© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 153/19 Rechtsverbindlichkeit von Förderansprüchen Zur Zulässigkeit nachteiliger Gesetzesänderungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 2 Rechtsverbindlichkeit von Förderansprüchen Zur Zulässigkeit nachteiliger Gesetzesänderungen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 153/19 Abschluss der Arbeit: 09.07.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 3 1. Fragestellung Es wird darum gebeten darzustellen, ob und – soweit dies der Fall ist – unter welchen Voraussetzungen es rechtlich zulässig ist, gesetzlich festgeschriebene Förderansprüche für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum innerhalb dieses Zeitraums zurückzunehmen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf die gesetzlichen Änderungen der Förderansprüche aus dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) sowie auf das Gesetz zum beschleunigten Atomausstieg gelegt werden. 2. Beispiele für nachteilige Gesetzesänderungen – Änderungen des EEG und 13. Atomgesetz- Novelle 2.1. Reduzierung von Förderansprüchen aus dem EEG Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien1 trat am 1. April 2000 in Kraft und ist seitdem mehrfach neugeregelt und verändert worden. Insbesondere wurden die Förderansprüche für Anlagenbetreiber von Strom aus erneuerbaren Energien durch die gesetzlichen Änderungen reduziert :2 Durch das EEG 20043 wurde die Förderung von Windenergie reduziert. Der Basis-Vergütungssatz verringerte sich nach § 10 Abs. 1 S. 1 EEG 2004 von 5,9 auf 5,5 Cent pro Kilowattstunde.4 Nach der Übergangsregelung des § 21 Abs. 1 EEG 2004 galten für Anlagen, die vor dem 31.07.2004 in Betrieb genommen wurden, die alten Fördersätze fort. Durch das EEG 20095 wurde die Förderung von Solarenergie zum 01.07.2010 reduziert. Bei großen Anlagen verringerte sich die Förderung von 41,79 Cent auf 33 Cent, bei kleineren Anlagen hingegen von 44,41 Cent auf 43,01 Cent.6 § 66 Abs. 1 EEG 2009 bestimmte eine Fortgeltung der Regelungen für Anlagen, die vor dem 01.01.2012 in Betrieb genommen wurden. Durch die EEG-Novelle 20147 änderte der Gesetzgeber den Vergütungsanspruch für Biomasseanlagen . Gemäß § 101 Abs. 1 EEG 2014 wurde die installierte Leistung einer bestehenden Biomasseanlage, 1 Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2000), BGBl. I 2000 S. 305 ff. 2 Siehe dazu auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Rückwirkende Änderungen der EEG-Vergütung vom 17.03.2011, WD 5 - 3000 - 041/11. 3 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich, BGBl. I 2004 S. 1918 ff., in Kraft getreten am 01.08.2004. 4 Oschmann, in: Danner/Theobald, Energierecht, Werkstand: 100. EL Dezember 2018, B. 80./81. Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien, Einführung Rn. 14. 5 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften, BGBl. I 2008, S. 2074 ff., in Kraft getreten am 01.01.2009. 6 Oschmann (Fn. 4), Rn. 36. 7 Gesetz zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrecht, BGBl. I 2014 S. 1066 ff., in Kraft getreten am 01.08.2014. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 4 die nach altem Recht vergütungsfähig war, auf 95 Prozent der am 31.07.2014 bestehenden installierten Leistung „eingefroren“; darüber hinausgehende Strommengen einer Anlagenerweiterung können nicht mehr die alten hohen Vergütungssätze erhalten, sondern werden nach dem Marktpreis vergütet.8 Mit der EEG-Novelle 20179 wurde das EEG 2014 mit Wirkung zum 01.01.2017 geändert. Mit der Novelle hat sich der Gesetzgeber für einen Paradigmenwechsel entschieden. Anstatt erneuerbare Energien auf der Basis gesetzlich festgelegter Einspeisevergütungen zu fördern, wird die Vergütungshöhe des erneuerbaren Stroms durch Ausschreibungen am Markt ermittelt