© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 151/13 Verfassungsrechtlicher Rahmen für spezifische Bekleidungsmarkenverbote in Hausordnungen von Parlaments- und Verwaltungsgebäuden Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 2 Verfassungsrechtlicher Rahmen für spezifische Bekleidungsmarkenverbote in Hausordnungen von Parlaments- und Verwaltungsgebäuden Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 151/13 Abschluss der Arbeit: 17. September 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Hausrechts 4 3. Regelungsbeispiele 6 3.1. Explizite Markenverbote 6 3.2. Interpretationsoffene Regelungen 7 4. Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Beurteilung eines Verbots ausgewählter Bekleidungsmarken 9 4.1. Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG 9 4.1.1. Schutzbereich 9 4.1.2. Eingriff 9 4.1.3. Rechtfertigung 10 4.1.3.1. Allgemeines Gesetz 10 4.1.3.2. Verhältnismäßigkeit 11 4.2. Allgemeiner Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG 14 4.2.1. Grundsätzliche Erwägungen 14 4.2.2. Problem der Vorfestlegung der Verwaltungspraxis durch Verwaltungsvorschriften 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 4 1. Einleitung Für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Berlin Lichtenberg hat die dortige SPD-Fraktion einen Antrag (für die BVV am 28.06.2012) zur Änderung der Hausordnung („Lichtenberger Räumlichkeiten sind neutrale Orte“) gestellt, der explizit das Verbot zum Tragen bestimmter Marken („Thor Steinar“, „Consdaple“) sowie sonstiger Modemarken „mit Kundenorientierung im extremistischen Umfeld“ „in den Gebäuden und Räumen des Bezirksamtes Lichtenberg und in den Gebäuden, in denen die Verwaltung tagt und berät“, enthält. Die Bekleidungsmarke „Thor Steinar“ wird beispielsweise im Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg aus dem Jahr 2012 als eine von Rechtsextremisten geschätzte Marke und als identitätsstiftendes Kennzeichen in dieser Szene bezeichnet.1 Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend der verfassungsrechtliche Rahmen für spezifische Bekleidungsmarkenverbote in Hausordnungen von Parlaments- und Verwaltungsgebäuden aufgezeigt werden. 2. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Hausrechts Das Hausrecht in Parlamenten lässt sich am Beispiel des Deutschen Bundestages erläutern2: Nach Art. 40 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) übt der Präsident des Bundestages das Hausrecht im Gebäude des Bundestages aus. Das Hausrecht beinhaltet alle privat- und öffentlich-rechtlichen Befugnisse , die sich aus dem Besitz-/Verwaltungsrecht sämtlicher dem Bundestag dienenden Immobilien ergeben. Es bezieht sich nicht nur auf die der Verwaltung des Bundestages unterstehenden Gebäude, Gebäudeteile und Grundstücke (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages - GOBT), sondern auch auf alle Räumlichkeiten, die dem Bundestag und seinen Einrichtungen zu dienen bestimmt sind. Die Ausübung des Hausrechts hat das Ziel, die Parlamentsautonomie zu sichern und die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu erhalten. Das Hausrecht findet auf die Abgeordneten und alle sonstigen Personen im räumlichen Bereich des Bundestages Anwendung. Hausrechtliche Maßnahmen mit Eingriffscharakter werden direkt auf Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG gestützt . Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG weist das Hausrecht als eigene, nicht vom Parlament abgeleitete Zuständigkeit des Bundestagspräsidenten aus. Die durch Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Funktionsfähigkeit des Bundestages stellt ein die Grundrechte und das freie Mandat unmittelbar einschränkendes Verfassungsgut dar. Eine weitere Konkretisierung durch ein einfaches Gesetz unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes wird nach herrschender Ansicht als nicht notwendig angesehen. Hausrechtliche Maßnahmen werden unmittelbar auf Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG in 1 Land Brandenburg, Ministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2012, S. 200, abrufbar unter: http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/media_fast/4055/VSB_web.pdf. 2 Die nachfolgenden Ausführungen zum Hausrecht im Bundestag beruhen auf: Durchsetzung des Hausrechts des Bundestagspräsidenten nach Art. 40 Grundgesetz, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 238/10, S. 4 .m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 5 Verbindung mit den jeweils einschlägigen Bestimmungen der