© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 151/14 Zu den Auswirkungen des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 2 Zu den Auswirkungen des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes Verfasser: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 151/14 Abschluss der Arbeit: 14. August 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 3 1. Vorbemerkung 4 2. Vorläufer des Gesetzgebungsverfahrens in der 17. Wahlperiode 5 3. Statistische Relevanz der Rechtsänderung 6 4. Konsequenzen des Wegfalls der Optionspflicht 8 4.1. Demokratietheoretische Erwägungen 8 4.2. Rechtspolitische Konsequenzen 9 4.2.1. Durchbrechung des Prinzips der Vermeidung der Mehrstaatigkeit 9 4.2.2. Pflichtenkollisionen bei der Erfüllung der Wehrpflicht 10 4.2.3. Loyalitätskonflikte bei der Ausübung des Wahlrechts und der Übernahme politischer Ämter 11 4.2.4. Problem der Akkumulation mehrerer Staatsangehörigkeiten 11 4.3. Rechtliche Auswirkungen der Rechtsänderung 12 4.3.1. Erforderlichkeit einer Übergangsregelung 12 4.3.2. Verfassungsrechtliche Vereinbarkeit 13 4.3.3. Unionsrechtskonformität 15 4.4. Antizipierte Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis 16 4.4.1. Erfüllungsaufwandprognose der Bundesregierung 16 4.4.2. Neue Hürden durch das vorgesehene Verwaltungsverfahren 16 4.4.3. Mögliche Probleme durch Zulassung von Verfahrensabweichungen in den Ländern 17 5. Exkurs: Vermeidung von Parallelstrukturen 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 4 1. Vorbemerkung Am 3. Juli 2014 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 11. April 2014,1 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG),2 in der Fassung der Beschlussempfehlung des federführenden Innenausschusses vom 1. Juli 20143 angenommen . Das Gesetz wird einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft treten.4 Mit dem Gesetz wird die Pflicht von in Deutschland geborenen Kindern ausländischer Eltern, sich nach Vollendung der Volljährigkeit zwischen ihrer deutschen und ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, für die in Deutschland aufgewachsenen Kinder aufgehoben.5 Hierzu wurde § 29 StAG neu gefasst; zur Anpassung des Verwaltungsverfahrens wurden §§ 34 und 41 StAG ebenfalls neu gefasst. Nach dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 19996 war zum 1. Januar 2000 für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Bedingungen das Geburtsortsprinzip (ius soli) eingeführt worden. Dieser Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wurde verbunden mit der Verpflichtung, sich zwischen der Vollendung des 18. und 23. Lebensjahres für die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit zu entscheiden (sog. Optionspflicht). Der Problemaufriss des Gesetzentwurfs vom 11. April 2014 legt den Schwerpunkt darauf, dass die Optionspflicht des § 29 StAG alter Fassung (a.F.) künftig bis zu 40.000 deutsche Staatsangehörige jährlich betroffen hätte. Diese würden vor eine schwierige Entscheidung gestellt und liefen Gefahr, möglicherweise ungewollt, die deutsche Staatsangehörigkeit zu verlieren. Die Änderung des Gesetzes ziele darauf, dass diejenigen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und dadurch enge Bindungen an Deutschland entwickelt haben, die deutsche Staatsangehörigkeit in Zukunft von vornherein nicht mehr verlieren, sondern diese unter Hinnahme der durch Geburt entstandenen Mehrstaatigkeit behalten. Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die Auswirkungen, die das Gesetz neben den viel diskutierten positiven integrationspolitischen Einflüssen7 in rechtspolitischer, rechtlicher und verwaltungspraktischer Hinsicht haben könnte. Grundlage der Arbeit sind die Materialien 1 BR-Drs. 152/14, BT-Drs. 18/1312. 2 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) in der im BGBl. Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3458). 3 BT-Drs. 18/1955. 4 Art. 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes. 5 Für die Doppelstaater, die die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1a StAG („ im Inland aufgewachsen, wenn … [der Deutsche] bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres: 1. sich acht Jahre gewöhnlich im Inland aufgehalten hat, 2. sechs Jahre im Inland eine Schule besucht hat oder 3. über einen im Inland erworbenen Schulabschluss oder eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung verfügt.“) nicht erfüllen, gilt die Optionspfichtregelung des § 29 a.F. fort (vgl. § 29 Abs. 1 StAG n.F.). 6 BGBl. I 1999, 1618. 7 Die antizipierten positiven Wirkungen werden auftragsgemäß nicht erörtert. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 5 des Gesetzgebungsverfahrens sowie die Erörterung der Thematik in veröffentlichten Positionen aus Wissenschaft und Gesellschaft. Die Arbeit nimmt punktuell Bezug auf die in der Vergangenheit vorgenommene Erörterung der Problemfelder der Optionspflicht nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz a.F. Der Diskurs zu dieser Problematik ist durch die Beibehaltung der Optionspflicht für den Kreis der deutschen Doppelstaater, die nicht die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1a StAG n.F. erfüllen, weiterhin relevant, wenngleich durch die reduzierte Anzahl der Betroffenen weniger signifikant. 