Rechtliche Rahmenbedingungen für die Bewältigung biologischer Gefahrenlagen - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 156/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserin: Rechtliche Rahmenbedingungen für die Bewältigung biologischer Gefahrenlagen Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 156/09 Abschluss der Arbeit: 20. Mai 2009 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Bundesrechtliche Regelungen 3 2.1. Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz 4 2.2. Sicherstellungsgesetze 4 2.3. Ernährungsvorsorgegesetz 4 2.4. Infektionsschutzgesetz 5 2.5. Weitere bundesrechtliche Regelungen 6 3. Landesrechtliche Regelungen 6 4. Organisation der Katastrophenverwaltung in der Bundesrepublik 7 4.1. Bundesebene 7 4.2. Landesebene und Kommunalebene 10 4.3. Zivilebene 10 5. Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und dem Bund nach Art. 35 GG 11 6. Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern 11 7. Zusammenarbeit mit der Europäischen Union 12 8. Erfahrungen aus Katastrophenfällen und Übungen im Rahmen von LÜKEX 14 9. Möglicher bundesrechtlicher Regelungsbedarf 15 9.1. Gesundheitsvorsorgesetz 15 9.2. Bevorratung von Medikamenten nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG 16 - 3 - 1. Einleitung Nach dem Grundgesetz (GG) sind die Bundesländer für den Katastrophenschutz in Friedenszeiten zuständig (vgl. Art. 30, 70 Abs. 1, 73 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alternative GG).1 Auf dem Gebiet der Katastrophenbekämpfung bestehen keine Sonderzuweisungen an den Bund, weder bezüglich der Gesetzgebungs- noch im Hinblick auf die Verwaltungskompetenz . Die Länder haben in einer großen Anzahl von Gesetzen Regelungen erlassen , die die medizinische Nothilfe, den Brandschutz einschließlich der technischen Hilfen und den Katastrophenschutz im Einzelnen betreffen. Die Zuständigkeit zum gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung liegt ebenfalls bei den Ländern, die den Gesundheitsschutz in den Katastrophenschutzgesetzen ausgestaltet haben. Als biologische Gefahren werden Situationen oder Sachlagen bezeichnet, in denen durch natürliche Verbreitung, vorsätzlicher oder fahrlässiger Freisetzung von biologischen Agenzien das Risiko von erheblichen negativen Auswirkungen für Menschen oder für die Umwelt besteht. Daher müssen sowohl gegen natürliche Seuchengeschehen (SARS, Influenzapandemien), als auch gegen bioterroristische Anschläge Vorkehrungen getroffen werden. Darüber hinaus wurde nach dem Auftauchen der Anthrax-Briefe in den USA im Herbst 2001 eine neue Dimension der Bedrohung für die Bevölkerung durch absichtlich ausgebrachte biologische Agenzien und B-Kampfstoffe deutlich.2 Die Ausarbeitung gibt einen Überblick über die wesentlichen Vorschriften zur Bewältigung biologischer Gefahrenlagen, die Zuständigkeitsverteilung und institutionelle Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und der EU. 2. Bundesrechtliche Regelungen Die gesetzgeberische Zuständigkeit des Bundes beschränkt sich auf den sog. Zivilschutzfall , der vom Vorliegen eines Verteidigungsfalles abhängt, Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG.3 Im Hinblick auf die Bewältigung biologischer Gefahrenlagen sind auf bundesrechtlicher Ebene neben dem Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz die Sicherstellungsgesetze , das Ernährungsvorsorgegesetz und das Infektionsschutzgesetz bedeutsam. 1 Heintzen, Markus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage 2005, Art. 73 Rn. 19. 2 Biologische Gefahren I, Handbuch zum Bevölkerungsschutz, 3. Auflage 2007, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), S. 37. 3 Degenhart, Christoph, in: Sachs, Michael, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 73, Rn. 8. - 4 - 2.1. Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Zuständigkeit für die Verteidigung, einschließlich des Zivilschutzes.4 Mit Änderungsgesetz vom 2. April 20095 wurden neue Regelungen in das Zivilschutzgesetz a.F. aufgenommen. Es heißt nun „Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (Zivilschutzund Katastrophenhilfegesetz –ZSKG). Neu sind Regelungen, die die Katastrophenhilfe des Bundes regeln. Gemäß § 12 ZSKG n.F. stehen die Vorhaltungen und Einrichtungen des Bundes für den Zivilschutz auch den Ländern für ihre Aufgaben im Bereich des Katastrophenschutzes zur Verfügung. Nach § 16 ZSKG n.F. können die Einrichtungen und Vorhaltungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auch im Rahmen der Amtshilfe nach Art. 35 Absatz 1 GG zur Unterstützung eines Landes verwendet werden. § 16 Abs. 3 ZSKG n.F. stellt fest, dass die Zuständigkeit der Länder für das operative Krisenmanagement unberührt bleibt. 2.2. Sicherstellungsgesetze Neben dem ZSKG hat der Bund nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG Sicherstellungsgesetze erlassen, die dem Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren dienen.6 Im Hinblick auf biologische Gefahrenlagen sind das Ernährungssicherstellungsgesetz7 zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und das Wassersicherstellungsgesetz 8 zur Versorgung mit Trinkwasser aus Notbrunnen9 zu nennen. 