Hausordnung gestützt. Vergleichbare Bestimmungen existieren auch auf der Ebene der Landtage.3 Das Hausrecht ist abzugrenzen von der Ordnungs- und Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten. Die Ordnungsgewalt im Sinne einer „Disziplinargewalt“4 bezieht sich auf den ordnungsmäßigen Ablauf parlamentarischer Sitzungen sowie auf den Adressatenkreis der Abgeordneten und ist aus der verfassungsrechtlich verankerten Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages (Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG) bzw. des jeweiligen Landtages herzuleiten. Gegen Besucher der Sitzungen werden dagegen Sanktionen – mitunter auch als Maßnahmen der „allgemeinen“ Ordnungsgewalt bezeichnet5 – auf das Hausrecht gestützt, weil sich die Geschäftsordnung als Innenrecht des Parlaments nicht auf diese bezieht. Die Polizeigewalt kann sowohl gegenüber Abgeordneten als auch Besuchern ausgeübt werden. Sie betrifft die öffentlich-rechtlichen Befugnisse zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.6 Für Verwaltungsgebäude gilt im allgemeinen: Das Hausrecht und damit auch die es konkretisierende Hausordnung wird nach der überwiegenden Meinung in der Literatur und Teilen der Rechtsprechung als öffentlich-rechtlich eingestuft, weil es der Sicherung der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben im Verwaltungsgebäude dient.7 Einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung für die Ausübung des Hausrechts bedarf es nicht.8 Die Befugnis zu hausrechtlichen Maßnahmen wird aus der allgemeinen, kraft öffentlichen Rechts bestehenden Kompetenz jeder Behörde abgeleitet , für einen störungsfreien Dienstbetrieb innerhalb ihres räumlichen Verwaltungsbereichs zu sorgen. Darüber hinaus ist das Hausrecht des Gemeinderatsvorsitzenden explizit gesetzlich für die Gemeinderatssitzungen in den Gemeindeordnungen verankert. Für die Räume der Bezirksverordnetenversammlung weist in § 7 Abs. 2 S. 1 Bezirksverwaltungsgesetz (BVG) in Berlin dem Bezirksverordnetenvorsteher das Hausrecht zu. 3 Beispiele: Art. 32 Abs. 2, S. 1 Verfassung des Landes Baden-Württemberg; Art. 41 Abs. 4, S. 1 Verfassung von Berlin; Art. 29 Abs. 3, S. 2 Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. 4 Bücker, Das parlamentarische Ordnungsrecht, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 34 Rn. 3. 5 Bücker, in: Schneider/Zeh, § 34 Rn. 5. 6 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., 2012, Art. 40 Rn. 12. 7 Mauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, § 3 Rn. 34 m.w.N. Nach der Rechtsprechung wird das Hausrecht teilweise aber auch – je nach Zweck des Besuchs – entweder öffentlich- oder privatrechtlich eingeordnet (z.B. OVG Münster, Beschluss vom 8. Oktober 1997 – Az. 25 B 2208 – 97 – in: NJW 1998, 1425). 8 Maurer, § 3 Rn. 34. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 6 3. Regelungsbeispiele 3.1. Explizite Markenverbote Das Verbot bestimmter Bekleidungsmarken – u. a. aus dem rechtsextremistischen Umfeld – findet sich z. B. explizit in den Ausführungsbestimmungen der Hausordnung des Landtages Mecklenburg -Vorpommern, an denen sich auch der Text des in der Einleitung erwähnten Antrags für die BVV Lichtenberg orientiert. So heißt es in Anlage 3 zu § 13 der Hausordnung: „Unangemessene Bekleidung 1. Im Schloss Schwerin und in den übrigen Gebäuden des Landtages ist das Tragen oder Verwenden von Symbolen, Kennzeichen und Kleidungsstücken, die geeignet sind, die Würde des Parlaments und das Ansehen des Landtages zu beschädigen, verboten. 2. Symbole, Kennzeichen und Kleidungsstücke sind geeignet, die Würde des Parlaments und das Ansehen des Landtages zu beschädigen, wenn ein Bezug zu extremistischen, verfassungsfeindlichen oder strafrechtlich sanktionierten Auffassungen, Gesinnungen und Handlungen deutlich wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie mit den grundlegenden Zielen der Verfassung nicht vereinbar sind. Dazu zählen insbesondere der Umgang mit Gewalt (Verherrlichung, Aufruf zur Gewalt), die Verunglimpfung staatlicher Behörden oder von Personen, die im staatlichen Auftrag tätig sind, die Verunglimpfung von Minderheiten und die Förderung von Intoleranz sowie einseitige Instrumentalisierungen historischer Ereignisse. Dies schließt entsprechende politische Meinungsäußerungen, Abkürzungen , Codierungen oder im obigen Sinne missbräuchlich genutzte Firmenlabels mit ein. Das Tragen der Modemarken „Thor Steinar“, „Consdaple“ und ihnen zugehörige Label sowie sonstiger Modemarken mit Kundenorientierung im extremistischen Umfeld ist im Landtag nicht gestattet.