© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 152/16 Vereinbarkeit eines Richtervorbehalts für unterbringungsähnliche Maßnahmen gegenüber Minderjährigen mit dem Elterngrundrecht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Vergleichbare Diskussion in Bezug auf den Richtervorbehalt in § 1631b BGB 9 2.4.1. Stimmen zur Verfassungswidrigkeit des Richtervorbehalts 9 2.4.2. Stimmen zur Verfassungsmäßigkeit des Richtervorbehalts 10 2.5. Annahme eines Richtervorbehalts für unterbringungsähnliche Maßnahmen gegenüber Minderjährigen nach geltendem Recht und Diskussion der Vereinbarkeit mit dem Elternrecht 11 2.6. Zusammenfassung 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 4 1. Einleitung 1.1. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. August 2013 In einem Beschluss vom 7. August 2013 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die nächtliche Fixierung eines Kindes in einer offenen heilpädagogischen Einrichtung keiner familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.1 Danach können die Eltern die Fixierungsmaßnahmen in Ausübung ihrer elterlichen Sorge selbst genehmigen. Der Bundesgerichtshof begründet seine Entscheidung zum einen damit, dass die Maßnahme nicht dem Genehmigungserfordernis des § 1631b Bürgerliches Gesetzbuch2 (BGB) unterfalle.3 Die Fixierung eines in einer offenen Einrichtung lebenden Kindes stelle keine Unterbringung im Sinne des § 1631b BGB dar. Es gehe bei der Regelung des § 1631b BGB nicht primär um einen Schutz der körperlichen Bewegungsfreiheit und Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit, sondern vielmehr um die Gewährleistung einer sinnvollen Ausübung des Sorgerechts. Der Gesetzgeber habe mit der Schaffung der Vorschrift vermeiden wollen, dass Eltern ein Kind in eine geschlossene Einrichtung verbringen, wenn bei sinnvoller Wahrnehmung des Erziehungsrechts eine Problemlösung auf weniger schwerwiegende Weise erreicht werden könne. Eine gerichtliche Genehmigung sei auch nicht analog § 1906 Abs. 4 BGB erforderlich.4 Nach dieser Vorschrift ist eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich, wenn einem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. Ob die Vorschrift im Kindschaftsrecht analog anzuwenden sei, sei umstritten. Nach Auffassung des Senats sei dies im Ergebnis abzulehnen, da es an der für eine analoge Anwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehle.5 In der Gesetzesbegründung6 werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 1906 Abs. 4 BGB nur für volljährige Betreute gelte und sich die Unterbringung bei Kindern als Teil der Ausübung elterlicher Sorge darstelle. Ferner seien – so der Gesetzgeber – Maßnahmen 1 BGH, Beschluss vom 7. August 2013 – XII ZB 559/11, NJW 2013, S. 2969 ff.; siehe auch die Kritik bei Salgo, in: von Staudinger (Begr.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 4, 2015, § 1631b Rn. 14; ders., Anmerkung zu BGH, Beschluss v. 7.8.2013 – XII ZB 559/11, FamRZ 2013, S. 1719 f.; Engelfried, Eure Elterliche Sorge fesselt mich, Betrifft Justiz 2014, S. 35 ff. 2 § 1631b BGB: „Eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, bedarf der Genehmigung des Familiengerichts. Die Unterbringung ist zulässig, wenn sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich ist und der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen .“ 3 BGH, NJW 2013, S. 2969 (2969). 4 BGH, NJW 2013, S. 2969 (2969 ff.). 5 BGH, NJW 2013, S. 2969 (2970). 