2.3. Ernährungsvorsorgegesetz Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG hat der Bund die Kompetenz zur Sicherung der Ernährung und hat auf dieser Grundlage das Ernährungsvorsorgegesetz (EVG)10 erlassen. Bei einer biologischen Gefahrenlage, die in wesentlichen Teilen des Bundesgebietes eine ernsthafte Gefährdung der Nahrungsmittelversorgung verursacht, kann daher das EVG als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Ziel des EVG ist die Sicherung einer 4 Degenhart, Christoph, in: Sachs, Michael, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 73, Rn. 8. 5 Gesetz zur Änderung des Zivilschutzgesetzes (Zivilschutzänderungsgesetz – ZSGÄndG) vom 2. April 2009, BGBl. I 2009, S. 693. 6 Heintzen, Markus, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage 2005, Art. 73 Rn. 19. 7 Gesetz über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft, neugefasst durch Bekanntmachung vom 27. August 1990, BGBl. I S. 1802. 8 Wassersicherstellungsgesetz vom 24. August 1965, BGBl. I S. 1225. 9 Seit Mitte der 90er Jahren werden die vorhandenen Anlagen zur Trinkwassernotversorgung in ihrem Bestand funktionsfähig gehalten, neue Anlagen werden nicht gebaut. Die Bestandserhaltung umfasst rund 5.600 Notbrunnen. Bericht der AG „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung“, hier: Analyse und Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Änderungsbedarfs, März 2006, S. 16. In: www.berlin.de/sen/inneres/imk/beschluesse, aufgerufen am 10. Mai 2009. 10 Ernährungsvorsorgegesetz vom 20. August 1990, BGBl. I S. 1766. - 5 - ausreichenden Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft für den Fall einer Versorgungskrise. Eine Versorgungskrise liegt nach § 1 Abs. 2 EVG vor, wenn die Deckung des Bedarfs an lebenswichtigen Erzeugnissen in wesentlichen Teilen des Bundesgebietes ernsthaft gefährdet ist und diese Gefährdung durch marktgerechte Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu beheben ist. Nach § 1 Abs. 4 EVG gelten die Regelungen des EVG nicht für Zwecke der Verteidigung. 2.4. Infektionsschutzgesetz Rechtsgrundlage für die Bewältigung biologischer Gefahrenlagen, zum Beispiel im Falle einer Pandemie, ist das gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG erlassene Infektionsschutzgesetz (IfSG)11. Das IfSG enthält Vorschriften zur Meldung und damit frühzeitigen Erkennung von für die Allgemeinheit gefährlichen Infektionen, sowie Vorschriften zur Verhütung, Verhinderung der Weiterverbreitung und Zwangsimpfung der Bevölkerung nach § 20 Abs. 6, 7 IfSG. Nach § 20 Abs. 6 IfSG wird das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates12 anzuordnen , dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Solange das Bundesministerium für Gesundheit von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht, sind nach § 20 Abs. 7 IfSG auch die Landesregierungen zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 20 Abs. 6 IfSG ermächtigt. Das IfSG enthält keine zusammenfassende Vorschrift zur Bewältigung einer biologischen Gefahrenlage.13 Umgesetzt wird das IfSG nach § 54 IfSG14 weitestgehend durch die zuständigen Behörden in den Ländern. Ein Bund-Länder-Informationsverfahren ist in § 5 IfSG geregelt: „Die Bundesregierung erstellt durch allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates einen Plan zur gegenseitigen Information von Bund und Ländern in epidemisch bedeutsamen Fällen mit dem Ziel, 11 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000, BGBl. I S. 1045. 12 Nach § 15 Abs. 2 IfSG kann in dringenden Fällen die Verordnung auch ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden. 13 Biologische Gefahren I, Handbuch zum Bevölkerungsschutz, 3. Auflage 2007, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), S. 219. 14 § 54 IfSG lautet: „Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung die zuständigen Behörden im Sinne dieses Gesetzes, soweit eine landesrechtliche Regelung nicht besteht. Sie können ferner darin bestimmen, dass nach diesem Gesetz der obersten Landesgesundheitsbehörde oder der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde zugewiesene Aufgaben ganz oder im Einzelnen von einer diesen jeweils nachgeordneten Landesbehörde wahrgenommen werden und dass auf die Wahrnehmung von Zustimmungsvorbehalten der obersten Landesbehörden nach diesem Gesetz verzichtet wird.“ - 6 - 1. die Einschleppung bedrohlicher übertragbarer Krankheiten in die Bundesrepublik Deutschland oder ihre Ausbreitung zu verhindern, 2. beim örtlich oder zeitlich gehäuften Auftreten bedrohlicher übertragbarer Krankheiten oder bedrohlicher Erkrankungen, bei denen Krankheitserreger als Ursache in Betracht kommen und eine landesübergreifende Ausbreitung zu befürchten ist, die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. In der Verwaltungsvorschrift kann auch eine Zusammenarbeit der beteiligten Behörden von Bund und Ländern und anderen beteiligten Stellen geregelt werden.“ 2.5. Weitere bundesrechtliche Regelungen Weitere bundesrechtliche Vorschriften haben biologische Gefahrenlagen zum Gegenstand , so das Gentechnikrecht, das Arbeitsschutzrecht, dort beispielsweise die Biostoffverordnung15 und das Tierseuchengesetz16. 3. Landesrechtliche Regelungen Landesrechtliche Regelungen für die Katastrophenabwehr finden sich in einer Vielzahl von Gesetzen (Anlage 1). Neben den als solchen benannten Katastrophenschutzgesetzen zählen dazu Polizeigesetze, bzw. Sicherheits- und Ordnungsgesetze, Feuerwehrbzw . Brandschutzgesetze und Wassergesetze17. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen , das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben eigenständige Katastrophenschutzgesetze erlassen. In Bremen finden sich Vorschriften über den Katastrophenschutz im Hilfeleistungsgesetz18, in Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen in den Gesetzen über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Kata- 15 Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen (Biostoffverordnung) vom 27. Januar 1999, BGBl. I S. 50. 16 Tierseuchengesetz, Bekanntmachung der Neufassung vom 28. März 1980, BGBl. I S. 386. 17 Vgl. etwa § 63 des hamburgischen Wassergesetzes in der Fassung vom 29. März 2005 (HmbGVBl. S. 97); § 63 hamburgisches Wassergesetz lautet: „Bei Wassergefahr haben die arbeitsfähigen Bewohner der bedrohten und, falls erforderlich, der benachbarten Gebiete zu den Schutzarbeiten Hilfe zu leisten und die erforderlichen Arbeitsgeräte, Beförderungsmittel und Baustoffe zur Verfügung zu stellen. Die Wasserbehörde kann die erforderlichen Maßnahmen anordnen. Für entstandene Schäden hat sie denjenigen, deren Hilfeleistung in Anspruch genommen worden ist, eine billige Entschädigung zu gewähren.“ 18 Bremisches Hilfeleistungsgesetz vom 18. Juni 2002 (GBl. S. 189), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2002 (GBl. S. 605). - 7 - strophenschutz, in Sachsen im Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz 19. In der Mehrzahl der Flächenstaaten wird der Katastrophenschutz sowohl dem Land als auch den Landkreisen und den kreisfreien Städten als Aufgabe zugewiesen.20 Bei biologischen Gefahrenlagen sind die landesrechtlichen Gesetze zum öffentlichen Gesundheitswesen und Gesundheitsdienst, wie beispielsweise die Krankenhausgesetze 21, von Bedeutung. Der Sicherstellungsauftrag für die Krankenhausversorgung liegt nach den Landeskrankenhausgesetzen bei den Ländern. Mit den auf der Grundlage der Krankenhausgesetze erlassenen Krankenhausplänen beplanen die Länder die Krankenhäuser und ihr Leistungsangebot einschließlich der Behandlung hochkontagiöser Erkrankungen . 4. Organisation der Katastrophenverwaltung in der Bundesrepublik Die organisatorischen Zuständigkeiten im Bereich der Katastrophenverwaltung sind nicht einheitlich auf einer Ebene geregelt. Sie lassen sich in Bundes-, Landes-, Kommunal - und Zivilebene einteilen.22 4.1. Bundesebene Auf der Bundesebene sind als Katastrophenverwaltungseinrichtungen das Bundesministerium des Innern, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die Bundespolizei23, der Bundesnachrichtendienst, das technische Hilfswerk und verschiedene Spezialinstitute zu nennen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem 2004 neu geschaffenen Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu.24 Es dient als Koordinierungsstelle dem Schutz der Bevölkerung vor großflächigen und national bedeutsamen Gefahrenlagen. Das Bundesamt wurde als strukturelle Konsequenz aus der von Bund und Ländern gemeinsam verabschiedeten „Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutsch- 19 Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz vom 24. Juni 2004 (SächsGVBl. S. 245), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. September 2005 (Sächs- GVBl. S. 266). 20 Vgl. §3 Nr. 4 und 5 SächsBRKG, § 2 Abs. 1 LKatSG S-H. 21 Vgl. Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg in der Fassung vom 29. November 2007 (GBl. 2008, S. 13); Bayerisches Krankenhausgesetz in der Fassung vom 28. März 2008 (GVBl. 2008, S. 288). 22 Stober, Rolf/Eisenmenger, Sven, Katastrophenverwaltungsrecht – Zur Renaissance eines vernachlässigten Rechtsgebietes, NVwZ 2005, S. 121 (124). 23 Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21. Juli 2005, BGBl. I S. 1818. 24 Gesetz vom 27. April 2004, BGBl. I S. 630. - 8 - land“25 eingerichtet. Die „Neue Strategie“ sah eine Bereinigung und Neuorganisation der Struktur des Bevölkerungsschutzes vor und fügte die Begriffe „Zivil- und „Katastrophenschutz “ funktional unter dem Begriff des „Bevölkerungsschutzes“ zusammen.26 Nach Aussage der Bundesregierung beinhaltet das neue Rahmenkonzept die Entwicklung eines Stufensystems für die Gefahrenabwehr. Ausgehend von der potenziellen Gefährdung und der Bevölkerungsdichte sollen Risikokategorien gebildet werden, an denen sich die unterschiedlichen Versorgungsstufen ausrichten. So ist u.a. ein Sonderschutz mit Hilfe von Spezialeinsatzkräften (Task Forces) für besondere Gefahren vor allem durch biologische oder chemische Kampfstoffe und vergleichbarer Bedrohungslagen vorgesehen. 