© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 164/17 Zum Ausschluss des Informationszugangsanspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 164/17 Seite 2 Zum Ausschluss des Informationszugangsanspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 164/17 Abschluss der Arbeit: 7. September 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 164/17 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, ob die Erfüllung eines auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) gestützten Informationsbegehrens, das auf die Angabe von Kosten, Kalkulationsgrundlagen, Kostenberechnungen oder Ähnlichem gerichtet ist, unter Hinweis auf den Schutz des Geschäftsgeheimnisses verweigert werden kann. 2. Informationszugangsanspruch nach dem IFG Mit dem IFG existiert seit 2006 auf Bundesebene ein subjektiv-öffentliches, voraussetzungsloses Jedermannrecht auf Informationszugang. Kennzeichnend für das IFG und die anderen Informationsfreiheitsgesetze ist das Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Informationszugänglichkeit .1 Nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG hat „jeder“ nach Maßgabe des IFG gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Begriff der amtlichen Information ist dabei in § 2 Nr. 1 IFG legaldefiniert. Danach ist unter dem Begriff jede amtliche Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, zu fassen. 3. Ausschlussgrund des § 6 S. 2 IFG zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Beschränkt wird der Informationszugangsanspruch des IFG insbesondere durch die in §§ 3-6 normierten Ausnahmetatbestände, die dem Schutz bestimmter öffentlicher und privater Interessen dienen. Von Relevanz ist für die vorliegende Fragestellung der Ausschlussgrund des § 6 S. 2 IFG. Dieser lautet: „Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.“2 Der Begriff der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wird vom IFG selbst nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in anderem Zusammenhang werden als Betriebs - und Geschäftsgeheimnisse „alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.“3 1 Rossi, in Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, § 63 Rn. 26. 2 Vertiefend zu diesem Ausschlussgrund das von Kloepfer im Auftrag des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit 2011 erstattete Rechtsgutachten „Informationsfreiheitsgesetz und Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“, abrufbar unter https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Vortraege UndArbeitspapiere/GutachtenIFGKloepfer.html (zuletzt abgerufen am 5. September 2017). 3 BVerfGE 115, 205 (230). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 164/17 Seite 4 Dieses Begriffsverständnis wird auch der Regelung des § 6 S. 2 IFG zugrunde gelegt.4 Der Schutztatbestand lässt sich damit in vier Elemente gliedern: – eine Beziehung der Information zum Unternehmen, – die Nichtoffenkundigkeit der Information, – einen Geheimhaltungswillen und – ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse.5 In Bezug auf das berechtigte Geheimhaltungsinteresse fordert die Rechtsprechung, dass die Offenlegung von Informationen dazu geeignet sein muss, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen preiszugeben, so dass die Wettbewerbsposition des Unternehmens geschwächt wird.6 Wettbewerbsrelevant können dabei Daten sein, die auf die Betriebsführung, Wirtschaftsund Marktstrategie, Kostenkalkulation, Entgeltgestaltung, Verfahrensabläufe und weitere Umstände Rückschlüsse erlauben, die den Betriebs- oder Geschäftsbereich betreffen.7 Allerdings müssen die Informationen hinreichend konkret sein, um Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition zu haben.8 Als Beispiele für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nennt das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung unter Verweis auf entsprechende rechtswissenschaftliche Literatur9 insbesondere folgende Sachverhalte: „etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungsprojekte […], durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können […].“10 4 Guckelberger, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar Informations- und Medienrecht, Stand: 16. Edition (Mai 2017), § 6 IFG Rn. 16 ff. 5 Siehe Kloepfer/Greve, Das Informationsfreiheitsgesetz und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen , NVwZ 2011, S. 577 (580). 