© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 153/16 Zur Einrichtung eines Ministeriums für Migration und Integration auf Bundesebene Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 2 Zur Einrichtung eines Ministeriums für Migration und Integration auf Bundesebene Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 153/16 Abschluss der Arbeit: 07.06.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Ministerien für Migration und/oder Integration in EU- Mitgliedstaaten, in den USA und Kanada 4 2.1. Belgien 5 2.2. Österreich 5 2.3. Dänemark 6 2.4. Luxemburg 6 2.5. Schweden 7 2.6. USA und Kanada 8 3. Integrationsministerien in deutschen Bundesländern 8 3.1. Baden-Württemberg 8 3.2. Rheinland-Pfalz 9 3.3. Berlin 10 3.4. Nordrhein-Westfalen 11 3.5. Thüringen 11 4. Ministerium für Migration und Integration auf Bundesebene 12 4.1. Organisationsmodelle 12 4.2. Organisationsgewalt des Bundeskanzlers 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 4 1. Einleitung Ein Ministerium für „Migration und Integration“ gibt es auf Bundesebene derzeit nicht. Die mit diesen Themen verbundenen Aufgaben verteilen sich vielmehr auf die einzelnen Fachministerien. Hervorzuheben sind insoweit das Bundesministerium des Innern, das Migrationsthemen, insbesondere das Asyl- und Aufenthaltsrecht und Integrationsthemen behandelt,1 sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das für die soziale Sicherung und die Arbeitsmarktintegration (auch) von Migranten zuständig ist.2 Aber auch die anderen Bundesministerien weisen in ihrem Geschäftsbereich einzelnen Einheiten Migrations- und Integrationsthemen zu.3 Hinzu kommt die Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, die als Staatsministerin beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist.4 Vor diesem Hintergrund wird die Frage gestellt, ob die Einrichtung eines Bundesministeriums für Migration und Integration in Betracht kommt. Zur konzeptionellen Annäherung sollen – soweit vorhanden – entsprechend bezeichnete Ministerien von (Bundes-)Regierungen anderer EU-Mitgliedstaaten, der USA und Kanadas herangezogen und in ihrer Grobstruktur erläutert werden. Ferner wird darum gebeten, die auf Landesebene eingerichteten Integrationsministerien, insbesondere die von Berlin und Nordrhein-Westfalen zu berücksichtigen. 2. Ministerien für Migration und/oder Integration in EU-Mitgliedstaaten, in den USA und Kanada Angesichts der Kürze der Bearbeitungszeit kann eine Anfrage bei den ausländischen Parlamentsdiensten zum Ressortzuschnitt und zu den rechtlichen Grundlagen nicht erfolgen, so dass sich die Ausführungen auf eine Auswertung der im Rahmen einer Internetrecherche ermittelten Informationen beschränken. Die Ressortbezeichnung „Migration“ und/oder „Integration“ wird in den EU-Mitgliedstaaten von einigen Ministerien geführt. 1 Vgl. dazu die Aufgabenzuweisungen an die Abteilung M (Migration, Flüchtlinge und Europäische Harmonisierung ) und den Stab GZ (Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration) nach dem Organigramm des Bundesministeriums des Innern, abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Ministerium /PDF_Organigramm_BMI.pdf?__blob=publicationFile. 2 Vgl. dazu die Aufgabenzuweisungen an die Unterabteilung II a (Grundsatzfragen der Migrations- und Ausländerpolitik ) und die Projektgruppe für soziale Sicherheit und Migration nach dem Organigramm des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, abrufbar unter: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema- Ministerium/bmas-organigramm.pdf;jsessionid=CD93C2D96F668737305CD9F385DB8A47?__blob=publication- File&v=5. 