© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 150/14 Ist ein Verbot von Tierbörsen verfassungsrechtlich zulässig? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 150/14 Seite 2 Ist ein Verbot von Tierbörsen verfassungsrechtlich zulässig? Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 150/14 Abschluss der Arbeit: 17. Juli 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 150/14 Seite 3 1. Einleitung Seit langer Zeit werden Heimtiere und andere Kleintiere nicht nur über den Zoofachhandel, sondern direkt vom Züchter auf Tierbörsen und Kleintiermärkten verkauft. Dieser Vertriebsweg scheint in jüngster Zeit sogar immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Nach Angaben der Bayerischen Staatsregierung wurden im Jahr 2010 in Bayern 135 Vogel- bzw. Geflügelbörsen, z. T. kombiniert mit Kleintierbörsen, 265 Kleintierbörsen, 138 Fischbörsen, 21 Reptilienbörsen sowie 33 Aquaristik- bzw. Terraristikbörsen, teilweise kombiniert mit anderen, abgehalten.1 In den Medien und durch Tierschutzverbände wurde und wird wiederholt2 auf tierschutzwidrige Zustände bei diesen Veranstaltungen hingewiesen.3 Seit dem Inkrafttreten des novellierten Tierschutzgesetzes (TierSchG)4 am 1. Juni 1998 benötigen die Veranstalter von Tierbörsen ebenso wie der Zoofachhandel eine tierschutzrechtliche Erlaubnis (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 TierSchG) und unterliegen einer amtstierärztlichen Überwachung. Da nach Ansicht des Gesetzgebers Mängel im Bereich der Durchführung von Börsen zu vermeidbaren Schmerzen oder Leiden der Tiere führen und teilweise auf fehlende Kenntnisse und Fähigkeiten der Börsenbetreiber zurückzuführen sind, wurde mit der Dritten Änderung des TierschG vom 7. August 2013 die Pflicht zum Nachweis der notwendigen Kenntnisse des Tierschutzes durch den Veranstalter von Tiermessen eingeführt (§ 21 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 TierSchG).5 Demnach hat diese Person ab dem 1. August 2014 „auf Grund ihrer Ausbildung oder ihres bisherigen beruflichen oder sonstigen Umgangs mit Tieren die für die Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten“ auf Verlangen in einem Fachgespräch bei der zuständigen Behörde nachzuweisen.6 Als Antwort auf die teilweise beklagten Zustände auf Tierbörsen hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit Vertretern der Länder und verschiedener Verbände „Leitlinien zur Ausrichtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten“ entwickelt .7 Diese wurden von den an der Erarbeitung maßgeblich beteiligten Fachleuten zu Beginn 1 Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, http://www.lgl.bayern.de/tiergesundheit/ tierschutz/tierhandel/tierboersen/. 2 Vgl. Bericht von Peta Deutschland, https://www.peta.de/DreikoenigsmarktStraubing#.U8Up4VOM54k sowie Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes mit Hinweis auf eine TV-Dokumentation, http://www.tierschutzbund.de/news-storage/artenschutz/190614-studie-immer-mehr-reptilien-in-tierheimen.html sowie http://www.stern.de/tv/sterntv/ausgesetzt-und-abgeschoben-das-leiden-exotischer-haustiere-2116185.html. 3 S. auch die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. sowie die Antwort der Bundesregierung zu diesem Thema, BT- Drs. 17/4618. 4 Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 90 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist. 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BT-Drs. 17/11811, S. 30. 6 § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG in der Fassung vom 18. Mai 2006, auf den § 21 Abs. 5 TierSchG als Übergangsvorschrift verweist. 7 Im Internet abrufbar unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Tier/Tierschutz/Gutachten Leitlinien/Ausrichtung-Tierboersen.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 150/14 Seite 4 des Jahres 2006 unterzeichnet und am 1. Juni 2006 veröffentlicht. Die Leitlinien sind nicht rechtsverbindlich und dienen nur als Orientierungshilfe für den Vollzug des TierSchG in Einzelfällen durch die Behörden.8 Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Veranstaltung von Tierbörsen gänzlich untersagt werden könnte. 