Deutscher Bundestag Gesetz zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 151/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 2 Gesetz zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 151/12 Abschluss der Arbeit: 6. Juni 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Einleitung 5 3. Das geplante Wissenschaftsfreiheitsgesetz 5 4. Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen 6 4.1. Zustimmungstatbestände 6 4.2. Zustimmungsfreie- und zustimmungsbedürftige Regelungen in einem Gesetz und dessen Aufspaltung 9 4.3. Einfluss des Gesetzgebers auf den Anteil der Zustimmungsgesetze 10 4.4. Änderung durch die Föderalismusreform 2006 10 5. Zustimmungsbedürftigkeit des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 4 1. Zusammenfassung Der Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen (Wissenschaftsfreiheitsgesetz – WissFG) enthält Regelungen, mit denen haushaltsrechtliche Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung , beziehungsweise deren Anwendung im Bereich der Förderung außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen, durch den Bund ausgestaltet werden. Die geregelte Materie ist somit der Bundesvermögensverwaltung zuzuordnen. Damit dürfte das Gesetz der Bundeseigenverwaltung unterfallen. Bei dieser Verwaltungsform ist der Bund berechtigt, ohne Beteiligung der Länder auch das Verwaltungsverfahren zu bestimmen. Soweit das Wissenschaftsfreiheitsgesetz Verfahrensvorschriften enthält, kann daraus keine Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes im Bundesrat abgeleitet werden. Eine Zustimmungsbedürftigkeit gemäß Artikel 84 GG dürfte daher nicht bestehen. Für die Zustimmungsbedürftigkeit des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes nach einer anderen grundgesetzlichen Bestimmung befinden sich im Entwurf der Bundesregierung keine Anzeichen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 5 2. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich mit der Zustimmungsbedürftigkeit des geplanten Wissenschaftsfreiheitsgesetzes im Bundesrat. Bei der Begutachtung wurde insoweit der im Internet veröffentlichte Entwurf des BMBF1 zugrunde gelegt. 3. Das geplante Wissenschaftsfreiheitsgesetz Das Bundeskabinett hat am 2. Mai 2012 den Entwurf des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes verabschiedet . Der Entwurf geht zurück auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag für die 17. Wahlperiode . Danach sollte die Wissenschaftsfreiheitsinitiative fortgesetzt und ein Wissenschaftsfreiheitsgesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht werden. Nach der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 2. Mai 2012 verfolgt der Gesetzentwurf das Ziel, den vom Bund alleine oder gemeinsam mit den Ländern geförderten Wissenschaftseinrichtungen zu ermöglichen, ihre Mittel flexibler und damit wirksamer, effizienter und zielorientierter als bisher einzusetzen. Der Gesetzentwurf sieht dabei Flexibilisierungsmaßnahmen auf den Handlungsfeldern Haushalt, Personal, Beteiligungen und Bauvorhaben für die dort genannten außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen vor.2 Die Flexibilisierung im Haushaltsbereich soll durch die Einführung von Globalhaushalten erreicht werden, indem die Haushaltsmittel für deckungsfähig und überjährig erklärt werden. Noch vorhandene Stellenpläne können entfallen. Im Personalbereich soll die Geltung des Besserstellungsverbots auf die Verausgabung deutscher öffentlicher Mittel beschränkt werden. Durch die damit eröffnete Möglichkeit, Drittmittel aus nicht-öffentlichen Quellen einzusetzen, sollen die Wissenschaftseinrichtungen mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Gehältern und Gehaltsbestandsteilen erhalten, damit dort Spitzenkräfte gewonnen bzw. gehalten werden können. Für Beteiligungsvorhaben der Wissenschaftseinrichtungen wird ein Einwilligungsverfahren eingeführt , das durch die Vorgabe kurzer Fristen für Widersprüche gegen geplante Beteiligungen in Kombination mit einer Zustimmungsfiktion bei Fristablauf zu einer Verfahrensbeschleunigung im Rahmen von wissenschaftsförderlichen Beteiligungsverfahren führen soll. Im Rahmen von Baumaßnahmen sollen die Wissenschaftseinrichtungen zukünftig ermächtigt werden, ihre Bauvorhaben ohne bzw. mit eingeschränkter Beteiligung der fachlich zuständigen staatlichen Bauverwaltungen durchzuführen, wenn sie über hinreichenden baufachlichen Sachverstand und ein adäquates internes Controlling verfügen. 