© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 159/16 Zur aufenthaltsrechtlichen Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 2 Zur aufenthaltsrechtlichen Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 159/16 Abschluss der Arbeit: 17.06.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Drittstaatsangehörige und Assoziationsfreizügigkeit 4 3. Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz 5 3.1. Erfordernis eines Aufenthaltstitels 5 3.2. Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit 6 3.3. Familiäre Gründe 6 3.4. Keine besonderen Aufenthaltszwecke 8 4. Aufenthaltsrechtliche Privilegierungen nach dem EU- Assoziationsrecht 8 4.1. Aufenthaltsverfestigung durch ordnungsgemäße Beschäftigung 9 4.1.1. Arbeitserlaubnis und (implizites) Aufenthaltsrecht 9 4.1.2. Familiennachzug 10 4.2. Wirkungen der Stillstandsklauseln 10 4.2.1. Selbständige und ihre Familienangehörigen 10 4.2.2. Arbeitnehmer und ihre Familienangehörige 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wird nach der aufenthaltsrechtlichen Rechtsstellung von türkischen Staatsangehörigen in Bezug auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit und den Familiennachzug. Konkret soll aufgezeigt werden, unter welchen Voraussetzungen die Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zulässig ist und für welche Zeiträume entsprechende Aufenthaltsberechtigungen gelten. Auch soll geklärt werden, ob türkischen Staatsangehörigen Aufenthaltsrechte für die Wahrnehmung von „anderweitigen Geschäftsbeziehungen“ oder aufgrund von „entsprechendem (finanziellen) Vermögen“ eingeräumt werden. 2. Drittstaatsangehörige und Assoziationsfreizügigkeit Die aufenthaltsrechtliche Rechtsstellung von türkischen Staatsangehörigen richtet sich nicht nur nach dem für Drittstaatsangehörige geltenden Aufenthaltsgesetz (AufenthG), sondern auch nach dem EU-Assoziationsrecht. Das EU-Assoziationsrecht beruht auf dem Assoziierungsabkommen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit der Türkei aus dem Jahr 1963 und auf dem von den Vertragsparteien im Jahr 1970 verabschiedeten Zusatzprotokoll (ZusProt).1 Maßgeblich sind ferner der auf dieser Grundlage vom Assoziationsrat erlassene Beschluss 1/80 (ARB 1/80)2 sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum EU-Assoziationsrecht. Das EU- Assoziationsrecht vermittelt türkischen Staatsangehörigen besondere, an den EU-Freizügigkeitsrechten orientierte Rechte. Diese privilegieren die türkischen Staatsangehörigen gegenüber anderen Drittstaatsangehörigen. Das Nebeneinander von „normalem“ Aufenthaltsrecht für Drittstaatsangehörige und besonderen Aufenthaltsrechten aus der Assoziationsfreizügigkeit führt zu einer unübersichtlichen Rechtslage. Im Grundsatz greifen die assoziationsrechtlichen Privilegierungen erst nach einer rechtmäßigen Ersteinreise. Für den ersten rechtmäßigen Aufenthalt von türkischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen sind demnach die allgemeinen für Drittstaatsangehörige geltenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich. Die assoziationsrechtlichen Vorschriften begünstigen sodann die aufenthaltsrechtliche Rechtsstellung nach einer rechtmäßigen Ersteinreise und durch einen rechtmäßigen Aufenthalt (Aufenthaltsverfestigung). Die sog. Stillstandslauseln des Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZusProt können sich aber auch auf die Bedingungen der Ersteinreise auswirken. Die Stillstandsklauseln begründen Verschlechterungsverbote in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarktzugang sowie für die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit . Von der in dieser Weise „konservierten“ Rechtslage profitieren türkische Staatsangehörige ggf. auch bei der Ersteinreise in die Bundesrepublik. Die assoziationsrechtlichen Begünstigungen für türkische Staatsangehörige sind im Aufenthaltsgesetz im Einzelnen nicht nachgezeichnet. Allein die Vorschrift des § 4 Abs. 1 AufenthG verweist auf mögliche Aufenthaltsrechte aufgrund des EU-Assoziationsrechts, die vom grundsätzlichen 1 Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12.09.1963, BGBl. II 1964, 510; Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation vom 23.11.1970, BGBl. II 1972, 385. 