© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 157/16 Die Wohnsitzregelung nach dem Entwurf des Integrationsgesetzes aus verfassungsrechtlicher Sicht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Eingriff in den Schutzbereich 8 4.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 8 4.1.2.1. Verhältnismäßigkeit 8 4.1.2.2. Unechte Rückwirkung 12 4.2. Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz 13 4.2.1. Stichtagsregelung 13 4.2.2. Andere Ausländergruppen 13 4.2.3. Rechtslage und Verwaltungspraxis in den Bundesländern 14 5. Vereinbarkeit mit Art. 80 GG 15 6. Ergebnis 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 4 1. Einleitung Im Asylverfahren gelten für Asylbewerber Wohnverpflichtungen in der Erstaufnahmeeinrichtung, § 47 Asylgesetz (AsylG) und, soweit der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, bei der Anschlussunterbringung (§§ 50, 60 AsylG). Auch geduldete Ausländer ohne gesicherten Lebensunterhalt sind verpflichtet, an einem bestimmten Ort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen, § 61 Abs. 1d Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Ausländer hingegen, denen aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis gewährt wurde, unterliegen keiner generellen Wohnverpflichtung. Auch die Möglichkeit, im Einzelfall eine Wohnsitzauflage nach § 12 Abs. 2 S. 2 AufenthG zu erlassen, unterliegt – jedenfalls soweit sie aus Gründen der gleichmäßigen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten erfolgt – Einschränkungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine entsprechende Verwaltungspraxis für rechtswidrig erklärt: „Wohnsitzauflagen gegenüber anerkannten Flüchtlingen, die Sozialhilfeleistungen beziehen, verstoßen gegen Art. 23 der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn sie zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten verfügt werden.“1 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen auch subsidiär Schutzberechtigte nicht mit dem Ziel einer gleichmäßigen Verteilung öffentlicher Soziallasten mit einer Wohnverpflichtung belegt werden.2 Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Bundesverwaltungsgericht sehen aber Möglichkeiten zur Erteilung von Wohnverpflichtungen aus integrationspolitischen Gründen.3 Die Wohnsitzregelung nach dem Entwurf eines Integrationsgesetzes führt nun mit § 12a AufenthG-E Wohnverpflichtungen aus integrationspolitischen Gründen ein.4 Es wird die Frage gestellt, ob diese Wohnsitzregelung verfassungsgemäß ist. 2. Wohnsitzregelung nach dem Entwurf des Integrationsgesetzes Die Wohnsitzregelung in § 12a AufenthG-E sieht verschiedene Arten von Wohnverpflichtungen aus integrationspolitischen Gründen vor. Adressaten der Regelung sind Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 GG), anerkannte Flüchtlinge (§ 3 AsylG) und subsidiär Schutzberechtigte (§ 4 AsylG)5 sowie 1 BVerwG NVwZ 2008, 796. 2 Siehe dazu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Wohnsitzauflage für subsidiär Schutzberechtigte – das Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-443/14 und C-444/14 (Aktueller Begriff Europa, Nr. 02/16), abrufbar unter: http://www.bundestag.btg/ButagVerw/W/Ausarbeitungen/Einzelpublikationen/Ablage /2016/Wohnsitzauflage__1461763556.pdf. 3 BVerwG NVwZ 2008, 796, 798; EuGH Rs. C-443/14, Rn. 57 ff. 4 Entwurf eines Integrationsgesetzes, BT-Drs. 18/8615. Zur allgemeinen integrationspolitischen Konzeption der Wohnsitzregelung siehe ebda., 3: „Die Regelungen zur Wohnsitzverpflichtung für anerkannte Flüchtlinge und Inhaberinnen und Inhaber bestimmter anderer humanitärer Aufenthaltstitel sind Teil des mit diesem Gesetzentwurf verfolgten integrationspolitischen Gesamtansatzes und sollen die Integration dieser Personengruppe fördern und integrationshemmenden Segregationstendenzen entgegenwirken.“ 5 Zu den asylrechtlichen Schutzberechtigungen vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Kategorien des asylrechtlichen Schutzes in Deutschland (Aktueller Begriff Nr. 30/15), abrufbar unter: http://www.bundestag .btg/ButagVerw/W/Ausarbeitungen/Einzelpublikationen/Ablage/2015/Kategorien_des_a_1450169075.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 5 Ausländer mit humanitären Aufenthaltstiteln nach den §§ 22, 23 und 25 Abs. 3 AufenthG.6 Stichtag für die relevante Gewährung asylrechtlichen oder humanitären Schutzes ist nach § 12a Abs. 6 AufenthG-E der 1.1.2016. Einbezogen in die Wohnsitzregelung sind nach Maßgabe des § 12a Abs. 6 AufenthG-E auch die nachziehenden Familienangehörigen. 2.1. Wohnsitzverpflichtung in einem bestimmten Bundesland Von besonderer Bedeutung ist die in § 12a Abs. 1 AufenthG-E vorgesehene Verpflichtung, seinen Wohnsitz in einem bestimmten Bundesland, namentlich dem Bundesland des Asylverfahrens oder – soweit Ausländer mit Aufenthaltstiteln nach den §§ 22, 23 AufenthG betroffen sind – des Aufnahmeverfahrens, zu nehmen. Diese Verpflichtung gilt für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung des asylrechtlichen Schutzes oder Erteilung der humanitären Aufenthaltstitel, § 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG-E. Diese Wohnsitzverpflichtung bedarf keiner weiteren behördlichen Entscheidung, sondern greift unmittelbar kraft Gesetzes. Insbesondere ist keine Prüfung des Integrationszwecks erforderlich, vielmehr unterstellt § 12a Abs. 1 S. 1 AufenthG-E, dass die Wohnsitzverpflichtung des Ausländers in einem bestimmten Bundesland „zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland“ erfolgt. Mit der Bestimmung einer