1 http://www.bmbf.de/pubRD/SEITEN_aus_120502_barrierefrei_Entwurf_WissFG_Internet.pdf. 2 BMBF, Pressemitteilung vom 2. Mai 2012, http://www.bmbf.de/press/3268.php. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 6 Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geht davon aus, dass das WissFG nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf.3 4. Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen Gemäß Artikel 50 GG wirken die Länder durch den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mit. Hierzu verleiht das Grundgesetz dem Bundesrat eine Reihe unterschiedlicher Befugnisse4, die sich für die einfache Gesetzgebung aus den Artikeln 76, 77 GG ergeben. Der Bundesrat hat das Recht, eigene Gesetzesvorlagen beim Bundestag einzubringen (Artikel 76 Abs. 1 GG) und zu Gesetzesvorlagen der Bundesregierung Stellung zu nehmen (Artikel 76 Abs. 2 GG). Er kann, wenn der Bundestag ein Gesetz beschlossen hat, den Vermittlungsausschuss anrufen (Artikel 77 Abs. 2 S. 1 GG). Nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens kann er gegen Gesetze, zu denen seine Zustimmung nicht erforderlich ist, Einspruch einlegen (Artikel 77 Abs. 3 S. 1 GG). Den Einspruch des Bundesrates kann der Bundestag mit qualifizierter Mehrheit (Artikel 77 Abs. 4 GG) zurückweisen und sich damit über den Willen des Bundesrates hinwegsetzen. Besonders weit reichend sind die Einflussmöglichkeiten des Bundesrates bei Gesetzen, die seiner Zustimmung bedürfen: Verweigert der Bundesrat in diesem Fall – ggf. nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens nach Artikel 77 Abs. 2 GG – die Zustimmung, so kommt das Gesetz nicht zustande. Anders als bei Einspruchsgesetzen, hat der Bundesrat bei Zustimmungsgesetzen die Möglichkeit, das vom Bundestag beschlossene Gesetz endgültig zu Fall zu bringen. 4.1. Zustimmungstatbestände Das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates zu einem Gesetz ist nach dem Grundgesetz die Ausnahme.5 Der Zustimmung bedürfen Gesetze, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorschreibt (Enumerationsprinzip).6 Ungeschriebene Zustimmungserfordernisse gibt es nicht.7 Eine Zustimmungsbedürftigkeit wird auch nicht dadurch begründet, dass in Länderinteressen eingegriffen wird.8 Ausdrückliche Regelungen über die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen finden sich über das ganze Grundgesetz verteilt. Teils beziehen sie sich auf eng um- 3 BMBF, Frequently asked questions zum Wissenschaftsfreiheitsgesetz, http://www.bmbf.de/pubRD/FAQs_WissFG.pdf. 4 Vgl. auch BVerfGE 37, 363 [380 f.]. 5 BVerfGE 31, 363 [381]; 105, 313 [339]; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2010, Az. 2 BvL 8/07, 2 BvL 9/07, Rn. 146. 6 Bundesverfassungsgericht, Gutachten vom 22. November 1951, BVerfGE 1, 76 [79]; BVerfGE 48, 127 [129]. 7 Zwei in diesem Zusammenhang von einigen Autoren aufgeführte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betreffen keine „ungeschriebenen“ Zustimmungstatbestände, sondern vielmehr die Auslegung ausdrücklich die Zustimmungsbedürftigkeit anordnender Verfassungsbestimmungen; so überzeugend: Schmidt, Die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen, Jus 1999, S. 861 [862]. 