor allem mit der Gefahr eines möglichen Missbrauchs von Überwachungsmaßnahmen durch die Regierung zur Gewinnung von Informationen über Abgeordnete.15 Nach der ganz herrschenden Meinung ist hingegen unter der persönlichen Freiheit in Anlehnung an das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und die Voraussetzungen der Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 1 GG) primär 11 Bundesbeamtengesetz vom 05.02.2009 (BGBl. I S. 160), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3386) geändert worden ist. 12 Magiera, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 46 Rdnr. 15. 13 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 52. Ergänzungslieferung (Stand: Mai 2008). Art. 46 Rdnr. 65 m.w.N. 14 Borchert, Der Abgeordnete des Deutschen Bundestags im G 10 – Verfahren, DÖV 1992, 58, 59. 15 Borchert, Der Abgeordnete des Deutschen Bundestags im G 10 – Verfahren, DÖV 1992, 58, 59; Trute, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 6. Auflage 2012, Art. 46 Rdnr. 36. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 8 die körperliche Freiheit zu verstehen.16 Bei der weiten Auslegung des Begriffs würden die Abgeordneten de facto von jedem staatlichen Zwang freigestellt, solange ihre Immunität vom Bundestag nicht aufgehoben wird. Die Weitergabe von Informationen zwischen zwei Behörden zum Zwecke der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht schränkt die körperliche Freiheit der Abgeordneten nicht ein, so dass der Immunitätsschutz insoweit mit der herrschenden Meinung nicht zum tragen kommt. Insgesamt ergibt sich daher auch aus dem Immunitätsschutz der Abgeordneten keine Grenze für die Unterrichtung der übergeordneten durch die nachgeordnete Behörde im Rahmen ihrer Berichtspflichten . 2.4. Zwischenergebnis Nur die Grundrechte, insbesondere das Recht der informationellen Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG), können der Weitergabe von Informationen an die übergeordnete Behörde im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht Grenzen setzen, da mit der Weitergabe der geschützten Daten ein Eingriff in die betroffenen Grundrechte verbunden sein kann. Die Schutzgüter der Integrität des Strafverfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Immunität von Abgeordneten (Art. 46 Abs. 2 und Abs. 3 GG) werden durch diese Informationsübermittlung als solche nicht betroffen. Im Weiteren stellt sich daher die Frage, ob die bestehenden einfachgesetzlichen Regeln für eine solche Informationsübermittlung den Vorgaben für die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen entsprechen. Nur wenn dies nicht der Fall sein sollte, bedarf es genauerer gesetzlicher Vorgaben und Grenzen für diese Vorgänge. 3. Die einfachgesetzlichen Ermächtigungen für die Auskunftsrechte im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht Die Informationsweitergabe im Behördenzug ist nach den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG17) unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (dazu unten 3.1.). Zum Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses bestehen bereichsspezifische Datenschutzregelungen (dazu unten 3.2.). Eigenständige Regelungen bestehen für die Berichtspflichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskriminalamts (dazu unten 3.3.). Alle sonstigen Informationsübermittlungen zwischen Behörden, die anderen Zwecken dienen, z.B. zur Verfolgung von Straftaten (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BDSG), bleiben unberücksichtigt. Unberücksichtigt bleiben zudem die bereichsspezifischen Vorschriften zum Informationsaustausch zwi- 16 Achterberg/Schulte in von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 5. Auflage 2005, Art. 46 Rn. 57; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band 2, 2. Auflage 2006, Art. 46 Rdnr. 33 ff; Magiera, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 46 Rdnr. 23; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz -Kommentar, Loseblattsammlung, 52. Ergänzungslieferung (Stand: Mai 2008). Art. 46 Rdnr. 76. 