2 Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 5 Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreien. Die assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechte sind nach § 4 Abs. 5 AufenthG durch eine zu beantragende Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen. Die Aufenthaltserlaubnis hat insoweit lediglich deklaratorische Bedeutung. Konstitutive Bedeutung hingegen haben diejenigen Aufenthaltstitel, die türkischen Staatsangehörigen unabhängig von ihrer assoziationsrechtlichen Rechtsstellung gewährt werden. Die Erteilung der „normalen“ Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz kann erforderlich sein, da die Assoziationsrechte (noch) nicht greifen, oder diese erweisen sich im Einzelfall gegenüber der Berufung auf Assoziationsrechte als günstiger.3 3. Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz 3.1. Erfordernis eines Aufenthaltstitels Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels. Aufenthaltstitel in diesem Sinne sind nach § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG das Visum, die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die Niederlassungserlaubnis sowie die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU. Die befristeten Aufenthaltstitel (z.B. die Aufenthaltserlaubnis , § 7 AufenthG und Blaue Karte, § 19a AufenthG) haben keinen starren Charakter, sondern lassen die Entwicklung zu einem unbefristeten Aufenthaltstitel (z.B. einer Niederlassungserlaubnis , § 9 AufenthG) zu. Der besonders wichtige Aufenthaltstitel der Aufenthaltserlaubnis wird befristet erteilt, unterliegt aber keiner feststehenden Frist. Vielmehr ist die Aufenthaltserlaubnis – vorbehaltlich besonderer Vorschriften4 – nach § 7 Abs. 2 S. 1 AufenthG „unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen“. Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis erfolgt gemäß § 8 AufenthG ebenfalls ohne Fristvorgabe. Für die Erteilung der Aufenthaltstitel sind zunächst die allgemeinen Voraussetzungen nach § 5 AufenthG zu beachten (u.a. Sicherung des Lebensunterhalts, kein Ausweisungsinteresse). Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen ergeben sich aus den für die einzelnen Aufenthaltswecke maßgeblichen Vorschriften. Zu den im Einzelnen geregelten Aufenthaltszwecken gehören die Ausbildung (§§ 16 ff. AufenthG), die Erwerbstätigkeit (§§ 18 ff. AufenthG), völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe (§§ 22 fff. AufenthG) und familiäre Gründe (§§ 27 ff. AufenthG). Die hier fragliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft nicht nur diejenigen Aufenthaltstitel, die spezifisch zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt werden können (z.B. § 18 AufenthG). Auch andere Aufenthaltstitel, z.B. zum Zweck der Ausbildung (§ 16 Abs. 3 AufenthG), können zur Erwerbstätigkeit berechtigen. Sind die einzelnen Aufenthaltstitel nicht schon kraft Gesetzes mit der Befugnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit verbunden, ist eine ausländerbehördliche Erlaubnis erforderlich, und zwar grundsätzlich nach vorheriger Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit, § 4 Abs. 2 AufenthG.5 3 Vgl. Sußmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht (11. Aufl., 2016), Rn. 99 f. zu § 4 AufenthG. 4 Für humanitäre Aufenthaltstitel gelten beispielsweise nach § 26 AufenthG bestimmte Fristvorgaben. 5 Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit kann aber auch kraft Gesetzes verboten sein, vgl. § 18c Abs. 1 S. 2 AufenthG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 6 3.2. Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit Die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist in § 21 AufenthG geregelt und setzt im Wesentlichen voraus, dass die Tätigkeit im wirtschaftlichen Interesse der Bundesrepublik liegt und finanziell durch Eigenkapital oder eine Kreditzusage abgesichert ist, § 21 Abs. 1 AufenthG. Erleichterte Bedingungen gelten für qualifizierte Ausländer (z.B. Studium im Bundesgebiet), § 21 Abs. 2a AufenthG. Die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer abhängigen Erwerbstätigkeit richtet sich nach § 18 AufenthG und setzt u.a. voraus, dass die Bundesagentur für Arbeit der Ausländerbeschäftigung zustimmt.6 Vom Zustimmungserfordernis gibt es aber auch durch Rechtsverordnung bestimmte oder aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen hervorgehende Ausnahmen, § 18 Abs. 2 AufenthG.7 Die Aufenthaltserlaubnis darf darüber hinaus nur erteilt werden, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt, § 18 Abs. 5 AufenthG. In Betracht kommt ferner die Erteilung der Blauen Karte EU. Die Blaue Karte EU ist eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die unter bestimmten Voraussetzungen qualifizierten Ausländern für zunächst vier Jahre gewährt wird, § 19a AufenthG.8 Die Voraussetzungen für die Erteilung der Blauen Karte sind einerseits strenger als die Voraussetzungen für die Gewährung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung nach § 18 AufenthG, z.B. hinsichtlich der Aussicht auf ein bestimmtes Mindesteinkommen, § 19a Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, andererseits liegt die Erteilung der Blauen Karte bei Vorliegen der Voraussetzungen – im Gegensatz zu § 18 AufenthG – nicht im Ermessen der Behörde (§ 19a Abs. 1: „…wird... erteilt...“). Zudem erleichtert die Blaue Karte den Zugang zum dauernden Aufenthalt; nach § 19a Abs. 6 AufenthG haben Inhaber einer Blauen Karte unter bestimmten Voraussetzungen schon nach 33 Monaten – und nicht wie bei den §§ 9, 9a AufenthG nach fünf Jahren – einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. 3.3. Familiäre Gründe Der Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen ist in den §§ 27 ff. AufenthG geregelt. Zu den grundsätzlichen Voraussetzungen für den Familiennachzug zu einem Ausländer gehört u.a., dass der Ausländer, zu dem ein Familienangehöriger nachziehen möchte (Stammberechtigter), über einen bestimmten Aufenthaltstitel verfügt (z.B. eine Aufenthaltserlaubnis) und ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen, § 29 Abs. 1 AufenthG. Der Familiennachzug wird durch eine Aufenthaltserlaubnis gewährt, deren Befristungsdauer an die Dauer des Aufenthaltstitels des Stammberechtigten gebunden ist, § 27 Abs. 4 AufenthG. 6 Zu beachten ist dabei, dass die Beschäftigung u.U. nur in einer nach der BeschVO zugelassenen Berufsgruppe erfolgen darf, § 18 Abs. 4 S. 1 AufenthG. Zur insoweit relevanten Ausgestaltung der BeschVO siehe Breidenbach/Neundorf, Arbeitsmarktzugangsrechte von Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung von Neuerungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung, ZAR 2014, 227, 234 ff. 7 Rechtsverordnung in diesem Sinn ist die Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern vom 6. Juni 2013 (BeschVO). 8 Insoweit wurde die sog. Hochqualifizierten-Richtlinie der EU umgesetzt, RL 2009/50/EG. Siehe dazu auch Sußmann (Fn. 3), Rn. 1 ff. zu § 19a AufenthG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 7 Nach § 27 Abs. 1a AufenthG wird ein Familiennachzug in den Fällen der sog. Scheinehe (Nr. 1) oder Zwangsehe (Nr. 2) nicht zugelassen. In den Fällen der Lebenspartnerschaft ist der Familiennachzug ausdrücklich möglich, § 27 Abs. 2 AufenthG. Im Übrigen sind für den Ehegattennachzug die besonderen Voraussetzungen des § 30 AufenthG zu beachten. Verfügt der Stammberechtigte z.B. nur über eine befristete Aufenthaltserlaubnis, ist es nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 e) AufenthG erforderlich , dass die Ehe bereits bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bestand. Weiterhin setzt der Ehegattennachzug