und somit wettbewerblich gestaltet (§ 22 EEG 2017).10 Das EEG 2017 enthält verschiedene Übergangsbestimmungen. Insbesondere sieht § 100 Abs. 1 EEG 2017 vor, dass für Anlagen, die vor dem 01.01.2017 in Betrieb genommen wurden, die neue Regelung des § 22 EEG 2017 nicht gilt. 2.2. Atomausstieg Nachdem der Gesetzgeber bereits im Jahr 2002 einen Ausstieg aus der Kernenergienutzung beschlossen und die Betriebsgenehmigungen der bestehenden Anlagen durch Reststrommengen begrenzt hatte,11 verlängerte er die Restlaufzeiten der Atomkraftwerke im Jahr 2010 durch die 11. Atomgesetz-Novelle (AtG-Novelle)12, um die Kernenergie als „Brückentechnologie“ weiter zu nutzen, ohne jedoch das Ziel des endgültigen Atomausstiegs zu verwerfen.13 Auf das Reaktorunglück in Fukushima im März 2011 reagierte der Gesetzgeber mit der 13. AtG- Novelle vom 31.07.201114, indem er das Erlöschen von Betriebsberechtigungen regelte und die 2010 gewährten Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke wieder zurücknahm.15 8 Wustlich, Das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014, NVwZ 2014, S. 1113 ff. (S. 1118). 9 Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien, BGBl. I 2016, S. 2258 ff. 10 Fischerauer, in: Danner/Theobald (Fn. 4), B. 81a Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien § 40 Rn. 56; Boemke, Die Regelungen des EEG 2017 im Überblick, NVwZ 2017, S. 1 ff. (S. 3 und S. 6). 11 Vgl. Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, BGBl. I 2002, S. 1351 ff., in Kraft getreten am 27.04.2002; dazu Roller, Die verfassungsrechtliche Bewertung des Atomausstiegs 2011, ZUR 2017, S. 277 ff. (S. 277). 12 Elftes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, BGBl. I 2010, S. 1814 ff., in Kraft getreten am 14.12.2010. 13 Roller (Fn. 11), S. 277. 14 Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, BGBl. I 2011, S. 1704 f., in Kraft getreten am 06.08.2011. 15 Roller (Fn. 11), S. 277. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 5 3. Grundsätzliche Umkehrbarkeit politischer Entscheidungen Der Bundestag ist das durch Wahlen vom Volk legitimierte Gesetzgebungsorgan, das den Willen des Volkes abbilden soll.16 Um diese Legitimation des Gesetzgebers fortlaufend zu gewährleisten, ist nur eine „Herrschaft auf Zeit“ vorgesehen.17 Der aktuelle einfache Gesetzgeber ist damit nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“18 an frühere Gesetzesentscheidungen rechtlich nicht gebunden.19 Innerhalb seiner Legislaturperiode ist er befugt, neue Gesetze zu verabschieden oder schon bestehende Gesetze zu ändern oder sogar aufzuheben, um die eigenen politischen Vorstellungen umsetzen oder auf gesellschaftspolitische Ereignisse angemessen reagieren zu können. 4. Verfassungsrechtliche Grenzen Die notwendige Anpassungsfähigkeit des Rechts steht im Spannungsfeld zu den Bedürfnissen der Bürger nach einer Verlässlichkeit des Rechts und der Gewährung von Planungs- und Investitionssicherheit .20 Das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verbürgt insbesondere auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.21 Das Bundesverfassungsgericht hat für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Gesetzesänderungen, die bestehende Rechtsverhältnisse umgestalten und neu bewerten, eine ausdifferenzierte Rechtsprechung entwickelt, die herkömmlicherweise zwischen der sogenannten echten und unechten Rückwirkung unterscheidet. In jüngerer Zeit hat das Bundesverfassungsgericht die Rückwirkungsproblematik nicht immer im Bereich des Rechtsstaatsprinzips angesiedelt, sondern zum Teil allein die Grundrechte (insbesondere Art. 12 GG und Art. 14 GG) als Maßstab herangezogen.22 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für vermögenswerte Güter insbesondere in Art. 14 Abs. 1 GG eine eigene Ausprägung gefunden.23 16 BVerfGE 13, S. 54 ff. (S. 91); 18, S. 151 ff. (S. 154); 44, S. 125 ff. (S. 139); 77, S. 1 ff. (S. 40); vgl. Morlok, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 39 Rn. 10. 