“ Weiter heißt es zu den Rechtsfolgen des Verstoßes unter Nr. 3 „3. Personen, die entsprechende Kleidungsstücke tragen oder Symbole und Kennzeichen nach 2. verwenden, ist der Zugang zu den Gebäuden des Landtages zu verwehren. Personen, die sich bereits innerhalb der Gebäude befinden, werden durch den Haussicherheitsdienst aufgefordert, das Kleidungsstück abzulegen oder die Kennzeichen zu verdecken. Bei Weigerung ist die Landtagsverwaltung darüber hinaus befugt, einen Hausverweis auszusprechen . Im Wiederholungsfall oder bei schweren Verstößen kann ein Hausverbot ausgesprochen werden. Entscheidungen in Bezug auf Abgeordnete sind der Präsidentin bzw. in ihrer Vertretung entsprechend beauftragten Personen vorbehalten.“ Weitere Erläuterungen zum Verfahren in der Praxis enthält die Hausmitteilung Nr. 14/2012 des Landtages, Verwaltung, Innerer Dienst – Z 5: „Die Entscheidung, ob ein Verstoß gegen die Hausordnung im obigen Sinne vorliegt, obliegt dem Haussicherheitsdienst. Dieser entscheidet eigenverantwortlich im Sinne der Zielsetzung der Hausordnung und ist in der Lage, seine Bewertung als Verstoß oder Nicht-Verstoß zu begründen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 7 Bei Kleidungsstücken, Symbolen oder Kennzeichen, die eindeutig einem extremistischen Spektrum zuzuordnen sind, verfügt der Haussicherheitsdienst über keinen Ermessensspielraum, sondern verwehrt den Zutritt oder fordert zum Bedecken auf. Dies betrifft u. a. die Modemarke „Thor Steinar“, rechts- oder linksextremistische Symbole und extremistische politische Meinungsäußerungen (s. Anlage)9 sowie das auffällige Zurschaustellen von sogenannten Springerstiefeln oder Bomberjacken oder das Zurschaustellen einschlägiger Tattoos oder Frisurenmuster. Politische Meinungsäußerungen durch Symbole, Kennzeichen oder Bekleidungsstücke, die nicht dem extremistischen Bereich zuzuordnen sind, stellen nur dann einen Verstoß gegen die Hausordnung dar, wenn sie einen eindeutigen nach Anlass, Art, Darstellungsdauer und Umfang erkennbaren Aufforderungscharakter an andere haben oder parteinahe Logos oder Slogans enthalten und zusätzlich zu Demonstrationszwecken eingesetzt werden (§ 17 Hausordnung). Im Plenarsaal dürfen keine politischen Meinungsäußerungen durch Besucher von öffentlichen Sitzungen des Landtages und seiner Gremien erfolgen (§ 15 Hausordnung). Sind Symbole oder Kleidungsstücke nicht eindeutig zuzuordnen, entscheidet der zuständige Mitarbeiter des Haussicherheitsdienstes nach eigenem Ermessen. Im Zweifelsfall wird anschließend eine Prüfung durch Z 5 erfolgen. Hierzu ist eine Beschreibung des Kleidungsstückes oder Symbols anzufertigen .“ Eine Regelung einschließlich des Verbots konkret benannter Modemarken aus dem rechtsextremistischen Umfeld findet sich auch in der Ergänzung zur Hausordnung für Dienstgebäude der Stadtverwaltung Gera.10 3.2. Interpretationsoffene Regelungen Die Hausordnung des Deutschen Bundestages enthält keine expliziten Bekleidungsmarkenverbote . § 4 Abs. 1 und 2 lauten: „(1) In den Gebäuden des Deutschen Bundestages sind Ruhe und Ordnung zu wahren. Die Besucher haben die Würde des Hauses zu achten und auf die Arbeit im Haus Rücksicht zu nehmen. Insbesondere sind alle Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind, die Tätigkeit des Deutschen Bundestages, seiner Gremien, Organe und Einrichtungen zu stören. (2) Es ist nicht gestattet, Spruchbänder oder Transparente zu entfalten, Informationsmaterial zu zeigen oder zu verteilen, es sei denn, es ist zur Verteilung zugelassen.“ 9 Während der Text der Anlage 3 zu § 13 der Hausordnung mit „ Thor Steinar“ und „Consdaple“ explizit nur Bekleidungsmarken aus dem rechtsextremistischen Umfeld aufführt, enthält die Anlage zur o.g. Hausmitteilung ein ausführliches Verzeichnis nebst Fotos von extremistischen Symbolen und Kennzeichen einschließlich Bekleidungsmarken sowohl aus dem rechts- als auch linksextremistischen Spektrum. 10 Abrufbar unter: http://www.gera.de/fm/sixcms/193/Erg%C3%A4nzung%20der%20Hausordnung.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 8 Nach Auskunft des Polizei- und Sicherungsdienstes der Verwaltung des Deutschen Bundestages (Referat ZR 3)11 wird die grundsätzlich interpretationsoffene o. g. Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 der Hausordnung z.B. in Bezug auf die Modemarke „Thor Steinar“ wie folgt ausgelegt: Bei der Marke „Thor Steinar“ handele es sich nicht allein um eine Modemarke, die von der rechtsextremen Szene vereinnahmt worden sei, sondern um eine, die klar auf die Neonazi-Kundschaft abziele. Dies sei auch dem Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2012 auf S. 200 zu entnehmen: „Die Marke „Thor Steinar“ ist bei Rechtsextremisten ebenfalls beliebt. Das Tragen von „Thor Steinar “ dient als identitätsstiftendes Erkennungszeichen unter Rechtsextremisten. […] Nicht umsonst bezeichnete der einschlägig rechtsextremistisch bekannte Internet-Versandhandel „Rock-Nord“ die Käufer von „Thor Steinar“-Artikeln als „patriotische“ Kunden. Kleidungsstücke der Marke „Thor Steinar“ würden als szenetypisches Abgrenzungs- und Erkennungsmerkmal in rechtsextremen Kreisen gelten und seien somit geeignet, die rechtsextreme Gesinnung nach außen kundzutun. Die dadurch zum Ausdruck gebrachte rechtsextreme oder antidemokratische Gesinnung widerspreche dem gebotenen politisch neutralen Auftreten der Besucher des Deutschen Bundestages. Mithin sei auch das Tragen von „Thor Steinar“-Kleidung in den allgemein zugänglichen Räumlichkeiten des Deutschen Bundestages untersagt. Die Gebäude des Deutschen Bundestages dienten der Arbeit des Parlaments sowie seiner Gremien und Mitglieder. Nach § 4 Absatz 1 der Hausordnung des Deutschen Bundestages hätten Besucher Rücksicht auf die Arbeit im Haus zu nehmen. Insbesondere seien alle Handlungen zu unterlassen , die geeignet seien, die Tätigkeit des Deutschen Bundestages, seiner Gremien und Einrichtungen zu stören. Gemäß § 4 Absatz 2 der Hausordnung des Deutschen Bundestages sei es nicht gestattet, Spruchbänder oder Transparente zu entfalten. Von den Besuchern des Deutschen Bundestages werde erwartet, dass ihr Auftreten und Verhalten keine Störungen hervorrufen könne. Dazu gehöre auch, dass von Besuchern innerhalb der Gebäude erwartet werde, sich politisch neutral zu verhalten und dementsprechend auch keine Kleidung mit politischen Willensbekundungen zu tragen. Damit solle erreicht werden, dass der Prozess der politischen Entscheidungsfindung in den dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien unabhängig vom „Druck der Straße“ erfolge. In den allgemein zugänglichen Räumen der Bundestagsliegenschaften solle eine sachliche Arbeitsatmosphäre gewährleistet werden. Dies werde in der Praxis beim Zutritt grundsätzlich so gehandhabt, dass die Personen beim Betreten der Liegenschaften vom Einlasskontroll- oder Sicherheitspersonal gebeten würden, das entsprechende Kleidungsstück oder Button abzunehmen und am Eingang zu hinterlegen oder für die Dauer des Besuchs verdeckt zu tragen, so dass es von anderen nicht wahrgenommen werden könne. Für den Fall des Tragens von Kleidung der Modemarke „Thor Steinar“ werde der Handhabung von „visuellen“ am Körper getragenen Meinungsäußerungen entsprechend verfahren. In Bezug auf das Hausrecht in öffentlichen Einrichtungen ist weiter die Universität Greifswald zu nennen: Hier hatten die Jusos im Jahr 2010 einen Antrag in das Studierendenparlament eingebracht , mit dem die Universitätsleitung dazu aufgefordert werden sollte, das Tragen der Marken 11 So Auskunft laut E-Mail vom 21. August 2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 9 „Consdaple“ und „Thor Steinar“ zu unterbinden.12 Letztlich wurde dieser Antrag aber abgelehnt und ein allgemein gehaltener Passus als § 5 Abs. 4 in die Hausordnung der Universität Greifswald 13 aufgenommen, der folgende unzulässige Betätigungen festhält: „Im Geltungsbereich dieser Hausordnung sind Verhaltensweisen, insbesondere die Verwendung von Kennzeichen mit verfassungswidrigen , rassistischen, fremdenfeindlichen, gewaltverherrlichenden oder anderen menschenverachtenden Inhalten, zu unterlassen, wenn diese Verhaltensweisen die Fähigkeit der Universität beeinträchtigen, ihre Aufgaben als Einrichtung für Forschung und Lehre in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat wahrzunehmen.“ 4. Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Beurteilung eines Verbots ausgewählter Bekleidungsmarken Das Verbot ausgewählter Bekleidungsmarken in einer Hausordnung für Parlaments- bzw. Verwaltungsgebäude und für die im Falle des Verstoßes folgenden Sanktionen sind insbesondere an dem Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. 4.1. Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG 4.1.1. Schutzbereich Die Meinungskundgabe kann auch durch Symbole und Aufkleber kundgetan werden.14 Ebenso können mit dem Tragen einer bestimmten Bekleidungsmarke bestimmte Auffassungen zum Ausdruck gebracht werden, so jedenfalls anerkanntermaßen dann, wenn sich eine Kleidungsmarke zum Erkennungscode einer bestimmten politischen Szene etabliert hat.15 Dies dürfte ausweislich des Verfassungsschutzberichts des Landes Brandenburg z.B. in Bezug auf die Marke „Thor Steinar“ für das rechtsextreme Spektrum zu begründen sein.16 4.1.2. Eingriff Ein Verbot, bestimmte Bekleidungsmarken z.B. in Verwaltungsgebäuden zu tragen, und die damit einhergehenden Maßnahmen verhindern, dass Personen ihre Meinung an diesen Orten in dieser 12 Siehe hierzu: Scholz, Universität Greifswald ändert Hausordnung, abrufbar unter: http://www.endstationrechts .de/index.php?option=com_k2&view=item&id=5305:universit%C3%A4t-greifswald-%C3%A4nderthausordnung &Itemid=406. 13 Allgemeine Hausordnung für Gebäude, Räume und Grundstücke der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (Stand: 31. Januar 2013), abzurufen unter: http://www.uni-greifswald.de/fileadmin/mp/e_dez1/allgemeineverwal tung/e_satzungen/20130131164806308.pdf. 14 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 7. 15 Siehe hierzu auch: VG Gera, Urteil vom 20. Februar 2013 – Az. 2 K 267/12 Ge – abrufbar unter: http://www.juris.de, Rn. 22. 16 Wird mit dem Tragen dieser Kleidung nicht die Kundgabe einer Meinung intendiert, sondern diese lediglich z.B. aus modischen Gründen getragen, so ist nicht Art. 5 Abs. 1 GG einschlägig, sondern die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 10 Weise kundtun, könnten Eingriffe in Art. 5 Abs. 1 GG darstellen. Der Eingriff kann von der Hausordnung selbst ausgehen oder in deren Vollzug zu sehen sein. Es kann daher letztlich dahinstehen , welchen Rechtscharakter die Hausordnung besitzt. Die Hausordnung des Deutschen Bundestages dürfte jedenfalls als konkretisierende Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren sein.17 Denn die Hausordnung setzt für die Bediensteten der Verwaltung des Bundestages den Maßstab für die Erfüllung der sich aus dem Hausrecht ergebenden Aufgaben und stellt dessen im Blick auf den Gleichheitssatz gebotene gleichmäßige Handhabung sicher.18 Erörtert wird aber auch, dass es sich um eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG handeln könnte, da sie sich als eine generelle, d.h. an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete und konkrete, hier auf die Gebäude des Bundestages bezogene Regelung verstehe, wie es § 35 Satz 2 Alt. 3 VwVfG entspreche.19 Zumindest wird für Benutzungsregelungen öffentlicher Einrichtungen regelmäßig angenommen, dass es sich um Allgemeinverfügungen handelt.20 Allerdings setzt eine solche Allgemeinverfügung voraus, dass es sich um eine Regelung handelt, die die Rechte und Pflichten der Benutzer festlegt. Zeigt eine Hausordnung aber lediglich auf, welche Maßnahmen im Falle eines Verstoßes gegen das Verbot, Kleidung bestimmter Modemarken zu tragen, ergriffen werden sollen und erfolgt die unmittelbar den Bürger betreffende Maßnahme (Zutrittsverwehrung, Aufforderung, verbotene Kleidungsstücke abzulegen, Hausverweis, Hausverbot) erst mit der tatsächlichen Ausführung dieser Maßnahme durch den Haussicherheitsdienst bzw. Hausherrn, spricht dies dafür, die Hausordnung eher als Verwaltungsvorschrift einzustufen, durch die die Ausübung des Hausrechts konkretisiert und eine gleichmäßige Handhabung durch die Verwaltung im Einklang mit dem Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet werden soll. Nach alledem spricht einiges dafür, die Hausordnung, die das Markenverbot und mögliche Sanktionen formuliert, eher als eine das Verwaltungshandeln konkretisierende Verwaltungsvorschrift anzusehen. Wie bereits eingangs erwähnt, bedarf es hier aber keiner abschließenden Festlegung. 4.1.3. Rechtfertigung 4.1.3.1. Allgemeines Gesetz Eingriffe in die Meinungsfreiheit sind gerechtfertigt, wenn sie durch allgemeine Gesetze erfolgen . Als „Gesetze“ in diesem Sinne sind Gesetze im formellen und materiellen Sinne anzusehen , d.h. neben Parlamentsgesetzen auch Rechtsverordnungen, nicht aber Verwaltungsvor- 17 VG Berlin, Urteil vom 18. Juni 2001 – Az. 27 A 344/00 – in: NJW 2002, 1063, 1065; Klein, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a. Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 40 Rn. 162. 18 Klein, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a., Art. 40 Rn. 162. 19 Klein, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a., Art. 40 Rn. 162. 