gewisse Integrationsanforderungen voraus. Grundsätzlich müssen sich Ehegatten auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können, § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Nach § 32 AufenthG haben minderjährige ledige Kinder einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis oder einen anderen in § 32 Abs. 1 AufenthG genannten Aufenthaltstitel besitzen. In besonderen Konstellationen gelten gegenüber nachziehenden Kindern, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, Sprachanforderungen, § 32 Abs. 2 AufenthG. Volljährige Kinder hingegen fallen nicht unter den Kindernachzug. Ihr Nachzug richtet sich nach der für sonstige Familienangehörige geltenden Vorschrift in § 36 Abs. 2 AufenthG, die die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte vorsieht (z.B. Pflegebedürftigkeit der Eltern).9 Unproblematisch ist der Zugang zum Arbeitsmarkt. Nach § 27 Abs. 5 AufenthG berechtigen die zum Familiennachzug gewährten Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.10 Die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltstitels richtet sich für Ehegatten nach § 31 AufenthG und für Kinder nach § 35 AufenthG. Die nachgezogenen Kinder von aufenthaltsberechtigten Ausländern können nach § 35 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG), also einen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten und unterliegen dabei gegenüber den grundsätzlichen Anforderungen aus § 9 Abs. 2 AufenthG – je nach Alter – erleichterten Voraussetzungen, vgl. § 35 Abs. 1 AufenthG. So müssen beispielsweise minderjährige Ausländer lediglich vorweisen, dass sie bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren. Die Ehegatten hingegen können einen eigenständigen dauerhaften Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis ) grundsätzlich nur erlangen, wenn sie die allgemeinen Voraussetzungen nach den §§ 5, 9 AufenthG erfüllen. Diese setzen insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts sowie ausreichende Deutschkenntnisse voraus.11 9 Siehe dazu auch Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: 2008), Rn. 21 zu § 27 AufenthG. 10 Vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 17/13022, 20: „Das Recht auf uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang wird einheitlich allen nachziehenden Familienangehörigen von Ausländern unabhängig davon gewährt, aus welchem Grund dem stammberechtigten Ausländer der Aufenthalt in Deutschland erlaubt worden ist. Damit wird es allen Familienangehörigen in gleicher Weise ermöglicht, durch eigene Beschäftigung zur Sicherung des Lebensunterhaltes beitragen zu können.“ 11 Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: 2011), Rn. 42 zu § 31 AufenthG Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 8 3.4. Keine besonderen Aufenthaltszwecke Kann sich der Ausländer auf keine der im Aufenthaltsgesetz besonders geregelten Aufenthaltszwecke berufen,12 ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gleichwohl nicht ausgeschlossen. Für den hier fraglichen Fall eines türkischen Staatsangehörigen mit „entsprechendem (finanziellen) Vermögen“ kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG in Betracht. Danach kann in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen Aufenthaltszweck erteilt werden, der im Aufenthaltsgesetz nicht besonders geregelt ist. Die fehlende Regelung des Aufenthaltszwecks ist Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG, denn die Voraussetzungen der besonders geregelten Aufenthaltszwecke sollen nicht durch die allgemeine Vorschrift in § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG unterlaufen werden. Vielmehr dient die Vorschrift als Auffangregelung für nicht näher geregelte, aber dennoch begründete Fälle.13 Ein solcher begründeter Fall kann beispielsweise vorliegen bei längeren Besuchskontakten zu Familienangehörigen, ohne dass eine Lebensgemeinschaft im Sinne des Familiennachzugs angestrebt wird oder auch bei