2. Vorläufer des Gesetzgebungsverfahrens in der 17. Wahlperiode Dem am 3. Juli 2014 vom Bundestag beschlossenen Gesetz8 auf der Grundlage des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 11. April 2014 gingen zwei erfolglose Gesetzgebungsinitiativen zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts in der 17. Wahlperiode voraus, die u.a. die Aufhebung der Optionspflicht zum Gegenstand hatten: Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN brachte am 27. Januar 2010 einen Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht in den Bundestag ein.9 Es folgten Anträge der Fraktion der SPD vom 9. November 2011 „Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren – Mehrfache bzw. doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen“10 sowie der Fraktion DIE LINKE. vom 29. Januar 2013 „Für gleiche Rechte – Einbürgerungen erleichtern“.11 Der Gesetzentwurf und die Anträge wurden jeweils in erster Lesung dem Innenausschuss zur federführenden Beratung überwiesen. Der Ausschuss führte am 13. März 2013 eine öffentliche Anhörung 12 durch; in die Beratung wurde der Bericht der Bundesregierung „Einbürgerungsverhalten von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland sowie Erkenntnisse zu Optionspflichtigen“ eingeschlossen.13 Im Vorfeld der Anhörung gaben sechs Sachverständige Stellungnahmen zu den Vorlagen ab.14 Auf die Beschlussempfehlung des Innenausschusses15 vom 25. April 2013 hin lehnte das Plenum des Deutschen Bundestages den Gesetzentwurf und die genannten Anträge am 5. Juni 2013 ab.16 8 Der Bundesrat hatte den Gesetzentwurf der Bundesregierung am 23. Mai2014 beraten und dazu Stellung genommen (BR-Drs. 152/14 Beschluss). Der Gesetzentwurf wurde daraufhin als BT-Drs. 18/1312 in den Deutschen Bundestag eingebracht und in erster Lesung dem Innenausschuss federführend und dem Auswärtigen sowie dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur Mitberatung überwiesen (BT-PlPr 18/39 , S. 3336A - 3356B). Auf der Grundlage des Berichts (BT-Drs. 18/2005) und der Beschlussempfehlung (BT-Drs. 18/1955) beriet das Plenum den Entwurf am 3. Juli 2014 in zweiter und dritter Lesung (BT-PlPr 18/46 , S. 4183C - 4195B sowie BT-PlPr 18/46 , S. 4194C - 4194D). 9 BT-Drs. 17/542. 10 BT-Drs. 17/7654. 11 BT-Drs. 17/12185, S. 2. 12 Sitzungsprotokoll 17/97. 13 Ausschussdrucksachen 17(4)539, 17(4)539A. 14 Ausschussdrucksachen 17(4)674 A bis F. 15 BT-Drs. 17/13312. 16 BT-PlPr 17/242 , S. 30589A - 30611C. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 6 Am 5. Juli 2013 beschloss der Bundesrat, den Entwurf17 eines Gesetzes über die Zulassung der Mehrstaatigkeit und die Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht beim Deutschen Bundestag einzubringen. Neben zahlreichen weiteren Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes und anderer Gesetze sah der Entwurf die Aufhebung des § 29 StAG vor. Zur Begründung für die Aufhebung der Optionsregelung führte der Bundesrat aus, dass die Verpflichtung , als junge Erwachsene eine Entscheidung zu treffen, die ihre Zugehörigkeit zum deutschen Staat oder zur Nationalität ihrer Eltern in Frage stellt, der Lebenssituation dieses Personenkreises nicht gerecht werde und zu erheblichen Konflikten innerhalb der Herkunftsfamilien führen könne . Es sei integrationspolitisch nicht wünschenswert, ihnen die an die deutsche Staatsangehörigkeit geknüpften politischen Teilhaberechte zu verwehren, nur weil sie gar nicht oder für ihre ausländische Staatsangehörigkeit optiert haben. Der Gesetzentwurf unterfiel mit Ablauf der 17. Wahlperiode der Diskontinuität. 3. Statistische Relevanz der Rechtsänderung Die Optionsregelung nach den Bestimmungen des § 29 Staatsangehörigkeitsgesetz a.F. hätte nach Angaben der Bundesregierung18 auf die nachfolgend dargestellten Zahlen von Optionspflichtigen Anwendung gefunden. Ungeachtet der Tatsache, dass für einen bestimmten Teil dieses Personenkreises die Optionspflicht erhalten bleibt,19 verdeutlichen die Daten die Vielzahl der von der Neufassung des § 29 StAG Betroffenen. Die Angaben differenzieren zwischen den Optionspflichtigen, die gemäß § 40b StAG die deutsche Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erworben haben, und denen, die diese durch Geburt gemäß § 4 Abs. 3 StAG erworben haben. Das Optionsjahr ist das Jahr, in dem ein Optionspflichtiger seine Volljährigkeit vollendet.20 Die Tabellen weisen zugleich die sechs größten Gruppen der anderen Staatsangehörigkeiten aus.21 Optionsfälle nach dem StAG alter Fassung (Staatsangehörigkeitserwerb gemäß § 40b StAG) Optionsjahr gesamt Türkei Ehem. Jug. Iran Vietnam Pakistan Afghst. 2008 3 316 2009 3 807 17 Entwurf eines Gesetzes über die Zulassung der Mehrstaatigkeit und die Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht [BT-Drs. 17/14574; BR-Drs. 461/13 (Beschluss)] auf der Grundlage des Gesetzesantrags der Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein (BR-Drs. 461/13). 18 Antwort der Bundesregierung vom 27. Dezember 2011 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 17/8268, S. 4 f. 19 Vgl. Fn. 5. 20 Im Jahr 2008 erreichen die nach § 40 b StAG Eingebürgerten erstmals die Volljährigkeit (Tabelle 1). Antragsberechtigt waren nur Ausländer mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das Jahr 2018 ist das Jahr, in dem Doppelstaater, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 3 StAG erworben haben, erstmals die Volljährigkeit erlangen (Tabelle 2). 21 Für die Optionsfälle gemäß § 40b StAG kann diese Information nur insgesamt gegeben werden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 7 Optionsjahr gesamt Türkei Ehem. Jug. Iran Vietnam Pakistan Afghst. 2010 4 059 2011 4 157 2012 4 487 2013 4 734 2014 5 343 2015 5 892 2016 6 348 2017 6 787 Gesamt* 49 216 33 457 7 207 1 800 716 578 543 Tabelle 1 (*einschließlich statistisch nicht zuzuordnender Optionsfälle) Die Gesamtzahlen der in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern, die die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 3 StAG durch Geburt erworben haben, werden durch die Bundesregierung wie folgt fortgeschrieben: 2027 (28977), 2028 (29492), 2029 (31091) und 2030 (34286).22 22 Antwort der Bundesregierung vom 16. Juli 2014 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/2126, S. 3. Eine Differenzierung nach der weiteren Staatsbürgerschaft wird hier nicht vorgenommen. Optionsfälle nach dem StAG alter Fassung (Staatsangehörigkeitserwerb gemäß § 4 Abs. 3 StAG) Tabelle 2 (Quelle: BT-Drs. 17/8268, S. 4 f.