© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 159/20 Reisewarnungen und Amtshaftung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/20 Seite 2 Reisewarnungen und Amtshaftung Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 159/20 Abschluss der Arbeit: 24. Juni 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/20 Seite 3 1. Fragestellung Die Ausarbeitung befasst sich mit der Thematik der Reisewarnungen durch das Auswärtige Amt. Nach der Zusammenfassung des Charakters von Reisewarnungen wird untersucht, inwieweit diese durch den möglicherweise erfolgenden Entzug der Geschäftsgrundlage für Reiseveranstalter Amtshaftungsansprüche begründen können. 2. Aktuelle Lage Aktuell besteht aufgrund der COVID-19-Pandemie eine Reisewarnung in zahlreiche Staaten. Diese lautet: „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland, außer - in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland*, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden*, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Republik Zypern), - in Schengen-assoziierte Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen*, Schweiz) und - in das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, nach Andorra, Monaco, San Marino und in den Vatikanstaat, wird derzeit gewarnt. Dies gilt vorerst bis einschließlich 31. August 2020. (…) Von der Teilnahme an Kreuzfahrten wird aufgrund der besonderen Risiken dringend abgeraten . Hiervon ausgenommen sind Flusskreuzfahrten innerhalb der EU bzw. Schengen mit besonderen Hygienekonzepten.“1 Darüber hinaus bestehen regelmäßig für zahlreiche weitere Länder (Teil-)Reisewarnungen zum Beispiel aufgrund von Terrorismus in diesen Staaten oder Regionen.2 Neben den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes besteht eine auf einem koordinierten Vorgehen der Mitgliedstaaten aufbauende Empfehlung der Europäischen Kommission, nicht unbedingt 1 Auswärtiges Amt, COVID-19-Reisewarnung, Stand: 22.6.2020, abrufbar unter: https://www.auswaertigesamt .de/de/ReiseUndSicherheit/reise-gesundheit/gesundheit-fachinformationen/reisemedizinische-hinweise /Coronavirus (zuletzt aufgerufen am 24.6.2020). *Die Aufhebung der Reisewarnung kann durch nationale Einreisesperren, die über den 15. Juni 2020 hinaus bestehen bleiben, oder durch Nichterfüllung der Pandemiekriterien verzögert werden. Überschreitet ein Land die Neuinfiziertenzahl im Verhältnis zur Bevölkerung von weniger als 50 Fällen pro 100.000 Einwohner kumulativ in den letzten 7 Tagen, bleibt die Reisewarnung bestehen oder wird wieder ausgesprochen. Dies gilt aktuell für Schweden. 2 Liste abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/10.2.8Reisewarnungen#content_2 (zuletzt aufgerufen am 24.6.2020). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/20 Seite 4 notwendige Reisen in die EU vorübergehend zu unterbinden, die bis zum 30. Juni 2020 verlängert wurde.3 3. Reisewarnungen als staatliche Information Das Auswärtige Amt beschreibt den Charakter und die Bedeutung von Reisewarnungen wie folgt: „Reisewarnungen enthalten einen dringenden Appell des Auswärtigen Amts, Reisen in ein Land oder in eine Region eines Landes zu unterlassen. Sie werden nur dann ausgesprochen, wenn aufgrund einer akuten Gefahr für Leib und Leben vor Reisen in ein Land oder in eine bestimmte Region eines Landes gewarnt werden muss. Eine Reisewarnung wird nur selten ausgesprochen. Deutsche, die in diesem Land leben, werden gegebenenfalls zur Ausreise aufgefordert. Reise- und Sicherheitshinweise sowie Reisewarnungen beruhen auf den zum angegebenen Zeitpunkt dem Auswärtigen Amt verfügbaren und als vertrauenswürdig eingeschätzten Informationen . Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit sowie eine Haftung für eventuell eintretende Schäden kann nicht übernommen werden. Gefahrenlagen sind oft unübersichtlich und können sich rasch ändern. Die Entscheidung über die Durchführung einer Reise liegt allein in Ihrer Verantwortung. Diese kann Ihnen vom Auswärtigen Amt nicht abgenommen werden. Hinweise auf besondere Rechtsvorschriften im Ausland betreffen immer nur wenige ausgewählte Fragen. Gesetzliche Vorschriften können sich jederzeit ändern, ohne dass das Auswärtige Amt hiervon unterrichtet wird. Die Kontaktaufnahme mit der zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Ziellandes wird im Zweifelsfall empfohlen. Das Auswärtige Amt rät dringend, die in den Reise- und Sicherheitshinweisen bzw. Reisewarnungen enthaltenen Empfehlungen zu beachten. Sie sollten bei Auslandsreisen immer einen Auslands-Krankenversicherungsschutz mit Rückholversicherung abschließen. Kosten für erforderlich werdende Hilfsmaßnahmen durch die Auslandsvertretungen werden Ihnen entsprechend den Vorschriften des Konsulargesetzes in Rechnung gestellt.“4 Reisewarnungen sind weder gesetzlich, noch durch Rechtsverordnung näher geregelt. Aus den Reisewarnungen und Hinweise ergibt sich keine unmittelbare Rechtsfolge. Es handelt sich nicht um Reiseverbote oder tatsächliche Einschränkungen der Reisefreiheit. Mithin sind die Reisewarnungen als staatliche Informationen einzuordnen, in denen das Auswärtige Amt seine Einschätzung über die Sicherheitslage für deutsche Staatsangehörige in einem Land oder dem Teil eines Landes mitteilt . 3 Pressemitteilung der EU-Kommission vom 11.6.2020, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail /de/ip_20_1035 (zuletzt aufgerufen am 23.6.2020). 4 Abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/10.2.8Reisewarnungen#content_3 (zuletzt aufgerufen am 24.6.2020). Hervorhebungen nur hier. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/20 Seite 5 4. Amtshaftung 4.1. Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Für eine Amtshaftung nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 GG bedarf es als Anspruchsvoraussetzungen eines Handelns in Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes, der Verletzung der einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht, eines Verschuldens, eines zurechenbaren Schadens und es darf kein Haftungsausschluss bzw. keine -beschränkung vorliegen. Bei Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes steht ein Handeln in Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes außer Frage. Problematisch ist jedoch, ob eine Amtspflichtverletzung angenommen werden kann. Zu den grundlegenden Amtspflichten gehört die Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten, nach der der Beamte seine Aufgaben und Befugnisse dem objektiven Recht entsprechend auszuüben hat.5 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt der Bundesregierung die Aufgabe der Staatsleitung zu, welche aus den Art. 62 ff. GG abgeleitet werden kann und die Bundesregierung auch zur Informationsarbeit berechtigt. Dies gilt insbesondere dort, wo der Bunderegierung gesamtstaatliche Verantwortung zukommt, die sie mit Hilfe von Informationen wahrnehmen kann.6 „Von der Staatsleitung in diesem Sinne wird nicht nur die Aufgabe erfasst, durch rechtzeitige öffentliche Information die Bewältigung von Konflikten in Staat und Gesellschaft zu erleichtern, sondern auch, auf diese Weise neuen, oft kurzfristig auftretenden Herausforderungen entgegenzutreten, auf Krisen schnell und sachgerecht zu reagieren sowie den Bürgern zu Orientierungen zu verhelfen. Aktuelle Krisen im Agrar- und Lebensmittelbereich haben beispielhaft gezeigt, wie wichtig öffentlich zugängliche, mit der Autorität der Regierung versehene Informationen sind, um solche spannungsgeladenen Situationen angemessen meistern zu können. Würde die Regierung sich in solchen Lagen der Aufgabe entziehen, den Bürgern durch Aufklärung, Beratung und Verhaltensempfehlungen Orientierung zu geben, und sich stattdessen auf Gesetzesinitiativen beschränken oder auf administrative Maßnahmen anderer Staatsorgane warten, würde ein wichtiges Element schneller, wirkungsvoller und auf möglichst geringe Beeinträchtigungen Dritter gerichteter Krisenbewältigung fehlen. Das Schweigen der Regierung würde von vielen Bürgern im Übrigen als Versagen bewertet werden. Dies kann zu Legitimationsverlusten führen.“7 Darüber hinaus ist entscheidend, dass die Kompetenz auch der handelnden Stelle zukommt. Die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten liegt beim Bund (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) und dort beim Auswärtigen Amt (Art. 65 GG). Dazu ergänzte das Bundesverfassungsgericht: 5 BGH, Urteil vom 22.11.1979 – III ZR 186/77, NJW 1980, 826, 828; Detterbeck, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 34, Rn. 28; Durner, JuS 2005, 793, 795. 