© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 162/18 Zur Relevanz des sog. Open-Data-Gesetzes für die Bundestagsverwaltung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/18 Seite 2 Zur Relevanz des sog. Open-Data-Gesetzes für die Bundestagsverwaltung Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 162/18 Abschluss der Arbeit: 14. Juni 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/18 Seite 3 1. Einleitung Der mit dem Open-Data-Gesetz geschaffene § 12a Gesetz zu Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz – EGovG)1 verpflichtet die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung dazu, elektronisch gespeicherte unbearbeitete Daten zum Datenabruf über öffentlich zugängliche Netze bereitzustellen. Der Datenabruf muss nach § 12a Abs. 6 EGovG entgeltfrei und zur uneingeschränkten Weiterwendung der Daten durch jedermann ermöglicht werden. Ziel der Bereitstellungsverpflichtung ist die Nutzung des wirtschaftlichen Potentials, das die Verwendung von sog. offenen Daten bergen kann (z.B. durch die Entwicklung neuer „Apps“ durch Kombination offener Daten“). Hervorgehoben wird darüber hinaus der „Image- und Akzeptanzgewinn für die Verwaltung durch die verbesserte Nachvollziehbarkeit ihres Handelns“.2 Es wird die Frage gestellt, ob und inwieweit das Open-Data-Gesetz für die Bundestagsverwaltung relevant sein kann, insbesondere in Bezug auf Daten aus dem parlamentarischen Bereich. 2. Bereitstellungsverpflichtung nach § 12a EGovG Die Bereitstellungsverpflichtung aus § 12a Abs. 1 S. 1 EGovG gilt für die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung und damit auch für die Bundestagsverwaltung als oberste Bundesbehörde.3 Fraglich ist, ob die Bundestagsverwaltung auch bereitstellungspflichtige Daten erhebt. 2.1. Bereitstellungspflichtige Daten Nach § 12a Abs. 1 S. 1 EGovG sind grundsätzlich unbearbeitete Daten bereitstellungspflichtig, die die Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben erhoben hat oder durch Dritte in ihrem Auftrag hat erheben lassen. Eine weitere Konkretisierung nach Art und Gegenstand der Daten nimmt § 12a Abs. 2 EGovG vor. Zu beachten sind schließlich die Ausnahmetatbestände in § 12a Abs. 3 EGovG. Unbearbeitete Daten im Sinne von Art. 12a Abs. 1 EGovG – sog. Rohdaten – sind diejenigen Bestandteile einer Information, die – abgesehen von der Erhebung – nicht auf einem Bearbeitungsvorgang basieren.4 Diese Rohdaten müssen von der Behörde in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben selbst oder in ihrem Auftrag erhoben worden sein, wobei die Erhebung das aktive Beschaffen meint und grundsätzlich eine vollständige Datensammlung umfasst.5 In zeitlicher Hinsicht gilt die Bereitstellungsverpflichtung grundsätzlich nur für Daten, die nach dem 13. Juli 2017 erhoben 1 Erstes Gesetz zur Änderung des E-Government-Gesetzes vom 5. Juli 2017, BGBl. I, 2206 f. Siehe dazu auch Schnieders, Die neue Open-(Government)-Data-Gesetzgebung in Frankreich und in Deutschland, DÖV 2018, 175 ff. 2 Siehe dazu die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drs. 18/11614, 1 f. 3 Zur Einordnung der Bundestagsverwaltung als oberste Bundesbehörde siehe nur Klein, in: Maunz/Dürig, GG (Stand: Juni 2007), Rn. 107 zu Art. 40. 4 So die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drs. 18/11614, 16, mit Verweis auf § 2 Nr. 2 Informationsweiterverwendungsgesetz . 