wohlhabenden Ausländern, die sich in Deutschland niederlassen und von ihrem Vermögen leben möchten.14 Neben dem besonderen Aufenthaltsgrund müssen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG vorliegen. Die hier weiter fraglichen „anderweitigen Geschäftsbeziehungen“ könnten, wenn sie nicht schon vom Aufenthaltszweck der Erwerbstätigkeit erfasst, kurzzeitige Geschäftstätigkeiten darstellen. Für kurzzeitige Geschäftstätigkeiten kommt die Nutzung des Schengen-Visums nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in Betracht, das für Aufenthalte von bis zu 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen ausgestellt wird.15 Die Visumpflicht gilt auch für türkische Staatsangehörige.16 Neben den allgemeinen Ausnahmen von der Visumpflicht nach den §§ 23 ff. der Aufenthaltsverordnung können besondere Visumbefreiungen aus den Assoziationsrechten folgen.17 4. Aufenthaltsrechtliche Privilegierungen nach dem EU-Assoziationsrecht Für die aufenthaltsrechtlichen Privilegierungen nach dem EU-Assoziationsrecht gibt es zwei Anknüpfungspunkte: Die Aufenthaltsverfestigung durch eine ordnungsgemäße Beschäftigung nach Art. 6 und 7 ARB 1/80 zugunsten des Arbeitnehmers und seinen Familienangehörigen sowie die Wirkungen der Stillstandsklauseln auf Selbständige und Arbeitnehmer einschließlich ihrer Familienangehörigen. 12 Zu den Aufenthaltszwecken siehe oben unter Ziff. 3.1. 13 Maor, in: Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar Ausländerrecht (Stand 1.2.2016), Rn. 10 zu § 7 AufenthG. 14 Maor (Fn. 13), Rn. 11 zu § 7 AufenthG. 15 In der Regel werden Schengen-Visa nur für Touristen-, Besuchs- und Geschäftsreisen erteilt, vgl. Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: 2015), Rn. 36 zu § 6 AufenthG. Zur möglichen Erteilung von Mehrfachvisa nach Art. 24 Visakodex siehe Fachbereich Europa des Deutschen Bundestages, Zur Visumpflicht für türkische Geschäftsleute (PE 6 – 3000 – 108/13), 8. 16 Vgl. dazu Fachbereich Europa (Fn. 15), 4. 17 Dazu sogleich unter Ziff. 4.2.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 9 4.1. Aufenthaltsverfestigung durch ordnungsgemäße Beschäftigung 4.1.1. Arbeitserlaubnis und (implizites) Aufenthaltsrecht Rechtsgrundlage der assoziationsrechtlichen Aufenthaltsverfestigung für türkische Arbeitnehmer ist Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 hat „der türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat – nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt; – nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben; – nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.“ Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 beschränkt sich auf die Befugnis, weiterhin in dem betroffenen Mitgliedstaat zu arbeiten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) folgt daraus aber auch ein Recht zum Aufenthalt.18 Dieses assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht unterliegt keinen weiteren Genehmigungsanforderungen. Das Bestehen dieses Aufenthaltsrechts ist lediglich durch Besitz einer vom Berechtigten zu beantragenden Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, § 4 Abs. 5 AufenthG. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 sind durch die Rechtsprechung des EuGH konkretisiert worden: So fällt beispielsweise unter den Begriff des Arbeitsnehmers auch der Teilzeitbeschäftigte; nicht zum regulären Arbeitsmarkt gehört die illegale Beschäftigung; eine ordnungsgemäße Beschäftigung erfordert die Wahrung der ausländerrechtlichen Bestimmungen zum Aufenthalt und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.19 Die Assoziationsrechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 begründen damit keine (Aufenthalts-) Rechte in Bezug auf die Ersteinreise und die erste Arbeitsaufnahme, sondern setzen deren Bestehen voraus. 18 Siehe dazu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Anwendungsbereiche und Auswirkungen der Stillhalteklausel im Assoziationsrecht der EU mit der Türkei (WD 3 – 3000 – 188/11), 7 f. mit Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Sevince (EuGH, Rs. C-192/89). 