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 8 4. Konsequenzen des Wegfalls der Optionspflicht Dem folgenden Kapitel vorauszuschicken ist der Hinweis, dass einer Betrachtung möglicher Auswirkungen der Neufassung des § 29 StAG in mehrfacher Hinsicht Grenzen gesetzt sind. So wird in der Sozialwissenschaft darauf hingewiesen, dass qualitative wie auch quantitative sozialwissenschaftliche Untersuchungen nur eingeschränkt möglich sind, da die weitaus größte Gruppe der Optionspflichtigen diejenigen umfasst, die die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch mit Geburt (§ 4 Abs. 3 Satz 1 StAG) erworben haben. Diese Optionspflichtigen sind aber derzeit noch zu jung für sozialwissenschaftliche Untersuchungen.23 Die beschriebenen Einschränkungen gelten sowohl für Untersuchungen der Anwendung der alten als auch für Analysen der Auswirkungen der neu geschaffenen Rechtslage, die auf die Untersuchungsergebnisse der vorangegangenen Untersuchungsperiode als Referenzdaten angewiesen sind. Darüber hinaus wird in der Rechts- und Verwaltungswissenschaft das Vorliegen einer ausreichenden Analyse der Wirkungsweise der Optionspflicht in Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes a.F. verneint. Folglich erlaube dies in der Folge keine eindeutigen Schlüsse darüber, welche Auswirkungen eine Abschaffung der Optionspflicht hat.24 Innerhalb der dargestellten Grenzen werden in diesem Abschnitt die im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erörterten Positionen zu den Auswirkungen der Rechtsänderung in rechtspolitischer , rechtlicher und verwaltungspraktischer Hinsicht überblicksartig dargelegt. 4.1. Demokratietheoretische Erwägungen In der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts vom 23. Februar 201025 wird prognostiziert, dass durch einen Wegfall der Optionspflicht die Herstellung einer möglichst weitgehenden Kongruenz zwischen der dauerhaft in Deutschland lebenden Wohnbevölkerung einerseits und dem Staatsvolk im Sinne des Art. 20 GG andererseits erfolgen kann.26 Die Herstellung einer Kongruenz zwischen beiden Gruppen wird in einer Analyse der Optionsregelung als ein aus Art. 20 GG abgeleitetes Gebot qualifiziert.27 In der wissenschaftlichen und politischen Debatte um die Aufhebung der Optionsregelung des Staatsangehörigkeitsgesetzes a.F. wurde vertreten, dass die Optionspflicht eine zunehmende Kongruenz zwischen dem Staatsvolk und der Wohnbevölkerung verhindere, weil die Personen, 23 Worbs/Scholz, Die Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht: Erste Erkenntnisse aus empirischen Studien, ZAR 2013, 129 (130). 24 Hailbronner, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. März 2013, A-Drs. 17(4)674 F, S. 8. 25 BT-Drs. 17/773. 26 BT-Drs.- 17/773, S. 7; so auch Jungnickel, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. März 2013, A-Drs. 17(4)674 E, S. 10, 12. Darüber hinaus wird das Modell der Optionspflicht als eine Verhinderung zunehmender Kongruenz angesehen, vgl. Zimmermann/Schütte/Sener, Deutsche zweiter Klasse? Eine verfassungs-, europa- und völkerrechtliche Analyse der Optionsregelung nach §§ 29/40b Staatsangehörigkeitsgesetz, Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin 2013, S. 45, 46. 27 Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 9 die sich gegen die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden und damit nicht mehr zum Staatsvolk gehören, trotzdem weiterhin Teil der dauerhaft in Deutschland sesshaften Wohnbevölkerung bleiben.28 Allein 2013 kam es aufgrund des Optionszwangs in 248 Fällen zu einem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.29 Durch die vorgenommene Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes wird eine Verringerung dieser Zahl prognostiziert.30 4.2. Rechtspolitische Konsequenzen 4.2.1. Durchbrechung des Prinzips der Vermeidung der Mehrstaatigkeit Der in § 29 StAG n.F. vorgesehene Wegfall der Optionspflicht für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern wurde bereits vor der Annahme des Gesetzes in der rechtswissenschaftlichen Literatur als Durchbrechung des Prinzips der Vermeidung der Mehrstaatigkeit betrachtet, das zu den wesentlichen Prinzipien31 des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts gehört. Der der Optionsregelung zugrundeliegende rechtspolitische Kompromiss, der die Aufrechterhaltung des Prinzips der Vermeidung der Mehrstaatigkeit mit den Fragen der rechtlichen und politischen Funktion von Staatsangehörigkeit verknüpfte, werde aufgekündigt.32 Mit der beschriebenen Durchbrechung dieses Vermeidungsprinzips schaffe der Gesetzgeber eine Konfrontation mit zwei Problemfeldern, die das Bundesverfassungsgericht in seiner „Übeltheorie “33 skizziert hatte. Dies seien Konflikte über die Personalhoheit zwischen den verschiedenen Heimatstaaten sowie Pflichtenkollisionen und Loyalitätskonflikte der Betroffenen. Unterstrichen wird dabei aber zugleich die Lösbarkeit von Pflichtenkollisionen, wie etwa bei der Wehrpflicht,34 und die zu vermutende Seltenheit von Loyalitätskonflikten.35 Als Beispiel für Loyalitätskonflikte wird einerseits die Aufforderung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan an die in Deutschland lebenden Türken angeführt, sich nicht assimilieren zu lassen.36 Andererseits wird auf die USA verwiesen, die mit dem Erwerb der amerikanischen Staatsangehörigkeit zwar nicht den Zwang zur Aufgabe einer ausländischen Staatsangehörigkeit verknüpften, diese aber weniger akzeptierten, sondern vielmehr ignorierten, solange sie nicht mit den Interessen des Landes in 28 BT-Drs. 17/773, S. 7; Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 11, 45. 29 BT-PlPr 18/7, S. 381 (C). 30 Vgl. BT-Drs. 18/1312, S. 8 f. 31 Vgl. Hohm, in: Fritz/Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Stand: Juli 2013, III, Rn. 4. 32 Hailbronner, Optionsregelung und doppelte Staatsangehörigkeit, ZAR 2013, 357 (361 ff.); Hillgruber, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 2014, A-Drs. 18(4)91 B (neu), S. 8 ff. 33 BVerfGE 37, 217, 254 f. 34 So auch die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 27. Dezember 2011 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 17/8268, S. 3 f. 35 Hillgruber, (Fn. 32), S. 9. 