© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 157/19 Erhöhung von Wahlzyklen innerhalb von politischen Parteien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 157/19 Seite 2 Erhöhung von Wahlzyklen innerhalb von politischen Parteien Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 157/19 Abschluss der Arbeit: 21.06.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 157/19 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, welche Gesetze geändert werden müssen, wenn der Wahlzyklus von Ämtern innerhalb politischer Parteien von derzeit zwei auf drei Jahre erhöht werden soll. 2. Rechtsquellen Wichtigste Quelle des Parteienrechts ist Art. 21 Grundgesetz (GG), der den Parteien einen verfassungsrechtlichen Status einräumt.1 Zweitwichtigste Quelle ist das Parteiengesetz (PartG), das allerdings keine Kodifikation aller parteirechtlichen Fragen darstellt.2 Soweit das PartG keine speziellen Regelungen trifft, bestimmt sich das Organisationsrecht der Parteien daher insbesondere nach den vereinsrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Von großer Bedeutung sind insofern die Satzungen der Parteien, da die vereinsrechtlichen Regelungen des BGB zu einem großen Teil aus nachgiebigen Vorschriften bestehen und daher nur begrenzten Einlass auf das Organisationsleben der Parteien besitzen.3 3. Vorgaben für die innere Ordnung einer Partei, insbesondere bzgl. Wahlen Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet die Freiheit, Parteien zu gründen. Bestandteil der Gründungsfreiheit sind insbesondere auch die Organisations- und die Satzungsfreiheit.4 Ergänzt werden diese Freiheiten um die Verpflichtung auf die innerparteiliche Demokratie gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf die Anforderungen an die innerparteiliche Demokratie festgestellt, „dass der Aufbau der Partei von unten nach oben erfolgen muss, die Mitglieder also nicht von der Willensbildung ausgeschlossen sein dürfen, und dass die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Mitglieder sowie die Freiheit von Eintritt und Ausscheiden gewährleistet sein muss.“5 Nach einhelliger Auffassung folgt aus dem Grundsatz des Aufbaus von unten nach 1 Ipsen, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 21 Rn. 5. Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 53. 2 Morlok, Parteiengesetz Kommentar, 2. Auflage 2013, PartG, Einleitung Rn. 2; Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 54. 3 Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 55. 4 Kersten, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 1 PartG Rn. 29 ff. 5 BVerfGE 2, 1 (40). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 157/19 Seite 4 oben der demokratische Grundsatz der „Herrschaft auf Zeit“.6 Parteiämter bedürfen einer Legitimation durch Wahlen und dürfen nur auf Zeit vergeben werden.7 Die Wahlen müssen in regelmäßigen Abständen wiederkehrend stattfinden,8 wobei der zeitliche Abstand nicht zu groß sein darf.9 §§ 6 ff. PartG konkretisieren die rechtlichen Vorgaben für die innere Ordnung der Parteien und dienen der Realisierung des verfassungsrechtlichen Gebots zur innerparteilichen Demokratie aus Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG.10 3.1. Vorschriften zum Wahlzyklus in §§ 6 ff. PartG 3.1.1. Hauptversammlung und Parteitag Notwendiges Organ der Partei und der Gebietsverbände ist nach § 8 Abs. 1 S. 1 PartG zunächst die Mitgliederversammlung. § 8 Abs. 1 S. 2 PartG eröffnet die Möglichkeit, in überörtlichen Verbänden durch Satzung zu bestimmen, dass an die Stelle der Mitgliederversammlung eine Vertreterversammlung tritt. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 PartG treten die Mitglieder- und Vertreterversammlungen (Hauptversammlung , Parteitag) mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr einmal zusammen. Die Regelung des § 9 Abs. 1 S. 3 PartG hat bei ihrer Einführung rechtspolitische Kritik erfahren, weil ein häufigeres Zusammentreffen der Mitglieder organisatorisch möglich und für die innerverbandliche Willensbildung wünschenswert sei.11 Die Frist von zwei Kalenderjahren wird aber einhellig als (noch) ausreichend angesehen, um der verfassungsrechtlichen Forderung nach einer demokratischen Grundsätzen genügenden innerparteilichen Willensbildung zu entsprechen.12 Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Mandatsbefristung des § 9 Abs. 1 S. 3 PartG ein „absolutes demokratisches Minimum“ umschreibe und aufgrund der „Transformationsfunktion der Parteien und insb. ihrer Versammlungsorgane“ für Gliederungen der unteren Ebene gerade 6 Siehe Morlok, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 21 Rn. 127; Ipsen, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 21 Rn. 56 ff.; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 21 Rn. 152. 