6 Siehe die Nachweise bei Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 92 ff. 7 Partsch, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 6 Rn. 13e, unter Verweis auf VG Köln, Urteil vom 27. Januar 2011 – 6 K 4165/09, Rn. 50 (zitiert nach juris). 8 Partsch, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 6 Rn. 13e. 9 Die aktuellen Fundstellen der vom Bundesverfassungsgericht damals zitierten Literatur lauten: Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 30 Rn. 13, und Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2014, § 56 GWB Rn. 11. 10 BVerfGE 115, 205 (231) – Hervorhebungen nicht im Original. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 164/17 Seite 5 In Bezug auf Beispiele für Geschäftsgeheimnisse führt das Bundesverwaltungsgericht aus: „Geschäftsgeheimnisse zielen auf den Schutz kaufmännischen Wissens; sie betreffen alle Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können. Dazu gehören unter anderem Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher , Kundenlisten oder Bezugsquellen, aber auch Fristen zur Umsetzung von Projekten und Investitionsverpflichtungen oder auch Vertragsstrafenbestimmungen.“ Gemäß der Begriffsmerkmale und der von der Rechtsprechung genannten Beispiele für Geschäftsgeheimnisse können grundsätzlich auch die in der Fragestellung genannten Arten von Informationen (Kosten, Kalkulationsgrundlagen, Kostenberechnungen oder Ähnliches) Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 6 S. 2 IFG darstellen. Zu betonen ist dabei aber, dass sich insoweit eine verallgemeinernde Betrachtung verbietet und es stets eine Frage der betroffenen Informationen im konkreten Einzelfall ist, ob die Merkmale – insbesondere das des berechtigten Geheimhaltungsinteresses – für die Annahme eines Geschäftsgeheimnisses gegeben sind.11 Liegt ein Geschäftsgeheimnis vor, hängt der Informationszugang nach § 6 S. 2 IFG allein von der Einwilligung des Betroffenen ab. Dabei muss der Betroffene keine „alles-oder-nichts-Entscheidung “ treffen, sondern kann durch eine eingeschränkte Einwilligung auch einen teilweisen Informationszugang ermöglichen.12 Anders als bei einigen Länderregelungen oder den Regelungen des Umweltinformationsgesetzes, nach der auch bei zu wahrenden schutzwürdigen öffentlichen oder privaten Belangen ein Informationsanspruch besteht, sofern das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt, fehlt bei § 6 S. 2 IFG eine solche Abwägungsmöglichkeit.13 Dieser Umstand wird von Teilen der Wissenschaft und Praxis kritisch bewertet.14 4. Verwaltungsentscheidung über die Gewährung des Informationszugangs Bereits in der Gesetzentwurfsbegründung zu § 6 S. 2 IFG wird klargestellt, dass die Entscheidung darüber, ob im konkreten Fall ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis dem Informationszugang entgegensteht, allein von der zuständigen Behörde zu treffen ist.15 Bei der Entscheidung der Behörde handelt es sich dabei um eine rechtlich gebundene Verwaltungsentscheidung, bei der kein Ermessen oder Beurteilungsspielraum besteht.16 Die Entscheidung unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Die Behörde muss gegenüber dem Antragsteller im Verwaltungsverfahren 11 So auch schon die Gesetzentwurfsbegründung in BT-Drs. 15/4493, S. 14. 12 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 114. 13 Siehe Kloepfer/Greve, Das Informationsfreiheitsgesetz und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen , NVwZ 2011, S. 577 (584). 14 Siehe Ziekow/Debus/Musch, Evaluation des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes, 2012, S. 6, abrufbar unter https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Informationsfreiheit/Evaluierungsbericht IFG.pdf (zuletzt abgerufen am 7. September 2017). 15 Siehe BT-Drs. 15/4493, S. 14. 16 Siehe die Nachweise bei Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 109. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 164/17 Seite 6 und im Rechtsstreit vor Gericht substantiiert und plausibel darlegen, dass und warum die begehrten Informationen auf Grund eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nicht zugänglich sind.17 Die Begründung muss es insbesondere ermöglichen, das Vorliegen von Ausschlussgründen an Hand von Tatsachen überprüfen zu können.18 *** 17 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 109, unter Verweis auf VG Berlin, Urteil vom 11. November 2010 – 2 K 35/10, Rn. 33 (zitiert nach juris). 18 VG Berlin, Urteil vom 11. November 2010 – 2 K 35/10, Rn. 33 (zitiert nach juris).