27 Zum Aufgabenkreis des Bundesamtes gehören Zivilschutzaufgaben und der Service beim Krisenmanagement der Länder, insbesondere in den Bereichen Information und Koordination. Es ist zuständig für die planerische Vorsorge zum Schutz kritischer Infrastrukturen , die Aus- und Fortbildung von Zivil- und Katastrophenschützern, den Ausbau der Katastrophenschutzforschung, vor allem im Bereich biologischer und chemischer Gefahren, und der Katastrophenmedizin. Das Bundesamt stützt sich auf drei Säulen. Hierzu zählen das im Herbst 2002 in Betrieb genommene Gemeinsame Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder (GLMZ), das deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem (deNIS)28, das satellitengestützte Warnsystem, die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) als Ausbildungszentrum sowie die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV). Das GMLZ baut auf das deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem (deNIS) auf. Kernaufgabe dieser Datenbank ist die übergreifende Vernetzung, Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen für das Management von Großkatastrophen. Bund, Länder , Kommunen und Organisationen verfügen über eine Vielzahl an Informationen, die jedoch, wie sich bei der Flutkatastrophe im Sommer 2002 zeigte, über zahlreiche Behörden und Institutionen verstreut sind. Durch deNIS werden diese Informationen zu- 25 Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 5./6. Juni 2002. 26 Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, Zivilschutzforschung, Band 59, Dritter Gefahrenbericht , März 2006, S. 40. 27 Antwort der Bundesregierung vom 6. Mai 2005, BT-Drs. 15/5433, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Helga Daub, Jörg van Essen, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneten und der Fraktion der FDP, „Organisation des Katastrophenschutzes im Großschadensfall mit biologischen oder chemischen Schadstoffen“, BT- Drs. 15/5381. 28 Die Bürger können unter www.denis.bund.de Informationen zum Zivil- und Katastrophenschutz sowie Hinweise über Vorsorgemaßnahmen und Verhaltensregeln bei Gefahren abrufen. - 9 - sammengefügt. Geobasisdaten bilden die Grundlage für das Informationssystem.29 Vor allem werden Nachweise über Engpass-Ressourcen geführt: welche Ressourcen des Bundes, der Länder etc. befinden sich in der Nähe des Schadensereignisses. Die Potenziale des TWH, der Feuerwehren und Hilfsorganisationen sowie der Bundeswehr und des Bundespolizei sind in der Datenbank aufgeführt. Aus dem Bereich der Spezialinstitute ist das Robert-Koch-Institut (RKI) von Bedeutung . Es dient als zentrale Forschungsstätte des Bundesministeriums für Gesundheit auf dem Gebiet der biomedizinischen Wissenschaften, insbesondere der Infektionskrankheiten . Das RKI erarbeit in epidemisch bedeutsamen Fällen Falldefinitionen zur Erfassung der Erkrankten oder der Verdachtsfälle, benennt spezialisierte Laboratorien und informiert über Diagnostik, Therapie und Prävention. Die Aufgaben des RKI sind im Infektionsschutzgesetz30 in § 4 IfSG niedergelegt: „(1) Das Robert Koch-Institut hat im Rahmen dieses Gesetzes die Aufgabe, Konzeptionen zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen zu entwickeln. Dies schließt die Entwicklung und Durchführung epidemiologischer und laborgestützter Analysen sowie Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten ein. Auf dem Gebiet der Zoonosen und mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftungen ist das Bundesinstitut für Risikobewertung zu beteiligen. Auf Ersuchen einer obersten Landesgesundheitsbehörde berät das Robert Koch-Institut die zuständigen Stellen bei Maßnahmen zur Vorbeugung, Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von schwerwiegenden übertragbaren Krankheiten und die obersten Landesgesundheitsbehörden bei länderübergreifenden Maßnahmen; auf Ersuchen einer obersten Landesgesundheitsbehörde berät das Robert Koch-Institut diese zur Bewertung der Gefahrensituation beim Auftreten einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit. Es arbeitet mit den jeweils zuständigen Bundesbehörden, den zuständigen Landesbehörden, den nationalen Referenzzentren, weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen und Fachgesellschaften sowie ausländischen und internationalen Organisationen und Behörden zusammen und nimmt die Koordinierungsaufgaben im Rahmen des Europäischen Netzes für die epidemiologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten wahr.“ Zur Sicherstellung der fachlichen Expertise auf dem Gebiet des Bioterrorismus wurde am RKI das Zentrum für Biologische Sicherheit einschließlich der Zentralen Informationsstelle des Bundes für Biologische Sicherheit etabliert. Ferner wurde am RKI 29 deNIS gibt vor allem Informationen zum Schadensereignis selbst, zu Möglichkeiten der Gefahrenabwehr sowie zu Standorten risikobehafteter Anlagen, etwa Raffinerien und Tanklager, in der Nähe von Schadensgebieten. Diese Informationen werden auf einer elektronischen Landkarte abgebildet. 30 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000, BGBl. I S. 1045. - 10 - die Task Force „Outbreak Investigation Team“ eingerichtet, die auf Aufforderung eines betroffenen Bundeslandes zum kurzfristigen Einsatz bei Infektionsausbrüchen zur Verfügung steht. 