© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 154/16 Möglichkeit der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen und Männer nach deutschem Verfassungsrecht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 154/16 Seite 2 Möglichkeit der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen und Männer nach deutschem Verfassungsrecht Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 154/16 Abschluss der Arbeit: 20.06.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 154/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Erläuterungen zum deutschen Verfassungsrecht 4 2.1. Möglichkeiten einer Einführung durch einfaches Gesetz 4 2.1.1. Militärische und zivile Dienstpflichten nach Art. 12a GG 4 2.1.2. Allgemeine Dienstleistungspflicht nach Art. 12 Abs. 2 Halbsatz 2 GG 5 2.2. Möglichkeiten einer Einführung durch Verfassungsänderung 7 3. Ergebnis für das deutsche Verfassungsrecht 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 154/16 Seite 4 1. Fragestellung Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob es möglich wäre, eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer einzuführen. Dies könnte z.B. in einem sozialen, ökologischen oder technischen Pflichtjahr für junge Frauen und Männer bestehen, wobei es vorliegend auf die genaue Tätigkeit nicht ankommen soll. Die aufgeworfene Frage soll sowohl am Maßstab des deutschen als auch des internationalen Rechts betrachtet werden. In dieser Ausarbeitung wird die Frage nur anhand des deutschen Rechtes, insbesondere des Verfassungsrechts geprüft. Die Prüfung der Frage nach Maßgabe des Europa- und Völkerrechts findet sich in den gesonderten Gutachten des Fachbereichs „Europa“ (PE 6) und des Fachbereichs „Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit“ (WD 2). 2. Erläuterungen zum deutschen Verfassungsrecht Die Wissenschaftlichen Dienste haben bereits im Jahr 2003 zu der aufgeworfenen Frage Stellung genommen.1 Die damalige Arbeit kommt hinsichtlich des deutschen Verfassungsrechts zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer Dienstpflicht für Frauen und Männer durch einfaches Gesetz nach dem geltenden Verfassungsrecht nicht zulässig wäre. Allerdings könnte das Grundgesetz so geändert werden, dass auf dieser Basis die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht möglich wäre. Dieses Ergebnis ist für das deutsche Verfassungsrecht weiterhin gültig. Daher beruht diese Arbeit weitgehend auf den Ausführungen der Arbeit aus dem Jahr 2003, wobei die neuere Literatur und Rechtsprechung in den folgenden Ausführungen berücksichtigt wurden. 2.1. Möglichkeiten einer Einführung durch einfaches Gesetz Das Grundgesetz äußert sich zu allgemeinen Dienstpflichten bzw. Dienstleistungspflichten in Art. 12 Abs. 2 GG. Als Grundsatz gilt danach, dass niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden darf (Verbot des Arbeitszwangs, Art. 12 Abs. 2 1. Halbsatz GG). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur zulässig auf der Basis der in Art. 12a GG geregelten militärischen und zivilen Dienstpflichten und im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen öffentlichen Dienstleistungspflicht im Sinne des Art. 12 Abs. 2 2. Halbsatz GG.2 2.1.1. Militärische und zivile Dienstpflichten nach Art. 12a GG Art. 12a GG regelt in seinen sechs Absätzen verschiedene Dienstpflichten. Als Ausnahmen vom Verbot des Arbeitszwangs kommen dabei die zivilen Dienstpflichten nach Art. 12a Abs. 3 bis Abs. 6 nicht in Betracht, da diese nur im Verteidigungsfall bzw. Spannungsfall 1 Wissenschaftliche Dienste, Rechtliche Würdigung der Möglichkeit einer Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Frauen und junge Männer, 15. August 2003, Az.: WF III - 180/03 (https://www.bundestag .de/blob/407416/b3d790fb6fcd9e4a6c4ce444c91aef0c/wf-iii-180-03-pdf-data.pdf). 