3 Vgl. nur die die Aufgabenzuweisung an das Referat 501 (Chancengerechtigkeit, Integration, Jugendsozialarbeit) nach dem Organigramm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Internetredaktion/Pdf-Anlagen/pdf-organigramm sowie das vom BMFSFJ initiierte Bundesprogramm "Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration", abrufbar unter: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Kinder-und-Jugend/kinderbetreuung.html. 4 Die Einrichtung eines Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration durch die Bundesregierung ist in § 92 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorgesehen. Die Aufgaben sind in § 93 AufenthG näher ausgestaltet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 5 2.1. Belgien In Belgien wurden im Jahr 2000 die Ministerien in Föderale öffentliche Dienste („services publics fédéraux“) umbenannt.5 Der Begriff des Ministers wurde jedoch beibehalten. Einen Föderalen Öffentlichen Dienst, der den Aufgabenbereich Integration oder Migration in seinem Namen trägt, hat die belgische Regierung nicht. Allerding gibt es einen Minister der Mittelständischen, der Selbstständigen, der kleinen und mittelständischen Unternehmen, der Landwirtschaft und der sozialen Integration („Ministre des Classes moyennes, des Indépendants, des PME (petites et moyennes entreprises), de l'Agriculture, et de l'Intégration sociale“).6 Dieser Minister ist hinsichtlich seines Geschäftsbereichs „soziale Integration“ für den öffentlichen Programmierungsdienst Sozialeingliederung , Armutsbekämpfung und Sozialwirtschaft („services publics de programmation Intégration sociale, Lutte contre la pauvreté et Economie sociale“) zuständig.7 Den öffentlichen Programmierungsdiensten wiederum kommt die Aufgabe zu, die Föderalen öffentlichen Dienste zu unterstützen, indem sie sich mit besonders wichtigen Querschnittmaterien der Föderalen öffentlichen Dienste beschäftigen.8 Ob der Minister für soziale Integration über weitere Zuständigkeiten verfügt, kann von hier aus nicht beurteilt werden. 2.2. Österreich Die Organisation der österreichischen Bundesregierung ist im Bundesgesetz über die Zahl, den Wirkungsbereich und die Einrichtung der Bundesministerien (BMG) geregelt.9 Ein Ministerium für Migration sieht das BMG nicht vor. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BMG gehört zu den Bundesministerien im Sinne des Art. 77 der österreichischen Verfassung aber das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres.10 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BMG i.V.m. Teil 2 der Anlage zum BMG sind diesem Ministerium in Bezug auf die Integration insbesondere folgende Bereiche zugewiesen: – Angelegenheiten der gesellschaftlichen Integration und des Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, 5 Siehe dazu die Angaben unter: http://www.belgium.be/de/ueber_belgien/staat/foederale_obrigkeit/foederale _und_programmatorische_verwaltung. 6 Siehe dazu die Angaben unter: http://www.belgium.be/fr/la_belgique/pouvoirs_publics/autorites_federales/gouvernement _federal/composition_gouvernement/. 7 Entsprechend Informationen sind abrufbar unter: http://www.belgium.be/fr/la_belgique/pouvoirs_publics/autorites _federales/gouvernement_federal/composition_gouvernement/index_willy_borsus. 8 Siehe dazu http://www.belgium.be/de/ueber_belgien/staat/foederale_obrigkeit/foederale_und_programmatorische _verwaltung. 9 Das BMG ist abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/Bundesnormen /10000873/BMG%2c%20Fassung%20vom%2003.06.2016.pdf. 10 Für den Bereich Integration bestand vorher ein Integrations-Staatssekretariat beim unter der Leitung des späteren Außenministers Kurz. Zur Kritik der Partei Die Grünen, für die Verlagerung des Bereichs Integration in das Außenministerium seien nicht sachliche, sondern persönliche Gründe ausschlaggebend gewesen, vgl. die Berichterstattung des ORF, abrufbar unter: http://volksgruppen.orf.at/diversitaet/stories/2620271/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 6 – Koordination der allgemeinen Integrationspolitik, – Beiräte und