8 Schmidt, Die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen, JuS 1999, S. 861 [862]; Bryde, in: Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage, 2012, Bd. 2, Artikel 77, Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 7 grenzte Gesetzgebungsmaterien (vgl. etwa Einzelheiten des Asylrechts nach Artikel 16a Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG oder die Staatshaftung nach Artikel 74 Abs. 2 GG), teils auf nach allgemeinen Merkmalen bestimmte Kategorien von Gesetzen (vgl. etwa Artikel 79 Abs. 2, 84 Abs. 1, 104a Abs. 3 S. 2 GG). Wird ein Gesetz von keinem dieser Fälle erfasst, ist es ein Einspruchsgesetz. Die Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes 1. Artikel 16a Abs. 2 Asyl: sichere Drittstaaten 2. Artikel 16a Abs. 3 Asyl: sichere Herkunftsländer 3. Artikel 23 Abs. 1 Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU 4. Artikel 23 Abs. 1a Abweichung vom Mehrheitsprinzip bei der Wahrnehmung von Rechten aus den Europäischen Verträgen 5. Artikel 23 Abs. 7 Bundesratsbeteiligung an der Willensbildung des Bundes (Integrationsverantwortung ) 6. Artikel 29 Abs. 7 Neugliederung des Bundesgebietes 7. Artikel 59 Abs. 2 Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen, deren Vollzug eines Zustimmungsgesetzes bedarf 8. Artikel 72 Abs. 3 Satz 2 Früheres Inkrafttreten im Bereich der Abweichungsgesetzgebung 9. Artikel 73 Abs. 1 Nr. 9a Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt 10. Artikel 74 Abs. 2 Staatshaftung und Beamtenstatus 11. Artikel 79 Abs. 2 Grundgesetzänderung 12. Artikel 80 Abs. 2 Gesetze, die bestimmte Rechtsverordnungen ändern 13. Artikel 81 Abs. 1 und 2 Gesetzgebungsnotstand 14. Artikel 84 Abs. 1 Satz 3 Sofortiges Inkrafttreten von Regelungen der Einrichtung von Behörden und des Verwaltungsverfahrens 14. Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 Ausschluss abweichender Landesregelung des Verwaltungsverfahrens in der Landeseigenverwaltung 15. Artikel 84 Abs. 5 Ermächtigung der Bundesregierung zum Erteilen von Einzelanweisungen 16. Artikel 85 Abs. 1 Einrichtung der Behörden bei Auftragsverwaltung 17. Artikel 87 Abs. 3 Einrichtung von bundeseigenen Mittel- und Unterbehörden 18. Artikel 87b Abs. 1 Satz 3 Übertragung der Beschädigtenversorgung und des Bauwesens auf die Bundeswehrverwaltung 19. Artikel 87b Abs. 1 Satz 4 Aufgabenübertragung an die Bundeswehrverwaltung und Ermächtigung der Bundeswehrverwaltung zu Eingriffen in Rechte Dritter 20. Artikel 87b Abs. 2 Satz 1 Bundeswehr-, Wehrersatz- und Zivilschutzverwaltung in bundeseigener oder in Auftragsverwaltung 21. Artikel 87b Abs. 2 Satz 2 Übertragung von Bundesaufsichtsbefugnissen auf Bundesoberbehörden und Befreiung des Erlasses von Verwaltungsvorschriften von der Zustimmungsbedürftigkeit Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 8 22. Artikel 87c Auftragsverwaltung für Kernenergie 23. Artikel 87d Abs. 2 Auftragsverwaltung für Luftverkehr 24. Artikel 87e Abs. 5 Auflösung, Verschmelzung und Aufspaltung von Bundeseisenbahnunternehmen , Übertragung und Stilllegung von Schienenwegen, Schienenpersonennahverkehr 25. Artikel 87f Abs. 1 Gewährleistung von Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 26. Artikel 91a Abs. 2 Bestimmung und Koordinierung der Gemeinschaftsaufgaben 27. Artikel 91c Abs. 4 Verbindung der informationstechnischen Netze des Bundes und der Länder 28. Artikel 96 Abs. 5 Ausübung der Bundesgerichtsbarkeit für Völkerstraftaten durch die Länder 29. Artikel 104a Abs. 3 Zweckausgaben, die von den Ländern zu tragen sind 30. Artikel 104a Abs. 5 Tragung der Verwaltungsausgaben und Haftung 31. Artikel 104a Abs. 6 Lastentragung bei Verletzung von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands 32. Artikel 104b Abs. 2 Finanzhilfe des Bundes 33. Artikel 105 Abs. 3 Landes- und Gemeinschaftssteuern 34. Artikel 106 Abs. 3 Verteilung der Anteile an der Umsatzsteuer 35. Artikel 106 Abs. 4 Ausgleich von Mehrbelastungen der Länder durch Finanzzuweisungen des Bundes 36. Artikel 106 Abs. 5 Gemeindeanteil an der