5 BT-Drs. 18/11615, 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/18 Seite 4 wurden, § 19 Abs. 1 S. 1 EGovG. Ihre erstmalige Bereitstellung hat binnen eines Jahres zu erfolgen , § 19 Abs. 2 EGovG. Die weiteren Vorgaben in § 12a Abs. 2 EGovG schränken die Bereitstellungsverpflichtung jedoch wesentlich ein. So gilt § 12 Abs. 1 S. 1 EGovG nur für Daten, die 1. der Behörde elektronisch gespeichert und in Sammlungen strukturiert vorliegen, insbesondere in Tabellen oder Listen, 2. ausschließlich Tatsachen enthalten, die außerhalb der Behörde liegende Verhältnisse betreffen, 3. nicht das Ergebnis einer Bearbeitung anderer Daten durch eine Behörde der unmittelbaren Bundesverwaltung sind, 4. nach der Erhebung keine Bearbeitung erfahren haben, ausgenommen eine Bearbeitung, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erfolgt ist und ohne die eine Veröffentlichung der Daten nicht möglich wäre, und 5. nicht für Forschungszwecke erhoben worden sind. Das Merkmal der „strukturierten Sammlungen“ nach Nr. 1 meint nach der Gesetzesbegründung, dass die Daten in Gestalt eines Datensatzes insbesondere in Tabellen und Listen darstellbar sind, was sie von Anträgen, Vermerken, Verwaltungsakten, sonstigen Fließtexten und E-Mails abgrenzt.6 Auch Bild- und Tonaufnahmen dürften danach nicht dem Datenbegriff des § 12a EGovG unterfallen. Bereitstellungspflichtig sind ferner allein Daten, die bereits in elektronischer Form verfügbar sind (keine Digitalisierungspflicht).7 Hervorzuheben ist schließlich, dass von vornherein nur Daten über verwaltungsexterne Tatsachen als Daten im Sinne des § 12a Abs. 1 S. 1 EGovG in Betracht kommen. Die Ausnahmetatbestände in § 12a Abs. 3 EGovG beziehen sich darüber hinaus auf fehlende oder eingeschränkte Zugangsrechte und nehmen ohne Auftrag der Behörde erstellte Daten und bereits über öffentlich zugängliche Netze entgeltfrei bereitgestellte Daten von der Bereitstellungspflicht aus. In Bezug auf fehlende oder eingeschränkte Zugangsrechte verweist die Gesetzesbegründung u.a. auf Gründe des Datenschutzes, der IT-Sicherheit und des Schutzes von Verschlusssachen.8 Ausdrücklich erwähnt werden in § 12a Abs. 3 Nr. 1a) EGovG die §§ 3 bis 6 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG). Mit diesen Ausnahmen greift § 12a Abs. 3 EGovG die Vorgaben in § 1 EGovG zum Geltungsbereich des Gesetzes auf. Das EGovG gilt nach § 1 Abs. 4 EGovG nämlich nur, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen 6 BT-Drs. 18/11614, 18. 7 BT-Drs. 18/11614, 17. 8 BT-Drs. 18/11614, 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/18 Seite 5 enthalten. Damit sollen Widersprüche vermieden werden, die z.B. aus einer Ablehnung des Informationszugangs nach dem IFG einerseits und der Bereitstellungsverpflichtung nach dem EGovG andererseits entstehen könnten. Als „Faustformel“ kann folgende Kurzbeschreibung der bereitstellungspflichtigen Daten in der Begründung des Gesetzentwurfs dienen: „Ziel der Regelung ist es, ausschließlich diejenigen Daten zu veröffentlichen, die zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe erhoben werden, in elektronischer Form vorliegen, insbesondere in Tabellen oder Listen strukturiert sind, lediglich Tatsachen zu außerhalb der Behörde liegenden Verhältnissen und keine Bewertungen enthalten, keine inhaltliche Bearbeitung erfahren haben und die nicht einem Hinderungsgrund [erg. Ausnahmetatbestand] unterfallen.