19 Vgl. dazu nur Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht (11. Aufl., 2016), Rn. 25 ff. zu Art. 6 ARB 1/30; Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht (3. Aufl., 2014), Rn. 1463 ff.; Oberhäuser, Die Rechte türkischer Staatsangehöriger nach dem ARB 1/80 – Ein Überblick, Asylmagazin 2007, 5 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 10 4.1.2. Familiennachzug Der ARB 1/80 enthält in seinem Art. 7 Regelungen zu den Familienangehörigen des Arbeitsnehmers. Aber auch hier ist zu beachten, dass die Assoziationsrechte aus Art. 7 ARB 1/80 keine Familiennachzugsrechte begründen, sondern diese voraussetzen. Art. 7 ARB 1/80 nimmt ausdrücklich Bezug auf die Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers, „die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen“. Entscheidend für den Familiennachzug sind also die oben erörterten aufenthaltsrechtlichen Rechtsgrundlagen nach den §§ 27 ff. AufenthG. Erst die nachgezogenen Familienangehörigen können die besonderen Beschäftigungsrechte aus Art. 7 ARB 1/80 geltend machen.20 Die besonderen Beschäftigungsrechte von nachgezogenen Familienangehörigen haben aber durch die allgemeine Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 27 Abs. 5 AufenthG an Bedeutung verloren.21 4.2. Wirkungen der Stillstandsklauseln Von besonderer Bedeutung sind die in Art. 41 Abs. 1 ZusProt und in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Stillstandsklauseln. Sie untersagen nachträgliche Verschlechterungen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie des Arbeitsmarktzugangs von türkischen Staatsangehörigen. Auch wenn die Stillstandsklauseln als solche keine Aufenthaltsrechte oder Befreiungen von der Visumpflicht begründen, können sie sich auf die Aufenthaltsbedingungen der Ersteinreise beziehen, wenn insoweit für türkische Staatsangehörige früher geltende günstigere Rechtsnormen zur Anwendung kommen.22 Die einschlägige Rechtsprechung des EuGH zu den Wirkungen der Stillstandsklauseln ist umfangreich. Einige wichtige Weichenstellungen sollen im Folgenden dargestellt werden. 4.2.1. Selbständige und ihre Familienangehörigen Nach Art. 41 Abs. 1 ZusProt gilt: „Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.“ Die vom EuGH entschiedene Rechtssachse Soysal betrifft die Visumpflicht türkischer Staatsangehöriger , die Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen erbringen wollen. 20 Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 lautet: „Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben; haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung in Lohn- oder Gehaltsverhältnis , wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Die Kinder türkischer Arbeitnehmer , die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.“ 21 Siehe oben unter Ziff. 3.3. 22 Vgl. Fachbereich Europa (Fn. 15), 5 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 11 Nach der Rechtsprechung des EuGH verbietet es das Verschlechterungsverbot des Art. 41 Abs. 1 ZusProt, ein Visum für die Einreise der türkischen Angestellten zu verlangen, wenn ein solches zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls nicht erforderlich war.23 Da in Deutschland die allgemeine Visumpflicht für türkische Staatsangehörige erst nach Inkrafttreten des Zusatzprotokolls im Jahr 1980 eingeführt wurde, gelten für die Einreise mit Bezug zu Dienstleistungserbringungen die früheren Bestimmungen zu den Visumpflichten: Unter Berücksichtigung der vor 1980 geltenden Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes24 sind türkische Staatsangehörige demnach von der Visumpflicht befreit, wenn sie sich für längstens zwei Monate in Deutschland zum Zweck der Dienstleistungserbringung oder für künstlerische, wissenschaftliche oder sportliche Darbietungen aufhalten wollen.25 Nachdem Unklarheit darüber bestand, ob die