20 Maurer, § 9 Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 11 schriften.21 „Allgemein“ bedeutet, dass sich die Gesetze nicht gegen eine bestimmte Meinung richten.22 Für das Hausrecht des Bundestagspräsidenten wird Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG als verfassungsrechtliche Grundlage gesehen, auf der alle weiteren hausrechtlichen Maßnahmen beruhen, während die Hausordnung lediglich eine das Verwaltungshandeln konkretisierende Verwaltungsvorschrift darstellt (s.o. 2.). Es besitzt danach in jedem Fall eine im Sinne des Gesetzesvorbehalts des Art. 5 Abs. 2 GG eine ausreichende, weil sogar verfassungsrechtliche Grundlage. Auf Bezirksebene kommt als gesetzliche Grundlage jedenfalls für die Räume der Bezirksvertreterversammlung der bereits zitierte § 7 Abs. 2 S. 1 BVG in Betracht. Im Übrigen wird das Hausrecht als ungeschriebene Annexkompetenz zu den eigentlichen behördlichen Aufgaben gesehen, die aber ihrerseits auf gesetzlicher Grundlage beruht. Das Hausrecht selbst und seine gesetzlichen Grundlagen intendieren grundsätzlich die Sicherung der ordnungsgemäßen Verwaltungstätigkeit und richten sich nicht gegen eine bestimmte Auffassung, und können daher wohl als „allgemein“ qualifiziert werden. Allerdings könnte die auf diesen Grundlagen basierende Hausordnung das Hausrecht in problematischer Weise konkretisieren , weil ausdrücklich hierin benannte Kleidungsmarken verboten sind, mit denen eine bestimmte extremistische Gesinnung in Verbindung gebracht wird. Das Bundesverfassungsgericht hat zu § 130 Abs. 4 StGB festgestellt, dass auch nichtallgemeine Gesetze mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar seien, allerdings nur soweit es um Bestimmungen gehe, die der propagandistischen Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzten .23 Es hat außerdem deutlich gemacht, dass das Grundgesetz kein allgemeines Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts rechtfertige.24 4.1.3.2. Verhältnismäßigkeit Es stellt sich die Frage, ob das auf der Hausordnung basierende Verbot konkreter Bekleidungsmarken und die zwangsläufig darauf folgenden hausrechtlichen Sanktionen als verhältnismäßig zu bewerten sind. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dann eingehalten, wenn der Eingriff im Hinblick auf das verfolgte legitime Ziel geeignet, erforderlich und angemessen ist.25 „Ziel“ der entsprechenden Vorschriften in den Hausordnungen in Parlamentsgebäuden ist die Wahrung der Würde des Hauses. Auf Bezirksebene eines Stadtstaates wie Berlin diese Terminologie zu übertragen („Würde des Bezirks“), dürfte die Zielrichtung des dortigen Hausrechts wohl übersteigen, nicht dagegen die Formulierung „Ansehen der Verwaltung“. Das Verbot, extremisti- 21 Wendt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Bd. 1, 6. Aufl., 2012, Art. 5 Rn. 73. 22 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 55. 23 BVerfGE 124, 300, Leitsatz 1. 24 BVerfGE 124, 300, Leitsatz 2. 25 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 83. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 12 sche, verfassungsfeindliche Positionen zur Schau zu stellen, dürfte in Verwaltungsgebäuden damit zu begründen sein, dass man verhindern will, „die Tätigkeit der Verwaltung und die Arbeit der Bezirksvertreter in unangemessener Weise zu beeinflussen“. Dies entspricht eher der Zielrichtung des hier in Rede stehenden Hausrechts als eine an die parlamentarische Hausordnung angelehnte Formulierung. Es handelt sich in beiden Fällen um legitime Ziele. Das Tragen bestimmter Modemarken, die dem extremistischen Umfeld zugeordnet werden, zu verbieten, und Verstöße hiergegen hausrechtlich zu sanktionieren, dürfte zur Erreichung der genannten Ziele – Wahrung der Würde des Parlaments und Verhindern unangemessener Einflussnahme auf die Verwaltungstätigkeit – geeignet sein. Fraglich ist aber, ob ein solches generelles Verbot ausgewählter Marken und die Sanktionierung eines Verstoßes hiergegen mit hausrechtlichen Maßnahmen auch das mildeste Mittel zur Erreichung des Ziels und damit erforderlich wäre. Es stellt sich die Frage, ob eine allgemein gehaltene Formulierung in der Hausordnung ohne Nennung bestimmter Modemarken nicht ein milderes Mittel wäre, weil es nicht zwangsläufig zu einer hausrechtlichen Maßnahme käme, sondern eine Bewertung in jedem Einzelfall vorgenommen werden müsste. Das Verbot, bestimmte Kleidung mit möglichem politischem Aussagewert zu tragen, war bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. In Bezug auf die Frage der Rechtmäßigkeit und in diesem Zusammenhang der Verhältnismäßigkeit hausrechtlicher Sanktionen sind insbesondere zwei Gerichtsentscheidungen zu erwähnen, die sich u.a. zum Verbot