ausdrücklichen Wohnsitzpflicht („ist … verpflichtet“) wird ein anderes Regelungsmodell gewählt als im Wohnortzuweisungsgesetz für Spätaussiedler.7 Die Zuweisung eines bestimmten Wohnortes nach dem Wohnortzuweisungsgesetz wurde dadurch umgesetzt, dass der Bezug von Sozialleistungen auf den zugewiesenen Wohnort beschränkt war.8 Eine unmittelbar durchsetzbare Wohnsitzregelung bestand hingegen nicht. Die Wohnsitzverpflichtung in einem bestimmten Bundesland trifft die Schutzberechtigten im Sinne des § 12a Abs. 1 AufenthG-E aber nicht, wenn sie gemäß § 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG-E selbst, ihr Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner oder ihr minderjähriges Kind – eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit bestimmtem Umfang und Einkommen ausüben, – eine Berufsausbildung aufnehmen oder aufgenommen haben oder – in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis stehen. Für den Fall, dass diese Ausnahmen greifen, kommen die weiteren, in den Absätzen 2-4 geregelten Wohnsitzeinschränkungen innerhalb der Bundesländer nicht in Betracht. Denn die weiteren Einschränkungen setzen voraus, dass überhaupt eine Wohnsitzverpflichtung in einem bestimmten Bundesland nach § 12a Abs. 1 AufenthG-E besteht. 6 Die Vorschriften in den §§ 22, 23 AufenthG betreffen die Aufnahme von Ausländern aus dem Ausland, z.B. die Aufnahme bestimmter Ausländergruppen im Rahmen von Landes- oder Bundesaufnahmeprogrammen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG kommt bei Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG in Betracht. Diese Abschiebungsverbote sind auch im Rahmen von Asylverfahren zu prüfen (§ 24 Abs. 2 Asylgesetz) und können eine national subsidiäre Schutzberechtigung begründen. 7 Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler vom 6.7.1989, BGBl. I, 1378, 8 Siehe dazu § 3a des Wohnortzuweisungsgesetzes. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 6 2.2. Wohnsitzverpflichtung innerhalb der Bundesländer Nach den Regelungen in § 12a Abs. 2-4 AufenthG-E sind behördliche Wohnsitzentscheidungen innerhalb der Bundesländer möglich. Inhaltlich beziehen sie sich auf – die Zuweisung angemessenen Wohnraums außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung oder vorübergehenden Unterkunft, Abs. 2, – die Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort, wenn dadurch eine angemessene Wohnraumversorgung , der Erwerb hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erleichtert werden kann, Abs. 3, sowie auf die – Untersagung des Zuzugs an einen bestimmten Ort zur „Vermeidung von sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung“, Abs. 4 (im Folgenden: Zuzugssperre). Die behördlichen Wohnsitzentscheidungen nach den Absätzen 2-4 sind als Ermessensentscheidungen ausgestaltet („können“) und können die Betroffenen längstens bis zum Ablauf der Dreijahresfrist des § 12a Abs. 1 AufenthG-E verpflichten. Bei den Anordnungen nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG-E sind bestimmte Fristen zu beachten, die Zuzugssperre nach § 12a Abs. 4 AufenthG-E hingegen kann während der gesamten Dreijahresfrist erlassen werden. Hinzuweisen ist ferner auf die sofortige Vollziehbarkeit der behördlichen Wohnsitzverpflichtungen. Nach § 12a Abs. 8 AufenthG haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung. Insoweit steht aber einstweiliger Rechtsschutz offen. Nach § 80 Abs. 5 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung kann insoweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt werden. 2.3. Aufhebungs- und Härtefallregelungen Die Wohnsitzverpflichtungen in bestimmten Bundesländern (§ 12a Abs. 1 AufenthG-E) und innerhalb der Bundesländer (§ 12a Abs. 2-4 AufenthG-E) sind nachträglich aufzuheben, wenn der Ausländer das Vorliegen bestimmter integrationspolitisch relevanter Umstände oder enge familiäre Bindungen an seinem gewünschten Wohnsitzort nachweist oder ein Härtefall vorliegt. Die Aufhebungs- und Härtefallregelungen sind als gebundene Entscheidungen („ist auf Antrag des Ausländers aufzuheben“) ausgestaltet. Konkret besteht nach § 12a Abs. 5 Nr. 1 AufenthG-E eine Pflicht zur Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung , wenn der Ausländer folgende besondere Umstände nachweist: – ihm oder seinem Ehegatten, eingetragenen Lebenspartner oder minderjährigen Kind stehen nicht nur vorübergehend angemessener Wohnraum oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von Absatz 1 Satz 2, ein den Lebensunterhalt sicherndes Einkommen oder ein Ausbildungs- oder Studienplatz an dem gewünschten Wohnsitz zur Verfügung oder – der Ehegatte, eingetragene Lebenspartner oder minderjährige ledige Kinder leben an einem anderen Wohnort. Nach § 12a Abs. 5 Nr. 2 AufenthG-E sind Wohnsitzverpflichtungen in Härtefällen aufzuheben, wobei eine Härte insbesondere dann vorliegt, wenn – Leistungen und Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe beeinträchtigt würden, Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 7 – ein anderes Land aus anderen dringenden persönlichen Gründen die Übernahme zugesagt hat oder – für den Betroffenen aus sonstigen Gründen vergleichbare unzumutbare Einschränkungen entstehen. Die Aufhebung aus Gründen der unzumutbaren Härte befreit aber nicht gänzlich von der Wohnsitzverpflichtung . Dem Ausländer ist nach § 12a Abs. 5 S. 2 AufenthG-E eine Wohnverpflichtung nach den Absätzen 3 oder 4 aufzuerlegen, „die seinem Interesse Rechnung trägt“. 