2. Gesetzgebungskompetenz für ein Verbot von Tierbörsen Ein Verbot von Tierbörsen könnte im TierSchG geregelt werden. Dem Bund steht die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zum Tierschutz gemäß Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zu, wenn und soweit eine einheitliche Regelung zur Wahrung der Rechtseinheit oder einheitlicher Lebensverhältnisse erforderlich ist, Art. 72 Abs. 2 GG. Da die Leitlinien zur Abhaltung von Tierbörsen bereits auf Bitten der zuständigen Referenten der Länder und des Bundes durch das zuständige Bundesministerium abgefasst wurde, spricht dies bereits für die Erforderlichkeit einer einheitlichen Regelung. Bei einer Vielzahl von Tierbörsen mit einer kurzen Veranstaltungsdauer ist ein großer Teil der Anbieter überregional und gewerblich tätig. Den Teilnehmern wird durch eine einheitliche Regelung – und sei es ein Verbot – überregional Rechtsklarheit geboten. Eine einheitliche Regelung wäre damit erforderlich und läge in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. 3. Vereinbarkeit eines Verbotes mit den Grundrechten Ein Verbot müsste ferner mit dem materiellen Verfassungsrecht, insb. den Grundrechten, vereinbar sein. In Betracht kommen ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit der Veranstalter sowie der gewerblichen Teilnehmer an den Tierbörsen sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit der sonstigen, nicht gewerblichen Teilnehmer oder Veranstalter. 3.1. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit der Veranstalter oder gewerblichen Teilnehmer, Art. 12 GG Sowohl die Veranstaltung von Tierbörsen als auch die Teilnahme zum gewerblichen An- und Verkauf von Tieren können von der Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 GG geschützt sein. Ein Beruf im Sinne des Art. 12 GG ist jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage.9 Soweit die Veranstalter regelmäßig und womöglich verschiedene Tierbörsen mit Gewinnerzielungsabsicht abhalten10, dient diese Tätigkeit der Erhaltung ihrer Lebensgrundlage und ist damit von der Berufsfreiheit geschützt. Die gleichen Erwägungen gelten für gewerbliche Teilnehmer, zu deren Hauptberuf – z.B. als Züchter – die Teilnahme an den Tierbörsen zum 8 Zur Entstehungsgeschichte Tierschutzbericht der Bundesregierung 2007, BT-Drs. 16/5044, S. 14, zur rechtlichen Qualität ebd. S. 12. 9 BVerfGE 111, 10, 28, st. Rspr. 10 Ein Beispiel hierfür ist die Klägerin in der Entscheidung des VG Arnsberg, Urteil vom 20. August 2012, Az. 8 K 2338/11, Juris, die unter anderem mehrmals jährlich die größte Börse für Terrarientiere und Zubehör der Welt, die jeweils von mehreren Tausend Besuchern aufgesucht wird, veranstaltet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 150/14 Seite 5 Verkauf ihrer Tiere gehört, oder die diese Tätigkeit auf Dauer als einen Nebenberuf ausüben.11 Sollten Veranstalter nicht gewerblich, sondern nur zum Vergnügen Tierbörsen veranstalten, wären sie nicht in ihrer Berufsfreiheit, wohl aber in der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen. Ein Verbot würde in die Berufsfreiheit eingreifen. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG stellt klar, dass die Berufsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet ist, sondern durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann. Ein entsprechendes Gesetz müsste verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Die Anforderungen an eine solche Rechtfertigung richten sich im Falle des Art. 12 Abs. 1 GG danach, ob die Regelung die Berufswahl oder lediglich die Berufsausübung eines Grundrechtsträgers beeinträchtigt.12 Maßgeblich ist insbesondere, ob die Ausübung eines Berufs oder einer bloßen Berufsmodalität ausgeschlossen wird.13 Soweit es sich bei den Veranstaltern und Teilnehmern um Tierzüchter handelt, die im Rahmen ihrer Tätigkeit auch Tierbörsen veranstalten oder besuchen, würde sich ein Verbot von Tierbörsen nur als Berufsausübungsregelung auswirken, da sie ihrem Beruf als Züchter weiter nachgehen können. Soweit die Veranstalter Tierbörsen hauptberuflich ausrichten, stellt sich die Frage, ob dies ein abgeschlossenes Berufsbild wäre. Hiergegen spricht, dass kein traditionell gewachsenes Berufsbild eines „Tierbörsen-Veranstalters“ besteht, das TierSchG vielmehr von der nicht-gewerblichen Veranstaltung von Tierbörsen ausgeht. So bezieht sich § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 TierSchG ausdrücklich nicht nur auf die gewerbliche Veranstaltung. Letztlich würden gewerbliche Veranstalter von Tierschutzbörsen daher wohl in die Berufsgruppe allgemeiner Veranstaltungsmanager oder -kaufleute fallen. Bei einem Verbot würde es sich daher auch hier lediglich um eine Modalität ihrer Berufsausübung handeln. Berufsausübungsregelungen sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, „wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen.“14 Ein Verbot der Tierbörsen aus Gründen des Tierschutzes würde ein durch Art. 20a GG geschütztes Prinzip verfolgen und damit vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen. Bei der Verfolgung des Prinzips des Tierschutzes steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum insbesondere im Hinblick auf den notwendigen Ausgleich mit anderen Verfassungsgütern zu.15 Er dürfte die gewerblichen Veranstalter aber nicht übermäßig in ihrer Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigen. Hier stellt sich die Frage, ob ein generelles Verbot sämtlicher Tierbörsen erforderlich wäre, um gegen Verstöße bei einzelnen Tierbörsen vorzugehen. Hierfür bietet sich als milderes Mittel die Genehmigung der Veranstaltungen unter tierschutzrechtlichen Auflagen sowie deren strenge Kon- 11 Gemäß BVerfGE 110, 304 (321) sind auch Nebenberufe von der Berufsfreiheit geschützt; Wieland in: Dreier, Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 3. Aufl., 2013, Art. 12 Rn. 42 m.w.N. 12 Jarass in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 13. Auflage, 2014, Art. 12, Rn. 45 ff. 13 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn.12), Art. 12 Rn. 39. 14 BVerfGE 85, 248 (259). 15 Jarass in: Jarass/Pieroth (Fn. 12), Art. 20a, Rn. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 150/14 Seite 6 trolle durch die zuständigen Behörden an. Sollten bei solchen Kontrollen wiederholt durch einen einzelnen Veranstalter gewichtige Verstöße gegen das TierSchG auffallen, wäre die Versagung der Erlaubnis der Veranstaltung weiterer Tierbörsen im Einzelfall möglich. Entsprechend sieht das TierSchG ab dem 1. August 2014 den Nachweis notwendiger Fachkenntnisse vor; auch dieses wäre ein Ansatzpunkt, die Veranstaltung im Einzelfall nicht zu genehmigen. Im Übrigen kann die zuständige Behörde – auch nach Hinweisen durch Tierschutzverbände oder Teilnehmer – gegen einzelne Verstöße auf einer Tiermesse vorgehen. Da mit der Gesetzesänderung den zuständigen Behörden ein weiteres Mittel zur Untersagung bestimmter Tierbörsen an die Hand gegeben wurde, wäre zunächst abzuwarten, wie sich deren Handhabung durch die zuständigen Behörden in der Praxis der Tierbörsen auswirkt, bevor die Möglichkeit eines generellen Verbotes in Erwägung gezogen werden könnte. Aber auch dann müsste nachgewiesen werden, dass auf einem Großteil der mehr als Tausend regionalen und überregionalen Tierbörsen regelmäßig massiv gegen das TierSchG verstoßen wird. Ein Verbot von Tierbörsen würde zum jetzigen Zeitpunkt unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Tierbörsenveranstalter und Tierzüchter eingreifen und wäre damit wohl verfassungswidrig. 3.2. Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit nicht-gewerblicher Teilnehmer an Tierbörsen Die Teilnahme an Tierbörsen ist auch durch die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, geschützt. Eine Einschränkung bedürfte einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Hier sind grundsätzlich die unter 3.1. dargelegten Erwägungen anzustellen. Hierbei ist insbesondere hervorzuheben , dass die besonders auffallenden Verstöße gegen das TierSchG überwiegend wohl in den kommerziell veranstalteten, überregionalen Tierbörsen stattfinden, regionale Tierbörsen aber den Austausch von selbst nachgezüchteten und teilweise nicht oder nur wenig handelsrelevanten Tierarten fördern und damit die Anzahl der aus der Natur entnommenen Tiere verringern können.16 Soweit sich die Kritik aber nicht auf die Zustände während der Tierbörse, sondern auf die Tatsache des Verkaufs von Exoten bezieht, deren Halter durch die Tiere überfordert würden17, wäre ein Verbot von Tierbörsen wohl kein geeignetes Mittel. Exoten könnten dann immer noch über den Fachhandel oder über das Internet verkauft werden. Eine Einschränkung des Verkaufs von Exoten an Unkundige könnte durch Aufklärungskampagnen – gerade auch während solcher Tiermessen – erreicht werden. Beispielsweise könnte auch den Veranstaltern von Tierbörsen die Aufklärung über die Haltungsanforderungen der Tiere als Auflage aufgegeben werden. Solche Auflagen könnten beim Internet-Handel nicht erteilt werden. 16 Pressemitteilung des Verbandes Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde e.V., http://www.vda-aktuell.de/ index.php/aktuelles/uebersicht-aktuelles/aktuelles-aus-der-vivaristik/336-vda-ist-gegen-ein-verbot-von-tierboersen8. 17 So Henriette Mackensen vom Deutschen Tierschutzbund laut http://www.stern.de/tv/sterntv/ausgesetzt-undabgeschoben -das-leiden-exotischer-haustiere-2116185.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 150/14 Seite 7 4. Ergebnis Derzeit wäre ein Verbot von Tiermessen wohl nicht mit der Berufsfreiheit gewerbsmäßiger Veranstalter und Teilnehmer oder der Handlungsfreiheit nicht-gewerbsmäßiger Veranstalter und Teilnehmer vereinbar. ( )