bestimmter Kleidung in Verwaltungsgebäuden verhalten: Das Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße stellte in einem Urteil aus dem Jahr 200726 die Rechtswidrigkeit einer Anordnung fest, dass ein Besucher der Veranstaltung „Prävention gegen Rechts“ in einem Gebäude der Stadtverwaltung das Tragen eines Polo-Shirts mit der Aufschrift „Die Republikaner“ zu unterlassen habe und andernfalls nicht an der Veranstaltung teilnehmen dürfe. Hier ging es allerdings nur um ein Verbot im Einzelfall und nicht um eine Vorfestlegung durch eine Hausordnung. Das Gericht sah in der konkreten Maßnahme einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG. Das Tragen des Shirts bringe unzweifelhaft eine bestimmte parteipolitische Meinungsäußerung zum Ausdruck. Da es sich um eine Veranstaltung außerhalb der Ratssitzungen handele, bestehe auch eine politische Mäßigungspflicht nicht. Im Ergebnis sei hier die vom Kleidungsstück selbst ausgehende Störung nach objektiven Maßstäben als geringfügig anzusehen, anders sei dies bei Kleidungsstücken mit langer Tradition in rechtsextremen Kreisen zu bewerten, wobei u .a. die Namen Lonsdale, Fred Perry und Consdaple genannt wurden. Dies legt zumindest die Vermutung nahe, dass das Gericht bei vergleichbaren Labels eine andere Bewertung zulasten der Meinungsfreiheit der diese Kleidungsstücke tragenden Personen vorgenommen hätte. Weiter zu nennen ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom März 201327. Der Stadtrat der Stadt Gera wird hiernach verurteilt, es zu unterlassen, dem Kläger, einem Stadtratsmitglied der 26 VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 8. März 2007 – Az. 4 K 1881/06. NW –abrufbar unter: http://www3.justiz.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil.asp?rowguid={5A28D850-B1C3-4682-8B13-5B310FACA0C2}. 27 VG Gera, Urteil vom 20. Januar 2013 – Az. 2 K 267/12 Ge – abrufbar unter: http://www.juris.de. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 13 NPD, in Ratssitzungen zu verbieten, eine bestimmte, im Urteil näher bezeichnete Jacke der Marke „Thor Steinar“ zu tragen. Hier galt es, eine Hausordnung mit explizitem Verbot ausgewählter Marken, u. a. der Marke „Thor Steinar“, zu bewerten. Das Gericht machte deutlich, dass es von den rechtlichen Rahmenbedingungen des Einzelfalls bzw. des Rechtskreises abhänge, in dem das Grundrecht ausgeübt werde, welches Maß an Eingriff in die Meinungsfreiheit hinzunehmen sei.28 So könne bei Äußerungen im Rahmen von Ratssitzungen nicht die versammlungsrechtliche Rechtsprechung herangezogen werden, wonach versammlungsrechtliche Auflagen, die das Tragen von Thor Steinar-Kleidung verbieten, unter dem Hinweis darauf untersagt worden seien, dass das Tragen dieser Marke nicht strafbar sei. Da es sich um eine Maßnahme während der Ratssitzung handelte, zieht das Gericht als Rechtsgrundlage letztlich die einschlägige Vorschrift der thüringischen Kreisordnung zur Ordnungsgewalt in Sitzungen heran, stellt aber zugleich fest, dass auch die Hausordnung der Stadt Gera die Grundrechte nicht weiter einschränken dürfe, als es die allgemeinen Gesetze zuließen.29 Das Gericht betont, dass es im Hinblick auf die Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Meinungsfreiheit letztlich nur den konkreten Einzelfall des Tragens bestimmter Modelabels bewerten könne. Es schlussfolgert, dass es sich allein zu der konkret in Rede stehenden Jacke verhalten könne, nicht aber zur Modemarke „Thor Steinar“ insgesamt.30 Damit bringt es inzident zum Ausdruck, dass es ein pauschales Verbot in einer Hausordnung und die dortigen ermessenskonkretisierenden Vorgaben für Maßnahmen im Falle eines Verstoßes gegen das Verbot wohl als problematisch ansieht. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Ordnungsmaßnahme nicht zu rechtfertigen gewesen sei, weil eine erhebliche Störung von der getragenen Jacke nicht ausgegangen sei31: Zum einen sei das Label im konkreten Einzelfall unauffällig gewesen, zum anderen sei auf der Homepage der Modemarke „Thor Steinar“ kein Hinweis zu rechtsextremen oder menschenverachtenden Ansichten zu finden. Eine Zuordnung zur rechtsextremen Szene ergebe sich erst dadurch, dass Teile der Bevölkerung es zum Erkennungsmerkmal dieser politischen Gruppierung erhöben. Dieses Urteil macht letztlich deutlich, dass – jedenfalls außerhalb des parlamentarischen Raums32 – die Frage der Erforderlichkeit von generellen Bekleidungsverboten mit automatischer Sanktionierung im Falle eines Verstoßes von der Rechtsprechung nicht unproblematisch als verfassungskonform akzeptiert wird; eine grundsätzlich interpretationsoffene Regelung – nach dem Vorbild des Deutschen Bundestages und der Universität Greifswald (s.o. 3.2.) – böte vor diesem Hintergrund 28 VG Gera, Rn. 25. 