2 Einen weitere Ausnahme ergibt sich aus Art. 12 Abs. 3 GG für die Zwangsarbeit, die nur bei gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehung zulässig ist. Da nach einer solchen Zwangsarbeit vorliegend jedoch nicht gefragt ist, bleibt dieser Fall in den folgenden Ausführungen außer Betracht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 154/16 Seite 5 auferlegt werden können. Eine allgemeine Dienstpflicht, die auch außerhalb dieser Sondersituation gelten soll, kann daher auf dieser Grundlage nicht eingeführt werden. Die in Art. 12a Abs. 1 und Abs. 2 GG geregelten Ausnahmen, d.h. der Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz, in einem Zivilschutzverband oder im Rahmen des Wehrersatzdienstes, sind zwar nicht auf besondere Situationen beschränkt, beziehen sich nach ihrem Wortlaut jedoch nur auf Männer. Abs. 1 spricht ausdrücklich von Männern, Abs. 2 von Kriegsdienstverweigerern, wofür nach Abs. 1 nur Männer in Betracht kommen. Der Wortsinn dieser Vorschriften steht also einer Erstreckung der dort geregelten Pflichten auf Frauen entgegen.3 Dies verstößt auch nicht gegen die speziellen Gleichheitssätze bzw. Diskriminierungsverbote aus Art. 3 Abs. 2 oder Abs. 3 GG. Denn Art. 12a GG verdrängt als speziellere ebenfalls Verfassungsrang besitzende Norm diese Diskriminierungsverbote .4 2.1.2. Allgemeine Dienstleistungspflicht nach Art. 12 Abs. 2 Halbsatz 2 GG Art. 12 Abs. 2 Halbsatz 2 GG erlaubt es dem Gesetzgeber5 Frauen und Männern allgemeine, für alle gleiche, öffentliche Dienstleistungspflichten6 auferlegen, wenn diese herkömmlich sind. Herkömmlich in diesem Sinne ist eine Dienstleistungspflicht, wenn diese Art der Dienstleistungspflicht seit geraumer Zeit, insbesondere vor der Zeit des Nationalsozialismus,7 tradiert ist.8 Hierzu gezählt werden die in vielen Gemeinden bestehenden Hand- und Spanndienste sowie die Feuerwehr- und die Deichschutzpflicht.9 Die genannten Pflichten dürfen zwar der technischen Entwicklung angepasst werden (Erfüllung des Spanndienstes nicht mehr durch Zugtier, sondern durch KfZ).10 Doch auch dann sind die von einer allgemeinen Dienstpflicht umfassten Tätigkeiten, 3 Kokott, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 12a Rdnr. 5. 4 Herrschende Meinung vgl. statt aller: Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 3. Auflage 2013, Art. 12a Rdnr. 18; Gornig, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 6. Auflage 2010, Art. 12a Rdnr. 24; Kokott, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 12a Rdnr. 5 jeweils m.w.N. auch aus der Rechtsprechung. 5 Zum Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung , 47. Ergänzungslieferung (Stand: Juni 2006), Art. 12 Rdnr. 501; Mann, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 12 Rdnr. 185 jeweils m.w.N. 6 Im Ergebnis – jedenfalls für die hier zu beantwortende Frage – bestehen zwischen der in der Frage genannten „Dienstpflicht“ und der „Dienstleistungspflicht“ im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG keine verfassungsrechtlichen Unterschiede. Siehe dazu Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 47. Ergänzungslieferung (Stand: Juni 2006), Art. 12 Rdnr. 496. 7 Dazu BVerfGE 92, 91, 111. 8 Mann, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 12 Rdnr. 186; im Ergebnis wohl ebenso Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 47. Ergänzungslieferung (Stand: Juni 2006), Art. 12 Rdnr. 497. 9 Kämmerer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 6. Auflage 2012, Art. 12 Rdnr. 92; ebenso Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 47. Ergänzungslieferung (Stand: Juni 2006), Art. 12 Rdnr. 497 jeweils m.w.N. 10 Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 47. Ergänzungslieferung (Stand: Juni 2006), Art. 12 Rdnr. 497 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 154/16 Seite 6 z.B. im Rahmen eines sozialen oder ökologischen Jahres, noch so weit von diesen traditionellen Pflichten entfernt, dass sie wohl nicht als „herkömmlich“ bezeichnet werden können.11 Man könnte freilich überlegen, ob der bis zur Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 über mehrere Jahrzehnte praktizierte Zivildienst (Art. 12a Abs. 2 GG) dazu geführt hat, dass die hiervon erfassten Tätigkeiten inzwischen als „herkömmlich“ im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG anzusehen sind. Dagegen sprechen jedoch drei Aspekte: Zum ersten hält sich das Bundesverfassungsgericht an den Willen des Verfassungsgebers, der Dienstpflichten, wie sie im Nationalsozialismus bestanden , ausschließen wollte.12 Danach wäre „herkömmlich“ im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG so zu verstehen, dass die Dienstpflicht schon vor dem Jahr 1933 bestanden haben muss. Dies ist aber bei dem Zivildienst gerade nicht der Fall. Der zweite, wohl wichtigere Punkt ist, dass der Zivildienst als Ersatz für den Wehrdienst eingeführt worden ist. Damit sollte folglich keine eigenstände Dienstpflicht, sondern nur ein Surrogat13 für den Wehrdienst geschaffen werden, wenn jemand aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe verweigerte.14 Daher musste auch der Zivildienst zwingend ausgesetzt werden, als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde.15 Da der Zivildienst im Sinne des Art. 12a Abs. 2 GG folglich in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Durchführung der Wehrpflicht steht, kann darin wohl auch keine eigenständige mittlerweile „herkömmliche“ Dienstpflicht gesehen werden. Als dritter Punkt ist zu berücksichtigen, dass der Zivildienst in Art. 12a Abs. 2 GG ausdrücklich nur für Männer eingeführt wurde. Zwar kann es bei einfachgesetzlich eingeführten Dienstpflichten zulässig sein, die Pflicht auf Frauen auszuweiten, z.B. bei einer Feuerwehrdienstpflicht .16 Es erscheint jedoch nicht möglich, dass der einfache Gesetzgeber eine Dienstpflicht, die in einer anderen, insbesondere spezielleren Verfassungsnorm auf Männer beschränkt ist (Art. 12a Abs. 2 GG), nunmehr im Rahmen von Art. 12 Abs. 2 GG auch für Frauen als herkömmlich definiert und über diesen Weg einen Zivildienst auch für Frauen einführt. Die Vorschriften des Grundgesetzes kann nicht der einfache, sondern nur der verfassungsändernde Gesetzgeber ändern (Art. 79 Abs. 2 GG). Allgemeine Dienstpflichten für Männer und Frauen, die über die herkömmlichen Dienste im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG (z.B. Hand- und Spanndienste) hinausgehen, dürfen somit nicht durch einfaches Gesetz eingeführt werden.17 11 Ebenso: Dreist, Darf eine allgemeine Dienstpflicht die Wehrpflicht ersetzen?, UBWW 2003, 441, 444. 12 BVerfGE 92, 91, 111. 13 Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 3. Auflage 2013, Art. 12a Rdnr. 25; Dreist, Darf eine allgemeine Dienstpflicht die Wehrpflicht ersetzen?, UBWW 2003, 441, 442. 14 Unter Bezug auf die historische Einführung und Entwicklung des Zivildienstes erläutert Bröhling, dass der Zivildienst von der Militärpolitik maßgeblich bestimmt war und als abschreckender Ersatzdienst konzipiert worden sei. Sozialpolitische Aspekte hätten bei der Ausgestaltung dieses alternativen Kriegsdienstes allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt: Bröhling, Vom zivilen Kriegsdienst zur allgemeinen Dienstpflicht?, in: Kindler/Regelmann/ Tullney (Hrsg.), Die Folgen der Agenda 2010, 2004, S. 142, 143 ff. 15 Kokott, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 12a Rdnr. 21. 16 BVerfGE 92, 91, 111. 17 So im Ergebnis auch: Köhler, Allgemeine Dienstpflicht für junge Erwachsene?, ZRP 1995, 140, 141 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 154/16 Seite 7 2.2. Möglichkeiten einer Einführung durch Verfassungsänderung Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Frauen und Männer wäre demnach allenfalls nach vorheriger Änderung des Grundgesetzes möglich. Allerdings müssen dabei die Vorgaben der so genannten Ewigkeitsgarantie in Art. 79 Abs. 3 GG, für den vorliegenden Falle insbesondere die Vorgaben der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG), beachtet werden. Im Grundsatz stehen die Vorgaben der Menschenwürde der Einführung neuer Dienstpflichten in das Grundgesetz nicht entgegen.18 Es kann zwar nicht übersehen werden, dass gerade totalitäre, die Menschenwürde missachtende Regime gern aufgrund volkswirtschaftlicher oder erzieherischer Motive allgemeine Arbeitspflichten auferlegen. Jedoch liegen – wie die Entstehungsgeschichte zeigt – dem Art. 12 Abs. 2 GG volkswirtschaftliche und dem Art. 12 Abs. 3 GG erzieherische Motive zugrunde.19 Dies spricht dagegen, dass der Verfassungsgeber die Auferlegung von Dienstpflichten aufgrund solcher Motive als schlechthin mit der Menschenwürde unvereinbar angesehen hat. Auch wurde bei der Schaffung des Grundgesetzes im Rahmen der Diskussion, ob man Art. 12 Abs. 2 GG auf herkömmliche Dienstpflichten begrenzen solle oder nicht, nicht ein einziges Mal das Argument ins Feld geführt, nur eine Beschränkung auf herkömmliche Dienstpflichten trage der Menschenwürde hinreichend Rechnung.20 Dass die Menschenwürdegarantie der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen und Männer nicht schlechthin entgegensteht, bedeutet freilich noch nicht, dass sich aus Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG keinerlei Grenzen für die Einführung von neuen Dienstpflichten ergeben. So würde – um ein extremes Beispiel zu bilden – eine zeitlich unbegrenzte Arbeitspflicht, die den Einzelnen Zeit seines Lebens zwingt, seine Arbeitskraft vollständig