Einkommensteuer 37. Artikel 106 Abs. 5a Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer 38. Artikel 106 Abs. 6 Gewerbesteuerumlage 39. Artikel 106a Steuerzuschuss für öffentlichen Personennahverkehr 40. Artikel 106b Länderanteil an der Kraftfahrzeugsteuer 41. Artikel 107 Abs. 1 Finanzausgleich 42. Artikel 108 Abs. 2, 4 und 5 Finanzverwaltung 43. Artikel 109 Abs. 4 Haushaltsgrundsätze 44. Artikel 109 Abs. 5 Aufteilung der Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft auf Bund und Länder 45. Artikel 109a Vermeidung von Haushaltsnotlagen 46. Artikel 115c Gesetzgebung im Verteidigungsfall 47. Artikel 115k Abs. 3 Überleitung von Gesetzen des Verteidigungsfalles 48. Artikel 115l Aufhebung von Gesetzen des Gemeinsamen Ausschusses 49. Artikel 120a Abs. 1 Lastenausgleich 50. Artikel 134 Abs. 4 Rechtsnachfolge in das Reichsvermögen 51. Artikel 135 Abs. 5 Rechtsnachfolge nicht mehr bestehender Länder und Körperschaften Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 9 52. Artikel 135a Alte Verbindlichkeiten 53. Artikel 143a Abs. 3 Eisenbahnverkehrsverwaltung 54. Artikel 143b Abs. 2 Umwandlung der Deutschen Bundespost 55. Artikel 143c Abs. 4 Übergangsvorschriften wegen des Wegfalls von Finanzhilfen des Bundes 56. Artikel 143d Übergangsvorschriften im Rahmen der Konsolidierungshilfen 4.2. Zustimmungsfreie- und zustimmungsbedürftige Regelungen in einem Gesetz und dessen Aufspaltung Enthält ein Gesetz auch nur eine einzige zustimmungsbedürftige Regelung, so bedarf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Gesetz als Ganzes, also einschließlich seiner zustimmungsfreien Bestandteile, der Zustimmung des Bundesrates.9 Bei verweigerter Zustimmung können auch die nicht zustimmungsbedürftigen Teile des Gesetzes nicht in Kraft treten. Das Bundesverfassungsgericht argumentierte zu dem bis 2006 geltenden, die Zustimmungsbedürftigkeit anordnenden Artikel 84 Abs. 1 GG, mit „Bundesgesetz“ sei nicht – wie etwa mit „Gesetz “ in Artikel 100 Abs. 1 GG – die einzelne Norm, sondern das Gesetz als gesetzgebungstechnische Einheit gemeint. Dies folge vor allem aus Artikel 78 GG. Das „vom Bundestag beschlossene Gesetz“ (Artikel 78) sei das durch einen Gesetzesbeschluss des Bundestages zu einer Einheit zusammengefasste Gesetz. Dieses Gesetz komme zustande, wenn der Bundesrat zustimmt.10 Wenn man zwischen zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen Teilen eines Gesetzes differenzieren wollte, entstünden verfahrenstechnische Schwierigkeiten.11 Denn bei dieser Betrachtung käme bei Verweigerung der Zustimmung des Bundesrates zu den organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften eines Gesetzes, also durch eine einseitige Entscheidung des Bundesrates, ein vom Bundestag möglicherweise so nicht gewolltes „Teilgesetz“ zustande; daher komme eine separate Ausfertigung und Verkündung der materiell-rechtlichen Teile eines Gesetzes nicht in Betracht. Schon aus verfahrenstechnischen Gründen müsse sich das Zustimmungserfordernis stets auf das gesamte Gesetz und nicht nur auf seine zustimmungspflichtigen Elemente beziehen.12 Dem Bundestag bleibt es freilich unbenommen, durch Aufteilung eines Gesetzesvorhabens in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz die Ausdehnung der Zustimmungsbedürftigkeit auf das gesamte Vorhaben zu vermeiden.13 Dies ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts daraus, dass die Zustimmungsbedürftigkeit von Geset- 9 BVerfGE 1, 76 [79]; 8, 274 [294]; 24, 184 [195]; 37, 363 [381]; 55, 274 [318 f.]; 105, 313 [339]. 10 BVerfGE 8, 274 [294 f.]. 11 BVerfGE 8, 274 [295]. 12 Achterberg, Systemverschiebung statt Mitverantwortung als Grund für die Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen , DÖV 1975, S. 158 [159]. 