Deutscher Bundestag Zur Reichweite des § 2 Abs. 5 des Entwurfs eines Kohlendioxid- Speicherungsgesetzes (BT-Drs. 17/5750) Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 166/11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 166/11 Seite 2 Zur Reichweite des § 2 Abs. 5 des Entwurfs eines Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (BT-Drs. 17/5750) Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 166/11 Abschluss der Arbeit: 12. Mai 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 166/11 Seite 3 1. Einleitung In der erhöhten Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre wird eine der Hauptursachen für die globale Erderwärmung gesehen. Die CO2-Reduktion ist daher wesentliche Zielsetzung des effektiven Klimaschutzes. Viele Analysen zu zukünftigen Klimaschutzstrategien zeigen die großtechnische Abscheidung von CO2 bei Kraftwerken und anderen Großemittenten, den Abtransport und anschließende Speicherung in geologischen Formationen (englisch: Carbon Capture and Storage (CCS)) als eine Möglichkeit zur Erreichung ambitionierter Klimaschutzziele auf.1 In der letzten Wahlperiode brachte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhafter Speicherung von Kohlendioxid in den Bundestag ein2, der noch in die Ausschüsse überwiesen wurde3, aber schließlich der Diskontinuität unterlag. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Wahlperiode vom 26. Oktober 2009 heißt es: „Wir werden zeitnah die Richtlinie der EU umsetzen, die Abscheidung, Transport und Einlagerung von CO2 regelt. Wir wollen für Akzeptanz werben und u. a. einen Geothermie-Atlas beauftragen, um Nutzungskonkurrenzen zwischen CCS und Geothermie zu prüfen.“4 Die umstrittene Frage der Einflussmöglichkeiten einzelner Länder bei der Demonstrationsspeicherung (sog. Länderklausel) führte zunächst zum Scheitern einer weiteren gesetzgeberischen Initiative der Bundesregierung.5 Nunmehr gibt es mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid6 einen neuerlichen Vorstoß zur Regelung der unterirdischen CO2- Speicherung, beschränkt auf Erforschung, Erprobung und Demonstration. Dieser Gesetzentwurf enthält in Art. 1 den Entwurf eines Gesetzes zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (Kohlendioxid-Speicherungsgesetz – KSpG – nachfolgend: E-KSpG) sowie weitere Artikel mit spezialgesetzlichen Änderungen. 1 Schulz, Falk/ Hermann, Andreas/ Barth, Regine, Rechtliche Rahmenbedingungen für die Ablagerung von CO2 in tiefen geologischen Schichten: Vorschläge zur Ausgestaltung des Rechtsrahmens, in: Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2008, S. 1417 ff., S. 1417. 2 BT-Drs. 16/12782. 3 BT-Plen-Prot. 16/219, S. 23915 (C). 4 http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf. 5 Siehe zum Referentenentwurf vom 14. Juli 2010 und der dortigen Länderklausel auch: Robbe, Patrizia, Fragen zur Verankerung einer „Länderklausel“ im Kohlendioxid-Speicherungsgesetz, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 3 – 3000- 339/10 vom30. August 2010; weiter zum Thema auch: , Wie kann der Bundesgesetzgeber bestimmen, dass Regelungen nur in Ländern anzuwenden sind, die dies wünschen? Hier: Regelungen für die CO2-Abscheidung, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 3 - 3000-252/10 vom 23. Juni 2010. 6 BT-Drs. 17/5750 vom 9. Mai 2011 (elektronische Vorab-Fassung). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 166/11 Seite 4 Die „Länderklausel“ des § 2 Abs. 5 E-KSpG lautet: „Die Länder können durch Landesgesetz bestimmen, dass eine Erprobung und Demonstration der dauerhaften Speicherung nur in bestimmten Gebieten zulässig ist oder in bestimmten Gebieten unzulässig ist.“ Nachfolgend ist zu prüfen, ob es nach dieser Bestimmung einem einzelnen Bundesland möglich ist, für das gesamte Landesfläche kategorisch die Erprobung und Demonstration der CO2- Speicherung auszuschließen. 