17 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.01.2003 (BGBl. I S. 66), zuletzt gändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14.08.2009 (BGBl. I S. 2814). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 9 schen öffentlichen Stellen, wie z.B. § 30 ff. und § 41 ff. Bundeszentralregistergesetz18, §§ 30 f., 35 f., 52 ff. Straßenverkehrsgesetz19 oder § 10 ff. Ausländerzentralregistergesetz20, da diese ebenfalls nicht den Informationsaustausch zum Zwecke der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht regeln .21 3.1. Regelung im Bundesdatenschutzgesetz Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist das Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten durch verantwortliche Stellen nur zulässig, wenn es zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgabe erforderlich ist. „Verantwortliche Stellen“ sind auch die öffentlichen Stellen des Bundes und damit alle Bundesbehörden, soweit sie personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Die Daten dürfen zudem nur zu den Zwecken verwendet werden, zu denen sie erhoben worden sind (§ 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BDSG). § 14 Abs. 3 BDSG bestimmt in diesem Zusammenhang, dass in der Wahrnehmung von Aufsichtsund Kontrollbefugnissen durch verantwortliche Stellen keine Verarbeitung oder Nutzung für andere Zwecke liegt. Dies bedeutet, dass die Weitergabe von personenbezogenen Daten an die übergeordnete Stelle zulässig ist, soweit diese damit ihrer Aufsichts- und Kontrollaufgabe nachkommt .22 Diese Regelung zur Übermittlung von Daten im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht in einem Behördenzug geht als speziellere Vorschrift der allgemeineren Regelung zur Datenübermittlung an öffentliche Stellen (§ 15 BDSG) vor. Erhält die übergeordnete Behörde solche Daten, ist sie allerdings ihrerseits an § 14 Abs. 1 BDSG gebunden, so dass sie die Daten ebenfalls nur zur Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht verwenden darf. Für andere Zwecke darf sie sie nur im Rahmen der in § 14 Abs. 2 BDSG genannten Ausnahmen verarbeiten und nutzen. Es stellt sich somit die Frage, ob § 14 Abs. 3 BDSG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung, der mit der Übermittlung der Daten an die übergeordnete Behörde einhergeht23, darstellt. Dies setzt voraus, dass die Datenweitergabe auf der Basis von § 14 Abs. 3 BDSG einem verfassungslegitimen Zweck dient und die Regelung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist, um diesen Zweck zu erreichen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit verlangt das Bundesverfassungsgericht bei einem Eingriff in 18 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.09.1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 06.09.2013 (BGBl. I S. 3556). 19 Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.03.2003 (BGBl. I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28.08.2013 (BGBl. I S. 3313). 20 Gesetz über das Ausländerzentralregister vom 02.09.1994 (BGBl. I S. 2265), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Juli 2014 (BGBl. I S. 890). 21 Siehe zu den bereichsspezifischen Bundesregelungen zum Datenschutz die Auflistung bei Weichert, in: Däubler /Klebe/Wedde/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz – Kompaktkommentar, 4. Auflage 2014, Einleitung Rdnr. 73. 22 Dammann, in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 7. Auflage 2011, § 14 Rdnr. 96 f.; Wedde, in: Däubler /Klebe/Wedde/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz – Kompaktkommentar, 4. Auflage 2014, § 14 Rdnr. 23 ff. 23 Siehe dazu oben Ziff. 2.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 10 das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung zudem eine besondere Ausgestaltung der Eingriffsnorm, aus der sich insbesondere der Zweck der Datenverarbeitung und –nutzung ergibt.24 Für die Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) bestehen besondere bereichsspezifische Gesetze (TKG25 und G 10-Gesetz26). Diese Eingriffsgrundlagen werden daher erst im Anschluss betrachtet (vgl. dazu unten Ziff. 3.2.). 