17 Vgl. auch Art. 39 Abs. 1 GG; Dreier, in: Dreier (Fn. 16), Art. 20 (Demokratie) Rn. 73. 18 Lat.: „Das jüngere Gesetz hebt das ältere auf“. 19 Kloepfer, DVBl. 2007, S. 1189 ff. (S. 1194); siehe dazu auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags, Rechtliche Ausgestaltung eines „unumkehrbaren“ Atomausstiegs vom 16.06.2011, WD 3 - 3000 - 205/11. 20 Siehe dazu auch Schwarz, Rückwirkung von Gesetzen, JA 2013, S. 683 ff. (S. 684). 21 Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 292. 22 Fischer, Die Verfassungsmäßigkeit rückwirkender Normen, JuS 2001, S. 861 ff. (S. 861). 23 BVerfGE 143, S. 246 ff. (Rn. 372); Wieland, in: Dreier (Fn. 16), Art. 14 Rn. 148. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 6 4.1. Vereinbarkeit mit den Grundrechten der Betroffenen 4.1.1. Eigentumsschutz, Art. 14 Abs. 1 GG Nachteilige Gesetzänderungen, die Förderungsansprüche betreffen, die für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum gesetzlich festgeschrieben wurden, könnten gegen das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen. Dann müsste der Schutzbereich eröffnet und der Eingriff durch den Gesetzgeber dürfte nicht gerechtfertigt sein. Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Eigentum einer Person, welches aus der Summe aller vermögenswerten Rechtspositionen besteht, „die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben darf“24. Auch vermögenswerte subjektiv-öffentliche Rechte unterliegen dem Eigentumsschutz, soweit sie dem Inhaber eine Rechtsposition verschaffen, die der eines Eigentümers entspricht.25 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind diese jedenfalls dann vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst, wenn sie sich als „Äquivalent eigener Leistung“26 erweisen und sich das subjektiv-öffentliche Recht „eigentumsähnlich verfestigt“27 hat. Rechtsstellungen und Ansprüche, die im öffentlichen Interesse geschaffen oder nur in Wahrnehmung sozialer Fürsorge zugeteilt worden sind, fallen dagegen nicht unter den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG.28 Staatlichen Subventionen kommt mangels Eigenleistung somit grundsätzlich kein Eigentumsschutz zu.29 Bei den Förderansprüchen aus dem EEG besteht die Besonderheit, dass die gesetzlich festgelegten Einspeisevergütungen von den Netzbetreibern an die Anlagenbetreiber gezahlt werden, wobei der Netzbetreiber verpflichtet ist, eine staatlich vorgegebene Vergütung für den gelieferten Strom aus erneuerbaren Energien zu zahlen. Der Staat greift mit den gesetzlichen Regelungen in privatrechtliche Austauschverhältnisse ein.30 Nach herrschender Meinung handelt es sich hierbei um keine 24 BVerfGE 83, S. 201 ff. (S. 209); siehe auch Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 86. EL Januar 2019, Art. 14 Rn. 160 mit weiteren Nachweisen. 25 Statt vieler: Axer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 41. Edition Stand: 15.02.2019, Art. 14 Rn. 56. 26 BVerfGE 72, S. 175 ff. (S. 193), Hervorhebung nur hier. 27 BVerfGE 45, S. 142 ff. (S. 170), Hervorhebung nur hier. 28 Wendt, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 14 Rn. 33 mit weiteren Nachweisen. 29 Axer (Fn. 25), Rn. 61. 30 Ausführlich dazu: Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage?, 2009, S. 18 f., https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/Hintergrundinformationen/eeg_verguetung .pdf?__blob=publicationFile&v=4 (letzter Abruf 08.07.2019), S. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 7 staatliche Subvention.31 In der Literatur wird daher vertreten, dass die Abnahme- und Vergütungsansprüche aus dem EEG vom Eigentumsschutz umfasst seien.32 Zwar schütze Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht die mit einer gewerblichen Tätigkeit verbundenen Erwerbschancen oder Verdienstmöglichkeiten , sondern nur das bereits Erworbene, d.h. solche Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen. Die Gewährungen des EEG würden sich aber von markttypischen Erwartungen und Chancen dadurch unterscheiden, dass das Gesetz die wirtschaftlichen Chancen im Umfang des Abnahme- und Vergütungsanspruches aus dem tendenziell unwägbaren Bereich unternehmerischen Risikos herausnehme. Unsichere Erwartungen würden damit in einen verbindlichen gesetzlichen Anspruch umgewandelt.33 Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob der Vergütungsanspruch aus dem EEG als solcher oder in Verbindung mit dem Eigentum an den Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie von Art. 14 I GG geschützt wird, bislang offen gelassen.34 Die Frage muss auch hier nicht entschieden werden. Selbst wenn man den Schutzbereich als eröffnet ansähe, könnte der Eingriff gerechtfertigt sein (siehe dazu die Ausführungen zum Vertrauensschutz unter 4.2.4.). Das Bundesverfassungsgericht hatte über die Vereinbarkeit der 13. AtG-Novelle mit Art. 14 Abs. 1 GG zu entscheiden. In seinen Leitsätzen hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die den Kernkraftwerken 2002 und 2010 durch Gesetz zugewiesenen Elektrizitätsmengen keinen selbständigen Gegenstand des Eigentumsschutzes bildeten, aber als maßgebliche Nutzungsrechte am Eigentumsschutz der Anlagen teilhaben würden und der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG daher betroffen sei. Die Reduzierung der Laufzeitverlängerungen stelle eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, an deren Verhältnismäßigkeit gesteigerte Anforderungen zu stellen seien35 (siehe dazu die Ausführungen zum Vertrauensschutz unter 4.2.4.). 4.1.2. Berufsfreiheit, Art. 12 GG Die Streichung von gesetzlichen Förderansprüchen könnte die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. Dann müsste zunächst der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet sein. Unter Beruf ist jede erlaubte Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.36 Die Berufsfreiheit entfaltet ihre Schutzwirkung allerdings nur gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder die zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben.37 31 Zur rechtlichen Einordnung der Einspeisevergütung siehe auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Streichung des „Gülle-Bonus“ im EEG vom 28.03.2013, WD 3 - 3000 - 048/13. 32 Siehe Klinski (Fn. 30), S. 22 f. und Scholz/Moench/Herz, Verfassungs- und europarechtliche Grundsatzfragen einer EEG-Reform, 2014, S. 55 ff. 33 Vgl. Klinski (Fn. 30), S. 22 f. 34 BVerfGE 122, S. 374 ff., (Rn. 41); BVerfG, Beschluss v. 20.09.2016, NVwZ 2017, S. 702 ff. (S. 702). 35 BVerfGE 143, S. 246 ff. 36 BVerfG, Urteil v. 17.02.1998, NJW 1998, S. 1627 ff. (S. 1627). 37 Ebenda, S. 1628. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 8 Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet den einzelnen Marktteilnehmern jedoch nicht den Bestand von existierenden Rahmenbedingungen am Markt. Das Bundesverfassungsgericht geht vielmehr davon aus, dass die Änderung der bestehenden „Wettbewerbsbedingungen“ möglich sei, sodass jedenfalls aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ein „Anspruch auf eine erfolgsreiche Marktteilhabe oder auf künftige Erwerbsmöglichkeiten“ abgeleitet werden könne.38 Im Hinblick auf nachteilige Änderungen der durch das EEG gewährten Förderansprüche wird in der Literatur vertreten, dass Art. 12 GG betroffen sein kann. Klinski weist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin, wonach