2.4. Ausgestaltungsmöglichkeiten durch die Länder In Bezug auf „Organisation, Verfahren und angemessenen Wohnraum“ werden den Ländern nach § 12a Abs. 9 AufenthG Ausgestaltungsmöglichkeiten eingeräumt. Eine Verpflichtung zur näheren Ausgestaltung besteht nicht („Die Länder können…“). Die Länderbefugnisse beziehen sich auf konkrete Regelungsbereiche, die die Organisation und das Verfahren der behördlichen Wohnsitzzuweisungen nach § 12a Abs. 2-4 AufenthG betreffen. Darüber hinaus sind Länderregelungen zur näheren Ausgestaltung der „angemessenen Wohnraumversorgung “ und den diesbezüglichen Nachweisbedingungen in Bezug auf die Ausnahme- und Aufhebungstatbestände in § 12a Abs. 1 S. 2 und Abs. 5 Nr. 1 a AufenthG-E möglich. Die Ausgestaltungsmöglichkeiten durch die Länder berühren aber nicht die gesetzliche Verpflichtung nach § 12a Abs. 1 AufenthG-E, den Wohnsitz in einem bestimmten Bundesland zu nehmen. 3. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der Wohnsitzregelung ist zunächst, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zukommt. Einschlägig ist insoweit der Kompetenztitel aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG für die Freizügigkeit, der dem Bund eine ausschließliche Bundeskompetenz zuweist. Die Freizügigkeit im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG bezieht sich – wie das Grundrecht auf Freizügigkeit nach Art. 11 GG – auf die freie Aufenthalts- und Wohnsitznahme an jedem Ort im Bundesgebiet. Anders als das Deutschengrundrecht auf Freizügigkeit erfasst der Freizügigkeitsbegriff in Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG auch die Freizügigkeit von Ausländern.9 Die vorliegende Wohnsitzregelung fällt damit in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes.10 Im Bereich der ausschließlichen Bundeskompetenz haben die Länder nach Art. 71 GG nur insoweit Befugnisse zur Gesetzgebung, als sie hierzu durch Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden. Eine entsprechende Ermächtigung zur Ländergesetzgebung enthält die vorliegende Wohnsitzregelung in § 12a Abs. 9 AufenthG-E. 9 Vgl. Degenhart, in: Sachs, GG (7. Aufl., 2014), Rn. 13 zu Art. 73 m.w.N. 10 In der Begründung des Gesetzentwurfs wird die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Freizügigkeitsbestimmungen gegenüber Ausländern nicht erwähnt. Vielmehr wird pauschal auf eine konkurrierende Bundeskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG in Bezug auf die Änderungen des Aufenthaltsgesetzes verwiesen, vgl. BT-Drs. 18/8615, 28. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 8 4. Vereinbarkeit mit Grundrechten Die Wohnsitzregelung müsste ferner mit den Grundrechten der Betroffenen vereinbar sein. Das Freizügigkeitsgrundrecht aus Art. 11 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus, da es allein deutsche Staatsangehörige schützt („Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“). In Betracht kommt aber ein Verstoß gegen das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Auch könnte die Wohnsitzregelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. 4.1. Allgemeine Handlungsfreiheit 4.1.1. Eingriff in den Schutzbereich Das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG schützt die freie Wohnsitzwahl von Ausländern im Bundesgebiet.11 Die Verpflichtungen zur Wohnsitznahme in bestimmten Bundesländern und innerhalb der Bundesländer nach § 12a Abs. 1-4 AufenthG-E schränken die freie Wohnsitzwahl ein und stellen damit einen Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich dar. 4.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Die allgemeine Handlungsfreiheit unterliegt aber nach Art. 2 Abs. 1 GG dem Vorbehalt der „verfassungsmäßigen Ordnung“ und kann dementsprechend durch formell und materiell verfassungsmäßige Gesetze eingeschränkt werden. In formeller Hinsicht kann auf die bestehende Gesetzgebungskompetenz des Bundes verwiesen werden. In materieller Hinsicht müsste die Wohnsitzregelung insbesondere verhältnismäßig sein und den rechtsstaatlichen Anforderungen an rückwirkende Gesetze genügen. 4.1.2.1. Verhältnismäßigkeit Die Wohnsitzregelung verfolgt mit der Förderung der Integration der betroffenen Ausländergruppen einen legitimen Zweck. Sie ist verhältnismäßig, wenn sie sich in Bezug auf die Integrationsförderung als ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel erweist. Fraglich ist, ob Wohnsitzverpflichtungen ein geeignetes Mittel zur Integrationsförderung darstellen. Man könnte meinen, Wohnsitzregelungen würden sich eher hemmend auf die Integration von Ausländern auswirken, da den Betroffenen keine Perspektiven zur Arbeitsmarktintegration offen stünden, wenn sie z.B. auf dem Land oder in Gebieten wohnen müssten, die von Abwanderung geprägt seien. In solchen Gebieten wären zwar Wohnraum vorhanden, aber keine bzw. kaum Möglichkeiten zur Integration in die deutsche Gesellschaft. Zudem würde ggf. der Kontakt zu verwandten oder bekannten Ausländern fehlen, die z.B. bei der Integration in den Arbeitsmarkt 11 BVerfGE 35, 382, 399; Pagenkopf, in: Sachs, GG (7. Aufl., 2014), Rn. 11 zu Art. 11; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG (6. Aufl., 2010), Rn. 45 zu Art. 11 m.w.N. ). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 9 helfen könnten.12 Anstelle von Wohnsitzverpflichtungen müssten die Integrationsangebote für die betroffenen Ausländer verbessert werden. An der Eignung eines Mittels fehlt es aber nicht schon dann, wenn ggf. besser geeignete Mittel in Betracht kommen. Für die Eignung reicht es aus, wenn durch das Mittel der gewünschte Erfolg gefördert werden kann.13 Dem Gesetzgeber steht insoweit ein Einschätzungsspielraum zu.14 Die Möglichkeit einer integrationsfördernden Wirkung von Wohnsitzauflagen folgt bereits aus der besseren Planbarkeit der Integrationsangebote.15 Darüber hinaus ist die konkrete Ausgestaltung der Wohnsitzverpflichtungen zu beachten. Die Wohnsitzverpflichtungen innerhalb der Bundesländer nach § 12a Abs. 2-4 AufenthG-E sind als Einzelfallentscheidungen ausgestaltet, die eine Prüfung bestimmter integrationsfördernder Effekte bedürfen. So kommt eine Wohnsitzzuweisung nach § 12a Abs. 2 AufenthG nur in Betracht, wenn sie dazu dient, eine vorübergehende Unterkunft zugunsten angemessenen Wohnraums zu verlassen und unter der Maßgabe, dass die Wohnverpflichtung der „Förderung der nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik“ nicht entgegensteht. Auch die Wohnsitzzuweisung nach § 12a Abs. 3 AufenthG-E ist so ausgestaltet, dass sie mit einer Verbesserung der Integrationsbedingungen verbunden sein muss: Durch die Wohnsitzzuweisung müssen konkret die Wohnraumsituation , der Spracherwerb sowie die Arbeitsmarktintegration verbessert werden. Schließlich setzt auch die Zuzugssperre nach § 12a Abs. 4 AufenthG die Prüfung der konkreten Integrationsbedingungen für den Betroffenen voraus. Ohne weitere Prüfung der Integrationsbedingungen vor Ort erfolgt allein die Verteilung der betroffenen Ausländer auf die Bundesländer nach § 12a Abs. 1 AufenthG-E. Die „grobe“ Verteilung auf die Bundesländer erweist sich aber in Bezug auf die Integrationsförderung nicht als unplausibel. Vielmehr orientiert sie sich – dem Verteilungsschlüssel für Asylverfahren folgend – an den unterschiedlichen Kapazitäten der einzelnen Bundesländer, die betroffenen Ausländer aufzunehmen und zu integrieren.16 Die Wohnsitzverpflichtungen nach § 12a AufenthG-E stellen mithin ein geeignetes Mittel zur Integrationsförderung dar.17 Die Wohnsitzverpflichtungen sind aber nur dann erforderlich, wenn keine milderen und gleich geeigneten Mittel zur Integrationsförderung in Betracht kommen. In Bezug auf die in § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG-E verfolgten Integrationsaspekte der angemessenen Wohnraumversorgung, des Spracherwerbs und der Integration in den Arbeitsmarkt könnte man an einen staatlichen Ausbau 12 Zur Kritik siehe nur Brücker, „Sie beginnen oft bei null“, Zeit-Interview vom 19.5.2016, abrufbar unter: http://www.zeit.de/2016/20/integration-fluechtlinge-jobsuche-migrationsforscher-herbert-bruecker: „Für mich als Marktwirtschaftler ist das (erg. eine Wohnsitzauflage) ein No-Go. Damit werden Flüchtlinge bewusst in strukturschwachen Regionen gehalten. Dort gibt es Wohnungen, aber keine Jobs. Diese Auflage behindert die Arbeitssuche.“ 13 Vgl. nur BVerfGE 117, 163, 189 mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung. 14 BVerfGE 50, 290, 332. 15 Siehe dazu auch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen des Wohnortzuweisungsgesetzes auf Spätaussiedler, Abschlussbericht vom 18.1.2011, abrufbar unter: http://www.bamf.de/SharedDocs/Projekte/DE/DasBAMF/Forschung/Integration/wohnortzuweisungsgesetz.html, 158 ff. 16 Zur Verteilung der Integrationslasten auf die Kapazitäten der Länder und Kommunen vgl. auch die Ausführungen des BVerfG zur Wohnsitzzuweisung bei Spätaussiedlern, BVerfG NVwZ 2005, 797, 798: „Hinzu kommen in Fällen der in Rede stehenden Art Maßnahmen der Integration wie das Angebot von Sprachkursen, Eingliederungshilfen und Vorsorge dafür, dass die eingesessene Bevölkerung die zugewanderten Menschen aufnimmt und in die örtliche Gemeinschaft einbezieht. Art. 11 II Alt. 1 GG gibt unter diesen Voraussetzungen dem Gesetzgeber die Befugnis, unter Einschränkung des Grundrechts der Freizügigkeit, die Lasten auf Länder und kommunale Gebietskörperschaften zu verteilen und damit insbesondere einer Überlastung einzelner Gemeinden entgegenzuwirken.“ 17 Zur Eignung der vergleichbaren Wohnsitzzuweisung gegenüber Spätaussiedlern BVerfG NVwZ 2005, 797 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 10 der Integrationskapazitäten an den Wohnsitzen der Betroffenen denken. Diesen Maßnahmen fehlt es aber an der gleichen Eignung: Die Schaffung von zusätzlichen Integrationskapazitäten an bestimmten Orten (z.B. durch Wohnungsbau) ist – wenn sie überhaupt möglich wäre – mit hohen Kosten verbunden und lässt sich nicht kurzfristig nach dem jeweiligen Bedarf umsetzen. Auch anstelle der Zuzugssperre, die nach § 12a Abs. 4 AufenthG-E für Gebiete mit besonderen Integrationsschwierigkeiten zur Anwendung kommen soll, sind gleich wirksame Maßnahmen nicht ersichtlich . Insbesondere eine denkbare Ausweitung von Sozialarbeit in diesen Gebieten lässt nicht in gleichem Maße erwarten, dass die Betroffenen ihre Integrationsbemühungen erhöhen anstatt sich in eine „Parallelgesellschaft“ zurückzuziehen. Schließlich kommen auch zur Verteilung der betroffenen Ausländer auf die Bundesländer keine gleich wirksamen, aber weniger eingriffsintensiven Mittel in Betracht. Zwar könnte man an ein finanzielles Ausgleichssystem zwischen den Bundesländern denken, das unterschiedliche Integrationslasten kompensiert und den stark belasteten Bundesländern die Schaffung weiterer Integrationskapazitäten ermöglicht. Doch wie bereits ausgeführt, könnten Maßnahmen zum Ausbau von Integrationskapazitäten – wenn sie überhaupt möglich sind – nicht unmittelbar greifen. Auch liegt es nahe, die Integrationskapazitäten nicht nur in den finanziellen und materiellen Ressourcen eines Bundeslandes zu sehen. Eine gewisse Verteilung der Betroffenen dürfte – insbesondere in Zeiten von starker Zuwanderung – auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Integrationsbereitschaft förderlich sein. Von der Erforderlichkeit der Wohnsitzverpflichtungen ist daher auszugehen. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung sind die Intensität der Grundrechtsbetroffenheit auf der einen Seite und die Dringlichkeit der Wohnsitzverpflichtungen zur Integrationsförderung auf der anderen Seite miteinander ins Verhältnis zu setzen. Die Grundrechtsbetroffenheit der Wohnsitzverpflichteten wiegt schwer: Auch wenn sie sich nicht auf das besondere Freiheitgrundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 GG berufen können, ist gleichwohl die besondere Bedeutung der Freizügigkeit im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit zu berücksichtigen. Die freie Wahl des Wohnsitzes und damit des Lebensmittelpunkts stellt eine wichtige Freiheitsbetätigung dar, die zugleich die Ausübung weiterer Grundrechte betreffen kann, wenn es z.B. um die Herstellung familiärer Einheit geht (Art. 6 Abs. 1 GG) oder um die Wahrnehmung von Berufs-, Ausbildungs- und Studienchancen (Art. 12 Abs. 1 GG). Für die Wohnsitzwahl kann aber auch entscheidend sein, ob die Ausländer dort eine gute Aufnahme der heimischen Bevölkerung erwarten. Vor diesem Hintergrund stellt sich bereits die Verteilung der Betroffenen auf bestimmte Bundesländer als erhebliche Grundrechtsbeeinträchtigung dar. Diese Beeinträchtigung wiegt umso schwerer, wenn auch innerhalb des jeweiligen Bundeslandes eine freie Wohnsitzwahl nicht möglich ist, entweder, weil nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG-E ein bestimmter Wohnort zugewiesen, oder ein Zuzug nach § 12a Abs. 4 AufenthG-E zu einem bestimmten Ort untersagt wird. Die letztgenannten behördlichen Wohnsitzzuweisungen nach § 12a Abs. 2 – 4 AufenthG-E werden aber dadurch abgemildert, dass sie als Ermessensentscheidungen ausgestaltet. Insoweit haben die Behörden insbesondere die konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Auch sind die tatbestandlichen Grenzen des § 12a Abs. 2-4 AufenthG-E zu berücksichtigen, die auf konkrete Verbesserungen der Integrationsbedingungen durch die Wohnverpflichtungen abzielen. Für alle Wohnverpflichtungen, also für die behördlichen nach § 12a Abs. 2-4 AufenthG-E und für die gesetzliche nach § 12a Abs. 1 AufenthG-E, wird ferner die Belastungswirkung durch die maximale Befristung auf insgesamt drei Jahre seit Anerkennung des asylrechtlichen Schutzes oder Erteilung des humanitären Aufenthaltstitels begrenzt . Von besonderer Bedeutung sind die zahlreichen Ausnahme- und Abweichungstatbestände, die die Belastungswirkung der gesetzlichen und behördlichen Wohnverpflichtungen verringern: Ausgenommen von den Wohnsitzpflichten sind nach § 12 Abs. 1 S. 2 AufenthG-E zunächst diejenigen Ausländer, die über eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit bestimmtem Umfang (15 Stunden wöchentlich) und Einkommen verfügen, oder in einem Ausbildungs- oder Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 11 Studienverhältnis stehen (Beschäftigungsausnahme). Die Beschäftigungsausnahme umfasst in diesen Fällen nicht nur den Beschäftigten, sondern auch seinen Ehegatten, den eingetragenen Lebenspartner und das minderjährige Kind. Dass Beschäftigungsausnahmen in der Praxis von vornherein nicht greifen könnten, da den Betroffenen vor Erhalt z.B. ihres asylrechtlichen Status keine entsprechenden Integrationsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wurden die Integrationsangebote für Asylbewerber geöffnet (§ 44 Abs. 4 AufenthG), so dass bei entsprechenden Integrationsfortschritten die Inanspruchnahme der Beschäftigungsausnahme durchaus möglich erscheint. Darüber hinaus sind § 12a Abs. 5 Nr. 1 a) AufenthG-E umfangreiche Abweichungstatbestände vorgesehen, wonach gesetzliche und behördliche Wohnverpflichtungen auf Antrag aufzuheben sind, wenn für den Ausländer oder für seine engen Familienmitglieder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit gewissem Umfang und Einkommen oder ein Ausbildungs- oder Studienplatz zur Verfügung stehen. Auch sind die Wohnverpflichtungen beim Nachweis über anderweitigen angemessenen Wohnraum oder über ein den Lebensunterhalt sicherndes Einkommen aufzuheben. Von besonderer Bedeutung ist ferner die Familienausnahme nach § 12a Abs. 5 Nr. 1 b) AufenthG-E. Danach sind Wohnverpflichtungen aufzuheben, wenn ein anderes enges Familienmitglied bereits an einem anderen Wohnort lebt. Mit diesem Abweichungstatbestand wird die Herstellung familiärer Einheit (Art. 6 Abs. 1 GG) in solchen Fällen gewährleistet, die nicht von den anderen Ausnahme- und Abweichungstatbeständen erfasst werden. Schließlich verpflichtet die Regelung in § 12a Abs. 5 Nr. 2 AufenthG zur Aufhebung von Wohnsitzverpflichtungen , wenn Härtefälle vorliegen.18 Diesen stark abgemilderten Grundrechtsbeeinträchtigungen steht das dringende Interesse an der Integration der betroffenen Ausländer gegenüber. Dabei ist die Dringlichkeit des Integrationsinteresses offensichtlich, wenn der Integrationsdruck durch starke Zuwanderung besonders groß ist. Aber auch in „ruhigeren“ Zeiten sind die besonderen Integrationsanforderungen gegenüber Ausländern, denen humanitärer Schutz oder humanitäre Aufnahme gewährt wurde, zu berücksichtigen . Auch in diesen Zeiten besteht ein dringendes Interesse an der effektiven Nutzung von Integrationskapazitäten durch Verteilung der Betroffenen auf die einzelnen Bundesländer sowie an behördlichen Instrumenten, die die Integrationsbedingungen durch gezielte