3.1.1. Verfassungslegitimer Zweck Der Informationsaustausch aufgrund der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht dient dazu, dass die höheren Behörden die Arbeit, Entscheidungen und Maßnahmen der ihnen nachgeordneten Behörden kontrollieren können. Diese Kontrolle ist Folge der Weisungsgebundenheit der nachgeordneten Behörden, die – wie eingangs beschrieben – der demokratischen Legitimation der gesamten Verwaltungstätigkeit dient. Alle staatlichen Maßnahmen müssen zumindest mittelbar demokratisch legitimiert sein. Dies ist jedoch nur den Fall, wenn eine ununterbrochene Legitimationskette von dem Bundesminister bis zur Basis der Verwaltungseinheit existiert. Zu den Weisungsrechten gehören auch Auskunftsrechte der jeweils übergeordneten Behörde, damit diese die Einhaltung ihrer Weisungen und weiteren Weisungsbedarf prüfen kann. Da dies folglich dazu dient, die demokratische Legitimation der Verwaltung zu gewährleisten (Art. 20 Abs. 3 GG), wird mit dem Auskunftsrecht ein verfassungslegitimer Zweck verfolgt. 3.1.2. Geeignetheit und Erforderlichkeit Die von § 14 Abs. 3 BDSG gestattete Informationsweitergabe muss zudem geeignet und erforderlich sein, um diesen Verfassungszweck zu erfüllen. Geeignet ist eine Regelung dann, wenn der gewünschte Erfolg damit zumindest gefördert werden kann.27 Die Informationsweitergabe im Rahmen des § 14 Abs. 3 BDSG ist geeignet, den Verfassungszweck zu erfüllen, da durch sie die demokratische Eigenkontrolle der Verwaltung und damit die Weitergabe der Legitimation erreicht werden kann. Erforderlich ist eine gesetzliche Eingriffsermächtigung dann, wenn sie das „mildeste Mittel“ darstellt , d.h. dass das Ziel nicht auch durch eine weniger belastende Maßnahme erreicht werden könnte.28 Auf andere Weise als durch die Weitergabe der Informationen kann die aufgrund der 24 BVerfGE 65, 1, 46 – Volkszählung; dazu statt Vieler: Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung , 39. Ergänzungslieferung (Stand: Juli 2001). Art. 2 Rdnr. 182 mw.N. 25 Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 22.06.2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert durch Artikel 22 des Gesetzes vom 25.07.2014 (BGBl. I S. 1266). 26 Artikel 10-Gesetz vom 26.06.2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes vom 06.06.2013 (BGBl. I S. 1482). 27 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 48. Ergänzungslieferung (Stand: November 2006). Art. 20 Rdnr. 112. 28 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 48. Ergänzungslieferung (Stand: November 2006). Art. 20 Rdnr. 113 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 11 demokratischen Kontrollpflicht erforderliche Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht nicht erfüllt werden. Eine Selbstkontrolle nur innerhalb der jeweiligen Behörde wäre kein gleich geeignetes Mittel, da damit die für die demokratische Legitimation notwendige vertikale Legitimationskette nicht gegeben wäre. § 14 Abs. 3 BDSG ist somit für den Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung geeignet und erforderlich. 3.1.3. Verhältnismäßigkeit Schließlich darf der Eingriff in das Grundrecht nicht außer Verhältnis zu seinem Zweck stehen. Dies erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen des Eingriffs und den durch den Grundrechteingriff herbeigeführten Beeinträchtigungen für den Grundrechtsträger. Daher ist vorliegend das Interesse an einer demokratisch kontrollierten Verwaltung einerseits und das Datenschutzinteresse des Einzelnen andererseits gegeneinander abzuwägen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) erweist sich als besonders empfindlich und darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit eingeschränkt werden.29 Aber auch das Erfordernis einer demokratisch kontrollierten Verwaltung ist ein besonders bedeutendes Verfassungsgut, da es im Rechtsstaatsprinzip