staatliche Maßnahmen der Wettbewerbsregulierung die Möglichkeiten der Berufsausübung beeinflussen und deshalb als Beeinträchtigung der Berufsfreiheit zu erachten seien.39 Da die Reduzierung eines ursprünglich gewährten Förderanspruches die Position der zuvor begünstigten Anlagenbetreiber am Markt verschlechtere, habe sie eine objektiv berufsregelnde Tendenz und greife insoweit in die Berufsfreiheit ein.40 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. Auch hier wäre eine Rechtfertigung des Eingriffs denkbar, soweit eine Verhältnismäßigkeitsprüfung das Überwiegen von Allgemeinwohlbelangen gegenüber den Interessen der Anlagenbetreiber ergeben würde (vgl. dazu die Ausführungen unter 4.2.4). In seinem Urteil zur 13. AtG-Novelle hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Regelungen zum Atomausstieg nicht nur die Eigentumsrechte an den Atomanlagen einschränken, sondern auch mittelbar in die Berufsfreiheit eingreifen würden und daher auch an Art. 12 GG zu messen seien.41 4.2. Vereinbarkeit mit dem Vertrauensschutz, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG Eine Änderung von Förderansprüchen könnte gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, der das Vertrauen des Bürgers in die Kontinuität von Recht im Sinne individueller Erwartungssicherheit schützt.42 Beschränkungen können sich dann ergeben, wenn durch die Änderungen bestehende schutzwürdige Rechtspositionen der Normadressaten nachteilig verändert werden.43 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist gesetzlich nicht geregelt, wird aber aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitet und weist auch eine spezifische grundrechtliche Ausprägung auf, sodass das Problem der Rückwirkung vor allem als Frage der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen angesehen werden kann.44 38 BVerfG, NVwZ 2007, S. 1168 ff. (S. 1169). 39 BVerfGE 46, S. 120 ff. (S. 137 f.); Klinski (Fn. 30), S. 23. 40 Vgl. Klinski (Fn. 30), S. 24; Scholz/Moench/Herz (Fn. 32), S. 79 f.; siehe auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags (Fn. 2), S. 9 f. 41 BVerfGE 143, S. 246 ff. (Rn. 390). 42 Schulze-Fielitz, in: Dreier, (Fn. 16), 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 147. 43 Vgl. Schwarz, Rückwirkung von Gesetzen, JA 2013, S. 683 (S. 684). 44 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 9 Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung entwickelt:45 4.2.1. Echte Rückwirkung Danach liegt eine echte Rückwirkung vor, „wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift“.46 Solche Gesetze sind grundsätzlich unzulässig , wenn nicht ausnahmsweise zwingende Gründe des Allgemeinwohls oder ein nicht oder nicht mehr vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung gestatten.47 4.2.2. Unechte Rückwirkung Ein Fall der unechten Rückwirkung liegt vor, wenn die neue Rechtsnorm zwar nur für die Zukunft gilt, dabei aber auf „gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet “.48 Die unechte Rückwirkung von Gesetzen ist grundsätzlich zulässig, wenn nicht im Rahmen einer Abwägung der Vertrauensschutz des Gesetzesadressaten die durch den Gesetzgeber verfolgten Ziele überwiegt.49 4.2.3. Einordnung von Förderansprüchen50 Maßgeblich für die Bestimmung der Rückwirkungsart ist die Frage, ob die Reduzierung von Förderansprüchen auf einen bereits abgeschlossenen Lebenssachverhalt einwirkt. Von einer echten Rückwirkung wäre auszugehen, wenn Gesetzesänderungen auf die Reduzierung bereits ausgezahlter Förderungen abzielten und Rückforderungsansprüche gegen die Anlagenbetreiber nach sich zögen.51 45 Siehe nur BVerfGE 11, S. 139 ff. (S. 145 f.); 122, S. 374 ff. (Rn. 64 ff.); 128, S. 90 ff. (Rn. 44 ff.); BVerfG, Beschluss v. 12.11.2015, NVwZ 2016, S. 300 ff. (Rn. 40 ff.); BVerfG, Beschluss v. 20.09.2016, NVwZ 2017, S. 702 ff.; BVerfG, Beschluss v. 12.02.2019, NVwZ 2019, S. 715 ff. (S. 716 f.). 