dem „Gemeinwohl“ zur Verfügung zu stellen, und die jede denkbare Tätigkeit umfassen kann, diesen zum bloßen Objekt des Staates degradieren und somit seine Menschenwürde missachten.21 Dem Einzelnen muss ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit verbleiben. Abgesehen von diesen Grenzen ist der verfassungsändernde Gesetzgeber jedoch nicht durch Art. 79 Abs. 3 GG an der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen und Männer gehindert. Die Frage, ob eine allgemeine Dienstpflicht auch für Frauen im Widerspruch zu dem Menschenwürdegehalt des Gleichheitsgrundsatzes22 steht (Art. 79 Abs. 3, Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG), 18 Kritischer in dieser Hinsicht Köhler, Allgemeine Dienstpflicht für junge Erwachsene?, ZRP 1995, 140, 143 f.; Incesu, Frauen an die (soziale) Front? Zur Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht, Vorgänge 34 (1995), 132/14, 18. 19 von Doemming/Füßlein/Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR neue Folge, Band 1, 1951, 134. 20 Vgl. dazu von Doemming/Füßlein/Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR neue Folge, Band 1, 1951, 133 ff. 21 Siehe zur Objektformel als Test für das Vorliegen einer Verletzung der Menschenwürde aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 109, 279, 312 m.w.N.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar , Loseblattsammlung, 55. Ergänzungslieferung (Stand: Mai 2009), Art. 1 Abs. 1 Rn. 36 m.w.N. 22 Siehe dazu: BVerfGE 84, 90, 121; 94, 12, 34; Bryde, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 79 Rdnr. 37. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 154/16 Seite 8 ist mittlerweile durch das Bundesverfassungsgericht23 entschieden worden.24 Zuvor wurde diskutiert , ob der Gleichheitsgrundsatz, der nicht nur gebietet, Gleiches gleich, sondern auch Ungleiches seiner Eigenart entsprechend ungleich zu behandeln,25 wegen der typischerweise Mehrfachbelastungen der Frauen durch Hausarbeit, Kinderbetreuung und Beruf eine Frauen und Männer treffende Dienstpflicht unzulässig sei.26 In seiner Entscheidung zur Feuerwehrdienstpflicht hat das Bundesverfassungsgericht jedoch klar gestellt, dass eine solche Differenzierung bei Dienstpflichten vom Gleichheitsgrundsatz nicht geboten ist. Den erwähnten Mehrfachbelastungen könne durch die gesetzliche Ausgestaltung der Dienstpflichten, z.B. mit entsprechenden Freistellungsregelungen, Rechnung getragen werden.27 In dem konkreten Fall der Feuerwehrdienstpflicht hielt das Gericht eine Beschränkung dieser Pflicht auf Männer sogar wegen der Ungleichbehandlung zulasten der Männer für verfassungswidrig.28 Der verfassungsändernde Gesetzgeber könnte diese Dienstpflichten für Männer und Frauen im Detail in der Verfassung selbst regeln. Dies würde das Grundgesetz jedoch überfrachten, so dass eine einfachgesetzliche Ausgestaltung der Pflichten sinnvoll erscheint. Soweit dies in einem Bundesgesetz erfolgen soll, wäre zu prüfen, ob dem Bundesgesetzgeber für alle geplanten Tätigkeitsfelder , die die allgemeine Dienstpflicht umfassen soll, eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz zukommt (Art. 71 ff. GG). Ist dies nicht der Fall, müsste eine solche Gesetzgebungskompetenz ebenfalls vom verfassungsändernden Gesetzgeber geschaffen werden. 3. Ergebnis für das deutsche Verfassungsrecht Allgemeine Dienstpflichten für Frauen und Männer, die über die „herkömmlichen“ Dienstleistungspflichten im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG hinausgehen, können nicht durch einfaches Gesetz eingeführt werden. Der verfassungsändernde Gesetzgeber (Art. 79 Abs. 2 GG) könnte jedoch das Grundgesetz entsprechend ändern, und solche (neue) allgemeine Dienstpflichten darin verankern. Diese dürfen jedoch die von der Menschenwürdegarantie (Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gezogenen Grenzen nicht überschreiten. Letzteres wäre der Fall, wenn die Dienstpflichten die betroffenen Frauen und Männer unverhältnismäßig belasten und ihren unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit verletzen. Ende der Bearbeitung 23 BVerfGE 92, 91. 24 Ebenso: Dreist, Darf eine allgemeine Dienstpflicht die Wehrpflicht ersetzen?, UBWW 2003, 441, 443. 25 BVerfGE 71, 255, 271; 103, 242, 258. 26 Dazu ausführlich noch das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste zu diesem Thema aus dem Jahr 2003 (Fn. 1), S. 7. 27 BVerfGE 92, 91, 112 f. 28 BVerfGE 92, 91, 109 ff.