2. Auslegung des § 2 Abs. 5 E-KSpG In § 2 Abs. 5 E-KSpG ist nicht vom Landesgebiet selbst die Rede, sondern von der Festlegung von „bestimmten Gebieten“. Dies spricht für eine gebietsbezogene Regelungsbefugnis. Allerdings wird hinsichtlich der Größe dieser Gebiete keine Einschränkung vorgenommen. Nach dem Wortlaut ist die Zulassung oder der Ausschluss von Gebieten, letztlich auch in der Größe eines Bundeslandes , zunächst nicht ausgeschlossen. Allerdings ist weiter zu berücksichtigen, dass ausweislich der Begründung7 zu dieser Bestimmung die Länder ermächtigt sind, sowohl zu Positiv- als auch zu Negativausweisungen von Gebieten für die dauerhafte Speicherung und es ihnen somit vorbehalten bleibt, auch nur Negativoder nur Positivausweisungen vorzunehmen. Weiter heißt es, dass damit die Handlungsmöglichkeiten der Länder weiter gestärkt würden. Im gesamten Landesgebiet werde der Ausschluss von Gebieten durch diese fachgesetzliche Regelung rechtlich ermöglicht. Die Gesetzesbegründung macht aber auch deutlich, dass „bei der Festlegung energie- und industriebezogene Optionen zur Nutzung einer potentiellen Speicherstätte, die geologischen Besonderheiten der Gebiete und andere öffentliche Interessen abzuwägen“ seien. Damit habe die Gebietsauswahl anhand anerkannter fachlicher und verwaltungsrechtlicher Kriterien zu erfolgen. Die Vorschrift enthalte insoweit ein Abwägungsgebot. Die energie- und industriebezogenen Nutzungsoptionen der Speicherstätten , die geologischen Besonderheiten und andere öffentliche Interessen (z. B. Umwelt- und Tourismusbelange ) seien dabei zugrunde zulegen. In dem Umfang, in dem hierbei für potenzielle Speicherstätten ein Überwiegen entgegenstehender Belange begründet werden könne, sei ein Ausschluss möglich. Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass die landesgesetzliche Regelung einer Positivoder Negativausweisung eines Gebietes als planerische Entscheidung nicht willkürlich und damit ermessensfehlerhaft erfolgen darf. Ein kategorischer Ausschluss des gesamten Landesgebietes unter Missachtung des Abwägungsgebotes als besonderer Ausprägung der Ermessensausübung dürfte danach nicht möglich sein. Hinsichtlich der Ausweisung eines Positiv- oder Negativgebietes für die unterirdische CO2-Speicherung sind die im Einzelfall dafür und dagegen stehenden Belange bezogen auf bestimmte Gebiete abzuwägen und zu gewichten. Am Ende dieses Abwägungsprozesses kann danach wohl auch die positive oder negative Ausweisung eines Gebietes dergestalt stehen, dass im Ergebnis räumlich das gesamte Landesgebiet erfasst wird. Die bei der Abwägung entscheidend zu berücksichtigenden Kriterien lassen sich nicht abstrakt be- 7 BT-Drs. 17/5750, S. 64. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 166/11 Seite 5 stimmen. Diese und das Ergebnis der Abwägung hängen letztlich von den Gegebenheiten im Einzelfall ab. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass eine weitergehende Auslegung des § 2 Abs. 5 E-KSpG im Sinne der Möglichkeit eines kategorischen Ausschlusses von unterirdischer CO2-Speicherung für das gesamte Landesgebiet, die praktische Wirksamkeit des Gesetzesentwurfes nicht unwesentlich aushebelte und die Zielerreichung der bundesgesetzlichen Regelung - Gewährleistung einer dauerhaften Speicherung von CO2 in unterirdischen Gesteinsschichten im Interesse des Klimaschutzes etc. (vgl. § 1 E-KSpG) - in Frage stellen würde. Unabhängig hiervon sei darauf hingewiesen, dass die zuständige Behörde Anträge nach §§ 7 (Untersuchungsgenehmigung) und 12 E-KSpG (Antrag auf Planfeststellung) längstens für drei Jahre nach Antragsstellung gemäß § 45 Abs. 3 E-KSpG zurückzustellen hat, sofern eine Landesregierung ihr Interesse bekundet hat, einen Gesetzentwurf nach § 2 Abs. 5 E-KSpG einzubringen, so dass in diesem Zeitraum Anträge nicht beschieden werden müssen und faktisch Vorhaben im gesamten Landesgebiet im genannten Zeitraum nicht realisiert werden. Gleiches gilt, wenn der Landesgesetzgeber mehrheitlich eine Gesetzesinitiative gemäß § 2 Abs. 5 E-KSpG ergreift bis zum Inkrafttreten des Gesetzes.