6 Siehe BT-Drs. 11/4528, S. 82 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 5 wie etwa das Verschließen der Wohnungstür, das Anbringen von Gittern am Bett eines Kleinkindes usw. übliche und sinnvolle Maßnahmen bei der Ausübung elterlicher Sorge, die nicht einer Genehmigungspflicht unterworfen werden sollten. Soweit die Eltern eines Kindes unterbringungsähnliche Maßnahmen missbräuchlich – insbesondere unter Verstoß gegen das Verbot entwürdigender Erziehungsmaßnahmen – durchführten, böten die Vorschriften des geltenden Rechts (§§ 1666, 1837, 1886 und 1915 BGB) hinreichende Möglichkeiten, hiergegen einzuschreiten. Weiter weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass der Gesetzgeber auch bei weiteren Genehmigungserfordernissen im Betreuungsrecht (zum Beispiel § 1904 BGB – Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen) klargestellt habe, dass diese Regelungen nur volljährige Betreute betreffen würden.7 Schließlich gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich seit der Neuregelung des Betreuungsrechts 1992 mit den zitierten Äußerungen des Gesetzgebers dessen Wille sich mittlerweile dergestalt geändert habe, dass das Genehmigungserfordernis analog anzuwenden sei. Einer analogen Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB stehe außerdem entgegen – so der Bundesgerichtshof –, dass die Situation des Minderjährigen im Kindschaftsrechts nicht vergleichbar sei mit der des Betroffenen im Betreuungsrecht.8 Während ein Betreuer lediglich die rechtliche Verantwortung für seinen Betroffenen besitze, würden Eltern auch die persönliche Verantwortung für ihre Kinder tragen. Die Erziehung des Kindes sei primär in die die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei die Eltern grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen über die Gestaltung der Kindererziehung entscheiden könnten.9 Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruhe auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen würden. Dabei werde sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleide. Der Bundesgerichtshof stellt sodann fest, dass hier der mit einem Genehmigungserfordernis einhergehende Eingriff in das Elterngrundrecht mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig sei.10 Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Kindesschutzes und der Grundrechte des Kindes.11 Das Gesetz biete zur Gewährleistung des Schutzes minderjähriger Kinder mit dem Verbot entwürdigender Erziehungsmaßnahmen in § 1631 Abs. 2 BGB und mit den Regelungen in §§ 1666 ff. BGB (gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls usw.) eine ausreichende Handhabe. Ohne konkrete Anhaltspunkte könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass Eltern ihr Kind in einem pflichtwidrigen Zusammenwirken mit der Heimleitung unterbringungsähnlichen Maßnahmen aussetzten, ohne dass diese erforderlich und verhältnismäßig wären. Abschließend betont der Bundesgerichtshof, dass es dem Gesetzgeber überlassen bleiben müsse, zu entscheiden, ob die Anordnung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts das 7 Siehe BT-Drs. 11/4528, S. 72. 8 BGH, NJW 2013, S. 2969 (2970 f.). 9 Siehe BVerfG (Kammer-Beschluss), NJW 2010, S. 2333 (2334). 10 BGH, NJW 2013, S. 2969 (2971). 11 BGH, NJW 2013, S. 2969 (2971). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 6 geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Mittel sei, Kinder vor ungerechtfertigten unterbringungsähnlichen Maßnahmen zu schützen.12 1.2. Fragestellung Vor dem Hintergrund des eingangs dargestellten Beschlusses des Bundesgerichtshofs wird gefragt, ob die Schaffung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts für unterbringungsähnliche Maßnahmen gegenüber Minderjährigen mit dem Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) vereinbar wäre. Der Vorbehalt soll dabei nach dem Beispiel der Regelung in § 1906 Abs. 4 BGB ausgestaltet sein und gelten, wenn einem Minderjährigen, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. 2. Zur Vereinbarkeit eines Richtervorbehalts mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG 2.1. Schutzbereich und Einschränkbarkeit des Elternrechts Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können die Eltern grundsätzlich frei von staatlichem Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen.13 Ziel, Inhalt und Methoden der elterlichen Erziehung liegen im Verantwortungsbereich der Eltern. Art. 6 Abs. 2 GG schützt damit die Eltern vor staatlichen Eingriffen bei der Ausübung ihres Erziehungsrechts und verbindet dies mit der Verpflichtung, das Wohl des Kindes zur obersten Richtschnur der Erziehung zu machen. Werden Eltern dieser Verantwortung nicht gerecht – weil sie nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Erziehungsaufgabe wahrzunehmen, oder weil ihre eigenen Verfehlungen das Kindeswohl auf Dauer erheblich gefährden – kommt das sog. Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2. S. 2 GG zum Tragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berechtigt nicht jedes Versagen und nicht jede Nachlässigkeit den Staat, die Erziehungsbefugnis der Eltern einzuschränken oder gar auszuschalten.14 Es gehört auch nicht zum Wächteramt des Staates, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Entwicklung des Kindes zu sorgen. Der Staat muss vielmehr stets den Vorrang der elterlichen Erziehung achten und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Die Trennung eines Kindes von seiner Familie nach Art. 6 Abs. 3 GG stellt den stärksten Eingriff in die Rechte von Erziehungsberechtigten dar und kommt nur in besonders schwerwiegenden Fällen in Betracht, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Neben den oben angesprochenen Beschränkungen der Ausübung des Elternrechts gemäß Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowohl 12 BGH, NJW 2013, S. 2969 (2971). 13 Ständige Rechtsprechung, siehe beispielsweise BVerfGE 107, 104 (117), m.w.N. 14 Siehe BVerfGE 107, 104 (117 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 7 kollidierende Grundrechte Dritter als auch andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise im Stande, das Elternrecht einzuschränken.15 2.2. Verhältnis der Kindesgrundrechte zum Elternrecht Das Verhältnis und die Bedeutung der Grundrechte des Kindes in Bezug zum Elternrecht sind noch nicht abschließend geklärt.16 Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Kindesgrundrechte keine verfassungsimmanente Schranke des Elternrechts bilden würden und die „Grundrechtskollision “ als Frage der Schutzbereichsbestimmung des Elternrechts aufzulösen sei.17 Nach anderer Auffassung sei zwar zu berücksichtigen, dass die Grundrechte nicht unmittelbar die Eltern, sondern den Staat verpflichteten. Dennoch könnten sie die Einwirkungs- und Wahrnehmungsrechte der Eltern begrenzen im Sinne einer Gewährleistungsschranke zu Lasten der Eltern.18 Bei Interessenkollisionen zwischen Kindes- und Elternrechten komme den Interessen des Kindes grundsätzlich der Vorrang zu.19 Dies gelte jedenfalls für Rechtspositionen mit „objektivierbarem Inhalt, wie zum Beispiel der Bewegungsfreiheit.20 2.3. Anwendbarkeit des Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern Die Diskussion über das Verhältnis der Kindesgrundrechte zum Elternrecht findet sich in besonderer Form im Zusammenhang mit den Garantien des Art. 104 GG. Nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist die Freiheit der Person unverletzlich. Diese Garantie der Freiheit der Person besteht im Zusammenspiel mit den Rechtsgarantien des Art. 104 GG bei Freiheitsbeschränkungen und -entziehungen.21 Nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG kann die Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Gemäß Art. 104 15 Ständige Rechtsprechung, BVerfGE 107, 104 (118); siehe auch Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 3. Aufl. 2013, Art. 6 Rn. 171. 16 Umbach, in: ders./Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2002, Art. 6 Rn. 79; von Coelln, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 6 Rn. 69. Vertiefend hierzu Roth, Die Grundrechte Minderjähriger im Spannungsfeld selbständiger Grundrechtsausübung, elterlichen Erziehungsrechts und staatlicher Grundrechtsbindung, 2003, S. 125 ff. 17 Jestaedt, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand der Kommentierung: 75. EL (Dezember 1995), Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 169; siehe auch Zorn, Das Recht der elterlichen Sorge, 3. Aufl. 2016, C. V. Rn. 303. 