Expertengruppen in Angelegenheiten der Integration, – Förderungen auf dem Gebiet der Integration einschließlich Stiftungen. Die Themen „Aufenthaltsverbot, Ausweisung und Abschiebung; Asyl“ fallen in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Inneres.11 2.3. Dänemark Dänemark hat ein Ministerium für Immigration, Integration and Housing.12 Die Zuständigkeiten umfassen laut Ressortbeschreibung und Organigramm insbesondere folgende Bereiche: Ausländerrecht (u.a. Asyl, Visum, Familienzusammenführung, Staatsangehörigkeit, humanitärer Aufenthalt), Integration von Flüchtlingen und Einwanderern in den Arbeitsmarkt, Bildung, Einführungskurse und Integrationsprogramme, Integrationspolitik, Integrationsanalyse, Verhinderung von Radikalisierungen.13 2.4. Luxemburg In Luxemburg sind die Bezeichnungen der Ministerien und der Minister nicht immer deckungsgleich .14 So ist der Minister für auswärtige und europäische Angelegenheiten zugleich Minister für Immigration und Asyl, das zugeordnete Ministerium wird aber nur als Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten bezeichnet. Keine Abweichung zwischen Minister- und Ministeriumsbezeichnung besteht beim Ministerium für Familie, Integration und die Großregion. Nähere Angaben zur Geschäftsverteilung sind nicht verfügbar. 11 Vgl. die Anlage zum BMG, 2. Teil, H. Nr. 1. 12 Zur Auflistung der Ministerien siehe die Angaben der dänischen Regierung, abrufbar unter: http://www.stm.dk/_a_2820.html. 13 Das nur auf Dänisch verfügbare Organigramm ist abrufbar unter: http://uibm.dk/uibm/organisationsdiagram, die Ressortbeschreibung (dänisch) findet sich unter: http://uibm.dk/uibm. 14 Vgl. dazu die Ressortbezeichnungen auf der Internetseite der luxemburgischen Regierung, abrufbar unter: http://www.luxembourg.public.lu/de/le-grand-duche-se-presente/systeme-politique/institutions-politiques/gouvernement /index.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 7 2.5. Schweden Auch in Schweden weichen die Bezeichnungen der Ministerien von denjenigen der Minister teilweise ab. Das Justizministerium leitet zur Zeit der Minister für Justiz und Migration.15 In Bezug auf Migrationsthemen bestehen folgende Zuständigkeiten: – Gesetzgebungsangelegenheiten zum Migrationsrecht, zur Staatsangehörigkeit, zu bestimmten Themen der Grenzkontrolle (in diesem Rahmen bestehen Zuständigkeiten u.a. für das Ausländergesetz , das Gesetz über die Flüchtlingsaufnahme, das Gesetz über die Gesundheitsleistungen für Asylsuchende und für das Gesetz über die Bezahlung von ausländischen Arbeitnehmern ohne Aufenthaltsrecht in Schweden), – Migrations- und Flüchtlingspolitik (u.a. internationale Kooperation), – Finanzkontrolle im Bereich Migration (u.a. über die schwedische Migrationsbehörde).16 Die Integrationsthemen sind im Ministerium für Arbeit angesiedelt. Das Ministerium für Arbeit wird derzeit von der Ministerin für Arbeit und Integration geleitet17 und umfasst folgende Zuständigkeiten : – allgemeine Koordinierungs-, Steuerungs-, Beobachtungs- und Entwicklungsaufgaben bei der Begleitung von Ausländern, – Aufnahme und Ansiedlung von Flüchtlingen und ihren Familien, – Ausgleichszahlungen für Städte und Gemeinden wegen der Aufnahme von Flüchtlingen und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, – gesellschaftliche Orientierung, – Zulassung von Dolmetschern, – Kreditvergabe für die Wohnungseinrichtung.18 15 Vgl. dazu die Angaben der schwedischen Regierung, abrufbar unter: http://www.government.se/government-ofsweden /. 16 Vgl. dazu die Angaben der schwedischen Regierung, abrufbar unter: http://www.government.se/government-ofsweden /ministry-of-justice/organisation/. 17 Vgl. dazu die Angaben der schwedischen Regierung, abrufbar unter: http://www.government.se/government-ofsweden /. 18 http://www.government.se/government-of-sweden/ministry-of-employment/organisation-of-the-ministry-ofemployment /. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 8 2.6. USA und Kanada Ein Ministerium, das unter der Bezeichnung Ministerium für Migration und/oder Ministerium für Integration eingerichtet ist, gibt es in der US-Regierung nicht.19 Zum kanadischen Ministerium für Immigration, Refugees and Citizenship ist – soweit ersichtlich – keine allgemeine Ressortbeschreibung verfügbar. Anhaltspunkte bieten aber die Mandate Letters des Premierministers, die an die einzelnen Minister gerichtet sind und die prioritär wahrzunehmenden Aufgaben festlegen. Aus dem Mandate Letter an den Minister für Immigration, Refugees and Citizenship ergeben sich – entsprechend der Ressortbezeichnung – Zuständigkeiten für das Aufenthaltsrecht (Visa, Familiennachzug etc.), das Flüchtlingsrecht (Aufnahmeprogramm für 25.000 syrische Flüchtlinge, Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten) und für Fragen der Staatsangehörigkeit . Der Mandate Letter weist dem Minister für Immigration, Refugees and Citizenship ferner Aufgaben der sozialen Absicherung von Flüchtlingen zu („temporary health benefits to refugees and refugee claimants“).20 Eine besondere Zuständigkeit für die soziale Integration von Ausländern oder für ihre Integration in den Arbeitsmarkt lässt sich dem Mandate Letter an den Minister für Immigration, Refugees and Citizenship nicht entnehmen. Auch die an die übrigen Minister gerichteten Mandate Letters enthalten keine Hinweise auf besondere Zuständigkeiten für die Integration von Ausländern. Ob sich eine solche aus anderen Rechtsakten ergibt, kann von hier aus nicht beurteilt werden. 3. Integrationsministerien in deutschen Bundesländern In zahlreichen Bundesländern wurden Integrationsministerien eingerichtet.21 Seit dem Jahr 2007 kooperieren die Länder im Rahmen der Integrationsministerkonferenz.22 3.1. Baden-Württemberg Hervorzuheben ist zunächst das Ministerium für Integration von Baden-Württemberg, das im Jahr 2011 als eigenständiges Ministerium geschaffen wurde, von der jetzigen Landesregierung aber so nicht mehr weitergeführt wird.23 Die Zuständigkeiten umfassten 19 Siehe dazu die Auflistung der Departments unter: https://www.whitehouse.gov/administration/cabinet. 20 Vgl. den Ministeral Mandate Letter des kanadischen Premierministers Trudeau an Mc Callum, abrufbar unter: http://pm.gc.ca/eng/minister-immigration-refugees-and-citizenship-mandate-letter. 21 Neben den im Folgenden behandelten ist zu verweisen auf das bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales , Familie und Integration, das hessische Ministerium für Soziales und Integration sowie auf das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration in Sachsen-Anhalt. In Sachsen gibt es eine Staatsministerin für Gleichstellung und Integration beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz. 22 Siehe dazu die Informationen des Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz anlässlich der 16. Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder, abrufbar unter: https://www.thueringen.de/th4/tmmjv/IntMK/aufgaben/index.aspx. 23 Vgl. dazu den Internettauftritt des Integrationsministeriums Baden-Württemberg, abrufbar unter: http://www.integrationsministerium -bw.de/pb/,Lde/Startseite/Ministerium/Zustaendigkeiten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 9 – Grundsatzfragen und Koordinierung der Ausländer-, Migrations- und Integrationspolitik, – Deutschförderung und Mehrsprachigkeit, – interkulturelle Angelegenheiten und interreligiöser Dialog, – Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen, – interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung und Gesellschaft, – Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie Diskriminierung, – emanzipatorische Fragen der Integration, – Staatsangehörigkeit, – Aufnahme und Eingliederung ausländischer