Wohnverpflichtungen verbessern könnten. Das Integrationsinteresse stellt sich darüber hinaus nicht als ein Allgemeinwohlinteresse dar, das den Interessen der Betroffenen als gegenläufiges Interesse gegenübersteht. Vielmehr sollen gerade Chancen der Betroffenen auf eine erfolgreiche Integration verbessert werden. In welchem Ausmaß allerdings die Wohnverpflichtungen tatsächlich die Integration der Betroffenen fördern oder ob sie (auch) integrationshemmende Wirkungen entfalten, lässt sich 18 Mit den Ausnahmen zugunsten der Familienzusammenführung sowie bei Härtefallen wird der Gesetzgeber den Anforderungen gerecht, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Wohnsitzzuweisung gegenüber Spätaussiedlern im Rahmen eines obiter dictums aufgestellt hat, vgl. BVerfG NVwZ 2005, 797, 799: „Es begegnet jedoch im Hinblick auf das Grundrecht der Freizügigkeit des Art. 11 I GG verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber keine Vorkehrungen für den Fall trifft, dass die Aufrechterhaltung der Zuweisung für die Betroffenen zu einer für sie besonders belastenden Situation führt und daher mit einer unbilligen Härte verbunden ist. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur, wenn ihrem Begehren nach Änderung der Zuweisung grundrechtlich relevante Belange zu Grunde liegen, wie beispielsweise solche des Art. 6 I GG beim Wunsch nach einem Zusammenwohnen mit Familienangehörigen oder solche des Art. 12 I 1 GG im Falle der Aufnahme einer Teilzeiterwerbstätigkeit . Zur Vermeidung solcher Härtefälle ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten, eine Abänderung der Zuweisung auf Antrag unter von ihm näher zu bestimmenden Voraussetzungen zu ermöglichen.“ Die insoweit auf Art. 11 GG bezogenen Vorgaben sind auf die Freizügigkeit von Ausländern übertragbar. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 12 abstrakt nicht vorhersagen. Insoweit ist dem Gesetzgeber aber ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zuzubilligen.19 Unter Berücksichtigung dieses Einschätzungs- und Prognosespielraums sowie der weitreichenden Ausnahme-, Abweichungs- und Härtefalltatbestände erscheint die Wohnsitzregelung insgesamt als angemessen. 4.1.2.2. Unechte Rückwirkung Die Stichtagsregelung in § 12a Abs. 7 AufenthG-E bezieht auch diejenigen Ausländer in die Wohnsitzregelung mit ein, die ab dem 1.1.2016 als Schutzberechtigte im Sinne des § 12a Abs. 1 S. 1 AufenthG-E anerkannt wurden. Damit fällt eine Personengruppe unter die Wohnsitzregelung, die nach ihrem bisherigen Status in der Regel Freizügigkeit im Bundesgebiet genießt. Die Stichtagsregelung entfaltet damit insoweit Rückwirkung, als sie für bestehende Rechtsverhältnisse veränderte Rechtsfolgen vorsieht. Da die veränderten Rechtsfolgen für die Betroffenen nachteilig wirken, stellt sich die Frage, ob die Einbeziehung dieser Personen den rechtsstaatlichen Anforderungen an rückwirkende Gesetz genügt. Diese erfordern für den hier vorliegenden Fall einer unechten Rückwirkung , die sich auf noch andauernde Rechtsverhältnisse bezieht, die Wahrung der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes.20 Fraglich ist also, ob die obigen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit – auf die an dieser Stelle zu verweisen ist – auch in Bezug auf die rückwirkend betroffenen Ausländer und den Schutz ihres Vertrauens an dem Fortbestand der Freizügigkeit im Bundesgebiet tragfähig sind. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen mit der Rückwirkung diejenigen Ausländer erfasst werden, die im Rahmen der starken Zuwanderung seit Mitte 2015 asylrechtlichen oder humanitären Schutz erhalten haben.21 Für diese Ausländergruppe besteht schon wegen der begrenzten Integrationskapazitäten ein verschärfter Integrationsdruck. Diesem nachvollziehbaren Integrationsinteresse stehen die Vertrauensschutzerwägungen auf Seiten der Betroffenen gegenüber, die ggf. schon in ein anderes Bundesland als dem des Asyl- oder Aufnahmeverfahrens gezogen sind. Ein Umzug in das gesetzlich zuständige Bundesland und ggf. auch die Zuweisung an einen bestimmten Ort, würde die Betroffenen empfindlich treffen. Zu beachten sind insoweit aber wiederum die weitreichenden Ausnahme-, Abweichungs- und Härtefallregelungen des § 12a AufenthG-E. Soweit an dem bestehenden Wohnsitz schon gewisse Leistungen zur Integration in den Arbeitsmarkt erbracht wurden, greift ggf. die Ausnahme von sämtlichen Wohnverpflichtungen nach § 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG. Die im Vertrauen auf die freie Wohnsitzwahl erfolgten Dispositionen sind ferner im Rahmen von möglichen Abweichungsanträgen nach § 12a Abs. 5 Nr. 1 AufenthG-E zu berücksichtigen. Schließlich können besondere persönliche Härten im Rahmen der Härtefallregelung nach § 12a Abs. 5 Nr. 2 AufenthG-E geltend gemacht werden. Angesichts dieser zahlreichen Möglichkeiten zur Berücksichtigung der durch Rückwirkung eintretenden besonderen Nachteile bestehen an der Verhältnismäßigkeit auch unter Vertrauensschutzerwägungen keine durchgreifenden Bedenken. 19 BVerfGE 50, 292, 332. 20 Sachs, in: Sachs, GG (7. Aufl., 2014), Rn. 136 f. zu Art. 20. 21 BT-Drs. 18/8615, 47. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 13 4.2. Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz Die Wohnsitzregelung wirft aber gleichheitsrechtliche Fragen auf. Zum einen gilt sie nur für eine bestimmte Ausländergruppe, namentlich für asylrechtlich Schutzberechtigte sowie für Ausländer mit bestimmten humanitären Aufenthaltstiteln. Darüber hinaus können sich die Verteilung auf bestimmte Bundesländer sowie eine unterschiedliche Verwaltungspraxis in den Bundesländern zu ortsbezogenen Wohnverpflichtungen gleichheitswidrig auswirken. Da die Wohnverpflichtungen nicht an die besonderen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG anknüpfen, ist der gleichheitsrechtliche Prüfungsmaßstab Art. 3 Abs. 1 GG. Die in § 12a AufenthG-E geregelten Wohnsitzverpflichtungen verstoßen gegen den allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung begründen und verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sind. 4.2.1. Stichtagsregelung Mit der Stichtagsregelung in § 12a Abs. 7 AufenthG-E werden vergleichbare Ausländergruppen, namentlich die Ausländer mit demselben asylrechtlichen oder humanitären Schutz vor und nach dem Stichtag am 1.1.2016, ungleich behandelt. Mit der Stichtagsregelung liegt ein formales Differenzierungskriterium vor, das wegen seiner Starrheit mit einer besonderen Härte verbunden ist. In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit aus gleichheitsrechtlicher Sicht ist es erforderlich, dass sich die Stichtagsregelung in das System der Gesamtregelung einfügt und die Wahl des Zeitpunkts nicht willkürlich erfolgt.22 Wie oben bereits ausgeführt sollen mit der Stichtagsregelung gerade auch diejenigen Ausländer erfasst werden, die im Rahmen der starken Fluchtmigration seit Mitte 2015 asylrechtlichen oder humanitären Schutz erhalten haben und für die ein besonderes Integrationsbedürfnis besteht. Diese Gruppe dürfte unter Berücksichtigung der asylrechtlichen Verfahrensdauer durch den Stichtag am 1.1.2016 erfasst werden. Anhaltspunkte für Willkür oder Systemwidrigkeit bestehen nicht. 4.2.2. Andere Ausländergruppen Rechtlich relevante Ungleichbehandlungen liegen auch gegenüber anderen, von der Wohnsitzregelung nicht erfassten Ausländergruppen vor. In Betracht kommen insoweit Drittstaatsangehörige mit anderen, von § 12a Abs. 1 S. 1 AufenthG-E nicht erfassten humanitären Aufenthaltstiteln sowie Drittstaatsangehörige mit nicht-humanitären Aufenthaltstiteln. Die Anknüpfung an die asylrechtliche Anerkennung sowie an bestimmte humanitäre Aufenthaltstitel stellt gegenüber Ausländern ohne humanitäre Aufenthaltstitel ein sachgerechtes Differenzierungskriterium dar. Es basiert auf dem besonderen Integrationsbedarf von Ausländern, die aus humanitären Gründen Schutz und Aufnahme in der Bundesrepublik suchen. Dieser besteht 22 Vgl. BVerfGE 44, 1, 21 f.: „Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtagsvorschriften und anderen Übergangsvorschriften muss sich daher in Erkenntnis des aufgezeigten Dilemmas darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (…)“; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG (7. Aufl., 2014), Rn. 113 zu Art. 3 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 14 gegenüber Ausländern ohne humanitäre Aufenthaltstitel nicht, denn ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik bezieht sich auf andere Zwecke, z.B. auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Aufnahme eines Studiums, und ist von vornherein mit besseren Integrationsvoraussetzungen verbunden. Auch bestehen gegenüber Ausländern ohne humanitäre Aufenthaltstitel mit dem Erfordernis der Unterhaltssicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG Integrationserwartungen, deren Nichterfüllung – anders als bei humanitär Schutzberechtigten – zur Aufenthaltsbeendigung führen kann. Die genannten Unterschiede sind von solcher Art und von solchem Gewicht, dass sie eine Ungleichbehandlung der Ausländergruppen mit und ohne humanitärem Schutz rechtfertigen .23 Gleiches gilt für die Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Ausländern mit anderen humanitären Aufenthaltstiteln. Die Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4, 4a und b AufenthG betreffen besondere Einzelfälle, in denen vorübergehende humanitäre Aufenthaltstitel, z.B. zur Durchführung von Strafverfahren, erteilt werden und die daher keinen vergleichbaren Integrationsbedarf auslösen. Auch der humanitäre Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG betrifft eine besondere Ausländergruppe , nämlich Geduldete, deren Abschiebung langfristig nicht möglich ist. Diese Gruppe von Geduldeten hält sich schon länger in der Bundesrepublik auf. Im Gegensatz zu den von § 12a Abs. 1 AufenthG-E erfassten schutzsuchenden Ausländern, die ggf. durch Verfolgung und Flucht traumatisiert sind, besteht kein vergleichbarer Integrationsbedarf. Vielmehr bestehen zwischen den Ausländergruppen gewichtige Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die Wohnverpflichtungen rechtfertigen.24 4.2.3. Rechtslage und Verwaltungspraxis in den Bundesländern Durch die Ermächtigung der Länder in § 12a Abs. 9 AufenthG zur näheren Ausgestaltung von bestimmten Organisations- und Verfahrensanforderungen sowie zur Konkretisierung des angemessenen Wohnraums durch Rechtsverordnung oder andere landesrechtlichen Regelungen sind in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen möglich. Auch kann die Verwaltungspraxis zu den behördlichen Wohnsitzentscheidungen nach § 12a Abs. 2-4 AufenthG-E und zu den Ausnahme-, Abweichungs- und Härtefallregelungen, die die gesetzlichen und behördlichen Wohnsitzverpflichtungen betreffen, in den Bundesländern unterschiedlich ausfallen. Eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung, die am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen wäre, folgt daraus allerdings nicht. Rechtlich relevante Ungleichbehandlungen müssen sich auf Maßnahmen desselben Hoheitsträgers beziehen.25 Unterschiedliche landesrechtliche Regelungen und eine uneinheitliche Verwaltungspraxis in den Bundesländern erfüllen diese Voraussetzung nicht. 