18 Umbach, in: ders./Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2002, Art. 6 Rn. 79; siehe auch von Coelln, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 6 Rn. 69, 71. 19 BVerfGE 61, 358 (378); BVerfGE 72, 122 (137); BVerfGE 75, 201 (218); BVerfGE 79, 203 (210 f.). 20 von Coelln, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 6 Rn. 71. 21 Siehe zum Verhältnis Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 104 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 8 Abs. 2 S. 1 GG hat nur der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden. Umstritten ist jedoch, ob die Garantien des Art. 104 GG – insbesondere der dort vorgesehene Richtervorbehalt – auch für Freiheitsentziehung im Rahmen der elterlichen Gewalt gelten. Diese Frage ist auch für den vorliegenden Fall relevant, da die hier diskutierten Konstellationen unter den Begriff der Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 GG fallen.22 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage offen gelassen: „Ob Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG auch bei Freiheitsentziehung im Rahmen der elterlichen Gewalt wirksam wird, war hier nicht zu entscheiden. Möglicherweise könnten bei Unterbringung Minderjähriger durch die Eltern andere Gesichtspunkte maßgebend sein als bei der Unterbringung Volljähriger durch den Vormund. Elterliche Gewalt und Vormundschaft dienen zwar verwandten Zwecken, doch besteht ein Gegensatz im Rechtsgrund. Die elterliche Gewalt beruht auf dem natürlichen Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern und tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein; das Amt des Vormundes hingegen ist eine staatliche Einrichtung und wird durch vormundschaftsgerichtliche Bestellung begründet; seine Gewalt über den Mündel beruht also auf dem staatlichem Hoheitsakt.“23 In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass sich Art. 104 GG nur gegen die öffentliche Gewalt richte und deshalb die bürgerlich-rechtlich fundierten Gewaltverhältnisse der Eltern von Art. 104 Abs. 2 GG nicht berührt würden.24 Nach anderer Auffassung in der Literatur gilt Art. 104 GG auch für die Unterbringung Minderjähriger durch die Eltern, da der Schutzauftrag der Verfassung den Staat auch zum Schutz der Grundrechtsinhaber vor Dritten verpflichte, zumal der Staat mit der Durchführung der Unterbringung an der Freiheitsentziehung unmittelbar beteiligt sei.25 Andere Stimmen in der Literatur bejahen ebenfalls die Anwendbarkeit des Art. 104 GG in diesem Zusammenhang und verweisen darauf, dass es nicht plausibel sei, die Einschränkung der elterlichen Gewalt in vermögensrechtlicher Hinsicht durch richterliche Kontrollen als verfassungsgemäß anzusehen und die in Bezug auf die Freiheit der Person intensiveren Eingriffe des Freiheitsentzugs der richterlichen Kontrolle zu entziehen.26 Teilweise wird in der Literatur eingeräumt, dass die Unterbringung von Kindern durch ihre Eltern zwar nicht unmittelbar einen Akt der öffentlichen Fürsorge darstelle, doch spreche insbesondere die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung für die prinzipielle Geltung 22 Vgl. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 104 Rn. 6 f. 23 BVerfGE 10, 302 (328). 24 Dürig, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand der Kommentierung: Grundwerk, Art. 104 Rn. 2 f.; siehe auch die Nachweise bezüglich älterer Literatur bei Podlech, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Grundgesetz, Alternativkommentar, 3. Aufl. 2001, Art. 104 Rn. 32 Fn. 49. 25 Wehowsky, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2002, Art. 104 Rn. 9. 26 Podlech, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Grundgesetz, Alternativkommentar, 3. Aufl. 2001, Art. 104 Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 9 des Art. 104 GG.27 Allerdings könnten dessen staatsgerichtete Garantien nicht in allem unmittelbar angewandt werden. 