© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 158/16 Mitwirkungspflichten bei der Identitätsfeststellung im Asylverfahren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 158/16 Seite 2 Mitwirkungspflichten bei der Identitätsfeststellung im Asylverfahren Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 158/16 Abschluss der Arbeit: 21.06.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 158/16 Seite 3 1. Fragestellung Es wird die Frage gestellt, ob und inwieweit gesetzliche Vorschriften Asylbewerber zur Mitwirkung bei ihrer Identitätsfeststellung im Asylverfahren verpflichten. Von Interesse ist dabei auch, welche Folgen der Verstoß gegen solche Mitwirkungspflichten auf die Rechtsstellung der Asylbewerber hat, z.B. in Bezug auf Sozialleistungen oder den Zugang zum Arbeitsmarkt. 2. Feststellung der Identität im Asylverfahren Das für die Durchführung der Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) klärt den Sachverhalt auf und erhebt die erforderlichen Beweise, § 24 Abs. 1 S. 1 Asylgesetz (AsylG). 2.1. Mitwirkungspflichten der Asylbewerber Nach § 15 Abs. 1 AsylG trifft die Asylbewerber eine allgemeine Pflicht, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Diese Pflicht ist persönlich zu erfüllen und bezieht sich auch auf die Identität der Asylbewerber. Konkrete Mitwirkungspflichten in Bezug auf die Identitätsfeststellung sind darüber hinaus in § 15 Abs. 2 AsylG geregelt. Danach besteht eine Pflicht zur Vorlage des Passes oder Passersatzes (§ 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylG). Wenn die Asylbewerber dieser Vorlagepflicht nicht nachkommen, aber Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie im Besitz von Identitätspapieren sind, können die zuständigen Behörden die Ausländer und ihre Sachen durchsuchen, § 15 Abs. 4 S. 1 AsylG. Ferner haben sie alle Urkunden und sonstige Unterlagen vorzulegen, die für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können (z.B. Geburtsurkunde). Schließlich müssen Asylbewerber erkennungsdienstliche Maßnahmen, z.B. die Abnahme von Fingerabdrücken, zur Sicherung ihrer Identität dulden, § 15 Abs. 2 Nr. 7, § 16 AsylG. Eine besondere Mitwirkungspflicht trifft abgelehnte Asylbewerber, die keinen Pass oder Passersatz besitzen. Sie müssen an der Beschaffung von Identitätspapieren mitwirken, § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG, und die insoweit erforderlichen Handlungen vornehmen, z.B. Vorsprache bei der diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Heimatstaates in Deutschland zwecks Antragstellung . Die Beschaffung von Identitätspapieren dient der Durchführung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. 2.2. Verstoß gegen Mitwirkungspflichten Der Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten zur Identitätsfeststellung kann sich auf verschiedene Weise auswirken. 2.2.1. Beschleunigtes Verfahren Mit der Änderung des Asylgesetzes vom Mai 2016 wurde die Möglichkeit geschaffen, besondere Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen, in denen beschleunigte Asylverfahren durchgeführt werden (§ 5 Abs. 5 AsylG). Adressaten dieser beschleunigten Asylverfahren sind nach § 30a Abs. 1 AsylG u.a. Ausländer, die Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 158/16 Seite 4 – die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit offensichtlich getäuscht haben oder – die ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung ihrer Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt haben, oder wenn die Umstände offensichtlich diese Annahme rechtfertigen. Im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens entscheidet das BAMF innerhalb von einer Woche ab Antragstellung, § 30a Abs. 2 AsylG. 2.2.2. Ausübung einer Erwerbstätigkeit Nach § 61 AsylG kann Asylbewerbern unter bestimmten Voraussetzungen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt werden. Die zuständigen Behörden haben insoweit eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu treffen. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung kann der Verstoß gegen Mitwirkungspflichten bei der Identitätsfeststellung zu Lasten des Asylbewerbers berücksichtigt werden und eine Versagung der Arbeitserlaubnis rechtfertigen. 2.2.3. Nichtbetreiben des Verfahrens Kommt der Asylbewerber einer bestimmten Aufforderung der zuständigen Behörde zur Mitwirkung (siehe oben unter Ziff. 2.1.) nicht nach, greift die gesetzliche Vermutung, dass der Asylbewerber das Verfahren nicht betreibt, § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG. Das Nichtbetreiben des Asylverfahrens wiederum hat zur Folge, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, § 33 Abs. 1 AsylG. Die Rücknahmefiktion führt dann zur Einstellung des Asylverfahrens, § 33 Abs. 5 S. 1 AsylG. Dem Asylbewerber muss der Eintritt dieser Rechtsfolgen aber zuvor schriftlich und gegen Empfangsbekenntnis mitgeteilt worden sein, § 33 Abs. 4 AsylG. 2.2.4. Qualifizierte Ablehnung des Asylantrags Der Verstoß gegen Mitwirkungspflichten bei der Identitätsfeststellung kann ferner dazu führen, dass ein Asylantrag nicht nur als unbegründet, sondern wegen des Verstoßes gegen die Mitwirkungspflichten als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird. Eine solche qualifizierte Antragsablehnung wirkt sich auf die Rechtsschutzmöglichkeiten aus: Bei qualifizierter Ablehnung des Asylantrags besteht gegenüber der einfachen Antragsablehnung eine kürzere Ausreisefrist (eine Woche anstelle von 30 Tagen), es gilt eine kürzere Klagefrist (eine Woche statt zwei Wochen) und die Klage gegen die qualifiziert abgelehnte Asylentscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. Asylanträge sind nach § 30 Abs. 3 AsylG u.a. dann qualifiziert abzulehnen, wenn der Ausländer – im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht oder diese Angaben verweigert hat, – unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat oder Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 158/16 Seite 5 – seine o.g. Mitwirkungspflichten nach § 15 Abs. 2 Nr. 4 (Vorlage von Pass/Passersatz) gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich. 2.2.5. Rücknahme des asylrechtlichen Schutzes Die Vorschriften zu Rücknahme des asylrechtlichen Schutzes knüpfen nicht unmittelbar an den Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten aus § 15 AsylG (siehe Ziff. 2.1.) an. Entscheidend für die Rücknahme ist vielmehr, dass der asylrechtliche Schutz gerade aufgrund einer unrichtigen Tatsachengrundlage gewährt wurde. In diesem Sinne sind die Asylberechtigung und die Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 2 AsylG zurückzunehmen, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden sind und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht als Asylberechtigter oder Flüchtling anerkannt werden könnte. Auch die Zuerkennung subsidiären Schutzes (im Sinne des Art. 15 ff. Richtlinie 2011/95/EU) ist u.a. dann zurückzunehmen, wenn eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen oder die Verwendung gefälschter Dokumente für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend war, § 73b Abs. 3 AsylG. 2.2.6. Leistungskürzungen Leistungskürzungen kommen nur gegenüber abgelehnten Asylbewerbern in Betracht, die vollziehbar ausreisepflichtig sind. Ihnen gegenüber sind die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) auf die „nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen“ zu reduzieren, wenn sie sich in die Bundesrepublik begeben haben, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, § 1a Abs. 1 AsylbLG. Als Indiz für die rechtsmissbräuchliche Absicht wird u.a. angesehen, wenn der Ausländer keine widerspruchsfreien Angaben zu seiner Identität macht. Ferner kommen Leistungseinschränkungen in Betracht, wenn eine Abschiebung aus solchen Gründen nicht durchgeführt werden kann, die der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer zu vertreten hat, § 1a Abs. 3 AsylbLG. Der Verstoß gegen die Pflicht aus § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG, an der Beschaffung von Identitätspapieren mitzuwirken (siehe unter Ziff. 2.1.), kann insoweit einschlägig sein und Leistungseinschränkungen zur Folge haben. Ende der Bearbeitung