genannten Visumbefreiungen auch für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen in Deutschland gelten (passive Dienstleistungsfreiheit) und damit visumfreie Aufenthalte türkischer Staatsangehöriger auch zu Besuchszwecken möglich sind,26 hat der EuGH in der Rechtssache Demirkan27 klargestellt, dass in Bezug auf die Inanspruchnahme von Dienstleistungen die Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 ZusProt nicht verletzt ist, so dass später eingeführte Visumpflichten unschädlich sind.28 Die früher geltenden Visumbefreiungen sind demnach nicht auf die Inanspruchnahme von Dienstleistungen in Deutschland anwendbar. Die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 ZusProt hat ferner Auswirkungen auf die vor der Einreise zu erfüllenden Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Dogan29 bezieht sich das Verschlechterungsverbot auch auf die nachziehenden Familienangehörigen eines in Deutschland niedergelassenen türkischen Staatsangehörigen. Die nachträgliche Einführung der Sprachanforderungen in § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG könnte zwar aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses (Verhinderung von Zwangsehen, Integrationsförderung) gerechtfertigt sein, doch bedürfte es hierzu einer verhältnismäßigen Ausgestaltung der Regelung. Eine solche lehnte der EuGH mangels Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Einzelfallumstände ab.30 Die insoweit geänderte Vorschrift des § 30 AufenthG sieht nunmehr in Abs. 1 S. 3 Nr. 6 vor, dass die Sprachanforderungen für den Ehegattennachzug nicht gelten, wenn 23 EuGH, Rs. C-228/06; Fachbereich Europa (Fn. 15), 6. 24 Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes in der Fassung vom 12.03.1969, BGBl. I 196, 207. 25 Ausführlich dazu Fachbereich Europa (Fn. 15), 6 f. 26 Siehe dazu Wissenschaftliche Dienste (Fn. 18), 11 f. 27 EuGH, Rs. C-221/11. Siehe dazu auch Fachbereich Europa, Stillhalteklauseln im Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der EU (Aktueller Begriff – Europa, Nr. 06/13). 28 Siehe dazu Fachbereich Europa, Stillhalteklauseln im Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der EU (Aktueller Begriff – Europa, Nr. 06/13); Fachbereich Europa (Fn. 15), 6. 29 EuGH, Rs. C-138/13. 30 Ausführlich dazu Fachbereich Europa, Das Urteil in der Rechtssache C-138/13 (Dogan): Familienzusammenführung und Sprachnachweispflicht (Aktueller Begriff Europa, Nr. 04/14). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 159/16 Seite 12 „es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen“. 4.2.2. Arbeitnehmer und ihre Familienangehörige In Bezug auf Arbeitnehmer und ihre Familienangehörige gilt gemäß Art. 13 ARB 1/80 folgende Stillhalteklausel: „Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.“ Auch wenn die Stillhalteklausel selbst kein Aufenthaltsrecht für Familienangehörige begründet, bezieht sie sich auf diejenigen Regelungen, die das Recht des türkischen Arbeitnehmers auf Familiennachzug berühren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt dementsprechend die nachträgliche Abschaffung des erlaubnisfreien Aufenthalts für türkische Staatsangehörige unter 16 Jahren eine neue Beschränkung im Sinne der Stillhalteklausel dar.31 Unter Bezugnahme auf die in der Rechtssache Dogan vom EuGH herangezogene Rechtfertigungsmöglichkeit der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses nimmt das Bundesverwaltungsgericht jedoch im Ergebnis keinen Verstoß gegen die Stillhaltklausel an: „Die Aufhebung der Befreiung von der Aufenthaltserlaubnispflicht für unter 16-Jährige bewirkt zwar eine ‚neue Beschränkung‘ im Sinne des Art. 13 ARB 1/80. Diese ist jedoch durch die damit beabsichtigte effektive Zuwanderungskontrolle als zwingenden Grund des Allgemeininteresses (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - Rs. C-138/13, Dogan - InfAuslR 2014, 322) gerechtfertigt.“32 Ende der Bearbeitung 31 BVerwG ZAR 2015, 109. 32 BVerwG ZAR 2015, 109.