© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 168/14 Einrichtung kollektiver Teile innerhalb der Rückstellungen für Beitragsrückerstattung der Lebensversicherer Zur Vereinbarkeit mit Artikel 14 GG Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 2 Einrichtung kollektiver Teile innerhalb der Rückstellungen für Beitragsrückerstattung der Lebensversicherer Zur Vereinbarkeit mit Artikel 14 GG Verfasserin: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 168/14 Abschluss der Arbeit: 4.9.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Punkt 1 beruht auf einer Zuarbeit des Fachbereiches Haushalt und Finanzen (WD 4). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Ansprüche auf Überschussbeteiligung aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst? 5 3. Verfassungsmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung 7 3.1. Abgrenzung zur Enteignung 7 3.2. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 8 4. Ergebnis 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Versicherungsunternehmen müssen Teile des handelsrechtlichen Rohüberschusses eines Geschäftsjahrs für die Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer verwenden. Diese Teile des Rohüberschusses werden jedoch nicht unmittelbar den einzelnen Versicherungsverträgen zugerechnet , sondern zunächst der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) zugeführt. Die innerhalb der RfB angesammelten Mittel werden in drei Kategorien aufgeteilt: die für bereits rechtsverbindlich deklarierte Überschusszuteilungen festgelegten Mittel (festgelegte RfB), die Rückstellung für in Aussicht genommene und für die einzelnen Versicherungsverträge betragsmäßig spezifizierte, jedoch nicht rechtsverbindlich garantierte Schlussüberschusszahlungen (gebundene RfB oder Schlussüberschussanteilfonds) und die noch nicht einzelnen Verträgen zugeordneten verbleibenden Mittel (freie oder ungebundene RfB). Da weder die freie RfB noch der Schlussüberschussfonds als Rückstellung für eine rechtsverbindliche betragsmäßig fixierte Leistungsverpflichtung anzusehen sind, gelten diese beiden Bilanzpositionen im Sinne der Solvabilitätsvorschriften nach § 53 c Versicherungsaufsichtsgesetz1 (VAG) als Eigenmittel zur Bedeckung der Solvabilitätsspanne. Sie stellen bei den meisten deutschen Lebensversicherungsgesellschaften einen Anteil von deutlich über 80 Prozent der insgesamt verfügbaren Eigenmittel dar. Die Notwendigkeit der freien RfB ergibt sich zum einen aus dem Rhythmus von Überschussermittlung und Überschusszuteilung: Die Festlegung der Überschusszuteilungen zu den einzelnen Versicherungsverträgen für das Folgejahr erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem der Rohüberschuss des laufenden Geschäftsjahres noch nicht definitiv festgestellt ist. Zum anderen ist die Geschäftspolitik der meisten Versicherer darauf ausgerichtet, den Zwischenpuffer für eine Glättung der Überschussbeteiligung zu nutzen: Schwankende Rohüberschüsse werden über einige Jahre verteilt an die Versicherungsverträge weitergegeben. Auf diese Weise werden die Leistungserwartungen aus Lebensversicherungsverträgen stabilisiert und die längerfristige Planung der Altersvorsorge für die Kunden erleichtert.2 1994 ist unter anderem aufgrund europarechtlicher Vorgaben eine Trennung zwischen Alt- und Neubestand eingeführt worden. Seither war ein Ausgleich der Einzahlungen der Versicherten zur Beteiligung an den Überschüssen auf die jeweiligen Gruppen des Alt- oder Neubestandes begrenzt . Aufgrund des Geschäftsmodells der deutschen Lebensversicherer wuchs die RfB des Alt- 1 Versicherungsaufsichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I S. 2), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. August 2014 (BGBl. I S. 1330) geändert worden ist. 2 Heinen, Norbert: Freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung (freie RfB), in: Gabler Versicherungslexikon, unter: http://www.versicherungsmagazin.de/Definition/32828/freie-rueckstellung-fuerbeitragsrueckerstattungen -freie-rfb.html, abgerufen am 23. Juli 