6 BVerfGE 105, 252 (270); BVerfGE 105, 279 (306); Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 43. Edition, Stand: 15.5.2020, Art. 65, Rn. 21. 7 BVerfGE 105, 252 (269 f.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/20 Seite 6 „Der Bund ist zur Staatsleitung insbesondere berechtigt, wenn Vorgänge wegen ihres Auslandsbezugs oder ihrer länderübergreifenden Bedeutung überregionalen Charakter haben und eine bundesweite Informationsarbeit der Regierung die Effektivität der Problembewältigung fördert. In solchen Fällen kann die Bundesregierung den betreffenden Vorgang aufgreifen, gegenüber Parlament und Öffentlichkeit darstellen und bewerten und, soweit sie dies zur Problembewältigung für erforderlich hält, auch Empfehlungen oder Warnungen aussprechen.“8 Über das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der Staatsleitung hinaus bestehen auch keine weiteren bzw. konkreteren rechtlichen Vorgaben für die Möglichkeiten von Reisewarnungen. Lediglich rechtlich unverbindlich erklärt § 6 Abs. 5 Global Code of Ethics for Tourism:9 „Governments have the right – and the duty – especially in a crisis, to inform their nationals of the difficult circumstances, or even the dangers they may encounter during their travels abroad; it is their responsibility however to issue such information without prejudicing in an unjustified or exaggerated manner the tourism industry of the host countries and the interests of their own operators; the contents of travel advisories should therefore be discussed beforehand with the authorities of the host countries and the professionals concerned; recommendations formulated should be strictly proportionate to the gravity of the situations encountered and confined to the geographical areas where the insecurity has arisen; such advisories should be qualified or cancelled as soon as a return to normality permits“. Der Global Code of Ethics for Tourism ist seitens der Welttourismusorganisation (UNWTO), der auch Deutschland seit 1976 angehört, aufgesetzt worden.10 Eine rechtliche Verpflichtung einschließlich konkreter Amtspflichten kann aus dieser Erklärung jedoch nicht abgeleitet werden. Des Weiteren kann die Art und Weise der Information für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Regierungshandelns relevant sein. „Verbleiben dennoch Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand, etwa ein Verbraucherrisiko, aufgeklärt werden. In solchen Fällen wird es angezeigt sein, die Marktteilnehmer auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen. Informationen unterliegen wie jedes Staatshandeln dem Sachlichkeitsgebot (vgl. BVerfGE 57, 1 [8]). Bei marktbezogenen Informationen richten sich die Anforderungen auch nach den Funktionserfordernissen des Wettbewerbs. Wertungen dürfen nicht auf sachfremden 8 BVerfGE 105, 252 (271). 9 Informationen dazu abrufbar unter https://www.unwto.org/global-code-of-ethics-for-tourism (zuletzt aufgerufen am 22.6.2020). 10 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Tourismus/unwto.html (zuletzt aufgerufen am 22.6.2020). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/20 Seite 7 Erwägungen beruhen. Die Information darf auch bei zutreffendem Inhalt in der Form weder unsachlich noch herabsetzend formuliert sein. Im Übrigen ist die Verbreitung von Informationen unter Berücksichtigung möglicher nachteiliger Wirkungen für betroffene Wettbewerber auf das zur Informationsgewährung Erforderliche zu beschränken.