46 BVerfGE 128, S. 90 ff. (Rn. 45); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Fn. 16), Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 156 mit weiteren Nachweisen. 47 BVerfGE 72, S. 200 ff. (S. 258); 135, S. 1 ff. (S. 23 f.); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Fn. 16), Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 158. 48 BVerfGE 30, S. 392 ff. (S. 402 f.); 51, S. 356 ff. (S. 362); 128, S. 90 ff. (Rn. 47); 132, S. 302 ff. (Rn. 43); BVerfG, Beschluss v. 12.11.2015, NVwZ 2016, S. 300 ff. (Rn. 42); BVerfG, Beschluss v. 12.02.2019, NVwZ 2019, S. 715 ff. (S. 717.); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Fn. 16), Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 164. 49 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Fn. 16), Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 168. 50 Ausführlich dazu die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags (Fn. 2). 51 Klinski (Fn. 30), S. 18. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 10 Fraglich ist, wie der Fall zu bewerten ist, wenn gesetzlich garantierte Förderansprüche für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum reduziert werden sollen. Hier kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an. Bei den Gesetzesänderungen des EEG wurden bestehende Förderansprüche grundsätzlich ab einem nach der jeweiligen Gesetzesverkündung liegenden Zeitpunkt reduziert. In der Literatur und Rechtsprechung besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein Sachverhalt in diesem Kontext nicht schon mit der Inbetriebnahme einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder gar der Investition in eine solche abgeschlossen ist, sondern erst mit der Realisierung des laufenden Einspeisevorgangs, also mit der tatsächlichen Lieferung und Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien.52 Da sich die Gesetzesänderungen damit auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte beziehen, handelt es sich in den Beispielen um Fälle unechter Rückwirkung.53 Mit der Frage der Rückwirkung hat sich das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seines Urteils zum Atomausstieg nicht beschäftigt. Die Reichweite des Vertrauensschutzes wurde vielmehr im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 14 Abs. 1 GG abgehandelt. 4.2.4. Verhältnismäßigkeit Die Reduzierung von Abnahme- und Vergütungsansprüchen müsste verhältnismäßig sein. Das ist dann der Fall, wenn der Gesetzgeber ein legitimes Ziel verfolgt, und das Gesetz zur Erreichung des Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Einem Eingriff liegt ein legitimes Ziel zugrunde, wenn die Regelung durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden kann.54 Eine Regelung ist geeignet, wenn sie die Erreichung des Ziels zumindest fördern kann.55 Erforderlich ist eine Regelung dann, wenn es keine gleich wirksame, weniger belastende Regelung gibt.56 Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung gilt es zu prüfen, ob die Maßnahme nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht. Dies ist im Wege einer Abwägung zu ermitteln. Das Interesse des Gesetzgebers an der Neuregelung müsste das Interesse der Betroffenen an der Beibehaltung der alten Regelung überwiegen.57 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht dem Gesetzgeber bei der Änderung von Förderansprüchen ein großer Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu,58 wie 52 Scholz/Moench/Herz (Fn. 32), S. 38 f.; Klinski (Fn. 30), S. 18 f. 53 BVerfG, Beschluss v. 20.09.2016, NVwZ 2017, S. 702 ff. (S. 703); offen gelassen bei BVerfG, Beschluss v. 23.09.2010, NVwZ-RR 2010, S. 905 ff. (S. 906) und BVerfG, Beschluss v. 12.02.2019, NVwZ 2019, S. 715 ff. (S. 717). 