2.4. Vergleichbare Diskussion in Bezug auf den Richtervorbehalt in § 1631b BGB Diskutiert wurde die Frage der Vereinbarkeit eines Richtervorbehalts bei freiheitsentziehenden Maßnahmen mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bereits im Zusammenhang mit der Schaffung der Regelung in § 1631b BGB, wonach eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung von Kindern der Genehmigung des Familiengerichts bedarf.28 2.4.1. Stimmen zur Verfassungswidrigkeit des Richtervorbehalts Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass die Schaffung des Richtervorbehalts insbesondere im Rechtsausschuss umstritten war: „Die Ausschußminderheit lehnt diese Vorschrift ab. Sie verweist darauf, daß die gerichtliche Kontrolle des Vormunds, der lediglich ein ihm verliehenes Amt verwalte, nicht zwingend auf die Eltern, die ihre Rechtsstellung von dem verfassungsrechtlich garantierten natürlichen Elternrecht herleiteten, erstreckt werden dürfe. Dies sei geeignet, die Stellung der Eltern weiter zu schwächen. Ein solches Mißtrauen sei nicht gerechtfertigt. Im übrigen sei nicht hinreichend abgegrenzt, welche Unterbringungen gemeint seien. Eine Klarstellung im Bericht, etwa bezüglich der Internatsunterbringung, sei unzureichend. Es müsse den Eltern z. B. möglich sein, ein drogensüchtiges Kind ohne gerichtliche Kontrolle in ein staatlich anerkanntes oder überwachtes Drogenentziehungsheim zu verbringen. Dies könne durchaus im Interesse und zum Wohle des Kindes sein.“29 An anderer Stelle heißt es in den Gesetzesmaterialien: „Die Ausschußminderheit lehnt § 1631b BGB-E ab. Sie hält den Genehmigungsvorbehalt für die Entscheidung der Eltern über die Unterbringung ihres Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, für überflüssig und darüber hinaus für verfassungsrechtlich bedenklich. Die Vorschrift erkläre den Mißbrauch der elterlichen Sorge zum Regelfall, unterstelle also, daß Eltern dazu neigten, im Zweifel den bequemeren Weg des Abschiebens schwer erziehbarer oder behinderter Kinder in ein geschlossenes Heim oder in eine geschlossene Anstalt zu wählen. Demgegenüber vertritt die Ausschußminderheit die Auffassung, daß im Regelfall gerade von den Eltern eine solche leichtfertige und bequeme Entscheidung am allerwenigsten zu erwarten sei und daß dann, wenn sich Eltern zu einer Unterbringung des Kinder, die mit Freiheitsentziehung verbunden sei, entschlössen, dies in aller Regel im Interesse des Kindeswohls geboten 27 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 104 Rn 8; ähnlich auch Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 104 Rn. 4; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 104 Rn. 13. 28 Umfassend hierzu Vogel, Die familiengerichtliche Genehmigung der Unterbringung mit Freiheitsentziehung bei Kindern und Jugendlichen nach § 1631b BGB, 2014, S. 27 ff. 29 BT-Drs. 8/2788, S. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 10 sei. Für die wenigen Ausnahmefälle, in denen Eltern dieser Erwartung nicht entsprächen und ihr Personensorgerecht mißbrauchten, genüge § 1666 BGB. Wenn der Vormund in seiner Entscheidung über die Unterbringung des Mündels in § 1800 Abs. 2 BGB der gerichtlichen Kontrolle unterworfen sei, so sei dies darin begründet, daß der Vormund lediglich aufgrund eines ihm verliehenen Amtes tätig werde. Dies treffe bei Eltern nicht zu; diese seien im Verhältnis zu ihrem Kind nicht als Fremde anzusehen.“30 In der Literatur wurde teilweise angesichts der mit der Neuregelung der elterlichen Sorge vorgesehenen Mitwirkungs- und Anhörungsrechte der Kinder von einem „pervertierten Familienbild“ gesprochen.31 Der Richtervorbehalt in § 1631b BGB beschränke die Eltern in der Auswahl der Erziehungsmittel, ohne dass jeweils ein Missbrauch elterlicher Sorge in Frage stehe. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG lasse eine derartige Anordnung von Erziehungsmitteln nicht zu.32 Teilweise wird auch darauf verwiesen, dass der Staat bei Ausübung des Wächteramts nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG, bei Eingriffen in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG das mildeste Mittel zu wählen habe.33 Es sei aber weder dafür etwas ersichtlich, dass greifbare Missstände bei der Unterbringung von Kindern in psychiatrischen Kliniken, Heimen und Internaten durch die Eltern die generelle vorherige Einschaltung des Vormundschaftsgerichts erforderten, noch dass zur Behebung einzelner Missstände die sonstigen gesetzlichen Möglichkeiten (§ 1666 BGB – gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls), oder die Einführung einer Überwachung der Heime und Kliniken als das mildere Mittel nicht ausreichen würden. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar nicht beanstandet, dass in jedem Fall nach einer Scheidung das Gericht über das Sorgerecht zu entscheiden habe. Diese Entscheidung beruhe jedoch auf der (begründeten) Annahme, dass durch eine Scheidung die intakte Familiengemeinschaft, von der Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ausgehe, beeinträchtigt werde. Bei einer Unterbringung eines Kindes durch ihre Eltern in einem geschlossenen Heim oder in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt könne hingegen nicht davon ausgegangen werden, dass hier die Familiengemeinschaft gestört oder gar zerstört sei. Die Erfahrung zeige, wie gerade schwere Krankheiten oder Behinderungen des Kindes in besonderem Maße Elternliebe und Zuwendung hervorbringen und die Familiengemeinschaft zusammenschweißen würden. Es dürfe nicht an die Fälle, in denen Eltern zur Behandlung einer psychischen Erkrankung ihr Kind in einer geschlossenen Anstalt unterbringen müssten, die Vermutung angeknüpft werden, dass die Eltern ihre Befugnis missbrauchen würden. 2.4.2. Stimmen zur Verfassungsmäßigkeit des Richtervorbehalts Die wohl herrschende Meinung geht hingegen von der Verfassungsmäßigkeit des Richtervorbehalts in § 1631b BGB aus. Teilweise wird auf die bei der Vermögenssorge nach § 1643 BGB ebenfalls bestehenden Genehmigungspflichten verwiesen und in Anbetracht der Intensität des mit einer 30 BT-Drs. 8/2788, S. 51. 31 Schmitt Glaeser, Die Eltern als Fremde, DÖV 1978, S. 629 (632). 32 Schmitt Glaeser, Das elterliche Erziehungsrecht in staatlicher Reglementierung, 1980, S. 65. 33 Helle, Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung bei der bürgerlich-rechtlichen Unterbringung Minderjähriger , ZfJ 1986, S. 40 (43), siehe dort zum Folgenden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 11 Freiheitsentziehung verbundenen Eingriffs in die Kindesentwicklung im Erst-Recht-Schluss die Verfassungsmäßigkeit des Richtervorbehalts aus § 1631b BGB angenommen.34 Auch der Minderjährige könne sich auf das Grundrecht der Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG berufen und eine Freiheitsentziehung stelle einen schweren Eingriff in die kindliche Entwicklung dar.35 Die Schutzbedürftigkeit des Kindes bzw. der staatliche Mitwirkungs- und Aufsichtsauftrag seien vorrangig gegenüber dem Elternrecht.36 Eine andere Ansicht in der Literatur bejaht ebenfalls die Verfassungsmäßigkeit des Richtervorbehalts aus § 1631b BGB, sieht aber weniger eine Kollision zwischen Art. 6 Abs. 2 GG einerseits und Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 104 GG andererseits.37 Freiheitsentziehende Maßnahmen auch Minderjährigen gegenüber bedürften einer richterlichen Kontrolle und auch der Umstand, dass Eltern diese anstrebten, enthebe nicht von der geforderten richterlichen Kontrolle. Das staatliche Kontrollinteresse sei hier weniger Ausdruck des staatlichen Wächteramtes des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG den Eltern gegenüber, als vielmehr Ausdruck gesteigerter staatlicher Kontrollpflicht aufgrund von Art. 104 GG im Falle der Freiheitsentziehung. Ebenso stehe nicht das Misstrauen gegenüber den Eltern im Vordergrund, sondern die besondere Verletzlichkeit und damit Schutzbedürftigkeit eines unter solchen Umständen untergebrachten Kindes. 