verankert ist (Art. 20 Abs. 3 GG). Seine besondere Bedeutung zeigt sich auch daran, dass selbst der verfassungsändernde Gesetzgeber das Rechtsstaatsprinzip – jedenfalls in seinem Kern – nicht verändern darf („Ewigkeitsgarantie“ Art. 79 Abs. 3 GG). Folglich geht keines dieser beiden Verfassungsgüter dem anderen deutlich vor. Der Gesetzgeber hat die Nutzung der personenbezogenen Daten durch die übergeordnete Behörde auf den Zweck der Aufsicht und Kontrolle der nachgeordneten Behörden beschränkt. Eine andere Nutzung der personenbezogenen Daten ist nur im Rahmen der in § 14 Abs. 2 BDSG abschließend aufgeführten Zwecke möglich. Die unbefugte Weitergabe dieser Daten ist zudem durch die Verschwiegenheitsverpflichtung für Bundesbeamte (§ 67 BBG) und die Strafbarkeit der Verletzung von Dienstgeheimnissen und besonderen Geheimhaltungspflichten (§ 353b StGB) gesetzlich geschützt. Der Gesetzgeber hat somit die Eingriffsnorm auf die Zweckerfüllung begrenzt und zudem durch beamtenrechtliche und vor allem strafrechtliche Verbote flankiert . Da somit die Nutzung und Verwendung der Daten einfachgesetzlich erheblich eingeschränkt wurde, erscheint die individuelle Belastung durch den verbleibenden Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung gegenüber dem Allgemeininteresse an einer demokratischen Kontrolle der Verwaltung nicht zu überwiegen. Die von § 14 Abs. 3 BDSG gestattete Weitergabe von Informationen in einem Behördenzug im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht ist danach nicht unverhältnismäßig. Folglich dürfte es auch nicht notwendig sein, in diesem Zusammenhang weitere gesetzliche Grenzen zu schaffen. 29 Grundlegend: BVerfGE 65, 1, 43 f. – Volkszählung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 12 3.2. Regelung in Bezug auf das Telekommunikationsgeheimnis Den Schutz von Informationen, die von dem grundrechtlich geschützten Telekommunikationsgeheimnis umfasst sind, wird im Wesentlichen von den bereichsspezifischen Gesetzen, d.h. dem Telekommunikationsgesetz und dem G 10-Gesetz, gesichert. Wie bereits oben dargestellt,30 werden Telekommunikationsdienstleistungen in Deutschland von privaten Unternehmen erbracht, so dass Behörden zunächst darauf keinen Zugriff haben. Daher regeln diese Gesetze verschiedene Auskunfts- und Berichtspflichten sowohl der privaten Telekommunikationsanbieter als auch zwischen unterschiedlichen Behörden im Rahmen ihres jeweiligen Anwendungsbereichs.31 Dabei findet sich weder im Telekommunikationsgesetz noch im G 10-Gesetz eine Regelung zur Weitergabe dieser Informationen von der auskunftsberechtigten Behörde an die ihr übergeordnete Behörde. Erhält eine Behörde entsprechende Daten, richtet sich die Frage ihrer zulässigen Weitergabe im Rahmen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht nach den für sie geltenden spezifischen Regelungen. Dies gilt insbesondere für das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst , die auf der Basis der Regelungen des G 10-Gesetzes unter engen Voraussetzungen die Telekommunikation überwachen und aufzeichnen bzw. die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen öffnen und einsehen dürfen (§ 1 Abs. 1 G 10-Gesetz). Aufgrund der speziellen Regelungen, die für diese Behörden und auch das Bundeskriminalamt gelten , werden sie gesondert im Anschluss dargestellt (unten Ziff. 3.1.). Im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes nimmt die Bundesnetzagentur eine besondere Stellung nimmt ein, da sie jederzeit Daten aus den Kundendateien der Telekommunikationsunternehmen abrufen darf (§ 112 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 TKG). Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 greift dies jedoch (nur) in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und nicht in das Telekommunikationsgeheimnis ein (Art. 10 Abs. 1 GG).32 Für die Bundesnetzagentur besteht eine besondere Regelungen für Weisungen der übergeordneten Behörde, d.h. des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, nach der diese Weisungen im Bundesanzeiger zu veröffentlichen sind (§ 117 TKG). Die Weisungen können auch allgemeine und einzelfallbezogene Auskunftsverlangen vorsehen. Zum Inhalt der Weisungen und den Umständen einer Informationsweitergabe in diesem Rahmen macht das Telekommunikationsgesetz keine Vorgaben. Da allerdings das Bundesdatenschutzgesetz insoweit nicht ausgeschlossen ist, gilt für die Weitergabe von personenbezogenen Daten in diesem Verhältnis die Regelung des § 14 Abs. 3 BDSG mit ihrer Zweckbindung. Da diese Vorschrift - wie dargestellt33 - das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zulässig einschränkt, kann dies auch auf die Weitergabe von Informationen zwischen der Bundesnetzagentur und dem Bundeswirtschafministerium übertragen werden. 30 Siehe oben S. 3 ff. 31 Siehe z.B. die Auskunftspflichten der Telekommunikationsanbieter in § 110 ff TKG oder die Auskunftspflichten der Anbieter von Post- und Telekommunikationsdiensten in § 2 G 10-Gesetz. 32 BVerfGE 130, 151, 182 - Zuordnung dynamischer IP-Adressen. 33 Vgl. oben S. 10 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 13 3.3. Regelungen für die Nachrichtendienste des Bundes und das Bundeskriminalamt Besondere Berichtspflichten bestehen insbesondere für die Nachrichtendienste des Bundes. Demgegenüber gilt für das Bundeskriminalamt auch die Vorschrift des § 14 Abs. 3 BDSG. 3.3.1. Bundesamt für Verfassungsschutz Die Dienst- und Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz übt das Bundesministerium des Innern aus. Im Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG34) ist die Berichtspflicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen über dem Bundesinnenministerium ausdrücklich geregelt . Das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtet dem Bundesinnenministerium über seine Tätigkeit (§ 16 Abs. 1 BVerfSchG). Weitere Einschränkungen finden sich zu dieser Berichtspflicht nicht. Eine Einschränkung für personenbezogene Daten gilt nur für die Verfassungsschutzberichte des Bundesinnenministeriums, für deren Erstellung das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über seine Tätigkeit an das Bundesinnenministerium weitergibt. Die Weitergabe personenbezogener Daten ist zu diesem Zweck nur zulässig, „wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen“ (§ 16 Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG). Diese Einschränkung gilt somit nicht für die allgemeine Informationsweitergabe im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht. Auch die Anwendung des § 14 Abs. 2 BDSG, der die Weitergabe von personenbezogenen Daten zu diesem Zwecke erlaubt, ist im Anwendungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes ausgeschlossen (§ 27 BVerfSchG). Die Informationsweitergabe nach § 16 Abs. 1 BVerfSchG besteht somit ohne weitere Einschränkungen, insbesondere ohne weitere Zweckbindung. Oben wurde im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 14 Abs. 3 BDSG erläutert,35 dass gerade die Zweckbindung dieser Vorschrift dafür spricht, dass sie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in zulässiger Weise einschränken kann. Da § 16 Abs. 1 BVerfSchG eine solche Zweckbindung auch im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht nicht vorsieht, ist zu bezweifeln, ob auf dieser Basis personenbezogene Daten an das Bundesinnenministerium weitergegeben dürfen. Dies gilt erst Recht unter Berücksichtigung des grundrechtlich geschützten Telekommunikationsgeheimnisses (Art. 10 GG). Das Grundgesetz stellt für einen zulässigen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis mindestens die Hürden auf, die für einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung gelten.36 Zudem müssen alle gesetzlichen Regelungen dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit genügen. Bei einem Eingriff in den Schutz- 34 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz vom 20.12.1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20.06.2013 (BGBl. I S. 1602). 