© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 150/19 Automatisierte Entscheidungen im Einzelfall und Profiling Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 150/19 Seite 2 Automatisierte Entscheidungen im Einzelfall und Profiling Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 150/19 Abschluss der Arbeit: 27.06.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 150/19 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand stellt Regelungen der automatisierten Entscheidung im Einzelfall einschließlich des Profilings dar. 2. Regelungen zum Profiling Das Profiling wird vom Unionsgesetzgeber der automatisierten Entscheidung im Einzelfall zugeordnet (vgl. Art. 22 Abs. 1 DSGVO). Definiert wird das Profiling in Art. 4 Nr. 4 DSGVO als „jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um Aspekte bezüglich Arbeitsleistung, wirtschaftliche Lage, Gesundheit, persönliche Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten, Aufenthaltsort oder Ortswechsel dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagen“. In der Umsetzungsgesetzgebung zur Datenschutz-Grundverordnung und zur JI-Richtlinie (RL EU 2016/680) wird das Profiling in zwei Regelungen erwähnt: In § 37 des Bundesdatenschutzgesetzes sind Regelungen zur automatisierten Entscheidung im Einzelfall zugunsten der Versicherungswirtschaft enthalten. Die Überschrift der Regelung nimmt auch Bezug zum Profiling („einschließlich Profiling“), ohne dass sie hierzu nähere Vorgaben enthält. Nach § 54 Abs. 3 BDSG ist das Profiling zudem verboten, wenn es auf der Grundlage von besonderen Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) erfolgt und die betroffene Person hierdurch diskriminiert wird. Die Regelung betrifft nur die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich der JI-Richtlinie (RL EU 2016/680). 3. Regelungen zur automatisierten Entscheidung im Einzelfall Neben den bereits genannten Regelungen existieren weitere Vorschriften, die auf die Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 2 DSGVO gestützt werden können.1 Diese bestanden bereits vor Inkrafttreten der unionsrechtlichen Vorgaben. Eine automatisierte Entscheidung im Einzelfall war demnach bereits im Allgemeinen Verwaltungsverfahren, im Sozialverwaltungsverfahren sowie im Steuerverwaltungsverfahren zulässig. Es ist davon auszugehen, dass alle diese Regelungen automatisierte Entscheidungen betreffen, die eine rechtliche Wirkung gegenüber den Betroffenen erzeugen. Eine solche liegt immer dann vor, wenn eine Maßnahme den rechtlichen Status des Betroffenen in irgendeiner Weise verändert.2 Da die nachfolgend dargestellten Regelungen allesamt verbindliche automatisierte Behördenentscheidungen ermöglichen, denen ein unmittelbarer Regelungsgehalt zukommt, liegt eine rechtliche Wirkung im Sinne des Art. 22 Abs. 1 DSGVO offenkundig vor. 1 Schulz, in: Gola, 2. Auflage 2018, Art. 22 DSGVO Rn. 31. 2 Martini, in: Paal/Pauly, 2. Auflage 2018, Art. 22 DSGVO Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 150/19 Seite 4 Die genannten Regelungen haben den folgenden Inhalt: Im allgemeinen Verwaltungsverfahren kann nach § 35a des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ein Verwaltungsakt vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen werden, sofern dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist und weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht. Im Sozialverwaltungsverfahren besteht nach § 31a des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) eine ähnliche Regelung. Danach kann ein Verwaltungsakt vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen werden, sofern kein Anlass besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden. Auch im Steuerrecht ist eine automatisierte Einzelfallentscheidung möglich. Hierzu regelt der einschlägige § 155 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO): „Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch 1. für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie, 2. wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist. Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.“ ***