2014 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 5 bestandes überproportional gegenüber der des Neubestandes.3 Um diese Problematik zu entschärfen , wird mit der Änderung des § 56 b VAG zwischen die RfB des Alt- und der des Neubestandes ein kollektiver Teil geschoben.4 Dieser kollektive Teil soll für die Risikotragfähigkeit des Gesamtbestandes der abgeschlossenen Verträge unabhängig vom Abschlusszeitpunkt zur Verfügung stehen . Der kollektive Teil wird aus den künftig anfallenden Überschüssen sowie aus den Mitteln des Altbestandes gebildet, die bei einem „ungestörten“ Vertragsablauf an die Verträge des Neubestands abgegeben würden. Die Festlegung, welche Umbuchungen zwischen den einzelnen Teilen der RfB möglich sind, soll in einer Rechtsverordnung geregelt werden.5 Diese Rechtsverordnung soll demnächst durch das Bundesministerium der Finanzen erlassen werden. Hierin soll nach Angabe des Auftraggebers des Gutachtens vorgesehen sein, dass die zum kollektiven Teil der RfB eingestellten Beträge bis zur Höhe von 80 % der Solvabilitätsspanne ausschließlich als Eigenmittel und nicht für Überschussleistungen im Sinne von § 56 b VAG verwendet werden. In einem vom Auftraggeber mitgelieferten offenen Brief an den Bundespräsidenten macht der Bund der Versicherten e.V. verfassungsrechtliche Bedenken geltend: Die Einführung eines kollektiven Teils der RfB sei nicht mit Art. 14 GG vereinbar, da sie nicht geeignet sei, den Zweck – einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Alt- und Neubeständen – zu erreichen. Ferner wirke die Gesetzesänderung wie eine Enteignung der Versicherten zugunsten des Versicherers, der seinen Anteilseignern eine Dividende ausschütten könne. Gegenstand dieses Gutachtens ist die Frage, ob § 56 b Abs. 2 Satz 1 VAG im Zusammenspiel mit den in der Rechtsverordnung vorgesehenen Zuweisungen mit dem Schutz des Eigentums gemäß Art. 14 GG im Einklang steht. Hierbei wird nach Absprache mit dem Auftraggeber insbesondere auf ein bereits vorliegendes Gutachten6 Bezug genommen. 2. Ansprüche auf Überschussbeteiligung aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst? Die teilweise Kollektivierung der freien RfB könnte die Höhe der Ansprüche von Versicherten mit Verträgen, die vor 1995 abgeschlossen wurden (Versicherten des Altbestandes), aus der Überschussbeteiligung verringern. Fraglich ist, ob die Ansprüche (in einer bestimmten Höhe) auf Überschussbeteiligung Eigentum im Sinne des Art. 14 GG sind. 3 Begründung des Gesetzentwurfes in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf BT-Drs. 17/11395, S. 18. 4 Begründung auf BT-Drs. 17/11395, S. 19. 5 Begründung auf BT-Drs. 17/11395, S. 19. 6 Armbrüster, Teilkollektivierung der freien Rückstellung für Beitragsrückerstattung in der Lebensversicherung (§ 56 b Abs. 2 VAG n.F.), VersR 2013, 385. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 6 Art. 14 GG schützt das Eigentum und das Erbrecht, weist die Ausgestaltung des Inhalts und der Schranken aber dem Gesetzgeber zu. Die Verfassung definiert also nicht ausdrücklich den Begriff des Eigentums. Daher muss auf den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie im System des Grundgesetzes abgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist wesentliches Merkmal des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs, dass ein vermögenswertes Recht dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist.7 Unter den Schutz des Eigentums fällt aber nur eine Rechtsposition, die dem Rechtssubjekt bereits zusteht.8 Keinen Eigentumsschutz genießen nach der Rechtsprechung des BVerfG bloße Gewinnerwartungen, Chancen oder Erwerbsmöglichkeiten.9 In zwei Entscheidungen hat das BVerfG10 sich mit den Ansprüchen aus Lebensversicherungen mit Überschussbeteiligungen auseinandergesetzt. Das BVerfG11 sah den Gesetzgeber aus dem objektiv -rechtlichen Gehalt der Eigentumsgarantie als verpflichtet an, dafür vorzusorgen, dass „die durch die Prämienzahlungen (…) nach Abzug der von ihm erbrachten Leistungen geschaffenen Vermögenswerte, die der Erfüllung der Ansprüche der Versicherten dienen, diesen erhalten bleiben .