7 Ipsen, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 21 Rn. 56, 58. 8 Kersten, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 1 PartG Rn. 72. 9 Morlok/Merten, Parteienrecht, 2018, S. 125. 10 Morlok, Parteiengesetz Kommentar, 2. Auflage 2013, PartG, Vorbemerkung Zweiter Abschnitt Innere Ordnung (§ 6 - § 16) Rn. 1. 11 Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 235; Wolfrum, Die innerparteiliche demokratische Ordnung nach dem Parteiengesetz, 1974, S. 99. 12 Augsberg, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 9 Rn. 9; Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 9 Rn. 4; Lenski, Parteiengesetz und das Recht zur Kandidatenaufstellung, 2011, § 9 Rn. 6; Wolfrum, Die innerparteiliche demokratische Ordnung nach dem Parteiengesetz, 1974, S. 99. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 157/19 Seite 5 noch akzeptabel sei.13 Es sei zu verhindern, „dass sich allgemeine Vertreterversammlungen im Laufe der Zeit vom Willen der Mitglieder entfernen[…]“.14 Mit der Zweijahresfrist aus § 9 Abs. 1 S. 3 PartG korrespondiert zum einen die maximale Amtsdauer der in die Vertreterversammlungen entsandten Delegierten, die für höchstens zwei Jahre gewählt werden dürfen, vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 PartG. Zum anderen ist in § 8 Abs. 5 PartG eine ebenfalls an eine Zweijahresfrist gekoppelte Rechenschaftspflicht des Vorstandes gegenüber der Mitgliederbzw . Vertreterversammlung vorgesehen. 3.1.2. Vorstände Weiteres notwendiges Organ der Partei und der Gebietsverbände ist nach § 8 Abs. 1 S. 1 PartG der Vorstand. Dieser ist durch die Hauptversammlung bzw. durch den Parteitag auf jeder Gliederungsebene zu wählen, § 8 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 4 PartG. Die Wahl des Vorstands hat gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 PartG mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr zu erfolgen. Das Kalenderjahr ist nach herrschender Ansicht in der Literatur wörtlich zu nehmen; es sei insofern möglich, die Termine so zu legen, dass zwischen den Tagungen ein Abstand von fast drei Jahren liege.15 Soweit der Vorstand ein Präsidium bildet, entspricht die Amtsdauer des Präsidiums der des Vorstands. Nach jeder Vorstandswahl ist daher auch das Präsidium zu erneuern.16 3.1.3. Fakultative Organe § 8 Abs. 2 S. 1 PartG gestattet, in der Parteisatzung weitere Organe vorzusehen, die in der Satzung ausdrücklich als solche zu bezeichnen sind. Mitglieder fakultativer Organe sind grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 4 PartG von der Mitgliederversammlung bzw. dem Parteitag zu wählen.17 Auch hier kommt das Gebot der innerparteilichen Demokratie zum Tragen. Ob eine innerparteiliche „Einrichtung“ zugleich als „Organ“ zu begreifen ist, richtet sich danach, ob sie der Willensbildung des jeweiligen Gebietsverbandes dient.18 Umstritten ist in der Literatur, 13 Morlok, Parteiengesetz Kommentar, 2. Auflage 2013, PartG § 8 Rn. 5. 14 Ebenda. 15 Wißmann, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 11 Rn. 5; Lenski, Parteiengesetz und das Recht zur Kandidatenaufstellung, 2011, § 11 Rn. 3; im Ergebnis auch Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 11 Rn. 2, der allerdings betont, die Regelung in § 11 PartG sei so zu verstehen, dass die Amtszeit des Vorstandes einen Zeitraum von zwei Jahren nicht überschreiten soll. 16 Morlok, Parteiengesetz Kommentar, 2. Auflage 2013, PartG § 11 Rn. 5. 17 Ipsen, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 21 Rn. 56. 