Flüchtlinge und Spätaussiedler, – Härtefallkommission, – Förderung der Integration bleibeberechtigter Ausländer, Chancengleichheit und Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund, – Integrationsmonitoring und Integrationsforschung und – Förderung der Integration gemäß den §§ 43 bis 45 Aufenthaltsgesetz.24 Nach der Neustrukturierung fallen die Integrationsaufgaben dem Ministerium für Soziales und Integration zu und die vom Integrationsministerium bisher wahrgenommenen migrationspolitischen Aufgaben gehen auf das Innenministerium über, das die Bezeichnung „Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration“ trägt.25 Die neue Landesregierung hat dann getrennte Ministerien für Integration und Migration. 3.2. Rheinland-Pfalz Das von der Vorgängerregierung eingerichtete Integrationsministerium in Rheinland-Pfalz ist nun ebenfalls in ein anderes Ministerium, nämlich dem Ministerium für Familie, Frauen, Jugend 24 Siehe den Internetauftritt des früheren Ministeriums für Integration Baden-Württemberg, abrufbar unter: http://www.integrationsministerium-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Ministerium/Zustaendigkeiten. 25 Zur neuen Abgrenzung der Geschäftsbereiche vgl. die Ausführungen vom Ministerpräsidenten Baden-Württembergs im Landtag, Plenarprotokoll 16/3: „Viertens: Das Integrationsministerium wird aufgelöst. Sein Geschäftsbereich geht hinsichtlich der die Integration betreffenden Zuständigkeiten auf das Sozialministerium über. Dieses erhält daher die Bezeichnung ‚Ministerium für Soziales und Integration‘. Fünftens: Aus dem Geschäftsbereich des Integrationsministeriums gehen die Zuständigkeiten für die Migration auf das neu bezeichnete Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration über.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 10 und Verbraucherschutz eingegliedert. Es zeichnet sich aber durch die Besonderheit aus, dass es neben den Integrationsaufgaben („Förderung der Integration der Migrantinnen und Migranten in Rheinland-Pfalz“) auch die Zuständigkeiten für das Ausländerwesen besitzt, § 7 der Anordnung über die Geschäftsverteilung der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 12.11.2014. An dieser Geschäftsverteilung hält die neue Landesregierung – soweit ersichtlich – fest.26 3.3. Berlin Im Berliner Senat ist die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen u.a. für folgende Bereiche zuständig: – Angelegenheiten des/der Beauftragten des Senats für Integration und Migration; Angelegenheiten der Integrations- und Migrationspolitik von grundsätzlicher oder übergreifender Bedeutung ; Konzeption der Integrations- und Migrationspolitik; Koordinierung der Umsetzung und Berichterstattung zum Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG); Entwicklung und Steuerung des Integrationsmonitorings zur Umsetzung der Integrationskonzepte des Senats; Koordinierung der Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung der Verwaltungen nach § 4 PartIntG; Förderung der Willkommenskultur, – Förderung ressortübergreifender Integrationsprojekte zum Abbau von Integrationshemmnissen und zur strukturellen Verbesserung der Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund ; Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten; Durchführung ressortübergreifender Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit zur Integrations- und Migrationspolitik; Rückkehrhilfe für einkommensschwache ausländische Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen ; Konzeption der Sozialdienste für Migrantinnen und Migranten; Geschäftsstelle der Konferenz der Berliner Integrationsbeauftragten, – Geschäftsstelle des Landesbeirates für Integrations- und Migrationsfragen nach § 6 PartIntG; Führen der Liste der wahlberechtigten Migrantenvereine nach § 6 Absatz 4 PartIntG, – Förderung ressortübergreifender Projekte zur