© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 162/13 Doppelte Staatsbürgerschaft Aktuelle Rechtslage Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/13 Seite 2 Doppelte Staatsbürgerschaft Aktuelle Rechtslage Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 162/13 Abschluss der Arbeit: 17. September 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/13 Seite 3 1. Einleitung Regelungen über den Erwerb und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit1 finden sich im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG).2 Danach gilt im Grundsatz, dass eine Mehrstaatigkeit zu vermeiden ist.3 Von diesem Grundsatz gibt es jedoch im StAG in verschiedenen Fallgruppen Ausnahmen, in denen eine doppelte Staatsangehörigkeit möglich ist. In der Praxis wird eine Mehrstaatigkeit zunehmend hingenommen.4 Im Folgenden wird die geltende Rechtslage unter besonderer Berücksichtigung von Ausnahmeregelungen für Sportler und andere bevorzugte Personengruppen dargestellt. 2. Mehrstaatigkeit von Ausländern bei Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit Grundsätzlich wird zwischen einer Anspruchs- und einer Ermessenseinbürgerung unterschieden. 2.1. Mehrstaatigkeit bei Anspruchseinbürgerung Nach § 10 StAG besitzt ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, einen Einbürgerungsanspruch, wenn er verschiedene weitere Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehört nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG, dass er seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Für die Einbürgerung nach § 10 StAG gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmefällen, in denen eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen kann. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 StAG wird von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG abgesehen und eine Mehrstaatigkeit hingenommen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. § 12 Abs. 1 S. 2 StAG führt auf, wann solche Bedingungen anzunehmen sind. Im Verhältnis von Deutschland zu den EU-Staaten ist § 12 Abs. 2 StAG von besonderer Bedeutung . Danach wird von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt. 1 Vorliegend wurde folgende Ausarbeitung aktualisiert und ergänzt: Doppelte Staatsangehörigkeit, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages [WD 3 – 3000 – 195/10], 2010. 2 Staatsangehörigkeitsgesetz, RGBl 1913, 583, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 28. August 2013, BGBl. I 53, S. 3458; http://www.gesetze-im-internet.de/rustag/BJNR005830913.html [Stand: 16. September 2013]. 3 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, BT-Drs. 14/533, S. 12. 4 Worbs, Susanne, Die Einbürgerung von Ausländern, Integrationsreport, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Working Paper 17, 2. Auflage 2008, S. 24 ff.; abrufbar unter: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/ Publikationen/WorkingPapers/wp17-einbuergerung.pdf?__blob=publicationFile [Stand: 16. September 2013]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/13 Seite 4 § 12 Abs. 3 StAG sieht die Möglichkeit vor, aus völkerrechtlichen Gründen Ausnahmen zuzulassen . Hiervon wurde bislang kein Gebrauch gemacht. 2.2. Mehrstaatigkeit bei Ermessenseinbürgerung § 8 StAG regelt den Normalfall der Einbürgerung von Ausländern, soweit sie keinen spezielleren Anspruch aus anderen Vorschriften besitzen. Die Einbürgerung nach § 8 StAG steht im Ermessen der deutschen Einbürgerungsbehörde. Diese hat im Rahmen der Ermessensausübung u. a. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV) zu beachten,5 die durch die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern (VAW) aktualisiert und ergänzt werden.6 Anders als bei der Anspruchseinbürgerung bedarf es nicht notwendigerweise eines rechtmäßigen Aufenthalts von acht Jahren. Nach § 8 Abs. 2 StAG kann aus Gründen des öffentlichen Interesses bei der Ermessenseinbürgerung auch von den sonst erforderlichen Voraussetzungen der Straffreiheit (§ 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG) und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit (§ 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG) des Bewerbers abgesehen werden. Nach Ziffer 8.1.3.5 StAR-VwV/VAW kann ein solches Interesse vorliegen, wenn der Einbürgerungsbewerber im Bereich der Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Medien, des Sports oder des öffentlichen Dienstes für eine Tätigkeit im deutschen Interesse gewonnen oder erhalten werden soll. Für Sportler wird vorausgesetzt: „[…], dass sich der Einbürgerungsbewerber zumindest seit drei Jahren im Inland aufhält, konkret in einer deutschen Nationalmannschaft eingesetzt werden soll und sportlich eine längerfristige internationale Perspektive aufweist. Die Startberechtigung für internationale Meisterschaften muss durch den zuständigen Fachverband oder den Deutschen Sportbund bestätigt worden sein. Das besondere öffentliche Interesse ist von einer obersten Behörde des Bundes oder eines Landes zu bestätigen und im Einzelnen zu begründen. Im Bereich des Sports ist hierzu eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern einzuholen.