“9 2.2. Relevanz für die Bundestagsverwaltung? In welchem Ausmaß die Bundestagsverwaltung bereitstellungspflichtige Daten im Sinne des § 12a EGovG erhebt, kann von hier aus nicht abschließend beurteilt werden. Angesichts der weitreichenden Einschränkungen und Ausnahmen in § 12a Abs. 2, 3 EGovG dürfte eine Bereitstellungsverpflichtung jedoch allenfalls Randbereiche betreffen. Von besonderer Bedeutung ist zunächst die Beschränkung des Gegenstands der bereitstellungspflichtigen Daten auf verwaltungsexterne Sachverhalte. Diesbezügliche Erhebungen durch oder auf Veranlassung der Bundestagsverwaltung könnten sich beispielsweise auf Besucherzahlen (Liegenschaften des Bundestages, Infomobil, Wanderausstellungen , Online-Portale) oder auf ähnliche Daten aus dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit (Versand von Informationsmaterialien etc.) beziehen. Erfasst würden diese Daten allerdings nur, wenn sie elektronisch und in Sammlungen strukturiert vorliegen, § 12 Abs. 2 Nr. 1 EGovG. Zu beachten ist dabei auch, dass zahlreiche Daten bereits über öffentlich zugängliche Netze entgeltfrei bereitgestellt werden (z.B. über das Datenhandbuch des Bundestages) und damit von der Bereitstellungspflicht nach § 12a Abs. 3 Nr. 3 EGovG befreit wären. Grundsätzlich relevant sein können darüber hinaus unbearbeitete Daten, die die Bundestagsverwaltung im parlamentarischen Bereich und damit außerhalb der Behörde erhebt, wenn sie elektronisch und in Sammlungen strukturiert vorliegen. Diese dürften allerdings regelmäßig keiner Bereitstellungspflicht unterliegen. Dabei ist insbesondere die Ausnahme der fehlenden Zugangsrechte aus § 12a Abs. 3 Nr. 1 EGovG zu beachten, die im parlamentarischen Bereich z.B. durch die Nichtanwendbarkeit des IFG gewährleistet wird.10 Darüber hinaus würde der Ausnahmetatbestand des § 12a Abs. 3 Nr. 3 EGovG für diejenigen Daten aus dem parlamentarischen Bereich gelten, die bereits 9 BT-Drs. 18/11614, 12. 10 Zur Bestimmung der spezifischen Bereiche parlamentarischer Angelegenheiten in Bezug auf das IFG vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 – 7 C 2/14 –, juris, Rn. 13 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/18 Seite 6 online und entgeltfrei bereitgestellt werden (z.B. Statistiken aus dem parlamentarischen Bereich im Online-Datenhandbuch des Bundestages11). 3. Umsetzungsempfehlungen nach dem Open-Data-Handbuch Weitere Hinweise für die Umsetzung des Open-Data-Gesetzes finden sich in dem im Intranet des Bundes bereitgestellten Open-Data-Handbuch. Darin werden Maßnahmen empfohlen, die sich u.a. auf die einzelnen Schritte der Datenprüfung (Datenübersicht, Bewertung der Daten12 etc.) und des Bereitstellungsprozesses beziehen. Konkrete Beispiele für bereitstellungspflichtige Daten einzelner Bundesbehörden enthält das Handbuch nicht.13 Eine Hilfestellung zu Fragen der Umsetzung könnte jedoch die nach § 12a Abs. 9 EGovG von der Bundesregierung einzurichtende zentrale Stelle bieten, die die Behörden der Bundesverwaltung zu Fragen der Bereitstellung von Daten als offene Daten berät. *** 11 Datenhandbuch des Bundestages, Kapitel 7, Plenarsitzungen – Reden, Debatten und Abstimmungen, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/parlamentsarchiv/datenhandbuch/07/kapitel-07/475942. 12 Vgl. hierzu den Bewertungskatalog unter der Rubrik „Daten auswählen“ und „Auswahl über interne Priorisierung“ im Open-Data-Handbuch. 13 Wenig erhellend insoweit der Hinweis im Open-Data-Handbuch unter der Rubrik „Rechtlichen Rahmen beachten“ darauf, dass „eine Gesundheitsbehörde für Gesundheitsangelegenheiten zuständig [ist] und zum Beispiel über Daten der Krankenhausverteilung in Deutschland [verfügt] oder eine Verkehrsbehörde Daten zum Straßen- oder Schienennetz erhebt“.