36 Hillgruber, (Fn. 32), S. 9; Hailbronner, (Fn. 32), ZAR 2013, 357 (365). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 10 Konflikt gerät. Die mit dem Einbürgerungseid geschworene primäre Loyalitätsverpflichtung gegenüber den USA könne durchaus praktische Relevanz entfalten, soweit es beispielsweise um Pflichten amerikanischer Staatsangehöriger gehe, die aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleitet werden.37 Neben den genannten zwei Problemfeldern wurde in der Debatte zum Gesetzentwurf auch auf weitere Rechtsbereiche verwiesen, in denen die Mehrstaatigkeit zu Schwierigkeiten führe. Ausdrücklich hingewiesen wird auf das internationale Privat- bzw. Zivilprozessrecht, insbesondere das Erb- und Familienrecht. Hier bestehe die Gefahr eines Zuständigkeitswettlaufs zwischen verschiedenen Gerichtsständen sowie die Befürchtung hinkender Rechtsverhältnisse.38 4.2.2. Pflichtenkollisionen bei der Erfüllung der Wehrpflicht Pflichtenkollisionen infolge akzeptierter Mehrstaatigkeit waren bereits Gegenstand der Erörterungen bei der Anhörung des Innenausschusses vom 13. März 2013. Dabei wurde unterstrichen, dass dieses Problem gerade bei Deutschen mit türkischer Staatsangehörigkeit - der größten Gruppe der von § 29 StAG Betroffenen39 - eine signifikante Rolle spiele.40 Durch die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland habe die stetig größer werdende Gruppe der deutsch-türkischen Doppelstaater nicht mehr die Möglichkeit, die türkische Wehrpflicht durch die Ableistung von Wehrdienst oder Zivildienst in Deutschland zu umgehen.41 In der Folge müssten die deutschen Staatsbürger mit türkischer Staatsangehörigkeit in der Türkei ihren sechs- bis 15-monatigen Wehrdienst absolvieren und könnten eingezogen werden; eine Pflicht, von der sie sich durch Zahlung von 6.000 € freikaufen könnten.42 Zur Lösung oder Vermeidung dieses Konflikts, der sowohl durch den Wegfall der Optionspflicht als auch aufgrund des bereits dargestellten Anwachsens der Gruppe der Doppelstaater immer häufiger auftreten wird, kommt eine völkerrechtliche Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten der Doppelstaater, z.B. in Form von bilateralen völkerrechtlichen Verträgen, in Betracht.43 Als Vorlage hierfür werden die Artikel 21 und 22 des Europäischen Übereinkommens über die 37 Hailbronner, (Fn. 32), ZAR 2013, 357 (363). 38 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Hrsg.), Deutschlands Wandel zum modernen Einwanderungsland, Jahresgutachten 2014, Berlin 2014, S. 153 mit weiteren Verweisen. 39 Allein 2018 werden 23.553 deutsch-türkische Doppelstaater, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 3 StAG erworben haben, volljährig. Das sind 57 % aller Kinder ausländischer Eltern, die im Jahr 2000 nach § 4 Abs. 3 StAG durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben und eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, vgl. BT-Drs. 17/8268, S. 5. 40 Hailbronner, (Fn. 32), ZAR 2013, 357 (364); ders., (Fn. 24), S. 8 f.; 10 f. 41 Kálnoky/Kamann, Das Wehrpflicht-Programm der jungen Deutschtürken, Die Welt vom 28. November 2013, online abrufbar unter: http://www.welt.de/politik/deutschland/article122369823/Das-Wehrpflicht-Problem-derjungen -Deutschtuerken.html, (zuletzt abgerufen: 7. August 2014). 42 Kálnoky/Kamann, Fn. 41. 43 Hailbronner, (Fn. 24), S. 8 f.; Heinhold, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. März 2013, A-Drs. 17(4)674 C, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 11 Staatsangehörigkeit angeführt, mit dem die Vertragsstaaten die Loyalitätskonflikte bezüglich der Wehrpflicht bei Mehrstaatigkeit bereits ausgeräumt hätten.44 4.2.3. Loyalitätskonflikte bei der Ausübung des Wahlrechts und der Übernahme politischer Ämter Im Zusammenhang mit dem Wegfall der Optionspflicht und der signifikanten Zunahme der Zahl der Deutschen mit weiterer Staatsangehörigkeit wurde auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit politischer Loyalitätskonflikte diskutiert.45 Diese könnten auftreten, wenn in Deutschland geborene und aufgewachsene Doppelstaater im Herkunftsland ihrer Eltern politische Ämter wahrnehmen und politische Rechte ausüben wollen und/oder ihre deutsche Staatsangehörigkeit nutzen, um politische Interessen eines anderen Staates in Deutschland durchzusetzen. Bislang seien solche Gefahren nicht ersichtlich.46 Gleichwohl werden in der rechtswissenschaftlichen Literatur potentielle Konflikte nicht ausgeschlossen, die sich aus der Instrumentalisierung einer großen, rein zahlenmäßig relevanten Bevölkerungsgruppe mit doppelter Staatsangehörigkeit zur Durchsetzung politischer Interessen eines anderen Staates ergeben könnten.47 Zur Beurteilung der realen Existenz und Relevanz des Problems bedürfe es einer politischen Folgenabschätzung durch den Gesetzgeber.48 Als Möglichkeit zur Auflösung solcher Konfliktpotentiale wird vorgeschlagen, z.B. im Verhältnis zur Türkei durch vertragliche Vereinbarungen über eine wohnsitzgebundene Ausübung politischer Rechte und die Selbstverpflichtung der türkischen Regierung zur Nichteinmischung in die Angelegenheiten der im Bundesgebiet lebenden Doppelstaater Bedingungen zu schaffen, die den für Unionsbürger und schweizerische Staatsangehörige mit Doppelpass geltenden entsprechen.49 4.2.4. Problem der Akkumulation mehrerer Staatsangehörigkeiten Als Folge des Wegfalls der Optionspflicht durch die Neufassung von § 29 StAG wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur die Akkumulation von Mehrfachstaatsangehörigkeiten problematisiert , der mit dem geänderten Staatsangehörigkeitsrecht keine regulatorischen Grenzen gesetzt würden. So werde nicht verhindert, dass sich die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes unbegrenzt „vererbe“ und sich dadurch problematische Mehrfachstaatsangehörigkeiten akkumulierten und verstetigten.50 Durch die Aufrechterhaltung der doppelten Staatsangehörigkeit bei bislang Optionspflichtigen erlangten deren Kinder sowohl die deutsche (kraft Abstammung - iure sanguinis) als auch die ausländische Staatsangehörigkeit, sofern diese auch nach dem Abstammungsprinzip vermittelt wird. Sei ein Elternteil bisher optionspflichtiger Doppelstaater und 44 BT-Drs. 17/773, S. 5 und BT-Drs. 17/8268, S. 4. 