2.5. Annahme eines Richtervorbehalts für unterbringungsähnliche Maßnahmen gegenüber Minderjährigen nach geltendem Recht und Diskussion der Vereinbarkeit mit dem Elternrecht Anders als in der eingangs dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird in großen Teilen der Literatur davon ausgegangen, dass unterbringungsähnliche Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen der richterlichen Genehmigung bedürfen. Konstruiert wird diese Genehmigungspflicht teilweise durch eine ausweitende Interpretation des Begriffs der Freiheitsentziehung in 34 Siehe etwa Schmid, in: Schulz/Hauß (Hrsg.), Familienrecht, 2. Aufl. 2012, § 1631b BGB Rn. 1; Huber, in: Säcker/ Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1631b Rn. 1. 35 Marschner, in: ders./Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Aufl. 2010, S. 188. 36 Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band. VII, 3. Aufl. 2009, § 151 Rn. 11; Gusy, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 104 Abs. 1 Rn. 16; Beermann, Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche freiheitsentziehende Unterbringung Minderjähriger, FPR 2011, S. 535 (535); im Ergebnis auch Correll in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Grundgesetz, Alternativkommentar, 3. Aufl. 2001, Art. 2 Abs. 2 Rn. 147. 37 Salgo, in: von Staudinger (Begr.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 4, 2015, § 1631b Rn. 4; ders., Einwilligung des Kindes und des Jugendlichen in die Unterbringung, FPR 2011, S. 546 (547). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 12 § 1631b BGB38, teilweise durch eine analoge Anwendung39 von § 1906 Abs. 4 BGB, teilweise auch durch eine doppelt analoge Anwendung40 von § 1906 Abs. 4 BGB.41 Auf die Vereinbarkeit eines derartigen Richtervorbehalts mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG wird dabei nur an ganz wenigen Stellen eingegangen. So wird etwa argumentiert, dass das elterliche Erziehungsrecht bei Anwendung eines entsprechenden Richtervorbehalts nicht über Gebühr eingeschränkt werde, da der Vorbehalt nur dann greife, wenn das Kind sich nicht zu Hause, sondern in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhalte.42 Häusliche Maßnahmen wie das Schutzgitter vor dem Bett des Kleinkindes oder das Ausgangsverbot aus erzieherischen Gründen blieben also nach wie vor genehmigungsfrei. Teilweise wird dem Bundesgerichtshof auch entgegengehalten, dass das Genehmigungserfordernis die Eltern nicht an einer sinnvollen Ausübung des Sorgerechts hindere.43 Das Gegenteil sei der Fall: So würden die Eltern nicht blindlings der Empfehlung der Einrichtung folgen, sondern erhielten durch das Genehmigungsverfahren zusätzliche Sicherheit für ihre schwierige Entscheidung. Losgelöst von der Frage über die Konstruktion eines Richtervorbehalts für unterbringungsähnliche Maßnahmen gegenüber Minderjährigen sind einige der in diesem Zusammenhang angebrachten Argumente im Rahmen einer rechtspolitischen Diskussion über die ausdrückliche Normierung eines solchen Genehmigungsvorbehalts durch den Gesetzgeber zu berücksichtigen:44 Eingewandt wird unter anderem, dass eine immer wieder stattfindende Fixierung von den betroffenen Minderjährigen als weit eingreifender erlebt werden kann, als die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung.45 Nach geltender Rechtslage ist letztere genehmigungspflichtig, erstere hingegen nicht. Weiter wird problematisiert, ob die Eltern sich tatsächlich kritisch mit entsprechenden Ersuchen der Einrichtungen auseinandersetzen können oder vielmehr vorab ihre Zustimmung 38 Salgo, in: von Staudinger (Begr.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 4, 2015, § 1631b Rn. 14; Engelfried , Eure Elterliche Sorge fesselt mich, Betrifft Justiz 2014, S. 35 (36); Wille, Freiheitsentziehung bei Kindern und Jugendlichen nach § 1631b BGB in der familiengerichtlichen Praxis, DAVorm 2000, S. 450 (454). 