“ Dies gelte nicht nur hinsichtlich der Versicherungssumme, sondern auch für Vermögenswerte , die als Grundlage für die Überschussbeteiligung geschaffen worden seien. Dies betreffe nicht nur durch Zuteilung bereits entstandene Ansprüche an der Überschussbeteiligung, sondern auch solche, deren Entstehung „durch die rechtlichen Vorgaben des Versicherungsvertrags- und des Versicherungsaufsichtsrechts so vorgezeichnet ist, dass es sich bei der Überschussbeteiligung um mehr als eine bloße Chance handelt.“12 Das Gericht führt weiter aus: „Der objektiv-rechtliche Schutz aus Artikel 14 Abs. 1 GG erstreckt sich daher auch auf die Sicherung der späteren Konkretisierung und Realisierung des zunächst nur dem Grunde nach bestehenden Anspruchs auf Überschussbeteiligung . Diese spätere Überschussbeteiligung wird der Höhe nach beeinträchtigt, wenn nicht alle für die Erzielung eines Überschusses maßgebenden Vermögenswerte auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden.“ In Anwendung der Rechtsprechung des BVerfG wären damit wohl auch diejenigen Ansprüche auf Überschussbeteiligung vom Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt, deren Entstehung durch die jeweiligen rechtlichen Vorgaben bereits konkretisiert worden ist. Diese wären 7 BVerfGE 83, 201 (208 f.). 8 BVerfGE 108, 370 (384). 9 BVerfGE 68, 193 (222); zum Ganzen Axer in: Epping/Hilgruber, BeckOK-GG, 21. Ed. 2014, Art. 14, Rn. 41 ff. 10 BVerfGE 114, 23 und BVerfG, NJW 2005, 2363 11 BVerfG, NJW 2005, 2363 (2366). Kritische Anmerkung von Sachs, JuS 2005, 1026. 12 BVerfG, NJW 2005, 2363 (2366). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 7 einfachgesetzlich durch die §§ 11 c, 81 c Abs. 3 VAG im Verbindung mit der MindZV13 ausgestaltet worden.14 Die Versicherten im Altbestand haben ihre Versicherungen im Vertrauen auf den Fortbestand der Regelungen abgeschlossen, die vor 1994 galten. Damals wurden die RfB für alte und neu abgeschlossene Verträge miteinander verrechnet. Erst mit der Rechtsänderung im Jahr 1994 wurden die Altverträge besser gestellt, da deren RfB nun unabhängig von Neuverträgen aufgebaut wurde. In diesen Zustand greift die Änderung des § 56 b Abs. 2 S. 1 VAG ein, indem er einen Teil der RfB für Altverträge in den kollektiven Teil überträgt. Eine Verschlechterung – und damit eine geringere Ausschüttung aus der Überschussbeteiligung – könnte sich damit allenfalls gegenüber der zwischen 1994 bis 2013 geltenden Rechtslage zeigen. Ob auch zwischenzeitliche gesetzliche Besserstellungen vom Schutzbereich des Eigentums im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG umfasst sein sollen, lässt sich jedenfalls bezweifeln.15 Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass nach Auffassung des BVerfG auch diese Konstellation in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit fällt, soll im Folgenden die mögliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer entsprechenden Bestimmung geprüft werden. 3. Verfassungsmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung In das gemäß Art. 14 GG geschützte Eigentum kann entweder durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oder eine Enteignung eingegriffen werden.16 3.1. Abgrenzung zur Enteignung Eine Enteignung ist die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben.17 § 56 b Abs. 2 S. 1 VAG stellt bereits deshalb keine Enteignung dar, weil die Kollektivierung eines Teiles der freien RfB nicht der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen soll, sondern dem Ausgleich der 13 Mindestzuführungsverordnung vom 4. April 2008 (BGBl. I S. 690), die durch Artikel 6 des Gesetzes vom 1. August 2014 (BGBl. I S. 1330) geändert worden ist. 14 Armbrüster, Teilkollektivierung der freien Rückstellung für Beitragsrückerstattung in der Lebensversicherung (§ 56 b Abs. 2 VAG n.F.), VersR 2013, 385 (393). 15 Ähnlich Armbrüster, Bewegung im Recht der Lebensversicherung, NJW 2014, 497 (502), der aber auf den Vertrauensschutz der Versicherten im Altbestand abstellt. 