29 VG Gera, Rn. 24. 30 VG Gera, Rn. 26. 31 VG Gera, Rn. 26. 32 Rechtsprechung, die die Verfassungsmäßigkeit z.B. der Hausordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern bezweifelt, existiert nicht. Urteile in diesem Kontext: Landgericht Rostock, Urteil vom 4. April 2012 – Az. 3 O 848/11 (3); Oberlandesgericht Rostock, Urteil vom 21. November 2012 – Az. 2 U 13/12, 3 O348/11 (3) LG Rostock. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 14 wohl eher eine gerichtsfeste Lösung, die es erlaubt, im Einzelfall auf das konkrete Erscheinungsbild des jeweiligen Kleidungsstückes abzustellen. 4.2. Allgemeiner Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG 4.2.1. Grundsätzliche Erwägungen Wird nur eine Auswahl von Bekleidungsmarken durch die Hausordnung verboten und sanktioniert , könnte darin ein Gleichheitsverstoß gemäß Art. 3 Abs. 1 GG liegen. So trug der Kläger in o.g. Verfahren vor dem VG Gera vor, dass die Hausordnung der Stadt, die das Tragen des Labels „Thor Steinar“ verbiete, rechtswidrig sei. Die Maßnahmen des Hausrechts seien rechtswidrig, weil diese seiner Ansicht nach (neben der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG) auch den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verletzten.33 Ein Verstoß gegen das Willkürverbot und den Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich daraus, dass die Hausordnung zu unbestimmt sei. Unklar sei auch, weshalb das Kleidungsstück gegen die Würde des Stadtrates und dessen Ansehen verstoße. Das Modelabel enthalte keine Aussage. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei auch darin zu sehen, dass lediglich acht Modemarken nach der Hausordnung verboten seien, nicht aber andere, die gewaltverherrlichend seien. Hierzu ist Folgendes anzumerken: Es liegt in dem Verbot bestimmter Bekleidungsmarken eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte, nämlich im Vergleich zu anderen Marken oder Symbolen, die nicht explizit verboten werden. Da das durch die Hausordnung grundsätzlich vorgegebene Verbot, bestimmte Modemarken zu tragen, in Verbindung mit der daraus folgenden Sanktionierung eines Verstoßes – wie soeben dargelegt – einen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht der Meinungsfreiheit darstellt, sind erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen.34 Die Ungleichbehandlung müsste demnach den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen. Verlangt ist, dass der Rechtfertigungsgrund in angemessenem Verhältnis zur Ungleichbehandlung steht. Notwendig ist ein sachlich vertretbarer Unterscheidungspunkt von hinreichendem Gewicht.35 Dies ließe sich vorliegend etwa damit begründen, dass die verbotenen Kleidungsmarken, die allein dem rechtsextremistischen Spektrum entstammen, in ihrem Aussagegehalt gegenüber den nicht erwähnten Marken in besonderem Maße Ausdruck extremistischer Tendenzen sind, die die Tätigkeit der Verwaltung und die Arbeit der Bezirksvertreter in unangemessener Weise zu beeinflussen geeignet sind. Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat jedenfalls in Konkretisierung seiner Hausordnung in der Anlage zu Hausmitteilung Nr. 14/2012 auch explizit Marken des linksextremistischen Spektrums aufgeführt (siehe oben 3.1.). 4.2.2. Problem der Vorfestlegung der Verwaltungspraxis durch Verwaltungsvorschriften Zu bedenken ist in jedem Fall bei einer Aufnahme konkret benannter verbotener Marken in eine Hausordnung, dass durch eine solche Vorfestlegung der Verwaltungspraxis in einer Verwaltungsvorschrift eine Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 Abs. 1 GG eintritt mit der Folge, 33 VG Gera, Rn. 7. 34 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 Rn. 21 u . 27. 35 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 151/13 Seite 15 dass in der Regel so verfahren werden muss, wie durch die Bestimmungen vorgegeben. Ein Abweichen von dieser Praxis erscheint, z.B. weil eine bestimmte, nach der Hausordnung verbotene Marke zwischenzeitlich keine rechtsextremen Prägung mehr aufweist, ungleich schwieriger, als wenn man – nach dem Vorbild des Deutschen Bundestages oder der Universität Greifswald – nur allgemeine Formulierungen in die Hausordnung aufnimmt, unter die sich aber im Einzelfall auch das Verbot des Tragens bestimmter Modemarken fassen lässt.