54 Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 21), Art. 12 Rn. 125. 55 Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Fn. 24), Art. 20 (VII. Art. 20 und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit) Rn. 112. 56 Ebenda Rn. 113. 57 Statt vieler: Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 21), Art. 20 Rn. 314; Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Fn. 24), Art. 20 (VII. Art. 20 und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit) Rn. 117. 58 Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Fn. 24), Art. 20 (VII. Art. 20 und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit) Rn. 120. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 11 anhand von zwei Beispielen aufgezeigt werden soll. Letztlich ist dies eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. 4.2.4.1. Einführung eines „atmenden Deckels“ in das EGG, BVerfG, Beschl. v. 12.2.2019 – 1 BvR 2914/17 Das Bundesverfassungsgericht hatte über eine Verfassungsbeschwerde zu entscheiden, die sich gegen die durch das EEG 2017 eingefügte Absenkung der für die Berechnung des Zahlungsanspruchs anzulegenden Werte („atmender Deckel“) wendete. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die betreffende Vorschrift, § 46 a EEG 2017, die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten nicht verletze. Das Bundesverfassungsgericht führte weiter aus, dass bei der Kürzung gesetzlicher Förderansprüche höhere Anforderungen an das Interesse der Allgemeinheit zu stellen seien, da durch die garantierte Förderdauer von 20 Jahren ein besonderer Vertrauenstatbestand für die Betreiber von EEG-geförderten Anlagen geschaffen worden sei.59 Es machte aber auch deutlich, dass, wenn sich die Zusage über einen so langen Zeitraum erstrecke, „nicht jegliche Randkorrektur der Gewährungsbedingungen aus[geschlossen ist], sofern sie sich auf ein berechtigtes öffentliches Interesse stützen kann, die Garantie im Kern unberührt lässt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen nicht unangemessen zurücksetzt“60. 4.2.4.2. 13. AtG-Novelle, BVerfG, Urteil v. 06.12.2016 – 1 BvR 2871/11 (BVerfGE 143, S. 246 ff.) Mit Urteil vom 06.12.2016 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Gesetz zum beschleunigten Atomausstieg (13. AtG-Novelle) im Wesentlichen verfassungskonform ist. Es hat ausgeführt, dass die Bestimmungen der 13. AtG-Novelle im Wesentlichen den Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums genügen würden. Da aber konkrete Eigentumspositionen entzogen würden, ohne der Güterbeschaffung zu dienen, seien gesteigerte Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu stellen. Mit der Beschleunigung des Atomausstiegs durch die 13. AtG-Novelle verfolge der Gesetzgeber das Ziel, Leben und Gesundheit der Bevölkerung sowie die natürlichen Lebensgrundlagen, und damit Gemeinwohlbelange von hohem Wert, zu schützen. Die Streichung der mit der 11. AtG-Novelle zugeteilten Zusatzstrommengen und die Einführung fester Abschalttermine für alle Kernkraftwerke seien auch geeignet, die endgültige Beendigung der Kernenergie schneller als nach der bisherigen Rechtslage gesichert herbeizuführen. Es sei kein weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber anstelle der Regelungen der 13. AtG-Novelle hätte ergreifen können, um die Beschleunigung des Atomausstiegs und eine Verringerung des Restrisikos gleich wirksam zu erreichen. Die Regelungen würden sich weitgehend, aber nicht in allen Punkten „als eine zumutbare und dabei auch die Anforderungen des Vertrauensschutzes und des Gleichbehandlungsgebots wahrende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums“61 erweisen. Die Schutzwürdigkeit der betroffenen Eigentumspositionen sei mehrfach eingeschränkt. Die mit der 13. AtG-Novelle verfolgten Gemeinwohlbelange seien von hohem Wert und in der konkreten Umsetzung der Rücknahme der Laufzeitverlängerung von 2010 von großem Gewicht. Der Gesetzgeber habe einen weiten Entscheidungsspielraum . Ob und unter welchen Bedingungen er eine Hochrisikotechnologie wie die friedliche 59 BVerfG, Beschluss v. 12.02.2019, NVwZ 2019, S. 715 ff. (S. 717); siehe dazu auch BVerfG, Beschluss v. 20.09.2016, NVwZ 2017, S. 702 ff. (S. 703). 