35 Siehe oben S. 11 f. 36 Das Bundesverfassungsgericht nimmt insoweit auf seine Aussagen im Volkszählungsurteil (BVerfGE 65, 1) Bezug , in dem es die Anforderungen an einen zulässigen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung entwickelt hat: BVerfGE 100, 313, 259 – Telekommunikationsüberwachung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 14 bereich des Telekommunikationsgeheimnisses hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs in der gesetzlichen Ermächtigung bereichsspezifisch , präzise und normenklar festgelegt werden müssen.37 Diese Voraussetzungen erfüllt § 16 Abs. 1 BVerfSchG im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 GG nicht. Insoweit bestehen auch hier Bedenken , ob aufgrund dieser Vorschrift Informationen im Behördenzug weitergegeben werden dürfen, die vom Telekommunikationsgeheimnis erfasst sind. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die Weitergabe von Informationen im Behördenzug auf der Grundlage anderer Vorschriften, die die Datenübermittlung aus anderen Gründen (z.B. zur Strafverfolgung) erlauben, zulässig ist. Stehen solche Vorschriften aber nicht zur Verfügung, dürfte in der Informationsweitergabe im Behördenzug allein auf der Basis des § 16 Abs. 1 BVerfSchG ein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) des Betroffenen liegen. 3.3.2. Bundesnachrichtendienst Der Bundesnachrichtendienst ist eine oberste Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramts . Daher besteht auch in diesem Verhältnis eine Dienst- und Fachaufsicht. Auch im Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes gilt die allgemeine Vorschrift des Bundesdatenschutzgesetzes über die zulässige Weitergabe von Informationen in einem Behördenzug zum Zwecke der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht (§ 14 Abs. 3 BDSG) nicht (§ 11 Bundesnachrichtendienstgesetz - BNDG38). In § 12 BNDG ist allerdings folgende Berichtspflicht festgelegt: „Der Bundesnachrichtendienst unterrichtet das Bundeskanzleramt über seine Tätigkeit. Über die Erkenntnisse aus seiner Tätigkeit unterrichtet er darüber hinaus auch unmittelbar die Bundesministerien im Rahmen ihrer Zuständigkeiten; hierbei ist auch die Übermittlung personenbezogener Daten zulässig.“ Die Vorschrift legt nach ihrem Wortlaut nicht fest, zu welchem Zweck diese Unterrichtung erfolgen darf. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Vorschrift daher für unvereinbar mit dem Telekommunikationsgeheimnis des Grundgesetzes (Art. 10 Abs. 1 GG) erklärt und den Gesetzgeber zur Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes verpflichtet.39 Das Telekommunikationsgeheimnis verlange, dass die Weitergabe von Informationen über einen Telekommunikationsvorgang , die der Bundesnachrichtendienst erheben kann (§ 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 G 10-Gesetz), nur zu besonderen Zwecken erfolgen dürfe. Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus, dass die Schutzwirkung von Art. 10 GG sowohl den Bundesnachrichtendienst als auch die Bundesregierung als datenempfangende Stelle erfasse. Bei der Bunderegierung sei das Schutzbedürfnis der Grundrechtsträger sogar noch größer als gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. Denn während dieser auf die Beobachtung und Auswertung von Vorgängen beschränkt bleibe, ohne über 37 BVerfGE 110, 33, 53 - AWG-Überwachung, unter Bezugnahme auf BVerfGE 100, 313, 359 - Telekommunikationsüberwachung . 38 BND-Gesetz vom 20.12.1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 20.06.2013 (BGBl. I S. 1602). 