13 BVerfGE 34, 9 [28]; 37, 363 [379 ff.]; 39, 1 [35]; 55, 274 [319]; 75, 108 [150]; 105, 313 [338]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 10 zen nach dem Grundgesetz die Ausnahme ist. Verzichte der Bundesgesetzgeber in einem Gesetz auf zustimmungsbedürftige Regelungen, entspreche dies gerade dem Modell der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern.14 4.3. Einfluss des Gesetzgebers auf den Anteil der Zustimmungsgesetze Ob ein Gesetzesvorhaben nur mit Zustimmung des Bundesrates zu verwirklichen ist, hängt nicht nur von dem zu regelnden Gegenstand, sondern auch erheblich von der konkreten Fassung des jeweiligen Gesetzestextes ab. Der Gesetzesinitiator und der das Gesetz beschließende Bundestag haben es in der Hand, ob eine Materie grundlegend neu, insbesondere einschließlich des Verwaltungsverfahrens geregelt werden soll, wodurch die Wahrscheinlichkeit, einen Zustimmungstatbestand zu erfüllen, erheblich steigt, oder ob sich das Vorhaben auf das für den Initiator Wesentliche , das materielle Recht beschränkt. Der Bundestag ist verfassungsrechtlich nicht gehindert, auch noch in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren ein Gesetz in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz aufzuteilen, um auszuschließen, dass der Bundesrat Regelungen verhindert, die für sich genommen nicht unter dem Vorbehalt seiner Zustimmung stehen (siehe oben Punkt 4.2., S. 9). 4.4. Änderung durch die Föderalismusreform 2006 Der in der Vergangenheit wichtigste Zustimmungstatbestand, der Artikel 84 Abs. 1 GG15, ist im Zuge der Föderalismusreform16 verändert worden. In Abweichung zum früheren Recht kann seither im Bereich der Landeseigenverwaltung durch Bundesgesetz auch ohne Zustimmung des Bundesrates die Einrichtung von Behörden und das Verwaltungsverfahren geregelt werden. Die Länder können davon abweichende Regelungen treffen. Will der Bund diese Abweichungsmöglichkeit für die Länder ausschließen, muss er dies in einem Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, anordnen (Artikel 84 Abs. 1 Satz 6 GG).17 5. Zustimmungsbedürftigkeit des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes Ist ein Bundesgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit auszuführen, bestimmt Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG, dass die Länder die Einrichtung von Behörden und das Verwaltungsverfahren 14 BVerfGE 105, 313 [339]. 15 , Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform, Wie hätte sich der Anteil der Zustimmungsgesetze verändert, wenn die vorgeschlagene Reform bereits 1998 in Kraft gewesen wäre?, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 – 37/06 und WD 3 – 123/06, S. 39. 16 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034). 17 Vgl. z.B. § 105a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 11 regeln. Wenn Bundesgesetze etwas anderes bestimmen, können die Länder davon abweichen, Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG. Hat ein Land eine abweichende Regelung getroffen, treten in diesem Land die bundesgesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Einrichtung von Behörden und des Verwaltungsverfahrens frühestens 6 Monate nach ihrer Verkündung in Kraft. Sollte das Bundesgesetz das Verwaltungsverfahren ohne Einhaltung einer Karenzfrist vorsehen, ist nach Art. 84 Abs. 1 Satz 3 GG die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Das Gleiche gilt auch, falls das Bundesgesetz wegen des besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeiten für die Länder regeln sollte. Auch in diesem Fall wäre das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig, Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG. Das Wissenschaftsfreiheitsgesetz regelt auch das Verfahren bei der Gewährung von Zuwendungen und Zuweisungen im Zusammenhang mit der Förderung außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen . So wird in § 6 des Entwurfs bestimmt, dass bei Zuwendungsbaumaßnahmen einer Wissenschaftseinrichtung von einer Beteiligung und verfahrensbegleitenden Prüfung der fachlich zuständigen technischen