4.2. Landesebene und Kommunalebene In den Bundesländern bestehen als Katastrophenverwaltungseinrichtungen die Landesinnenministerien und Spezialinstitute. Der Schwerpunkt der Katastrophenbewältigung liegt jedoch auf der lokalen Ebene. Katastrophenschutzbehörden sind beispielsweise in Hessen nach § 25 Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (HBKG)31 der Landrat in den Landkreisen, der Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten (untere Katastrophenschutzbehörde) und das Regierungspräsidium (obere Katastrophenschutzbehörde). Oberste Katastrophenschutzbehörde ist das Ministerium des Innern. Auf kommunaler Ebene obliegt es den Gemeinden, bei Unglücksfällen und Katastrophen Hilfe zu leisten. Die kreisfreien Städte und die Kreise unterhalten Einrichtungen zur Leitung und Koordinierung der Bekämpfung von Großschadensereignissen. Speziell zur Prävention und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten arbeiten die Gesundheitsämter mit den Standortärzten der Bundeswehr zusammen, benachrichtigen sich gegenseitig über das Auftreten oder den Verdacht des Auftretens einer übertragbaren Krankheit und unterstützen sich bei den Ermittlungen.32 4.3. Zivilebene Verschiedene Organisationen und Einheiten unterstützen die Verwaltung freiwillig bei der Katastrophenbewältigung. Gemeinnützige Hilfsorganisationen wie das Technische Hilfswerk (665 Stützpunkte), die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V., das Deutsche Rote Kreuz e.V., die Johanniter-Unfallhilfe e.V., der Arbeiter-Samariter-Bund e.V. oder der Malteser Hilfsdienst e.V. verfügen zusammen über 6500 Orts-, Kreis- und Regionalgliederungen. Insgesamt sind bundesweit ca. 1, 7 Millionen Helferinnen und Helfer bei den Feuerwehren, in den Hilfsorganisationen und beim THW ehrenamtlich im Zivil- und Katastrophenschutz tätig.33 31 Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (HBKG) vom 17. Dezember 1998 (GVBl. I S. 530), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. November 2007 (GVBl. I S. 757). 32 § 1 der Verwaltungsvorschrift IfSG Bundeswehr (IfSGBw) vom 9. Januar 2002, BAnz Nr. 16, S. 1188. 33 Diese Zahl basiert auf veröffentlichte Informationen bzw. Selbstauskünfte der Hilfsorganisationen, der Feuerwehren und des THWs, in: Antwort der Bundesregierung vom 22. Mai 2006, BT-Drs. 16/1571 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Kersten Naumann und der Fraktion DIE LINKE „Katastrophenschutz in Deutschland“, BT-Drs. 16/1388. - 11 - 5. Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und dem Bund nach Art. 35 GG Das Grundgesetz regelt die Katastrophensituation in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG. Während es bei Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG um die bundesstaatliche Hilfe bei der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der polizeirechtlich zu verstehenden öffentlichen Sicherheit oder Ordnung geht34, zielen Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG auf Sonderfälle einer Störung35 der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, namentlich bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen ab. Unter Naturkatastrophe sind gemäß Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG drohende Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß zu verstehen, die durch Naturereignisse wie Erdbeben, Hochwasser etc. oder Massenerkrankungen hervorgerufen werden.36 Beschränkt sich eine Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücksfall auf das Gebiet eines Bundeslandes als regionale Katastrophe, kann das Bundesland nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG aus den anderen Ländern Polizeikräfte, Verwaltungskräfte, Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie vom Bund den Bundesgrenzschutz – heute Bundespolizei37 - und die Streitkräfte anfordern. Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall sogar das Gebiet mehr als eines Landes übergreifend, dann kann die Bundesregierung nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderer Länder zur Verfügung zu stellen, soweit es erforderlich ist. Ferner kann sie Einheiten der Bundespolizei und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. 6. Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern Für die Bewältigung länderübergreifender biologischer Gefahrenlagen ist die „Interministerielle Koordinierungsgruppe“ (IntMinKoGr) vorgesehen. Sie hat sich auf ein Rahmenkonzept für den Zivil- und Katastrophenschutz verständigt und eine „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ verabschiedet.38 Nach § 1 der Geschäftsordnung39 der IntMinKoGr kann „bei lang anhaltenden, länderübergreifen- 34 Erbguth, Wilfried, in: Sachs, Michael, Grundgesetz Kommentar, 4. Auflage 2007, Art. 35 Rn. 36. 35 Erbguth, Wilfried, in: Sachs, Michael, Grundgesetz Kommentar, 4. Auflage 2007, Art. 35 Rn. 38. 36 Bauer, Hartmut, in: Dreier, Horst, Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage 2006, Band II, Art. 35 Rn. 29; Gubelt, Manfred, in: von Münch, Ingo/Kunig, Philip, Grundgesetz-Kommentar, 5. Auflage 2001, Art. 35 Rn. 25. 37 Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21. Juni 2005, BGBl. I S. 1818. 38 Beschlussniederschrift über die 170. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und – senatoren der Länder am 5./6. Juni 2002, TOP 23. Bisher wurden drei Berichte zur Umsetzung der Beschlüsse der IMK vom 6. Dezember 2002 (TOP 36), 21. November 2003 (TOP 27) und 8. Juli 2004 (TOP 33) über den Stand der Umsetzung der „Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung“ vorgelegt, Bericht der AG „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung“ vom März 2006, in: www.berlin.de/sen/inneres/imk/beschluesse, aufgerufen am 10. Mai 2009. 