16 Axer (Fn. 9), Art. 14 Rn. 70. 17 BVerfGE 112, 93 (109); Axer (Fn. 9), Art. 14 Rn. 73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 8 Interessen der Versicherten im Alt- und Neubestand.18 Damit handelt es sich nicht um eine Enteignung , sondern um eine Inhalts- oder Schrankenbestimmung.19 3.2. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ist Art. 14 Abs. 2 GG – die Sozialbindung des Eigentums – maßgebliche Leitlinie.20 Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung muss sich aber am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen, also zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dem Gesetzgeber kommt hinsichtlich der Bestimmung des Zwecks ein politischer Gestaltungsspielraum zu.21 Da der Gesetzgeber mit der in Frage stehenden Vorschrift jeweils den genauen Inhalt des Eigentums bestimmt, wird die Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahingehend modifiziert, dass zwischen der verfassungsrechtlich garantierten Rechtsstellung und dem Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung abzuwägen ist. Der Gesetzgeber darf nicht nur die bisherige Eigentumsposition unverhältnismäßig kürzen, er darf zugleich die Sozialbindung des Eigentums nicht mehr als verhältnismäßig vernachlässigen. Das Wohl der Allgemeinheit ist zugleich Grund wie Grenze für die dem Eigentümer aufzuerlegenden Beschränkungen.22 Wie Armbrüster in seinem Gutachten zur Teilkollektivierung der freien Rückstellung23 ausgeführt hat, soll diese Gesetzesänderung die Ungleichbehandlung zwischen Alt- und Neubestand sowie zwischen bereits abgewickelten und noch abzuwickelnden Verträgen des Altbestandes dienen. Ferner soll die Solvabilität der Versicherer geschützt werden. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahmen steht dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG ein weiter Ermessenspielraum zur Verfügung.24 Insbesondere ist nach der Rechtsprechung eine gesetzliche Regelung nur dann übermäßig belastend und deshalb verfassungswidrig, wenn sich eindeutig feststellen lässt, dass ein milderes Mittel zur Verfügung steht.25 Die in dem Gutachten vorhandenen Ausführungen zu diesen Punkten würden wohl den Maßstäben des BVerfG genügen, so dass in einem nächsten Schritt die Angemessenheit im Einzelnen zu prüfen ist. Wie oben ausgeführt, darf der Gesetzgeber die bisherige Eigentumsposition – hier der Versicherungsnehmer im Altbestand – nicht unverhältnismäßig kürzen, hat diese aber mit den Interessen der anderen Versicherungsnehmer abzuwägen. 18 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 17/11395 S. 19. 19 So auch Armbrüster (Fn. 14), VersR 2013, 394. 20 Wieland in: Dreier, Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 107. 21 Wieland (Fn. 20), Art. 14 Rn. 145. 22 BVerfGE 102, 1 (17), 126, 331 (360). Zum Ganzen vgl. Wieland (Fn. 20), Art. 14 Rn. 145. 23 Armbrüster (Fn. 14), VersR 2013, 395 f. 24 St. Rspr., vgl. Nachweise bei BVerfGE 90, 145 (173). 25 BVerfGE 17, 232 (244 f.); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, § 84 II 3 b, S. 782. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 9 Die „Anwartschaften“ der Versicherungsnehmer im Altbestand werden durch die Gesetzesänderung voraussichtlich schlechter gestellt als bei Beibehaltung der Trennung. Hier ist allerdings zu beachten, dass diese Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss eine ähnliche Rechtslage vorfanden , wie sie nun wieder hergestellt ist. Ferner ist der Umfang der Überschussbeteiligung immer mit Unsicherheiten behaftet, da die Allgemeinen Bedingungen für Lebensversicherungen für die Höhe der Überschussbeteiligung immer nur auf den jeweiligen genehmigten Geschäftsplan verweist .26 Somit sind die Versicherungsnehmer im Altbestand letztlich in ihrem Vertrauen auf den Fortbestand der bei Vertragsschluss geltenden Regeln bestätigt worden. Soweit im Rahmen des Schutzes des Eigentums auch das Vertrauen geschützt ist27, scheint – soweit überhaupt eine Beeinträchtigung vorhanden ist – das Vertrauen in den Fortbestand der zwischenzeitlich