60 BVerfG, Beschluss v. 12.02.2019, NVwZ 2019, S. 715 ff. (S. 717). 61 BVerfGE 143, 246 ff. (Rn. 291). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 153/19 Seite 12 Nutzung der Kernenergie zulasse, sei bei hinreichender Kenntnis der bestehenden Risiken zuerst eine politische Entscheidung, die der Gesetzgeber wesentlich auch von der Akzeptanz dieser Technologie in der Gesellschaft abhängig machen dürfe. Insofern sei er nicht grundsätzlich gehindert, eine ursprünglich zugunsten der Nutzung der Kernenergie getroffene Entscheidung für die Zukunft zu ändern, selbst wenn keine substanziell neuen Erkenntnisse über deren Gefährlichkeit und Beherrschbarkeit vorlägen. Die Streichung der 2010 gewährten Zusatzmengen hält das Bundesverfassungsgericht für verhältnismäßig. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings beanstandet, dass die Regelungen dazu führten, dass zwei Beschwerdeführerinnen angesichts der gesetzlich festgelegten Restlaufzeiten ihrer Anlagen substantielle Teile ihrer durch das Ausstiegsgesetz von 2002 zugewiesenen Reststrommengen nicht konzernintern ausnutzen könnten. Die im Jahr 2002 zugewiesenen Reststrommengen seien Teil einer Übergangsvorschrift. Die Änderung einer solchen Übergangsvorschrift, die der Gesetzgeber aus Vertrauensschutzgründen erlassen habe, sei generell nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Mit einer solchen Regelung habe der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen. Um sie vorzeitig aufzuheben oder zum Nachteil der Betroffenen zu ändern, genüge es nicht, dass sich die politische Bewertung der damit in Kauf genommenen Gefahren, Risiken oder Nachteile für die Allgemeinheit geändert habe. Es müssten darüber hinaus schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sein, falls die geltende Übergangsregelung bestehen bleibe. Solche Nachteile konnte das Bundesverfassungsgericht nicht feststellen. Es hielt die Inhaltsund Schrankenbestimmung des Eigentums durch die 13. AtG-Novelle in diesem Punkt daher für unzumutbar. Das Bundesverfassungsgericht monierte zudem, dass die 13.AtG-Novelle keine Übergangsfristen-, Entschädigungsklauseln oder sonstige Ausgleichsregelungen für Investitionen vorsehe, die im berechtigten Vertrauen auf die im Jahr 2010 zusätzlich gewährten Stromerzeugungskontingente vorgenommen wurden. Auch dies verstoße gegen den Eigentumsschutz aus Art. 14 GG. Die festgestellten Verstöße würden nicht zur Nichtigkeit der betreffenden Vorschrift führen, sondern lediglich zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz, verbunden mit einer Fortgeltungsanordnung bis zu einer Neuregelung. Dies sei anzeigt, weil dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen würden, die Verfassungsverstöße zu beseitigen.62 5. Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Gesetzgeber gesetzlich festgeschriebene Förderansprüche für die Zukunft grundsätzlich reduzieren kann. Der Gesetzgeber hat insoweit einen großen Beurteilungs -, Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Im Einzelfall hat er den Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie die Grundrechte der betroffenen Anlagenbetreiber zu beachten und berechtigtes Vertrauen durch Übergangsregelungen oder Ausgleichszahlungen zu schützen. *** 62 BVerfGE 143, S. 246 ff.