39 Geschäftsordnung der interministeriellen Koordinierungsgruppe des Bundes und der Länder (GOIntMinKoGr) in der Fassung vom 15. März 2007, in: www.imk2009.bremen.de, aufgerufen am 12. Mai 2009. - 12 - den Gefahren- oder Schadenslagen mit hohem Abstimmungs- und Beratungsbedarf, die nach Art und Umfang mit den sonstigen Verfahren und Einrichtungen der Krisenbewältigung von Bund und Ländern, wie insbesondere der üblichen Amtshilfe und der Zusammenarbeit der Krisenstäbe, voraussichtlich nicht bewältigt werden können, durch das Bundesministerium des Innern eine Interministerielle Koordinierungsgruppe von Bund und Ländern (IntMinKoGr) einberufen werden.“ Nach Aussage der Bundesregierung beinhaltet das neue Rahmenkonzept die Entwicklung eines Stufensystems für die Gefahrenabwehr. Ausgehend von der potenziellen Gefährdung und der Bevölkerungsdichte sollen Risikokategorien gebildet werden, an denen sich die unterschiedlichen Versorgungsstufen ausrichten. So ist u.a. ein Sonderschutz mit Hilfe von Spezialeinsatzkräften (Task Forces) für besondere Gefahren vor allem durch biologische oder chemische Kampfstoffe und vergleichbaren Bedrohungslagen vorgesehen. 40 Philosophie und roter Faden der „neuen Strategie“ ist der Gedanke einer „gemeinsamen “ Verantwortung von Bund und Ländern für die Bewältigung von Großschadenslagen .41 Kernelemente sind die bessere Verzahnung, Abstimmung und Zusammenarbeit der föderalen Verantwortlichkeitsebenen, ein effizienteres Krisenmanagement von Bund und Ländern bei Großschadenslagen, insbesondere eine optimale Koordination des Ländergrenzen überschreitenden Einsatzes der Hilfsorganisationen der Länder und des Bundes, wie beispielsweise der Bundeswehr und des Technischen Hilfswerks (THW) und gemeinsame Bund-Länder-Anstrengungen bei der Bewältigung von großflächigen oder sonstigen national bedeutsamen Gefahrenlagen. Mit dem neuen ZSKG wurden die strukturellen Konsequenzen aus der gemeinsamen „Neuen Strategie“ gezogen, indem die Katastrophenhilfe des Bundes gesetzlich geregelt wurde.42 7. Zusammenarbeit mit der Europäischen Union Auf europäischer Ebene wurde mit Entscheidung vom 24. September 1998 die Errichtung eines Netzes für die epidemiologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten in der Gemeinschaft beschlossen.43 Die Errichtung einer stän- 40 Antwort der Bundesregierung vom 6. Mai 2005, BT-Drs. 15/5433, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Helga Daub, Jörg van Essen, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneten und der Fraktion der FDP, „Organisation des Katastrophenschutzes im Großschadensfall mit biologischen oder chemischen Schadstoffen“, BT- Drs. 15/5381. 41 Meyer-Teschendorf, Klaus, Neuordnung des Zivil- und Katastrophenschutzes, in: Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, Festschrift für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag, 2007, S. 798 (801). 42 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschuss vom 28. Januar 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zivilschutzgesetzes, BT-Drs. 16/1180. 43 Entscheidung Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABlEG 1998 Nr. L 268, S. 1. - 13 - digen Verbindung zwischen Kommission und den zuständigen nationalen Behörden gewährleistet eine permanente epidemiologische Überwachung der Krankheiten, indem Gesundheitsdaten kontinuierlich gesammelt, ausgewertet und verbreitet werden.44 Die Kommission hat dieses Gemeinschaftsnetz durch zwei Entscheidungen vom 22. Dezember 1999 konkretisiert.45 So wurde zum einen bezogen auf das Frühwarn- und Reaktionssystem das sog. „Health Surveillance System for Communicate Diseases“ (EUPHIN-HSSD) innerhalb des Gemeinschaftsnetzes (European Public Health Information Network) eingerichtet.46 Zudem bestimmt die Kommission in diesem Zusammenhang die jeweiligen Verfahren zur Maßnahmenergreifung, die in Gefahren- bzw. Aktivierungsstufen eingeteilt sind.47 Mit der zweiten Entscheidung griff die Kommission den Aspekt der epidemiologischen Überwachung auf und entwickelte u.a. einen Katalog von relevanten Krankheiten, in dem Daten systematisch und kontinuierlich gesammelt , analysiert, ausgewertet und verbreitet werden sollen.48 Im Hinblick auf eine Influenzapandemie hat die Kommission einen Plan erarbeitet, der umfangreiche Maßnahmen vorsieht.49 Die Europäische Kommission koordiniert daher in Zusammenarbeit mit dem in Stockholm angesiedelten Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) den Austausch von Daten und Erkenntnissen der Mitgliedstaaten zur Ausbreitung von Krankheiten. Die Gesundheitsminister der EU-Mitgliedstaaten haben sich am 30. April 2009 getroffen und hinsichtlich der „Neuen Grippe“ Beschlüsse gefasst.50 Im Jahr 2001 führt die EU einen Katastrophenschutzmechanismus ein, um Katastrophenfälle zu bewältigen, die die Kräfte eines Landes übersteigen. Das „Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz“ soll die Koordinierung der Katastrophenschutzeinsätze bei einem schweren Notfall (Naturkatastrophen, technische Havarien, Strahlenunfälle , Umweltkatastrophen oder Terroranschlag) verbessern. Operatives Organ dieses Verfahrens ist das Beobachtungs- und Informationszentrum (MIC – Monitoring and Information Center)51 bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Durch dieses 44 Art. 1, 2 Nr. 1 der Entscheidung Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl EG 1998 Nr. L 268, S. 3. 45 Entscheidungen Nr. 2000/57/EG vom 22.12.1999, ABlEG 2000 Nr. L 21, S. 32 und Nr. 2000/96/EG, ABlEG 2000 Nr. L 28, S. 50. 46 Entscheidung Nr. 2000/57/EG vom 22.12.1999, ABlEG 2000 Nr. L 21, S. 32. 