© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 151/19 Fragen zur Obergrenze für die Zuwanderung im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2018 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 151/19 Seite 2 Fragen zur Obergrenze für die Zuwanderung im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2018 Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 151/19 Abschluss der Arbeit: 24. Juli 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 151/19 Seite 3 1. Einleitung Der Sachstand befasst sich mit Fragen zur im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2018 enthaltenen Vereinbarung zur Zahl der Zuwanderer. Zunächst wird erläutert, auf welchen Personenkreis sich diese bezieht und ob diese eine rechtliche Bindungswirkung entfaltet. Anschließend wird auf die Regelungen zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten als gesetzliche Maßnahmen zur Begrenzung der Zuwanderung eingegangen. 2. Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien zur Zuwanderung Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2018 enthält die Feststellung, „dass die Zuwanderungszahlen (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte , Familiennachzügler, Relocation, Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwilligen Ausreisen künftiger Flüchtlinge und ohne Erwerbsmigration) die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden“1. Die im Koalitionsvertrag genannten maximalen Zuwanderungszahlen wurden im Jahr 2018 nach Berechnungen des Bundesministeriums des Innern nicht erreicht.2 Bei Überschreitung der festgestellten Spanne bietet die Koalitionsvereinbarung keine Rechtsgrundlage für Verwaltungshandeln, etwa für die Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen durch die zuständigen Behörden. Es handelt sich lediglich um eine politische Zielmarke ohne rechtsbindende Wirkung für die Exekutive.3 Eine starre Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen könnte zudem auch nicht durch Gesetz geregelt werden, da eine solche weder mit Unionsrecht4 noch mit Art. 16a GG5 vereinbar wäre. 3. Beschränkungen des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten Als eine im Koalitionsvertrag konkret genannte6 Maßnahme zur Begrenzung der Zahl der Zuwanderer wurde der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten im Frühjahr 2016 per Gesetz 1 Ein neuer Aufbruch für Europa, Eine neue Dynamik für Deutschland, Ein neuer Zusammenhalt für unser Land, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, S. 103, Zeilen 4803 ff., abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018- 03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1 (zuletzt aufgerufen am 22.07.2019). 2 Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 23. Januar 2019, 185.853 Asylanträge im Jahr 2018 - 16 Prozent weniger als im Vorjahr, abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/Shared- Docs/pressemitteilungen/DE/2019/01/asylzahlen-2018.html (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2019). 3 Ritgen, Die rechtliche Steuerung von Zuwanderung in Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Sozialordnung, in: ZAR 2018, S. 409, 420. 4 Vgl. dazu die Ausarbeitung des Fachbereichs Europa des Deutschen Bundestages, Obergrenzen für Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge im Lichte des EU-Rechts, PE 6 - 3000 - 153/15. 5 Dazu näher die Sachstände der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Kapazitätsgrenzen beim Grundrecht auf Asyl, WD 2 - 3000 - 148/15, S. 5 ff. sowie Obergrenze nach dem Bundesvertriebenengesetz, WD 3 - 3000 - 223/17, S. 4 ff. 6 Ein neuer Aufbruch für Europa, Eine neue Dynamik für Deutschland, Ein neuer Zusammenhalt für unser Land, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, (Fn. 1), S. 104, Zeilen 4867 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 151/19 Seite 4 zunächst bis 16. März 2018 ausgesetzt.7 Diese Regelung wurde anschließend durch das Parlament bis 31. Juli 2018 verlängert.8 Aufenthaltstitel zum Zwecke des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten konnten während dieser Zeit allenfalls auf Grundlage der in § 22 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) normierten Härtefallklausel erteilt werden.9 Seit 1. August 2018 kann dem Ehegatten oder dem minderjährigen ledigen Kind eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 36a Abs. 1 S. 1 AufenthG grundsätzlich wieder eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt werden. Derzeit ist die Einreise dieser Personen gemäß § 36a Abs. 2 S. 2 AufenthG aber auf ein monatliches Kontingent von 1 000 nationalen Visa beschränkt. Bei der Prüfung des Vorliegens humanitärer Gründe für den Familiennachzug im Sinne von § 36 Abs. 1 S. 1 AufenthG ist gemäß § 36a Abs. 2 S. 2 AufenthG das Kindeswohl10 besonders zu berücksichtigen. Sofern humanitäre Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegen, sind bei der Auswahl derjenigen Antragsteller, die ein Visum aus dem Kontingent erhalten, auch Integrationsaspekte besonders zu berücksichtigen.11 Über das Kontingent hinaus ist die Erteilung von Aufenthaltstiteln zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten nur in Härtefällen auf Grundlage von § 22 Abs. 1 S. 1 AufenthG möglich.12 *** 7 Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016, BGBl. I S. 390, 392; s. dazu auch die Ausarbeitung des Fachbereichs Europa des Deutschen Bundestages, Aussetzung vom Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter. Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, PE 6 - 3000 - 68/17. 8 Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten vom 8. März 2018, BGBl. I S. 342. 9 Thym, Die Auswirkungen des Asylpakets II, in: NVwZ 2016, 409, 414. 10 Zu Implikationen der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen bezüglich des Familiennachzugs vgl. auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Vereinbarkeit der Regelungen des Asylpakets II betreffend die Aussetzung des Familiennachzugs für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit der VN-Kinderrechtskonvention (KRK), WD 2 - 3000 - 026/16. 11 Zum Begriff der „humanitären Gründe“ Kluth in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 22. Edition, Stand: 1.11.2018, § 36a AufenthG Rn. 23 ff.; Thym, Obergrenze für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten , in: NVwZ 2018, S. 1340, 1344. 12 Thym, Obergrenze für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, in: NVwZ 2018, S. 1340, 1341.