39 Veit, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand der Kommentierung: 39. Edition (November 2011), § 1631b Rn. 4, m.w.N. 40 Siehe Czerner, Die elterlich initiierte Unterbringung gemäß § 1631b BGB: ein familienrechtliches Fragment im vormundschafts- und verfassungsrechtlichen Spannungsfeld, AcP 2002, S. 72 (92 ff.). 41 Siehe auch die Nachweise bei Hoffmann/Klie, Freiheitsentziehende Maßnahmen im Betreuungs- und Kindschaftsrecht , 2. Aufl. 2012, S. 82. 42 Huber, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1631b Rn. 8. 43 Salgo, in: von Staudinger (Begr.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 4, 2015, § 1631b Rn. 14. 44 So auch Leeb/Weber, Unterbringungsähnliche Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen, ZKJ 2014, S. 143 (144). 45 Salgo, in: von Staudinger (Begr.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 4, 2015, § 1631b Rn. 14; ders., Anmerkung zu BGH, Beschluss v.7.8.2013 – XII ZB 559/11, FamRZ 2013, S. 1719 (1719). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 152/16 Seite 13 zu solchen Maßnahmen erteilen (müssen).46 Gerade die Genehmigung von Fixierungsmaßnahmen bedürfe einer oftmals schwierigen Erforderlichkeitsprüfung. Nicht selten könnten bei erneutem Hinsehen, mildere, aber gleich effektive Mittel gefunden werden.47 Betont wird dabei, dass weder den Eltern noch den Mitarbeitern der Einrichtungen eine negative Haltung unterstellt werden solle, sondern vielmehr teilweise strukturelle Probleme bestünden. Außerdem wird darauf hingewiesen , dass es widersprüchlich erscheine, das Kind vor finanziellen Beeinträchtigungen durch eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge mittels der Genehmigungserfordernisse des § 1643 BGB i.V.m. §§ 1821, 1822 BGB zu schützen, eine massive Beschränkung seines Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG jedoch ohne jegliche objektive Kontrollinstanz zuzulassen.48 2.6. Zusammenfassung Eine abschließende Bewertung der Vereinbarkeit eines Richtervorbehalts für unterbringungsähnliche Maßnahmen gegenüber Minderjährigen mit dem Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG kann an dieser Stelle nicht erfolgen, da bereits das Verhältnis der Kindesgrundrechte zum Elternrecht und die Anwendbarkeit des Richtervorbehalts aus Art. 104 Abs. 2 GG nicht abschließend geklärt sind. Geht man davon aus, dass das Elternrecht durch das Recht des Kindes auf körperliche Bewegungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG beschränkt werden kann, stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit der Schaffung eines entsprechenden Richtervorbehalts. Im Vordergrund stehen dabei dessen Erforderlichkeit sowie dessen Angemessenheit. Zu berücksichtigen ist, dass dem Gesetzgeber insoweit – insbesondere bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung der von ihm verfolgten Zwecke für erforderlich halten darf – ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zusteht, der nur in begrenztem Maße einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt.49 Insbesondere hat der Gesetzgeber im vorliegenden Fall angesichts des Umstandes, dass der Richtervorbehalt von vornherein für alle von der Norm erfassten Fälle unabhängig von der Wahrnehmung der elterlichen Pflichten im konkreten Einzelfall gelten soll, zu prüfen, ob die derzeit gegebene Situation der Betroffenen eine derart allgemeine Genehmigungspflicht erfordert oder ob nicht den Grundrechten der betroffenen Kindern mittels der bestehenden Vorschriften zum Kinderschutz und mittels der Überwachung der Einrichtungen, in denen die Kinder untergebracht sind, hinreichend Rechnung getragen werden kann. Ende der Bearbeitung 46 Salgo, Anmerkung zu BGH, Beschluss v.7.8.2013 – XII ZB 559/11, FamRZ 2013, S. 1719 (1719). 47 Leeb/Weber, Unterbringungsähnliche Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen, ZKJ 2014, S. 143 (144 f.). 48 Leeb/Weber, Unterbringungsähnliche Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen, ZKJ 2014, S. 143 (144). 49 Siehe zum Beispiel BVerfGE 117, 163 (189); BVerfGE 50, 290 (332 ff.); BVerfGE 25, 1 (19 f.).