Deutscher Bundestag Die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes auf die Jobcenter als gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und der Kommunen Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 157/11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 157/11 Seite 2 Die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes auf die Jobcenter als gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und der Kommunen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 157/11 Abschluss der Arbeit: 4. Mai 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 157/11 Seite 3 1. Hintergrund Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes trat am 01.01.2006 in Kraft.1 Es bietet jedem Bürger in Deutschland das Recht auf einen voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu Informationen und Akten, die bei den Behörden des Bundes vorhanden sind. Bis zur Einführung des IFG herrschte im deutschen Recht der Grundsatz des Aktengeheimnisses und der Vertraulichkeit der Verwaltung. So stellte das Bundesverfassungsgericht noch im Jahr 1986 im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG apodiktisch fest, dass Behördenakten keine allgemein zugänglichen Informationsquellen seien.2 Akteneinsicht erhielten bisher nur Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens , die zur Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen hierauf angewiesen waren. Nach der Einführung des Umweltinformationsgesetzes im Jahr 19943 und der Verabschiedung von allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen in den Ländern Brandenburg, Berlin, Schleswig- Holstein und Nordrhein-Westfalen, stellt das IFG des Bundes den Endpunkt einer Entwicklung dar, die vom früher gültigen Grundsatz des Aktengeheimnisses über die bisherigen Regelungen einer beschränkten Aktenöffentlichkeit zu einem „Jedermann-Informationsanspruch“ reicht. Eine eigene Betroffenheit oder ein Bezug des Antragsstellers zur gewünschten Information wird nicht vorausgesetzt.4 Der Anspruch auf Informationszugang nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG richtet sich gegen die Behörden des Bundes. Das IFG legt hierbei einen funktionalen Behördenbegriff zu Grunde, wonach jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, als Behörde bezeichnet wird. Somit fallen neben der unmittelbaren Staatsverwaltung auch die selbständigen Verwaltungsträger , derer sich der Bund zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Form der mittelbaren Staatsverwaltung bedient, unter den Geltungsbereich des IFG. Erfasst werden insofern Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Bundesagentur für Arbeit ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Auf die Bundesagentur für Arbeit und ihre organisatorischen Untergliederungen (Regionaldirektionen und Agenturen für Arbeit) ist das IFG folglich anwendbar.5 2. Anwendbarkeit des IFG auf sog. Jobcenter Im Zuge der Hartz IV-Reform wurden die sog. Jobcenter (Hartz IV-Arbeitsgemeinschaften) eingeführt , in denen die örtlichen Arbeitsagenturen und Kommunen gemeinsam für den Vollzug der Regelungen über die Grundsicherung für Arbeitsuchende verantwortlich sind. 1 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz) vom 05.09.2005 (BGBl. I 2005, S. 2772). 2 BVerfG, Beschl. vom 30.01.1986, 1 BvR 1352/85. 3 BGBl I 2004, 3704. 4 Oliver Reinhart, Das gläserne Amt – Das Informationsfreiheitsgesetz als Jedermannrecht auf Akteneinsicht, DÖV 2007, S. 19. 5 Matthias Rossi, Informationsfreiheitsgesetz – Handkommentar, 2006, § 1 Rn. 35 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 157/11 Seite 4 Diese Form der Mischverwaltung wurde vom Bundesverfassungsgericht am 20.12.2007 für verfassungswidrig erklärt6. Daraufhin kam es im Jahr 2010 zu einer Reform der Jobcenter. Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.07.20107 wurde mit Art. 91e GG das Zusammenwirken von Bundesbehörden und Kommunen in den Jobcentern auf eine verfassungsrechtliche Grundlage gestellt. Die Regelungen über die Jobcenter wurde durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende8 und der damit einhergehenden Änderung des SGB II teilweise geändert. Dies betrifft auch die Anwendbarkeit des IFG auf die Jobcenter. Die datenschutzrechtliche Kontrolle der Jobcenter ist nun nach § 47 Abs. 3 SGB II der Bundesaufsicht zugeordnet. Dementsprechend finden nach der ausdrücklichen Regelung in § 50 Abs. 4 SGB II sowohl das Bundesdatenschutzgesetz 9 als auch das IFG des Bundes auf die Jobcenter Anwendung.10 ( ) ( ) 6 BVerfG, Beschl. vom 20.12.2007, 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04. 7 BGBl I, S. 944. 8 BGBl I 2010, S. 1112. 9 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) geändert worden ist. 10 § 50 Abs. 4 SGB II, in der Fassung vom 24.03.2011: „Die Zulässigkeit der erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Sozialdaten durch die gemeinsame Einrichtung richtet sich nach dem Datenschutzrecht des Bundes, soweit nicht in diesem Buch und im Zweiten Kapitel des Zehnten Buches vorrangige Regelungen getroffen sind. Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber der gemeinsamen Einrichtung richtet sich nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. (…)“. Nach alter Rechtslage fand das IFG keine Anwendung auf die Jobcenter, da diese keine dem Bund zurechenbare selbstständige Organisationsteile aufwiesen. Vgl. zur alten Rechtslage, Robert Steinbach/Danny Hochheim, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen im Organisationsbereich des Sozialrechts, NZS 2006, S.519; vgl. auch Friedrich Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, § 1 Rn. 122 ff.