Stärkung von Toleranz, Weltoffenheit und kultureller Vielfalt; Landesprogramm zur Förderung von Demokratie, der Bekämpfung des Rechtsextremismus, des Rassismus und des Antisemitismus; Berliner Ratschlag für Demokratie gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus; Geschäftsstelle des Berliner Islamforums.27 Die Zuständigkeiten für den Bereich Migration beschränken sich auf Angelegenheiten der Migrationspolitik . Für „Grundsatzangelegenheiten des Ausländer- und Asylrechts sowie der Ausländerpolitik, 26 Vgl. dazu den Beschluss des Ministerrats vom 18.5.2016 zur Anordnung über die Geschäftsverteilung der Landesregierung Rheinland-Pfalz, abrufbar unter: http://tpp.rlp.de/fileadmin/tppi-documents/01_ministerratsbeschluesse /ministerratssitzung_am_18._mai_2016/top_01_anordnung_ueber_die_geschaeftsverteilung_der_landesregierung _rheinland_pfalz_vom_18._mai_2016.pdf. 27 Die Geschäftsverteilung durch den Regierenden Bürgermeister ist abrufbar unter: https://www.berlin.de/rbmskzl /regierender-buergermeister/senat/geschaeftsverteilung/#arbeit, dort unter III., Nr. 1-4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 11 Einzelangelegenheiten des Ausländerrechts“ ist die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zuständig .28 3.4. Nordrhein-Westfalen Das nordrhein-westfälische Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales hat u.a. folgende Zuständigkeiten: – Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte einschließlich der Eingliederung von Vertriebenen und Flüchtlingen, Recht der Integration (soweit die Zuständigkeit nicht anderen Ministerien zugewiesen ist), Integrationsbeauftragter und – Dialog mit dem Islam (außer islamischer Religionsunterricht).29 In die Zuständigkeit des Ministeriums für Inneres und Kommunales fallen die „Ausländer- und Asylangelegenheiten (soweit die Zuständigkeit nicht anderen Ministerien zugewiesen ist)“ sowie das Staatsangehörigkeitswesen.30 Das nordrhein-westfälische Integrationsministerium ähnelt damit in Bezug auf die Abgrenzung zum Ausländerwesen und der Verknüpfung mit dem Arbeitsministerium dem Berliner Modell. 3.5. Thüringen In Thüringen gibt es ein Migrationsministerium, das als Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz für folgende Bereiche zuständig ist: – Ausländer- und Asylrecht, ausländische Flüchtlinge, (Spät-)Aussiedler, Migrations- und Integrationsangelegenheiten.31 Eine weitere Zuständigkeit für das Ausländer- und Asylrecht beim Innenministerium besteht nicht. In seiner umfassenden, d.h. Integrations- und Asyl- und Ausländerangelegenheiten einbeziehenden Ausrichtung ähnelt das Migrationsministerium dem Modell von Rheinland-Pfalz. Die Besonderheit besteht hier in der Angliederung an das Justizministerium und der Bezeichnung als Migrationsministerium. 28 Geschäftsverteilung durch den Regierenden Bürgermeister (Fn. 27), dort unter VII, Nr. 8. 29 Neufassung der Geschäftsbereiche der obersten Landesbehörden nach der Bekanntmachung vom 25. 03. 2011, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail _text?anw_nr=6&vd_id=12656&ver=8&val=12656&sg=&menu=1&vd_back=N, dort Nr. 7. 30 Neufassung der Geschäftsbereiche (Fn. 29), dort Nr. 5.4. und 5.5. 31 Siehe den Beschluss der Thüringer Landesregierung vom 31. 03.2015 zur Zuständigkeit der einzelnen Ministerien nach Artikel 76 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen, GVBl. 2015, 10, 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 12 4. Ministerium für Migration und Integration auf Bundesebene 4.1. Organisationsmodelle Ausweislich der dargestellten Ministerien für Migration und/oder Integration kommen zahlreiche Organisationsmodelle in Betracht. Bei der Konzeption von Migrations- und/oder Integrationsministerien stellen sich insbesondere zwei Grundfragen: – Welche bisher von anderen Ministerien wahrgenommen Integrations- und