günstigeren Regelung nicht schützenswert. Die Ausführungen von Armbrüster in seinem Gutachten28 überzeugen. Auf der anderen Seite stehen der finanzielle Vorteil für die Versicherungsnehmer im Neubestand seit 1994 sowie die Stärkung der Solvabilität der Versicherungsunternehmen durch Stärkung der Eigenmittel. Zwar besteht kein Anspruch der Versicherungsnehmer im Neubestand auf eine Besserstellung . Letztlich werden aber die Risiken einer langfristigen Kapitalanlage gleichmäßiger auf alle Beteiligten verteilt. Zumindest sind die Interessen der Versicherungsnehmer im Neubestand im Rahmen der Sozialnützigkeit des Eigentums zu berücksichtigen. Letztlich verfolgt die Gesetzesänderung aber zusammen mit der Rechtsverordnung auch eine Erhöhung der Solvabilität der Versicherer. Deren Leistungsfähigkeit liegt im Interesse aller Versicherungsnehmer , da andernfalls zumindest wohl ihre Ansprüche auf Überschussbeteiligung noch mehr beeinträchtigt würden oder gar untergingen. Ob eine wirkliche Gefährdung der Leistungsfähigkeit einer größeren Anzahl an Unternehmen vorliegt29, kann von dieser Stelle aus nicht beurteilt werden. Letztlich ist dem Gesetzgeber aber gerade auch angesichts langfristiger Entwicklungen ein Prognosespielraum einzuräumen.30 Die Prognosen sind vertretbar, wenn er die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, die Aufschluss über die voraussichtlichen Wirkungen versprechen.31 Der Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank32 hat unter der Voraussetzung eines länger anhaltenden Rekordzinstiefs finanzielle Schwierigkeiten für einige Versicherungsunternehmen festgestellt, da die finanziellen Puffer der Lebensversicherer aufge- 26 Armbrüster (Fn. 14), VersR 2013, 397. 27 Hierzu Wieland (Fn. 20), Art. 14 Rn. 148 f. 28 Armbrüster (Fn. 14), VersR 2013, 397 - 399. 29 Kritisch „Auf Kosten der Kunden“, ÖKOTEST 2/2014, S. 109 ff.; dagegen GDV – die deutschen Versicherer, „Ökotest stellt abenteuerliche Thesen zur Reform der Lebensversicherung auf“, im Internet abrufbar unter: http://www.gdv.de/2014/06/oekotest-stellt-abenteuerliche-thesen-zur-lebensversicherungsreform-auf/ (letzter Abruf für alle weiteren Internetseiten: 3.9.2014). 30 Papier in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, 70. EL 2013, Art. 14 Rn. 320 ff. 31 Wieland (Fn. 20), Art. 14 Rn. 145. 32 Finanzstabilitätsbericht 2013, S. 75, im Internet abrufbar unter: http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Dossier/finanzstabilitaetsbericht_2013_live_uebertragung.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 168/14 Seite 10 zehrt würden. Bei der Prognose der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung kann sich der Gesetzgeber auf die vom Bund errichtete, unabhängige Bundesbank stützen. Sollte sich – wie in dem offenen Brief des Bundes der Versicherten e.V. insinuiert – herausstellen, dass die Versicherungsunternehmen die durch die kollektive Rückstellung freigewordenen Eigenmittel nicht für eine höhere Überschussbeteiligung ihrer Versicherungsnehmer einsetzen, sondern als Dividende an die Anteilseigner ausschütten, wäre der Gesetzgeber verpflichtet, dieses Verhalten zu analysieren und eine Korrektur zu erwägen. Dies wäre aber wohl auch durch eine Anpassung der auf der Grundlage von § 56 b Abs. 2 S. 1 VAG erlassenen Rechtsverordnung möglich. 4. Ergebnis § 56 b Abs. 2 S. 1 VAG ist wohl mit dem verfassungsrechtlich geschützten Eigentum der Versicherten im Altbestand vereinbar. Soweit Ansprüche auf eine Überschussbeteiligung aus einer Lebensversicherung in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG fallen, wäre ein entsprechender Eingriff wohl durch den Schutz der Versicherten im Neubestand und insbesondere durch das Ziel, die Solvabilität der Versicherungen zu erhalten oder zu erhöhen, gerechtfertigt . Dem Gesetzgeber steht ein Prognosespielraum hinsichtlich der Erforderlichkeit eines Eingriffs zugunsten der Versicherungen zu. Soweit sich seine Prognosen nicht verwirklichen, könnte er zu einer Änderung der Gesetzeslage verpflichtet sein.