45 Hailbronner, (Fn.32), ZAR 2013, 357 (364, 366); Martin, in: Martin/Hailbronner, Rights and Duties of Dual Nationals - Evolutions and Prospects 2003, S. 11 ff. 46 Hailbronner, (Fn. 24), S. 11; Heinhold, Hubert, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. März 2013, A-Drs. 17(4)674 C, S. 4. 47 Hillgruber, (Fn. 32), S. 10; Hailbronner, (Fn. 32), ZAR 2013, 357 (365 f.). 48 Hailbronner, (Fn. 32), ZAR 2013, 357 (366). 49 Hillgruber, (Fn. 32), S. 11. 50 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Fn. 38), S. 19 und 149 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 12 der andere Staatsangehöriger eines weiteren Staates, der das Abstammungsprinzip anwendet, erwerbe dieses Kind bereits drei Staatsangehörigkeiten und so fort. Die bisherige Optionsregelung habe dieses Problem dadurch gelöst, dass mit dem Verlust einer der beiden Staatsangehörigkeiten des Elternteils die Möglichkeit ausgeschlossen war, dem Kind beide Staatsangehörigkeiten iure sanguinis dauerhaft zu vermitteln.51 Als Lösungsvorschlag zur Verhinderung einer Akkumulation rechtlich problematischer Mehrfachstaatsangehörigkeiten wird der Abschluss bilateraler Abkommen mit den Herkunftsländern der deutschen Doppelstaater erörtert. Sie seien geeignet, die automatische „Vererbung“ der Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes an Zuwanderer zu kappen, die bereits in der vierten oder fünften Generation in Deutschland leben (sog. Generationenschnitt).52 Adressaten entsprechender Bemühungen wären diejenigen Herkunftsländer, die ihre Staatsangehörigkeit iure sanguinis weitergeben. Diese müssten analog zum deutschen Staatsangehörigkeitsgesetz die unbegrenzte Weitergabe ihrer Staatsangehörigkeit beschränken. Als Vorbild für solche „ius-domicilii- Regelungen“ in den Herkunftsstaaten komme § 4 Abs. 4 StAG in Betracht, nach dem ein im Ausland geborenes Kind eines deutschen Elternteils nicht mehr automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Jedoch könne das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch Anzeige der Geburt innerhalb eines Jahres gegenüber der deutschen Auslandsvertretung erwerben.53 4.3. Rechtliche Auswirkungen der Rechtsänderung 4.3.1. Erforderlichkeit einer Übergangsregelung In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf wies der Bundesrat darauf hin, dass es durch das neue Gesetz zu einer uneinheitlichen Behandlung der „Altfälle“ kommen werde.54 Als „Altfälle“ werden dabei die Personen bezeichnet, die die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1a StAG n.F. erfüllen, aber bereits aufgrund der alten Regelung ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren oder ihre ausländische zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit aufgegeben haben. Die Bundesregierung hat in der Gesetzesbegründung angeregt, dass die Bundesländer diese „Altfälle“ im Rahmen ihres Ermessens einbürgern können – wenn diese ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben – oder ihnen eine Beibehaltungsgenehmigung erteilen können – wenn sie ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben haben.55 Dies führe jedoch nach Ansicht des Bundesrates zu unterschiedlichen Entscheidungen in den einzelnen Ländern, sodass auf diese Art keine bundeseinheitliche Regelung 51 Hillgruber, (Fn. 32), S. 10 f. Vgl. a. Zimmermann, Drei Schritte vor und zwei zurück - Rechtsgutachten zu unions -, verfassungs- und völkerrechtlichen Rechtsfragen der geplanten Reform des § 29 StAG, in: Türkische Gemeinde in Deutschland e.V., Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses am 23. Juni 2014, A-Drs. 18(4)91 D, S. 52. ff. 52 Vgl. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Fn. 38), S. 149 ff. 53 Vgl. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Fn. 38), S. 150 f. 54 BR-Drs. 152/14 (B), S. 3. Auch in der Rechtswissenschaft wird die Notwendigkeit einer Altfallregelung unterstrichen . So: Zimmermann (Fn. 51), S. 14, 39 f. 55 BT-Drs. 18/1312, S. 8; BR-Drs. 152/14 (B), S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 13 der „Altfälle“ erreicht werden kann.56 In der Folge sei für eine einheitliche unbürokratische Handhabung eine Übergangsregelung erforderlich, durch die ein bundeseinheitlicher gebührenfreier Anspruch auf Wiedererwerb (§ 8 StAG) bzw. ein Anspruch auf eine Beibehaltungsgenehmigung (§ 25 Abs. 2 StAG) ohne weitere Voraussetzungen ermöglicht werden sollte.57 4.3.2. Verfassungsrechtliche Vereinbarkeit Verfassungsrechtliche Bedenken, die bereits gegen die Regelungen des § 29 StAG a.F. vorgetragen wurden, werden auch im Hinblick auf die Neufassung der Bestimmung geltend gemacht.58 Es wird vertreten, dass § 29 StAG n.F. gegen Grundrechte verstoße.59 Zugleich ist aber darauf hinzuweisen , dass die Frage der Vereinbarkeit des Optionsmodells mit Grundrechten in der Rechtswissenschaft stark differenziert betrachtet wird. So wird zahlreich die Ansicht vertreten, die Regelung sei verfassungskonform.60 Konkret zielen die verfassungsrechtlichen Bedenken auf die Frage der Vereinbarkeit der Optionspflicht mit dem speziellen Gleichheitsgebot in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Die Vereinbarkeit sei wegen der unterschiedlichen Behandlung von Kindern aus gemischt-nationalen Ehen, bei denen die Mehrstaatigkeit ohne weiteres anerkannt wird, und Kindern von ausländischen Eltern, die der Optionspflicht unterliegen, fraglich.61 Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet es, jemanden wegen seiner