© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 155/17 Zu einer künftigen Genehmigungspflicht für technische Unterstützung im Zusammenhang mit Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 155/17 Seite 2 Zu einer künftigen Genehmigungspflicht für technische Unterstützung im Zusammenhang mit Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 155/17 Abschluss der Arbeit: 01.08.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 155/17 Seite 3 1. Fragestellung § 49 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) stellt es unter den Vorbehalt der Genehmigung, wenn Inländer im Ausland bezüglich „chemischer oder biologischer Waffen oder Kernwaffen technische Unterstützung“ leisten. Es stellt sich die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig wäre, den Vorbehaltstatbestand um „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter“ zu erweitern. Dabei sind drei verfassungsrechtliche Fragen relevant: – Ist der neue Vorbehalt mit der Berufsfreiheit der Betroffenen vereinbar (selbständig Tätige, Unternehmen, Arbeitnehmer)? – Ist der neue Vorbehalt mit dem Recht auf Eigentum an Wirtschaftsbetrieben vereinbar? – Ist der neue Vorbehalt hinreichend bestimmt? 2. Berufsfreiheit Das Grundgesetz formuliert in Art. 12 Abs. 1 die Berufsfreiheit wie folgt: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“ Träger des Grundrechts können auch juristische Personen des Privatrechts sein und damit Wirtschaftsbetriebe im Anwendungsbereich der AWV. Der künftige Genehmigungsvorbehalt des § 49 AWV greift – wie auch der bestehende Genehmigungsvorbehalt – in die Berufsfreiheit einschlägiger Wirtschaftsbetriebe und derer Arbeitnehmer ein. Dieser Eingriff regelt die Berufsausübung. Damit lässt er sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) „durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls“ rechtfertigen .1 Eine solche Angelegenheit des Gemeinwohls sind die „auswärtigen Belange“ des Staates,2 die das Grundgesetz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c ausdrücklich als Schutzgut erwähnt. Es kann ein Interesse der Regierung zum Beispiel daran bestehen, dass ausländische Staaten keine Kriegswaffen oder sonstigen Rüstungsgüter produzieren, in denen hinreichende rechtsstaatliche Strukturen fehlen, die in bewaffnete Konflikte verwickelt sind oder die Deutschland gegenüber feindselig eingestellt sind. Der Genehmigungsvorbehalt ist geeignet, diesem Gemeinwohl zu dienen. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Eine Anzeigepflicht mit der Möglichkeit eines nachträglichen Verbots wäre weniger wirksam. Das Verbot könnte unter Umständen erst Wochen später wirksam werden, wenn die auswärtigen Belange bereits beeinträchtigt sind. Der Genehmigungsvorbehalt ist auch 1 Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 12 Rn. 45. 2 Vgl. Bundesverwaltungsgericht, NJW 1992, 2648: Die Ermächtigung der Bundesregierung in § 7 I Nr. 2 und 3 Außenwirtschaftsgesetz, durch Rechtsverordnung Exportbeschränkungen zu erlassen, um eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu verhüten, ist rechtswirksam. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 155/17 Seite 4 angemessen. Die auswärtigen Belange des Staates sind ein wichtiges Schutzgut. Ferner unterbindet der Genehmigungsvorbehalt die technische Unterstützung nicht absolut, sondern unterstellt sie nur einer Kontrolle. Bei dieser Kontrolle ist die Bundesregierung auch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die Entscheidungen der Bundesregierungen sind gerichtlich nachprüfbar. Allerdings räumt das Grundgesetz (GG) nach der Rechtsprechung des BVerfG3 der Bundesregierung einen weiten Ermessenspielraum im auswärtigen Bereich ein: „Um es zu ermöglichen, die jeweiligen politischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des völkerrechtlich und verfassungsrechtlich Zulässigen durchzusetzen, gewährt das Grundgesetz den Organen der auswärtigen Gewalt daher einen weiten Spielraum bei der Einschätzung außenpolitisch erheblicher Sachverhalte wie der Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens […]. Dieser Einschätzungs- und Prognosespielraum der Bundesregierung […] unterliegt einer nur eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle.“ 3. Schutz des Eigentums Der Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) erfasst nicht tatsächliche Absatzmöglichkeiten, künftige Verdienstmöglichkeiten oder die Erwartung, dass ein Unternehmen auch in Zukunft rentabel betrieben werden kann. Art. 14 GG schützt allein bereits gesicherte Rechtspositionen.4 Dies könnten im Zusammenhang des Art. 14 GG insbesondere bereits bestehende Verträge über technische Unterstützung hinsichtlich von Kriegswaffen oder sonstigen Rechtsgütern sein. Ein künftiger Genehmigungsvorbehalt könnte in den Schutz des Eigentums eingreifen. Dies hängt davon ab, ob der künftige § 49 AWV auf bestehende Verträge anwendbar wäre und wie ihn die Bundesregierung anwendet. Ein unverhältnismäßiger Eingriff ließe sich ausschließen, indem die Änderung von § 49 AWV zum Beispiel entweder bestehende Verträge ausnimmt, eine Entschädigung für bestehende, nicht genehmigte Verträge vorsieht oder indem die Bundesregierung bei jeder Entscheidung sicherstellt , dass Wirtschaftsbetriebe hinsichtlich bestehender Verträge nicht übermäßig belastet werden. 4. Bestimmtheitsgebot Das Bestimmtheitsgebot ist Teil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG). Die AWV verwendet und definiert die Begriffe „Kriegswaffen“ und „sonstige Rüstungsgüter“ bereits und enthält auch Abgrenzungen zu dem „Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen“ (vgl. § 46 Abs. 2 AWV). Damit sind keine Bedenken ersichtlich, dass die Begriffe nicht hinreichend bestimmt wären.5 *** 3 BVerfG, EuZW 2016, 916 („Eilanträge CETA“). 4 Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 19, 21. 5 Siehe auch: BVerfG, NJW 1993, 1909, wonach der Tatbestand der AWV „Störung der auswärtigen Beziehungen durch illegale Exporte“ hinreichend bestimmt ist.