“7 Nach Ziffer 8.1.2.6 StAR-VwV ist bei der Ermessensausübung der allgemeine Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zu beachten. Daher wird von Einbürgerungserwerbern grundsätzlich die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verlangt. Nach Ziffer 8.1.2.6.3 StAR- VwV/VAW gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmetatbeständen, in denen Mehrstaatigkeit hin- 5 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13. Dezember 2000 (GMBl. 2001, S. 122), veröffentlicht im Bundesanzeiger (Beilage) Nr. 21a vom 31. Januar 2001. 6 Zum Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 158), im Internet abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Standardartikel/ DE/Themen/MigrationIntegration/Staatsang/VorlaeufigeAnwendungshinweise.html;jsessionid=BECBCACFC6D410 1115E975587BFA4881.2_cid373?nn=3315298 [Stand: 16. September 2013]. 7 Ziffer 8.1.3.5 StAR-VwV, abrufbar unter: http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_13122 000_V612400513.htm [Stand: 16. September 2013]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/13 Seite 5 genommen werden kann. Neben den Fällen, in denen der Bewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen aufgeben kann, kann eine Mehrstaatigkeit nach Ziffer 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV/VAW auch bei herausragendem öffentlichen Interesse an der Einbürgerung hingenommen werden. In der Verwaltungspraxis findet diese Ausnahmeregelung insbesondere bei Wissenschaftlern Anwendung.8 Entsprechend könnte ein Sportler wegen eines besonderen öffentlichen Interesses nach einer verkürzten Aufenthaltszeit von 3 Jahren – für diese Ausnahmeregelung bedarf es der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern – unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit – allein durch Entscheidung der Landesbehörden ohne Beteiligung des Bundesministeriums – eingebürgert werden. Der Spezialfall der Einbürgerung von Ehegatten oder Lebenspartnern Deutscher nach § 9 StAG stellt ebenfalls eine Ermessenseinbürgerung dar. Hierbei schreibt § 9 Abs. 1 Nr. 1 StAG vor, dass grundsätzlich zu den Einbürgerungsvoraussetzungen – neben anderen Voraussetzungen – der Verlust oder die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit zählt. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2. HS gelten auch hier die Ausnahmen des § 12 StAG. 3. Mehrstaatigkeit bei deutschen Staatsangehörigen, die eine ausländische Staatsangehörigkeit erwerben Der umgekehrte Fall ist der Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit durch einen Deutschen . Sofern die Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinem eigenen Antrag beruht, verliert er nach § 17 Nr. 2 i. V. m. § 25 Abs. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb der ausländischen. Allerdings eröffnet § 25 Abs. 2 StAG die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten . Voraussetzung hierfür ist ein Antrag des Betroffenen auf eine schriftliche Genehmigung. Bei der Entscheidung über den Antrag werden nach § 25 Abs. 2 S. 3 StAG die öffentlichen und die privaten Belange abgewogen. Gemäß § 25 Abs. 2 S. 4 StAG ist bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann. 4. Mehrstaatigkeit bei in Deutschland geborenen Kindern ausländischer Staatsangehöriger Mit dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999, das am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, wurde eine Regelung eingeführt, nach der im Inland geborene Kinder von Ausländern bei der Geburt zusätzlich zur ausländischen Staatsangehörigkeit der Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis über die Freizügigkeit besitzt. Mit Erreichen der Volljährigkeit muss sich die Person für die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit entscheiden. Gibt sie die entsprechende Erklärung bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres nicht ab, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, § 29 Abs. 2 S. 2 8 Marx, in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, 2009, StAG § 8 Rn. 414. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 162/13 Seite 6 StAG.9 Entscheidet sich die Person für die deutsche Staatsangehörigkeit, so ist sie verpflichtet, die Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nachzuweisen, § 29 Abs. 3 S. 1 StAG. Auch diese Regelung folgt dem Prinzip der grundsätzlichen Vermeidung von Mehrstaatigkeit .10 Das StAG sieht daher eine Beibehaltung der ausländischen Staatsangehörigkeit nur in Ausnahmefällen und auf Antrag vor. Der Antrag für die sogenannte Beibehaltungsgenehmigung kann nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt werden, § 29 Abs. 3 S. 3 StAG. Die Beibehaltungsgenehmigung ist zu erteilen, wenn die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder wenn bei einer Einbürgerung nach Maßgabe von § 12 StAG Mehrstaatigkeit hinzunehmen wäre oder hingenommen werden könnte, § 29 Abs. 4 StAG. Die Gründe, aus denen die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit neben der ausländischen Staatsangehörigkeit zu genehmigen ist, sind im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 GG weit gefasst.11 9 Ausführlich Hailbronner, Kay, Das neue deutsche Staatsangehörigkeitsrecht, NVwZ 2001, 1329 (1331). 10 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, BT-Drs. 14/533, S. 12. 11 Hailbronner, Kay, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage 2005, § 29 Rn. 35.