18 Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 8 Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 157/19 Seite 6 ob zudem ein Mindestmaß eigener Entscheidungskompetenz Voraussetzung für die Organeigenschaft ist.19 Zu den fakultativen Organen gehören zunächst die allgemeinen Parteiausschüsse.20 Die Amtsdauer der Mitglieder allgemeiner Parteiausschüsse beträgt gemäß § 12 Abs. 3 PartG maximal zwei Jahre. Hierbei handelt es sich tatsächlich um eine Jahresfrist. Anders als bei der Amtsdauer des Vorstands stellt § 12 Abs. 3 PartG nicht auf die Wahl innerhalb bestimmter Kalenderjahre ab. Organstatus können auch Fachausschüsse oder Arbeitskreise haben, soweit diese nicht nur anlassbezogen , sondern dauerhaft tätig sind. Auf eine unmittelbare Entscheidungszuständigkeit soll es nicht ankommen, soweit die Einrichtungen umfassende Zuständigkeiten für die Beratung und Entscheidung politischer und organisatorischer Fragen der Partei besitzen.21 Als fakultatives Organ werden auch die im SPD-Organisationsstatut vorgesehene Kontrollkommission und der Bundesfinanz - und Frauenrat von Bündnis 90/Die Grünen eingestuft.22 3.1.4. Weitere Parteiämter Bloße Verwaltungsorgane und weisungsabhängige Mitarbeiter sind keine Organe im parteirechtlichen Sinne, da es ihnen an der Beteiligung an der Willensbildung mangelt.23 Dies soll nach wohl herrschender Auffassung auch für herausgehobene Positionen wie bspw. Generalsekretär oder Geschäftsführer gelten.24 Das PartG kennt das Amt des Generalsekretärs bzw. Geschäftsführers nicht. Angesichts der Bedeutung dieses nicht unpolitisch zu sehenden Parteiamts wird die fehlende gesetzliche Regelung zum Teil in der Literatur als Defizit kritisiert.25 Die Satzungen der Parteien sehen allerdings häufig vor, dass der Generalsekretär vom Parteitag gewählt wird.26 19 Dagegen: Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 8 Rn. 15; Augsberg, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 8 Rn. 21; dafür: Lenski, Parteiengesetz und das Recht zur Kandidatenaufstellung, 2011, § 8 Rn. 23 f. 20 Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 8 Rn. 14. 21 Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 8 Rn. 15; Augsberg, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 8 Rn. 21; a.A. Lenski, Parteiengesetz und das Recht zur Kandidatenaufstellung, 2011, § 8 Rn. 23 f., die für das von ihr geforderte Mindestmaß eigener Entscheidungskompetenz auch reine Antragsbefugnisse vor anderen Organen, insbes. gegenüber Parteitagen, als ausreichend erachtet. 22 Ipsen, Parteiengesetz, 2. Auflage 2018, § 9 Rn. 15. 23 Augsberg, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 9 Rn. 22. 24 Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 21 Rn 151; Augsberg, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 9 Rn. 22; a.A. Morlok, Parteiengesetz Kommentar, 2. Auflage 2013, PartG § 8 Rn. 12. 25 Morlok, Parteiengesetz Kommentar, 2. Auflage 2013, PartG § 8 Rn. 12. 26 Vgl. bspw. § 29 Statut der CDU, abrufbar unter: https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=8d137843- 32b3-455e-d50b-3dc7329afef1&groupId=252038; § 20 Nr. 2, § 23 Abs. 1c) SPD-Organisationsstatut, abrufbar unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Parteiorganisation/SPD_OrgaStatut_2018.pdf; § 14 Abs. 4 Bundessatzung der FDP, abrufbar unter: https://www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2019/05/15/satzung-komplett-2019.pdf; (letzter Abruf jeweils 20.06.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 157/19 Seite 7 Ebenfalls keine Organe sind Mitglieder von Schiedsgerichten. § 14 Abs. 2 S. 1 PartG sieht vor, dass Mitglieder der Schiedsgerichte für höchstens 4 Jahre gewählt werden dürfen. 4. Andere gesetzliche Vorschriften Die vereinsrechtlichen Bestimmungen des BGB treten gegenüber dem spezialgesetzlichen PartG zurück und enthalten zudem auch keine näheren Vorgaben für die Häufigkeit von Wahlen. 5. Fazit Aufgrund des Gebots der innerparteilichen Demokratie aus Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG bedürfen Parteiämter grundsätzlich einer Legitimation durch Wahlen und dürfen nur auf Zeit vergeben werden. Das Personal der politischen Parteien wird von dem Grundsatz nicht erfasst, soweit es weisungsabhängig ist und Hilfsdienste leistet. Das PartG sieht für verschiedene Organe Wahlzyklen von zwei Jahren vor. Für eine Erhöhung der Wahlzyklen müssten die spezialgesetzlichen Regelungen des PartG sowie die Satzungen der Parteien geändert werden. Im Hinblick auf das notwendige Organ der Mitgliederversammlung wird eine Frist von zwei Kalenderjahren in der Literatur teilweise als gerade noch ausreichend angesehen, um der verfassungsrechtlichen Forderung nach einer demokratischen Grundsätzen genügenden innerparteilichen Willensbildung zu entsprechen. ***