47 Art. 2 und Anhang II der Entscheidung Nr. 2000/57/EG vom 22.12.1999, ABlEG 2000 Nr. L 21, S. 33. 48 Art. 1 und Anhang I der Entscheidung Nr. 2000/96/EG, ABlEG 2000 Nr. L 28, S. 51. 49 Arbeitsdokument der Kommission zur Bereitschafts- und Reaktionsplanung der Gemeinschaft mit Blick auf eine Influenzapandemie vom 26. März 2004, KOM (2004)201. 50 „Council Conclusions on Influenza A/H1N1 infection“, Pressemitteilung vom 30. April 2009, in: http://consilium.europa.eu, aufgerufen am 10. Mai 2009. 51 http://ec.europa.eu/environment/civil/prote/mic.htm, aufgerufen am 19. Mai 2009. - 14 - Einsatzzentrum, welches rund um die Uhr tätig ist, kann die Kommission den Einsatz der Katastrophenschutzkräfte der Mitgliedstaaten koordinieren und erleichtern. Jeder von einer Katastrophe betroffene Teilnehmerstaat kann direkt bei einem Mitgliedstaat oder über das MIC Hilfe anfordern. Das MIC leitet das Hilfeersuchen umgehend an das Netz nationaler Kontaktstellen weiter. An dem Verfahren nehmen derzeit 30 Länder teil: die 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen.52 Die Europäische Union hat ein Informations- und Schnellwarnsystem für biologische und chemische Angriffe und Bedrohungen aufgebaut. Dieses Netzwerk ist mit den bestehenden Netzwerken auf nationaler Ebene verbunden. Es ermöglicht den Mitgliedstaaten , sich gegenseitig schnell vor biologischen und chemischen Angriffen zu warnen und für die Schadensabwehr relevante Informationen auszutauschen. Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten der EU ein EU-Solidaritätsprogramm zu den Folgen terroristischer Bedrohungen und Anschläge angenommen, das die Zusammenarbeit innerhalb der EU im Hinblick auf die Prävention und Begrenzung der Folgen chemischer , biologischer, radiologischer oder nuklearer terroristischer Bedrohungen verbessern soll. Das Programm, das Bestandteil des Anti-Terrorismusprogramms der EU ist, umfasst neben dem Katastrophenschutz auch andere wichtige Bereiche wie Gesundheit , Lebensmittelversorgung, Umwelt, sensible Industriebereiche und Transporte.53 8. Erfahrungen aus Katastrophenfällen und Übungen Erfahrungen zur Bewältigung von biologischen Gefahrenlagen bestehen mit Havarien in chemischen Fabriken oder Unfälle beim Gefahrguttransport.54 Auch für Strahlenwirkungen wie dem größten anzunehmenden Unfall in einem Kernkraftwerk sind unter dem Eindruck von Tschernobyl 1986 Vorkehrungen getroffen worden.55 Die Sommerflut von 2002 bestätigte die Notwendigkeit, dass professionelles Krisenmanagement immer wieder geübt werden muss.56 Daher wurde das Ausbildungs- und Übungsangebot der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) nach dem 11. September 2001 und dem Sommerhochwasser 2002 erheblich 52 Vgl. http://ec.europa.eu/environment/civil/prote/cp01_en.htm. 53 Antwort der Bundesregierung vom 6. Mai 2005, BT-Drs. 15/5433, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Helga Daub, Jörg van Essen, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneten und der Fraktion der FDP, „Organisation des Katastrophenschutzes im Großschadensfall mit biologischen oder chemischen Schadstoffen“, BT- Drs. 15/5381. 54 Zum Beispiel Austritt von Epichlorhydrin beim Eisenbahnunglück in Bad Münder 2001. 55 Biologische Gefahren I, Handbuch zum Bevölkerungsschutz, 3. Auflage 2007, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), S. 35. 56 Meyer-Teschendorf, Klaus, Neuordnung des Zivil- und Katastrophenschutzes, in: Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, Festschrift für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag, 2007, S. 798 (802). - 15 - aufgestockt und vor allem auch an aktuelle Bedrohungslagen wie B- und C-Gefahren angepasst. Aufgrund der Erfahrungen bei der Bewältigung des Sommerhochwassers 2002 wurden in den Jahren 2004, 2005 und 2007 länderübergreifende Krisenmanagementübungen konzeptionell angelegt und gesteuert. LÜKEX57 ist die Bezeichnung für eine Übungsserie im Bereich des nationalen Krisenmanagements in Deutschland. Seit 2009 ist diese Aufgabe in § 14 ZSG58 gesetzlich verankert. Folgende Szenarien wurden für den Krisenstab der Bundesregierung sowie die Krisenstäbe der Landesregierungen simuliert: LÜKEX 04: Terroranschlag, Stromausfall LÜKEX 05: „WM 2006“ LÜKEX 07: Pandemie. Damit haben sich alle Bundesländer mindestens einmal an den Übungen als Kernübungsland aktiv beteiligt. Übergeordnetes Ziel der Übungsserie ist es, die Übungskultur im Bereich des strategischen Krisenmanagements aufgrund neuer Sicherheitsherausforderungen nachhaltig weiterzuentwickeln.59 In Bezug auf den Fall einer großflächigen Pandemie liegt ein Evaluierungsbericht der 2007 durchgeführten LÜKEX Übung des BBK vor. Das nur für den internen Gebrauch bestimmte Papier kann beim Bundesministerium des Innern erfragt werde.60 9. Möglicher bundesrechtlicher Regelungsbedarf 9.1. Gesundheitsvorsorgesetz Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG könnte der Bund ein Gesundheitsvorsorgegesetz erlassen , welches bei national bedeutsamen biologischen Gefahrenlagen Regelungen zur Bewältigung vorsehen könnten. Eine Anordnungsbefugnis für bundesweit einheitliche Maßnahmen kann jedoch nur dann sichergestellt werden, wenn das Gesetz die sog. Bundesauftragsverwaltung vorsieht. Dies erfordert eine Grundgesetzänderung. Denn 57 „LÜKEX“ steht für Länder Übergreifende Krisenmanagement-Übung/EXercise, in: www.denis.bund.de/luekex, aufgerufen am 11. Mai 2009. 