23 Zu der insoweit maßgeblichen sog. neuen Formel bzw. Art- und Gewicht-Formel des Bundesverfassungsgerichts siehe BVerfGE 100, 195, 205. 24 In Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG ist auf die in Abs. 5 geregelte Wohnsitzverpflichtung der Betroffenen zu verweisen. Auch die Aufenthaltstitel nach den §§ 25a und 25b AufenthG bedürfen hier keiner weiteren Erörterung, da sie die Erbringung von (nachhaltigen) Integrationsleistungen gerade voraussetzen. 25 Osterloh/Nußberger (Fn. 22), Rn. 81 zu Art. 3 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 15 5. Vereinbarkeit mit Art. 80 GG Die o.g. Ermächtigung an die Länder nach § 12a Abs. 9 AufenthG richtet sich zunächst an die Landesregierungen zur Regelung durch Rechtsverordnung. Eine Ermächtigung der Landesregierungen durch den Bundesgesetzeber zum Erlass von Rechtsverordnungen ist nach Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG zulässig. Bei einer Ermächtigung der Exekutive zur Gesetzgebung durch Rechtsverordnung sind aber die besonderen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zu beachten. Danach müssen in der Verordnungsermächtigung selbst, also hier in der Regelung der § 12a Abs. 9 AufenthG, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden. Pauschalermächtigungen an den Verordnungsgeber sind hingegen unzulässig.26 Die Verordnungsermächtigung in § 12a Abs. 9 AufenthG beschränkt die Befugnis zur näheren Ausgestaltung durch Rechtsverordnung zum einen durch die Bezugnahme in S. 1 auf die Regelung von „Organisation, Verfahren und angemessenem Wohnraum“. Darüber hinaus werden in § 12a Abs. 9 Nr. 1 – 5 AufenthG die Regelungsbereiche weiter konkretisiert und bestimmten Verfahrens- und Organisationsbereichen sowie konkreten Tatbestandsmerkmalen zugeordnet. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung erweisen sich damit als hinreichend bestimmt. Auch bestehen keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip folgende sog. Wesentlichkeitstheorie, wonach der Gesetzgeber verpflichtet ist, in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.27 Die Ermächtigung an die Länder in § 12a Abs. 9 AufenthG-E betrifft die nähere Ausgestaltung von Organisation und Verfahren, aber gerade nicht die wesentlichen Voraussetzungen für die Begründung der gesetzlichen und behördlichen Wohnsitzverpflichtungen wie etwa die Adressaten, die Dauer der Wohnsitzverpflichtungen oder die zu berücksichtigenden Integrationsbedingungen. Allein das Tatbestandsmerkmal der angemessenen Wohnraumversorgung kann von den Ländern näher konkretisiert werden. Das Tatbestandsmerkmal der angemessenen Wohnraumversorgung steht aber nicht für sich allein, sondern ist in die integrationspolitische Zielsetzung der Wohnsitzregelung eingebunden. Die nähere Ausgestaltung der angemessenen Wohnraumversorgung durch den Verordnungsgeber kann daher nur in Bezug auf die Integrationsbedingungen erfolgen. Zugleich können dabei länderspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden. Die wesentliche Entscheidung, nämlich der Integrationsbezug der angemessenen Wohnraumversorgung, bleibt somit beim Gesetzgeber. Die Verordnungsermächtigung berührt insgesamt lediglich den Randbereich der Wohnsitzregelung, indem sie die nähere organisations - und verfahrensrechtliche Ausgestaltung sowie die länderspezifische Konkretisierung der angemessenen Wohnraumversorgung in das Ermessen der Länder stellt. Soweit die Regelung in § 12a Abs. 9 AufenthG-E über die Ermächtigung der Landesregierung zum Erlass von Rechtsverordnungen hinaus auf „andere landesrechtliche Regelungen“ verweist, dürfte die in Art. 80 Abs. 4 GG vorgesehene Möglichkeit von verordnungsvertretenden Gesetzen gemeint sein. Nach Art. 80 Abs. 4 GG sind die Länder bei einer bundesgesetzlichen Ermächtigung der Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen auch zu einer Regelung durch (formelles) Gesetz befugt. 26 Mann, in: Sachs, GG (7. Aufl., 2014). Rn. 26 zu Art. 80. 27 Ausführlich zur Wesentlichkeitslehre, insbesondere in Abgrenzung zum Vorbehalt des Gesetzes, zum Parlamentsvorbehalt und zum Bestimmtheitsgrundsatz, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 043/15), Reichweite der Wesentlichkeitslehre. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 157/16 Seite 16 6. Ergebnis Die Regelung in § 12a AufenthG-E enthält in ihrem Absatz 1 eine gesetzliche Wohnsitzverpflichtung für asylrechtlich Schutzberechtigte und Ausländer mit anderen bestimmten humanitären Aufenthaltstiteln zur Wohnsitznahme in einem bestimmten Bundesland. Innerhalb der Bundesländer können weitere behördliche Wohnsitzverpflichtungen erlassen werden, um die Integrationsbedingungen der Betroffenen zu verbessern. In ihrer konkreten Ausgestaltung verstoßen die gesetzlichen und behördlichen Wohnsitzverpflichtungen weder gegen die allgemeine Handlungsfreiheit der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Entscheidend für die Verhältnismäßigkeit der Wohnsitzverpflichtungen sind die weitreichenden Ausnahme-, Abweichungs- und Härtefallregelungen, die u.a. die Berücksichtigung von bestehenden Beschäftigungs-, Studien- und Ausbildungsbildungsverhältnissen sowie von engen familiären Bindungen und sonstigen Umständen des Einzelfalls ermöglichen. Auch die Übertragung von gesetzlichen Ausgestaltungsbefugnissen auf die Länder begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ende der Bearbeitung