© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 165/19 Aufsicht über die öffentlich-rechtliche Stiftung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 165/19 Seite 2 Aufsicht über die öffentlich-rechtliche Stiftung Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 165/19 Abschluss der Arbeit: 28. Juni 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 165/19 Seite 3 1. Fragestellung Es wird gefragt, ob der Bundestag die Bundesregierung dazu auffordern kann, eine bestimmte bundesunmittelbare Stiftung – nämlich die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas – damit „zu beauftragen“, eine bestimmte Ausstellung zu konzipieren und durchzuführen. Ferner wird gefragt, ob dieser Möglichkeit vergabe- oder beihilferechtliche Belange im Weg stehen. Die generelle Möglichkeit des Bundestages, die Bundesregierung zu einem bestimmten Handeln aufzufordern, ist unproblematisch gegeben. Solche Handlungsaufforderungen können mittels eines sogenannten schlichten Parlamentsbeschlusses erteilt werden.1 Der Sachstand beschränkt sich daher auf die Frage, ob die Bundesregierung einer bundesunmittelbaren Stiftung eine Weisung zur Durchführung eines bestimmten Projekts erteilen kann. 2. Die öffentlich-rechtliche Stiftung Eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts verwaltet selbständig ein eigenes Stiftungsvermögen , das einem vom Stifter bestimmten Zweck gewidmet ist. Von der privatrechtlichen Stiftung unterscheidet sie sich insbesondere durch ihren hoheitlichen Entstehungstatbestand und durch ihre Stifterin, eine juristische Person des öffentlichen Rechts.2 Stiftungen des öffentlichen Rechts gehören der mittelbaren Staatsverwaltung an.3 Aus Art. 87 Abs. 3 Grundgesetz wird für die Errichtung von bundesunmittelbaren Stiftungen ein Gesetzesvorbehalt abgeleitet.4 So wurde etwa durch das Gesetz zur Errichtung einer »Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas «5 die gleichnamige Stiftung errichtet. 3. Die Aufsicht über die öffentlich-rechtliche Stiftung Die öffentlich-rechtliche Stiftung unterliegt der Aufsicht des Staates.6 Staatliche Aufsicht ist generell in den Formen der Rechtsaufsicht und der Fachaufsicht möglich. Während die Rechtsaufsicht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns begrenzt ist, kontrolliert die Fachaufsicht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Die Fachaufsicht wird insbesondere durch das Erteilen von Handlungsanordnungen mittels Weisung ausgeübt. Die Frage, ob einer öffentlich-rechtlichen Stiftung eine Weisung zur Durchführung eines 1 Siehe vertiefend zum schlichten Beschluss den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Frage zur Wirkung eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, WD 3 - 3000 - 143/16. 2 Juristische Personen des öffentlichen Rechts können jedoch auch privatrechtliche Stiftungen errichten, vgl. mit Beispielen Stettner, Die Stiftung des öffentlichen Rechts, 2012, S. 19. 3 Vgl. Kemmler, Die mittelbare Staatsverwaltung und ihre ausbildungsrelevanten Themenbereiche, JA 2015, 328 (331). 4 Alscher, Die Stiftung des öffentlichen Rechts, 2006, S. 15 f., 62 ff.; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL Januar 2018, Art. 87 Rn. 260. 5 Vom 17. März 2000 (BGBl. I S. 212), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Juli 2009 (BGBl. I S. 1686). 6 Vgl. Müller, Die Bundesstiftung, 2008, S. 216. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 165/19 Seite 4 bestimmten Projekts erteilt werden kann, hängt somit davon ab, ob die Stiftung einer Fachaufsicht unterliegt. Die wohl herrschende Meinung geht davon aus, dass die Aufsicht über öffentlich-rechtliche Stiftungen grundsätzlich nur die Rechtsaufsicht umfasst.7 Zur Begründung wird angeführt, dass die Stiftung ihrem Wesen nach autonom sei und daher keiner Zweckmäßigkeitskontrolle unterliegen könne.8 Aufsichtsbehörden seien daher grundsätzlich nicht befugt, die Zweckmäßigkeit von Entscheidungen der Stiftung zu prüfen oder eigene Zweckmäßigkeitsentscheidungen zu treffen.9 Nach anderer Ansicht ist eine Fachaufsicht jedenfalls dann erforderlich, wenn die Stiftung eine grundrechtsrelevante Verwaltungstätigkeit ausübt.10 Zum Teil wird auch angenommen, dass im Errichtungsgesetz der Stiftung stets eine weitergehende Aufsicht verfügt werden kann.11 In der Staatspraxis kommt es immer wieder vor, dass Bundesstiftungen einer Fachaufsicht unterworfen werden.12 Das Errichtungsgesetz der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas sieht allerdings in § 10 Abs. 2 nur eine Rechtsaufsicht vor. Eine Fachaufsicht über diese Stiftung dürfte daher ausgeschlossen sein. Dementsprechend dürfte eine Weisung der Bundesregierung an die Stiftung zur Durchführung eines bestimmten Projekts nicht in Betracht kommen. 4. Vergabe- und beihilferechtliche Fragen Unbenommen bleibt es der Bundesregierung, die Durchführung der Ausstellung gegenüber der Stiftung anzuregen. Vergabe- oder beihilferechtliche Fragen stellen sich im Verhältnis von Bundesregierung und öffentlich-rechtlicher Stiftung nicht. Das Vergaberecht regelt die Vergabe von Aufträgen über entgeltliche Leistungen durch öffentlich-rechtliche Auftraggeber an Unternehmen (vgl. § 103 Abs. 1 GWB). Auch das Beihilferecht betrifft nur Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und Unternehmen (vgl. Art. 107 Abs. 1 AEUV). Vergaberechtliche Fragen können sich daher nur für die Stiftung selbst stellen, wenn sich diese für die Durchführung der Ausstellung der Leistung eines Unternehmens bedienen will. Eine Berührung des Beihilferechts dürfte hingegen von vornherein nicht in Betracht kommen, da sich dieses auf die Gewährung von Zuwendungen ohne marktgerechte Gegenleistung beschränkt.13 *** 7 V. Campenhausen/Stumpf, in: Richter (Hrsg.), Stiftungsrecht, 2019, § 13 Rn. 68; Schlüter/Stolte, in: dieselben, Stiftungsrecht, 3. Aufl. 2016, Kapitel 3 Rn. 4; Kilian, in: Werner/Saenger (Hrsg.), Die Stiftung, 2008, Kapitel XXII Rn. 1121; Müller, Die Bundesstiftung, 2008, S. 216 f. 8 Müller, Die Bundesstiftung, 2008, S. 217. 9 Schlüter/Stolte, in: dieselben, Stiftungsrecht, 3. Aufl. 2016, Kapitel 3 Rn. 4. 10 Suerbaum, in: Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli, Stiftungsrecht, 3. Aufl. 2018, Kapitel C Rn. 409. 11 Kilian, in: Werner/Saenger (Hrsg.), Die Stiftung, 2008, Kapitel XXII Rn. 1121; a.A. Müller, Die Bundesstiftung, 2008, S. 217. 12 So etwa die Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (BT-Drs. 8/1230, S. 7) und die Bundeskanzler-Willy-Brandt- Stiftung (12/7880, S. 6). Für weitere Beispiele siehe Suerbaum, in: Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli, Stiftungsrecht , 3. Aufl. 2018, Kapitel C Fn. 703. 13 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV Rn. 10.