Abstammung zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Dabei stellen Differenzierungen, die lediglich auf dem Wesen der Abstammung beruhen, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dar.62 Ungeachtet dessen wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur jedoch vertreten, dass der Anknüpfungspunkt für die unterschiedliche Behandlung von Kindern aus gemischt-nationalen Ehen und Kindern von ausländischen Eltern, nicht nur auf dem Wesen der Abstammung beruhe, sondern gerade die Abstammung selbst sei.63 Eine solche, an bestimmte Eigenschaften der Eltern anknüpfende Ungleichbehandlung sei jedoch verfassungsrechtlich unzulässig.64 Selbst unter der Annahme, dass kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG vorläge, stelle die Anwendung der Optionsregelung eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG in mehrfacher Hinsicht dar, die nicht gerechtfertigt sei.65 56 BR-Drs. 152/14 (B), S. 3. 57 BR-Drs. 152/14 (B), S. 3; vgl. auch Zimmermann, Koalition locuta, causa finita?, DÖV 2014, 429 (433 f.). 58 Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 7 f.; Zimmermann, (Fn. 54), S. 27 f.; Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 36 f. 59 Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 7 f.; Zimmermann, (Fn. 54), S. 27 f.; Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 36 f. 60 Groß, (Fn. 61), S. 1 f.; Hailbronner, (Fn. 24), S. 1 f.; Schwarz, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. März 2013, A-Drs. 17(4)674 A, S. 5 ff. 61 BT-Drs. 17/773, S. 7; Groß, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. März 2013, A-Drs. 17(4)674 B, S. 2; Veit, Doppelte Staatsbürgerschaft oder Optionsrecht?, Recht und Politik 2/2013, S. 88; Zimmermann, (Fn. 57), DÖV 2014, 429 (434); Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 38 ff. 62 BVerfG: Beschluss vom 16.12.1981, 1 BvR 898/79, BVerfGE 59, 128, 156 f.; Zimmermann, (Fn. 54), S. 29. 63 Zimmermann, (Fn. 54), S. 29; Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 38 ff. Andere Auffassung: Groß, (Fn. 61), S. 2 mwN. 64 Zimmermann, (Fn. 54), S. 29; Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 38 ff. 65 Zimmermann, (Fn. 54), S. 34 ff., insb. S. 39; andere Auffassung: Schwarz, (Fn. Fehler! Textmarke nicht defiiert .), S. 6 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 14 Die Neufassung des § 29 StAG habe durch die teilweise Aufhebung der Optionspflicht zwar zur Folge, dass die kritisierte Ungleichbehandlung zwar reduziert, jedoch nicht endgültig aufgehoben werde.66 Durch die nach § 29 Abs. 1 StAG n.F. vorgesehene Anwendung der „alten“ Optionsregelung auf den - zahlenmäßig wesentlich kleineren - Kreis der Personen, die nicht von § 29 Abs. 1a StAG n.F. erfasst werden, werde der verfassungsrechtlich kritische Zustand perpetuiert. Weiterhin wird beklagt, dass § 29 Abs. 5 S. 7 StAG n.F. in Bezug auf Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG verfassungsrechtlich bedenklich sei.67 Die Grundrechtsbestimmung verbietet den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit ohne Zustimmung oder gegen den Willen des Betroffenen.68 Um dies zu gewährleisten, müsse die Behörde den Betroffenen nach § 29 Abs. 5 S. 6 StAG n.F. darauf hinweisen, dass er seine deutsche Staatsangehörigkeit nach § 29 Abs. 3 S. 2 StAG n.F. verliert, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1a StAG n.F. nachweist, die ausländische Staatsangehörigkeit aufgibt oder eine Beibehaltungsgenehmigung (§ 29 Abs. 3 S. 2 StAG n.F.) beantragt. Sollte der Betroffene daraufhin untätig bleiben, könne dies als bewusste Entscheidung gegen die deutsche Staatsangehörigkeit angesehen werden, sodass kein Entzug nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG vorliege.69 Wohne der Betroffene allerdings im Ausland und sei eine Zustellung des Hinweises nicht möglich, könne aufgrund des Verweises in § 29 Abs. 5 S. 7 StAG n.F. auf das Verwaltungszustellungsgesetz70 eine öffentliche Bekanntmachung erfolgen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 VwZG). In diesem Falle sei nicht auszuschließen, dass der im Ausland Wohnende keine Kenntnis von diesem Hinweis erlange.71 Dies hätte nach der hier dargelegten Ansicht zur Folge, dass der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit in einen verfassungsrechtlich verbotenen Entzug umschlage, da der Betroffene keine bewusste Entscheidung gegen die deutsche Staatsangehörigkeit treffen würde. Damit liege in diesen Fällen ein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG vor.72 Außerdem wurden im Rahmen der Anhörung des Innenausschusses vom 23. Juni 2014 Bedenken bezüglich der Bestimmtheit des neuen § 29 Abs. 1a S. 2 StAG vorgetragen.73 Die Regelung verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, das sich wiederum aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebe und folglich Verfassungsrang habe. Dies beruhe insbesondere auf der Verwendung von unbestimmten 66 Vgl. Zimmermann, (Fn.57), DÖV 2014, 429 (434). 67 Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 7 f.; Zimmermann, (Fn. 54), S. 27 f.; Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 36 f. Hailbronner, (Fn. 24), S. 1, geht im Gegensatz dazu davon aus, dass die Optionsregelung mit den Grundgesetz vereinbar ist. 68 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit nicht gegen oder ohne den Willen des Betroffenen erfolgen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 22 Juni 1990, 2 BvR 116/90, BVerfG NJW 1990, 2193. 69 Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 36 mwN. 70 Verwaltungszustellungsgesetz vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354), zuletzt geändert durch Artikel 17 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786). 71 Zimmermann, (Fn. 54), S. 27 f.; Wallrabenstein (Fn. 73), S. 7 f. 72 Andere Auffassung: Schwarz, (Fn. Fehler! Textmarke nicht definiert.), S. 5. 73 Wallrabenstein, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 2014, A-Drs. 18(4)91 E, S. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 15 Rechtsbegriffen. Der Gesetzgeber sei gefordert, die Begriffe „Einzelfälle eines vergleichbar engen Bezugs zu Deutschland“ und „einer besonderen Härte“ selbst näher zu bestimmen.74 4.3.3. Unionsrechtskonformität In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird als Folge des Gesetzes eine mögliche Rücknahme des Vorbehaltes zum Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit75 erörtert.76 Die Bundesrepublik Deutschland hatte zu Artikel 7 des Europäischen Übereinkommens (Verlust der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes oder auf Veranlassung eines Vertragsstaates) den Vorbehalt eingelegt , dass ein solcher Verlust nach deutschem Recht auch über die Optionsregelung des § 29 StAG a.F. eintreten kann.77 Nach Artikel 29 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens muss Deutschland die vollständige oder teilweise Rücknahme des Vorbehaltes prüfen, sobald die Umstände dies zulassen. Da das Optionsmodell allerdings für einen bestimmten Personenkreis beibehalten wird, geht die rechtswissenschaftliche Literatur davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland den Vorbehalt aufrechterhalten muss und sich somit eine Prüfung des Vorbehaltes erübrigt.78 Unionsrechtlichen Bedenken begegnete der im Optionsmodell des StAG a.F. vorgesehene Verlust der Unionsbürgerschaft in der Folge des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 29 Abs. 3 S. 2 StAG.79 Durch die Neufassung von § 29 StAG wird es voraussichtlich nur noch selten dazu kommen, dass die deutsche Staatsbürgerschaft und damit die Unionsbürgerschaft verloren gehen. Das hat zur Folge, dass immer mehr deutsch-ausländische Doppelstaater ihre unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechte behalten können.80 Da aber die Optionsregelung weiterhin zum Regelungsinhalt von § 29 StAG gehört und der - wesentlich kleinere - Kreis der nach § 29 Abs. 1 StAG n.F. weiterhin Optionspflichtigen die deutsche Staatsangehörigkeit und damit auch die Unionsbürgerschaft verlieren kann, werden die erörterten Bedenken hinsichtlich der unionsrechtlichen Zulässigkeit der Optionspflicht aufrecht erhalten.81 Weiterer Kritikpunkt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion ist die sich aus § 29 Abs. 1a StAG ergebende Beschränkung der Arbeitnehmer- und Unionsbürgerfreizügigkeit für Doppelstaa- 74 Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 6. 75 BGBl 2004 II Nr. 15, S. 579. 76 Zimmermann, (Fn. 57), DÖV 2014, 429 (432). Auf diese Konsequenz wurde bereits von der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Gesetzesentwurf vom 27. Januar 2010 (BT-Drs. 17/542, S. 4) und von der Sachverständigen Wallrabenstein in ihrer Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses vom 23. Juni 2014 (A-Drs. 18(4)91 E, S. 3) hingewiesen. 77 BT-Drs. 16/13321, S. 2; Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 3. 78 Zimmermann, (Fn. 57), DÖV 2014, 429 (432 f.). Die neue Regelung der Optionspflicht führt nach Ansicht von Frau Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 3, nicht zu einem Verstoß gegen das Europäischen Übereinkommen über die Staatsbürgerschaft. 79 Heinhold, (Fn. 43), S. 3 f.; Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 4 f.; Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 31 ff. mwN. Andere Auffassung: Hailbronner, (Fn. 24), S. 3 f. 80 Vgl. Hailbronner, (Fn. 32), ZAR 2013, 357 (361). 81 Zimmermann/Schütte/Sener, (Fn. 26), S. 31 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 16 ter, die nach § 4 Abs. 3 StAG deutsche Staatsangehörige – und damit zugleich Unionsbürger – geworden sind. Diese hätten aufgrund des neuen § 29 Abs. 1a StAG nicht die Möglichkeit, ihre Arbeitnehmer- (Art. 45 AEUV) und Unionsbürgerfreizügigkeit (Art. 21 AEUV) auszuüben, „ohne einen Verlust ihrer deutschen Staatsangehörigkeit […] zu riskieren“.82 Der Grund dafür seien die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1a StAG n.F., die nur durch einen Aufenthalt im deutschen Inland erfüllt werden könnten. Dadurch komme es zu einer Freizügigkeitsbeschränkung, da der gewöhnliche Aufenthalt, der Schulbesuch und der Schulabschluss in anderen Mitgliedsstaaten der EU denjenigen in Deutschland nicht gleichgestellt werden.83 4.4. Antizipierte Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis 4.4.1. Erfüllungsaufwandprognose der Bundesregierung Zur Frage der verwaltungspraktischen Auswirkungen des Gesetzes ist zunächst auf die bereits im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltenen Ausführungen zum Erfüllungsaufwand der Verwaltung Bezug zu nehmen.84 Darin wird eine Verringerung des Verwaltungsaufwandes zur Umsetzung der neuen Bestimmung prognostiziert. Zur Begründung verweist die Bundesregierung darauf, dass nach der Neuregelung des § 29 StAG die Informations- und Beratungsaufgaben der Verwaltung gegenüber den bisher Optionspflichtigen entfallen. Auch obliege der Verwaltung die regelmäßige Prüfung, ob die ausländische Staatsangehörigkeit verloren gegangen ist, oder ob eine Beibehaltungsgenehmigung erteilt werden muss, künftig nur noch für die sog. Ius-soli-Kinder, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind. Die neue Bestimmung erlegt der Verwaltung aber für die anderen Ius-soli-Kinder auf zu prüfen, ob diese im Inland aufgewachsen sind; eine Aufgabe , die aber regelmäßig bereits durch das Meldedatenverfahren erfolgen könne. 4.4.2. Neue Hürden durch das vorgesehene Verwaltungsverfahren Eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung durch die Neufassung des § 29 StAG prognostizieren auch Sachverständige der Anhörung des Innenausschusses vom 23. Juni 2014.85 Sie ordnen dieser Reduzierung eine besondere Relevanz zu, weil mit einem erheblichen Anstieg der Fallzahlen der nach der alten Bestimmung Optionspflichtigen zu rechnen gewesen sei.86 Zugleich identifizieren sie aber neue Hürden für das Verwaltungsverfahren zur Durchführung des neu gefassten § 29 StAG. So berge die Antragsbindung für die Feststellung des Wegfalls der Optionspflicht gemäß § 29 Abs. 5 StAG n.F. zusätzlichen Verwaltungsaufwand, der durch die 82 Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 4. 