Migrationsbereiche sollen verselbständigt werden und ein eigenes Ressort begründen? – Sollen diese verselbständigten neuen Ressorts an ein oder mehrere andere Ministerien angegliedert oder von einem eigenständigen Ministerium wahrgenommen werden? Das Ausmaß der Verselbständigung von Migrations- und Integrationsthemen in den vorgestellten Ministerien variiert von – „Teillösungen“, die – wie z.B. in Österreich – Teilbereiche der Integration (gesellschaftliche Integration, allgemeine Integrationspolitik, Integrationsförderung) zu einem Ressort zusammenführen , bis hin zu – „umfassenden Lösungen“, die – wie in Dänemark – Integrationsthemen (gesellschaftliche Integration, Integration in den Arbeitsmarkt, soziale Sicherung) und Migrationsthemen (Ausländer- und Staatsbürgerschaftsrecht) weitgehend zu einem Ressort zusammenfassen. Auch für den Anschluss der Migrations- und Integrationsressorts an andere Ministerien oder für ihre Eigenständigkeit gibt es vielfältige Organisationsmodelle. Die o.g. Integrationsressorts werden beispielsweise an das Außenministerium (Österreich), das Sozialministerium (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen) oder an den Arbeitsministerium (Schweden, Berlin) angegliedert oder – wie im früheren Ministerium für Integration Baden-Württemberg – eigenständig geführt. Für die Migrationsressorts zeigen die o.g. Beispiele eine Angliederung an das Justizministerium (Schweden, Thüringen), an das Innenministerium (Baden-Württemberg) oder eine weitgehende Eigenständigkeit (Kanada). Ob und inwieweit mit der Verselbständigung von Migrations- und Integrationsressorts Effektivitätssteigerungen verbunden sind, lässt sich abstrakt nicht beurteilen. Vielmehr hängt die Effektivität der Aufgabenwahrnehmung von zahlreichen weiteren Bedingungen ab, u.a. vom Ressortzuschnitt und von der Regierungsorganisation im Übrigen (z.B. Geschäftsordnungsregelungen zur Zusammenarbeit zwischen den Ministerien) sowie von der finanziellen Ausstattung.32 32 Von „ineffizienten und unübersichtlichen Strukturen“ im früheren Integrationsministerium Baden-Württemberg spricht der Landtagsabgeordnete Lasotta in einem Interview im Rheinneckarblog vom 16.05.2016, „Integration ist eine Querschnittsaufgabe – das schafft kein isoliertes Ministerium“, abrufbar unter: http://www.rheinneckarblog .de/10/integration-ist-eine-querschnittsaufgabe-das-schafft-kein-isoliertes-ministerium/101976.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 13 Entscheidend sind ferner die konkreten politischen Zielsetzungen. Je nach politischer Schwerpunktsetzung kann die Einrichtung von Migrations- und Integrationsministerien von Bedeutung sein. Schon die Verselbständigung von Migrations- und Integrationsressorts dürfte mit einer politischen Aufwertung dieser Themen verknüpft sein.33 So wurde der Einrichtung des ersten Integrationsministeriums in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005 eine besondere Bedeutung beigemessen: „Diese Entscheidung [erg. über die Verankerung der Querschnittsaufgabe Integration einem Ressort] hat in der Öffentlichkeit und gerade auch bei den Menschen mit Zuwanderungsgeschichte große Aufmerksamkeit und Zustimmung erfahren. Damit wurde für alle sichtbar signalisiert: Integration ist kein Randthema. Integration ist die große gesellschaftliche Zukunftsaufgabe. Integration ist insbesondere mehr als ein Anhängsel der Sozialpolitik, wie dies in der Vergangenheit oft der Fall gewesen ist.