39 BVerfGE 100, 313, 387 f. – Telekommunikationsüberwachung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 15 exekutivische Befugnisse zu verfügen, habe die Bundesregierung als politisches Organ und als Spitze der staatlichen Exekutive auf Bundesebene die Mittel, ihre Kenntnisse in Maßnahmen umzusetzen, die die von der Fernmeldeüberwachung betroffenen Personen erheblich beeinträchtigen könnten.40 Da die Datenweitergabe durch den Bundesnachrichtendienst und die Datenverwendung durch die Bundesregierung durch § 12 BNDG nicht weiter eingeschränkt sei, sei sie mit Art. 10 GG nicht vereinbar. Aufgrund dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber die Weitergabe von Informationen durch den Bundesnachrichtendienst an die Bundesregierung und weitere Behörden, die in den Schutzbereich von Art. 10 GG fallen, in § 7 G 10-Gesetz besonderen Voraussetzungen unterworfen. Die Übermittlung dieser Daten ist stets nur dann zulässig, soweit sie zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. Zudem darf der Empfänger die Daten nur für die Zwecke verwenden, zu deren Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind (§ 7 Abs. 5 und Abs. 6 G 10 Gesetz). Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich ausschließlich auf Daten, die dem Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses unterfallen. Für die Weitergabe sonstiger personenbezogener Daten wurde daher auch keine weitere gesetzliche Einschränkung geschaffen . Wie bereits dargestellt, ist ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung nur gerechtfertigt, wenn die damit zusammenhängende Datenweitergabe bestimmten Einschränkungen , insbesondere Zweckbindungen unterliegt. Daher ist auch in diesem Zusammenhang zu bezweifeln , ob personenbezogenen Daten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) allein auf der Basis des § 12 BNDG an die Bunderegierung im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht übermittelt werden dürfen. Auch hier dürfte das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sein, wenn entsprechende Daten an das Bundeskanzleramt weitergegeben werden, ohne dass dies auch auf andere gesetzliche Grundlagen gestützt werden kann. 3.3.3. Bundeskriminalamt Im Unterschied zu den Berichtspflichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes schließt das Bundeskriminalamtsgesetz (BKAG41) die Anwendung des § 14 Abs. 3 BDSG ausdrücklich nicht aus (§ 37 BKAG). Folglich ist die Weitergabe von personenbezogenen Daten durch das Bundeskriminalamt an die übergeordnete Behörde, das Bundesinnenministerium , auf dieser Grundlage zulässig. 4. Zusammenfassung Der Weitergabe personenbezogener Daten in einem Behördenzug im Rahmen der der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht werden nur durch die Grundrechte der Betroffenen, insbesondere das Recht der informationellen Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG), Grenzen gesetzt. In die Schutzgüter der Integri- 40 BVerfGE 100, 313, 387 f. – Telekommunikationsüberwachung. 41 Vgl. z.B. § 37 Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKAG) vom 07.07.1997 (BGBl. I S. 1650), zuletzt geändert durch Artikel 3 i.V.m Artikel 9 des Gesetzes vom 20.06.2013 (BGBl. I S. 1602). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 169/14 Seite 16 tät des Strafverfahrens (Art 20 Abs. 3 GG) und der Immunität von Abgeordneten (Art. 46 Abs. 2 und Abs. 4 GG) wird durch diese Informationsweitergabe nicht eingegriffen. Der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch die Regelung des § 14 Abs. 3 BDSG grundrechtskonform ausgestaltet. In einer Abwägung überwiegt das Interesse an einer durch die Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht gesicherten demokratisch legitimierten Verwaltung gegenüber dem Schutzinteresse des Betroffenen, da die Nutzung und Verwendung der personenbezogenen Daten durch die Zweckbindung des § 14 Abs. 3 BDSG und flankierende Verbots- und Strafvorschriften erheblich eingeschränkt ist. Soweit bereichsspezifische Berichtspflichten gegenüber der übergeordneten Behörde einfachgesetzlich durch § 16 Abs. 1 BVerfSchG für das Bundesamt für Verfassungsschutz und durch § 12 BNDG für den Bundesnachrichtendienst vorgesehen sind, bestehen Bedenken, ob allein auf dieser Basis auch Informationen und Daten weitergegeben werden dürfen, die in die Schutzbereiche des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmungen und des grundrechtlichen Telekommunikationsgeheimnis fallen.