83 Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 4. 84 BT-Drs. 18/1312, S. 9. 85 Jungnickel, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 2014, A-Drs. 18(4)91 C, S. 2; Deuschle, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 2014, A-Drs. 18(4)91 A, S. 2. 86 So erwartet der Verwaltungspraktiker Deuschle für die Stadtverwaltung Stuttgart eine Verzehnfachung von aktuell 100 Fällen jährlich auf 1000 Fälle pro Jahr in 2018. Vgl. Deuschle, (Fn.85), S. 2. Für die Fallzahlprognosen vgl. auch BT-Drs. 18/2126, S. 3 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 17 Bestimmung eines Verfahrens von Amts wegen vermieden werden könne.87 Anzumerken ist hierzu , dass die prognostizierte Fallzahlenentwicklung88 auch für diesen neu geschaffenen Aufgabenbereich der Verwaltung greift. Dies verdeutlicht die Dimension des insoweit zu erwartenden Aufgabenzuwachses der Verwaltung zur Bewältigung des antragsgebundenen Verfahrens. In der rechtswissenschaftlichen Debatte zum Gesetzentwurf der Bundesregierung wird der Verwaltungsaufwand für das Verfahren zur Prüfung, ob ein Aufwachsen in Deutschland vorliegt, sogar noch größer eingeschätzt. Der Auffassung folgend unterfallen dieser Prüfung ab dem Jahr 2018 etwa 40.000 Betroffene pro Jahr.89 Weiterhin führe das Fehlen einer Altfallregelung in abgeschlossenen Optionsverfahren mit verlorener deutscher oder aufgegebener ausländischer Staatsangehörigkeit durch den Verweis auf die Wiedereinbürgerung gemäß § 8 StAG bzw. auf die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 Abs. 2 StAG zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand. Schließlich ergäbe sich aus der Beibehaltung der Ausschlussfrist für die Beantragung der Beibehaltungsgenehmigung nach § 29 Abs. 3 StAG n.F. neben unbilligen Härten für die Betroffenen eine höhere Inanspruchnahme der durchführenden Verwaltung.90 Ob Wegfall und Zuwachs von Verwaltungsaufgaben in der Bilanz zur Notwendigkeit eines Personalaufwuchses in der durchführenden Verwaltung führen, ist in den für diese Arbeit konsultierten Quellen nicht erörtert worden. 4.4.3. Mögliche Probleme durch Zulassung von Verfahrensabweichungen in den Ländern Der neu gefasste § 41 StAG ermöglicht es den Ländern, abweichende Verfahrensregelungen zur Umsetzung des § 29 und § 34 StAG zu schaffen. Nach Ansicht einer Sachverständigen der Anhörung des Innenausschusses vom 23. Juni 2014 könnte dies grundrechtliche Folgewirkungen in Bezug auf das Verwaltungsverfahren haben, weil es zu einem Verstoß gegen Art. 33 Abs. 1 GG führen könnte. Als Beispiel wird auf den möglichen Fall verwiesen, in dem ein Bundesland die öffentliche Zustellung des Optionshinweises abschafft, während andere Bundesländer diese Praxis beibehalten. Hierdurch würde sich die Rechtsstellung zweier Deutscher unterscheiden, die mit unbekanntem Wohnsitz ins Ausland verzogen sind. Einerseits unterläge ein Deutscher, der aus einem Bundesland, das die öffentliche Zustellung abschafft, ins Ausland verzieht und dessen Wohnsitz nicht ermittelt werden kann, nicht der Optionspflicht. Andererseits bliebe ein Deutscher in vergleichbarem Fall in einem Bundesland, das an der Praxis der öffentlichen Zustellung festhält, der Optionspflicht unterworfen und könnte seine deutsche Staatsangehörigkeit verlieren .91 87 Deuschle, (Fn.85), S. 2. 88 Vgl. Tz. 3 dieser Arbeit. 89 Zimmermann, (Fn. 57), DÖV 2014, 429 (430 f.). Mit dem Verweis auf 40.000 Betroffene ab 2018 wird auf das Zahlenwerk der Bundesregierung aus BT-Drs. 17/8268 zurückgegriffen. Vgl. Tz. 3 dieser Arbeit. 90 Jungnickel, (Fn.85), S. 2; Deuschle, (Fn. 85), S. 3. 91 Wallrabenstein, (Fn. 73), S. 7 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/14 Seite 18 5. Exkurs: Vermeidung von Parallelstrukturen Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf Grundlage des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 27. Januar 201092 zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes brachte die Fraktion DIE LINKE. einen Entschließungsantrag ein.93 Dieser sah eine im Vergleich zum Gesetzentwurf weiter gehende Veränderung des § 4 Abs. 3 StAG vor. Zu diesem Antrag wurden im Vorfeld der Anhörung des Innenausschusses vom 13. März 2013 Bedenken dahingehend vorgetragen, dass durch die vorgeschlagene Regelung sogenannte Parallelgesellschaften entstehen könnten, weil Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit erhielten, deren Eltern in der deutschen Gesellschaft nicht verwurzelt und damit „nur in einem geringen Maße ins gesellschaftliche Leben Deutschlands integriert " seien.94 Dem Vorschlag zufolge führe nicht eine Integrationsleistung des Einbürgerungsbewerbers oder eines Elternteils zum Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes, sondern allein die Tatsache , dass ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Das vom Bundestag am 3. Juli 2014 beschlossene Gesetz begegnet möglichen vergleichbaren Bedenken . Der hier zitierte Antrag der Fraktion DIE LINKE. vom 29. Januar 2013 sah vor, den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bereits durch Geburt zuzulassen, wenn ein Elternteil - ungeachtet des Aufenthaltstitels - seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.95 Das Gesetz behält jedoch die ursprüngliche Regelung des § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StAG bei, die für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt einen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt eines Elternteils im Inland und dessen unbefristetes Aufenthaltsrecht voraussetzt. 92 BT-Drs. 17/542. 93 BT-Drs. 17/12185, S. 2. 94 Heinhold, (Fn. 43), S. 15. 95 BT-Drs. 17/12185, S. 2