“11 Auch die Einhaltung des Richtigkeits- und Sachlichkeitsgebots scheint in Bezug auf die genannten Reisewarnungen hinsichtlich der COVID-19-Pandemie nicht beeinträchtigt. Die Warnungen stellen die Sachlage dar und weisen auch auf deren fehlende rechtliche Verbindlichkeit hin. Sie stellen einen dringenden Appell dar, Reisen in dieses Land oder eine Region eines Landes zu unterlassen.12 Das entscheidende Kriterium für die Festlegung von Reisewarnungen ist die Sicherheit deutscher Staatsangehöriger im Ausland.13 Es handelt sich insoweit auch nicht um ein politisches Instrument, etwa um auf die Instabilität eines bestimmten Landes hinzuweisen,14 oder den europäischen Wirtschaftsraum durch dessen isolierte Ausnahme von den weltweiten Reisewarnungen zu fördern. Reisewarnungen wurden auch in der Vergangenheit unter anderem darauf gestützt, dass keine gesicherten Informationen zur Sicherheitslage vor Ort vorlagen.15 Die Reisewarnungen nehmen bestimmte Länder aus, weil für diese eine besondere Datenlage besteht, die auch für das Auswärtige Amt eine bessere Kontrolle und Nachvollziehbarkeit der örtlichen Entwicklungen von Erkrankungen mit dem Coronavirus ermöglicht. Diese werden unter anderem von dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten gebündelt bereitgestellt.16 Darüber hinaus kann in dieser Ausarbeitung nicht beurteilt werden, ob das Auswärtige Amt eine ausreichende Risikoeinschätzung für die betreffenden Länder und die Lage auf Kreuzfahrtschiffen vorgenommen hat. Diese ist insofern mangels gegenteiliger Angaben und der Deckung mit der Einschätzung der Lage durch die Europäischen Kommission zu unterstellen. Zudem müsste die verletzte Amtspflicht zur Annahme eines Amtshaftungsanspruchs auch drittbezogen sein. Dafür müsste sich aus den zu Grunde liegenden Normen oder der Natur des Amtsgeschäftes ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange durch die Amtspflicht geschützt werden sollen.17 11 BVerfGE 105, 252 (272 f.), Hervorhebung nur hier. 12 Vgl. auch: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel und weiterer, Reisewarnungen durch das Auswärtige Amt, vom 4.4.2011, BT-Drs. 17/5357, S. 2. 13 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel und weiterer, Reisewarnungen durch das Auswärtige Amt, vom 4.4.2011, BT-Drs. 17/5357, S. 2. 14 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel und weiterer, Reisewarnungen durch das Auswärtige Amt, vom 4.4.2011, BT-Drs. 17/5357, S. 3. 15 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel und weiterer, Reisewarnungen durch das Auswärtige Amt, vom 4.4.2011, BT-Drs. 17/5357, S. 5. 16 Vgl. u.a. https://data.europa.eu/euodp/de/data/dataset/covid-19-coronavirus-data (zuletzt aufgerufen am 22.6.2020). 17 BGH, Urteil vom 21.12.1989 – III ZR 49/88, NJW 1990, 1042, 1043; Durner, JuS 2005, 793 (795). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/20 Seite 8 „Ob eine Amtspflicht gegenüber einem geschädigten Dritten besteht, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch gegebenenfalls neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch – den Sinn hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts muss sich ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen.“18 Mit den Reisewarnungen zielt das Auswärtige Amt – wie bereits dargestellt – auf den Schutz deutscher Staatsangehöriger. Damit meint das Auswärtige Amt insbesondere die körperliche Unversehrtheit, was sich bereits daraus ergibt, dass sie vor Reisen, also der körperlichen Anwesenheit in bestimmten Ländern warnt, wenn die Lage für die Reisenden nicht hinreichend sicher ist. Aus diesem Anknüpfungspunkt der Amtspflicht an der Person des Reisenden wird deutlich, dass Reiseveranstalter von einer entsprechenden konkreten Amtspflicht nicht umfasst sind. Vergleichbar dazu hat die Rechtsprechung beispielsweise eine drittgerichtete Amtspflicht des Deutschen Wetterdienstes gegenüber einem privaten Flugzeuginhaber ausgeschlossen, dessen Flugzeug durch eine Landung bei starkem Hagel bei einer verspäteten Unwetterwarnung beschädigt wurde.19 Mithin kann nach der jetzigen Erkenntnislage weder eine Amtspflichtverletzung des Auswärtigen Amtes durch Veröffentlichung der Reisewarnung erkannt werden, noch dass die Amtspflicht drittschützend ist. Ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist insofern nicht gegeben. 4.2. Weitere staathaftungsrechtliche Anspruchsgrundlagen Weitere staatshaftungsrechtliche Anspruchsgrundlagen wie die Entschädigung nach einer Enteignung oder einem enteignungsgleichen Eingriff, oder aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis sind nicht ersichtlich. *** 18 BGH, Urteil vom 6.6.2013 – III ZR 196/12, NJW 2013, 3370 (3371). 19 BGH, Urteil vom 16.2.1995 – III ZR 135/93, NJW 1995, 1828.