“34 Mit der Forderung nach einem umfassenden Migrations- und Integrationsministerium wird darüber hinaus ein Gegensatz zwischen ordnungspolitischem und integrationspolitischem Ansatz in Verbindung gebracht. Die Zusammenfassung von Migrations- und Integrationsthemen, insbesondere die Herauslösung des Ausländer- und Asylrechts aus dem Innenressort, soll Ausdruck einer ganzheitlichen Auffassung des Themenbereichs sein. Zum Modell Rheinland-Pfalz wird beispielsweise wie folgt argumentiert: „Zum ersten Mal in einem deutschen Bundesland wurden die ausländerrechtlichen Bereiche einschließlich der Zuständigkeit für das Ausländerrecht als auch die Einbürgerungsverfahren aus dem Innenressort herausgelöst und mit der Verantwortung für die Umsetzung der Integrationspolitik unter der Federführung eines sozialpolitischen Ressorts zusammengefasst. Mit dieser Zusammenlegung unter sozial orientierter Federführung wurde bewusst und zielgerichtet ein Paradigmenwechsel eingeleitet, der eine Verlagerung der Perspektive von einer vorrangig ordnungspolitischen Sichtweise hin zu einer stärker integrationspolitischen Sichtweise bedeutete. Es handelt sich um eine grundsätzlich andere Organisationsform, die der Integrationspolitik eine ganz andere Durchsetzungskraft verleiht.“35 33 Zur politischen Bedeutung des früheren eigenständigen Ministeriums für Integration in Baden-Württemberg siehe Meier-Braun, Integrationspolitik auf Länderebene: Baden-Württemberg im Lichte bundespolitischer Entwicklungen , in: Integrationspolitik im internationalen Vergleich, Beiträge zum internationalen Symposium für Integration Baden-Württemberg an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 4.12.2012, abrufbar unter: http://www.integrationsministerium-bw.de/pb/site/pbs-bw/get/documents/mfi/MFI/pdf/2013-08-12-Integrationspolitik %20(2).pdf, 10, 15: „Auf jeden Fall hat das Integrationsministerium eine hohe positive Symbolkraft und unterstreicht die Wertigkeit des Themas in der Landespolitik.“ 34 Laschet (damaliger Integrationsminister Nordrhein-Westfalens), Neue Impulse für das deutsche Integrationsmodell , ZAR 2007, 1 ff., 4. 35 Weiss, Integrationspolitik in den Bundesländern – Brandenburg und Rheinland-Pfalz im Vergleich, in: Integrationspolitik im internationalen Vergleich, Beiträge zum internationalen Symposium für Integration Baden-Württemberg an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 4.12.2012, abrufbar unter: http://www.integrationsministeriumbw .de/pb/site/pbs-bw/get/documents/mfi/MFI/pdf/2013-08-12-Integrationspolitik%20(2).pdf,14, 16. In diesem Sinne auch Cyrus, Irreguläre Migration in Deutschland – Zur Kontroverse zwischen ordnungspolitischer und menschenrechtlicher Sichtweisen, ebda, 62, 65. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 153/16 Seite 14 4.2. Organisationsgewalt des Bundeskanzlers Der Zuschnitt der einzelnen Ressorts fällt in die aus Art. 64 Abs. 1 GG folgende Organisationsgewalt des Bundeskanzlers.36 Entsprechend regelt § 9 S. 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung, dass der Geschäftsbereich der einzelnen Bundesminister in den Grundzügen durch den Bundeskanzler festgelegt wird. In der Praxis legt der Bundeskanzler den Ressortzuschnitt durch Organisationserlass fest.37 Bei der Ausübung der Organisationsgewalt ist zu berücksichtigen, dass einige Ressorts durch Aufgabenzuweisungen im Grundgesetz vorgegeben sind. Dazu gehört neben dem Bundesminister der Finanzen (Art. 108 Abs. 3 S. 2, Art. 112 und Art. 114 Abs. 1 GG) der Bundesjustizminister (Art. 96 Abs. 2 S. 4 GG) und der Bundesminister für Verteidigung (Art. 65a GG). Folglich muss der Bundeskanzler diese Minister im Rahmen der Regierungsbildung vorsehen. Für den weiteren Zuschnitt der einzelnen Ressorts bestehen darüber hinaus keine rechtlichen Vorgaben. Ende der Bearbeitung 36 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG (Loseblatt-Slg., Stand: Mai 2008), Rn. 2 ff. zu Art. 64; Oldiges, in: Sachs, GG (7. Aufl., 2014), Rn. 24 ff. zu Art. 64 Rdnr. 24 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen. 37 Beispielhaft sei auf den Organisationserlass der Bundeskanzlerin vom 17. 12. 2013, BGBl. I, 4310, verwiesen. Siehe auch Busse, Geschäftsordnung Bundesregierung (2. Aufl., 2014), Rn. 2 ff. zu § 9.