58 § 14 ZSKG n.F. lautet: „Die Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a dienen zugleich den Ländern für die Vorbereitung ihrer Entscheidungsträger, Führungskräfte und sonstigen Fachkräfte auf die Bewältigung von Katastrophen und Unglücksfällen und umfassen insbesondere auch die Planung , Durchführung und Auswertung von ressort- und länderübergreifenden Krisenmanagementübungen . Die Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Bundes bauen auf der Ausbildung der Länder im Bereich des Katastrophenschutzes auf und ergänzen diese.“ 59 In: www.denis.bund.de/luekex, aufgerufen am 11. Mai 2009. 60 Telefonische Auskunft des Bundesministeriums des Innern vom 20. Mai 2009. - 16 - nach Art. 83 GG führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Eine Bundesauftragsverwaltung für den Gesundheitsbereich müsste ausdrücklich im Grundgesetz festgeschrieben werden. Die Diskussionen im Rahmen der Föderalismusreform zur generellen Zuständigkeitsverteilung als auch in der Innenministerkonferenz zur Ausgestaltung des ZSKG haben jedoch gezeigt, dass eine entsprechende Bereitschaft der Länder nicht besteht . 9.2. Bevorratung von Medikamenten nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG Für den Fall einer gesundheitlichen Gefahrenlage nationalen Ausmaßes ist die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Grundsätzlich obliegt die Bevorratung den für den Katastrophenschutz zuständigen Ländern. Eine Vorratshaltung durch den Bund kommt bislang nur unter dem Aspekt des Zivilschutzes in Betracht. Die Verfügbarkeit aller wesentlichen Arzneimittel könnte auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG geprüft werden. Regelungen im Arzneimittel- und Apothekenrecht könnten entsprechend verändert werden. ( ) Anlage 1 - 17 - Die Katastrophenschutzgesetze der 16 Bundesländer Baden-Württemberg: Gesetz über den Katastrophenschutz (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1999 (GBl. S. 625), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. März 2006 (GBl. S. 60, 70). Bayern: Bayerisches Katastrophenschutzgesetz (BayKSG) vom 24. Juli 1996 (GVBl. S. 282), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 2001 (GVBl. S. 140). Berlin: Gesetz über die Gefahrenabwehr bei Katastrophen (Katastrophenschutzgesetz – KatSG) vom 11. Februar 1999 ( GVBl. Berlin S. 78), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 25). Brandenburg: Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz - BbgBKG) vom 24. Mai 2004 (GVBl. I S. 197). Bremen: Bremisches Hilfeleistungsgesetz (BremHilfeG) vom 18. Juni 2002 (GBl. S. 189), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2002 (GBl. 605). Hamburg: Hamburgisches Katastrophenschutzgesetz (HmbKatSG) vom 16. Januar 1978 (Hamburgisches GVBl. S. 31) zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2001 (Hamburgisches GVBl. S. 251). Hessen: Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (HBKG) vom 17. Dezember 1998 (GVBl. I S. 530) zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. März 2005 (GVBl. I S. 229). Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz über den Katastrophenschutz in Mecklenburg- Vorpommern (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG) vom 24. Oktober 2001 (GVOBl. M-V S. 393) zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVBl. M-V S. 640). Niedersachsen: Niedersächsisches Katastrophenschutzgesetz (NKatSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 2002 (GVBl. S. 73), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. September 2004 (GVBl. S. 362). Nordrhein-Westfalen: Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG) vom 10. Februar 1998 (GVBl. 122), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2007 (GVBl. S. 622). Rheinland-Pfalz: Landesgesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Brand- und Katastrophenschutzgesetz – LBKG) vom 2. November - 18 - 1981 (GVBl. S. 247), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Landesgesetzes zur Änderung des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes, des Rettungsdienstgesetzes und anderer Vorschriften vom 05.04.2005 (GVBl. (2005), 7, S. 104-116). Saarland: Gesetz über den Katastrophenschutz im Saarland (LKatSG) vom 31. Januar 1979 (ABl. S. 141), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474). Sachsen: Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz vom 24. Juni 2004 (SächsGVBl. S. 245), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. September 2005 (SächsGVBl. S. 266). Sachsen-Anhalt: Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KatSGLSA): In der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 2002 (GVBl. LSA S. 339), geändert durch Gesetz vom 28. Juni 2005 (GVBl. LSA S. 320). Schleswig-Holstein: Gesetz über den Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein (Landeskatastrophenschutzgesetz - LKatSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Dezember 2000 (GVBl. Schl.H.S. S. 664). Thüringen: Thüringer Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz - ThBKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. März 1999 (GVBl. S. 227), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Oktober 2001 (GVBl. S. 274).