staatlichen Verwaltung unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden kann. Verfahrensregelungen durch den Bundesgesetzgeber können gemäß Art. 84 GG die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes im Bundesrat zur Folge haben. Dies setzt jedoch voraus, dass das Bundesgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit zu vollziehen ist. Auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs erscheint es jedoch zweifelhaft, ob das Wissenschaftsfreiheitsgesetz in die Verwaltungszuständigkeit der Länder fallen wird. Zwar ist die Ausführung von Bundesgesetzen gem. Art. 83 GG grundsätzlich Sache der Länder.18 Bundesgesetze werden von den Ländern jedoch nur dann als eigene Angelegenheit ausgeführt, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt.19 Das Wissenschaftsfreiheitsgesetz enthält Regelungen, mit denen haushaltsrechtliche Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung, beziehungsweise deren Anwendung, im Bereich der Förderung außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen durch den Bund näher ausgestaltet werden. Thematisch regelt das Wissenschaftsfreiheitsgesetz damit Einzelheiten der Bundesvermögensverwaltung zur näheren Ausgestaltung der Bundesförderung außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen . Die Bundesvermögensverwaltung ist kompetenzrechtlich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der bundeseigenen Verwaltung gem. Art. 86, 87 GG zuzuordnen.20 Nach Auffassung der Literatur stützt sich die Bundeszuständigkeit im Bereich des Gesetzesvollzuges auf 18 Degenhart, Staatsrecht I, 27. Auflage, 2011, § 5, Rn. 486; Sachs, Grundgesetz, 5. Auflage, 2009, Art. 83, Rn. 3; Ipsen, Staatsrecht I, 23. Auflage, 2011, § 11, Rn. 614; Katz, Staatsrecht, 18. Auflage, 2010, § 21, Rn. 454. 19 Ipsen, Staatsrecht I, 23. Auflage, 2011, § 11, Rn. 614. 20 BVerfG, Urteil vom 27. Juni 2002, Az: 2 BvF 4/98, Rn. 75, zitiert nach Juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 151/12 Seite 12 dem Gebiet der Bundesvermögensverwaltung auf eine ungeschriebene Bundesverwaltungskompetenz .21 Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung aus, so erlässt die Bundesregierung die allgemeinen Verwaltungsvorschriften, soweit das Gesetz nicht etwas anderes vorschreibt, Art. 86 Satz 1 GG. Für den Erlass der allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist eine Beteiligung des Bundesrates nicht vorgesehen.22 Im Bereich der bundeseigenen Verwaltung sind die Länder von der Mitwirkung völlig ausgeschlossen.23 Es führt daher auch nicht zur Zustimmungsbedürftigkeit des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes, wenn durch § 6 Satz 2 des Regierungsentwurfs die Möglichkeit eröffnet wird, die näheren Einzelheiten der Befreiung von der Beteiligung und verfahrensbegleitenden Prüfung durch die fachlich zuständige staatliche Verwaltung im Fall von Zuwendungsbaumaßnahmen durch Verwaltungsvorschrift ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Infolge der Zuordnung des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes zum Bereich des bundeseigenen Gesetzesvollzugs dürfte das Gesetz nicht der Verwaltungszuständigkeit der Länder gem. Art. 83 GG unterliegen. Damit kann das Wissenschaftsfreiheitsgesetz auch keine Zustimmungsbedürftigkeit im Bundesrat gem. Art. 84 GG auslösen. Für die Zustimmungsbedürftigkeit des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes nach einer anderen grundgesetzlichen Bestimmung befinden sich im Entwurf der Bundesregierung keine Anzeichen. 21 Burgi in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 87, Fn. 12 m.w.N.; Sachs, Grundgesetz , 5. Auflage, 2009, Art. 87, Rn. 30. 22 Broß/Mayer in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 86, Rn. 10. 23 Broß/Mayer in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 86, Rn. 1; Burgi in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 86, Rn. 31.