© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 148/14 Das Punktesystem zur Bewertung von Zuwanderungsanträgen in Kanada Verfassungs- und europarechtliche Bedingungen zu seiner Einführung in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 2 Das Punktesystem zur Bewertung von Zuwanderungsanträgen in Kanada Verfassungs- und europarechtliche Bedingungen zu seiner Einführung in Deutschland Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 148/14 Abschluss der Arbeit: 23. Juli 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Einleitung 4 3. Das Punktesystem in den Zuwanderungsprogrammen der kanadischen Zentralregierung 6 3.1. Zuwanderung in der „economic class“ 6 3.1.1. Regulierung und Punktesystem im Federal skilled workers- Programm 7 3.1.2. Regulierung und Punktesystem im Self-employed Persons- Programm 8 3.1.3. Weitere Zuwanderungsprogramme der „economic class“ ohne Punktesystem 9 3.2. Regulierung der Zuwanderung in der “family class” und der “refugees and persons in need of protection” 9 3.3. Aktuelle Veränderungen im Zuwanderungssystem 10 4. Das Punktesystem in den Zuwanderungsprogrammen der Provinz Quebec 11 5. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einführung eines Punktesystems in Deutschland 13 5.1. Unionsrechtliche Grenzen der Einführung eines Punktesystems 13 5.2. Kompetenz des Bundes zur Einführung eines Punktesystems 13 5.3. Auswirkungen des Parlamentsvorbehalts für die Einführung eines Punktesystems 15 5.4. Wahrung der Grundrechte bei der Einführung eines Punktesystems 16 5.5. Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 4 1. Zusammenfassung Das kanadische Einwanderungsrecht zielt wesentlich auf die Gewinnung von gut ausgebildeten und in der Wirtschaft benötigten Arbeitskräften. Die Auswahl unter den sich bewerbenden Arbeitskräften erfolgt zum Teil über ein Punktesystem. Bei diesem werden für einzelne Kriterien, die für eine erfolgreiche wirtschaftliche und soziale Integration als bedeutend angesehen werden, Punkte vergeben. Neben weiteren Bedingungen, wie der eigenständigen Finanzierung des Lebensunterhalts für eine Übergangszeit, ist das Erreichen einer gewissen Mindestpunktzahl Voraussetzung für die Zuwanderung. Hiernach ausgewählte Zuwanderer erhalten eine Aufenthaltsund Arbeitserlaubnis, die sie kanadischen Staatsbürgern im Wesentlichen gleich stellt. Im Jahr 2013 sind auf diesem Weg ca. 32 % der Gesamtzuwanderer (Arbeitskräfte mit deren Familienangehörigen ) zugewandert. Der Einführung eines Punktesystems nach kanadischem Vorbild in Deutschland stehen keine unüberwindbaren unionsrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Es besteht eine Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers. Zu berücksichtigen ist bei einer Einführung einerseits, dass der Gesetzgeber wesentliche Fragen der Punktevergabe selbst regeln muss. Hierzu zählen die Hauptgesichtspunkte, für die Punkte vergeben werden sowie deren grundsätzliche Gewichtung. Andererseits ist der Gesetzgeber zur Beachtung des Unionsrechts verpflichtet. Hieraus ergibt sich insbesondere die Pflicht, die Einwanderungspolitik an den gemeinsamen Strategien der Union auszurichten und die Umsetzung insbesondere der Blue Card-Richtline zu gewährleisten. Sind die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen beachtet, ist auch ein europäischer Beschluss nicht erforderlich. 2. Einleitung In der Debatte um eine (europäische) Regulierung der Zuwanderung wird häufig auf das „kanadische Punktesystem“ verwiesen. Dieses wird mit einfach handhabbaren und vorhersehbaren Kriterien für die Bewertung von zuwanderungswilligen Fachkräften verbunden. Im Folgenden soll zuerst das kanadische Punktesystem im Kontext des kanadischen Zuwanderungsrechts dargestellt werden. Anschließend wird erörtert, welche verfassungsrechtlichen Grenzen der Einführung eines vergleichbaren Systems in Deutschland gezogen sind und welche unionsrechtlichen Rahmenbedingungen hierfür bestehen. Das kanadische Ausländerrecht selbst kennt im Wesentlichen den Status des „Temporary Resident “ (vorübergehende Aufenthaltserlaubnis) und des „Permanent Resident“ (dauerhafte Aufenthaltserlaubnis ). Der Status des „Temporary Resident“ wird durch die Erteilung eines Visums für kurzzeitige Aufenthalte mit touristischem, beruflichem oder familiärem Hintergrund gewährt.1 Als Aufenthaltstitel für eine dauerhafte Einwanderung nach Kanada wird der Status des „Permanent Resident“ nach § 21 Abs. 1 des Immigration and Refugee Protection Act (2001)2 (IRPA) ver- 1 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/information/ inadmissibility/permits.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 2 http://laws-lois.justice.gc.ca/eng/acts/I-2.5/page-9.html#h-17 [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 5 liehen. Dieser Status erlaubt dem Einwanderer, sich dauerhaft in Kanada aufzuhalten und zu arbeiten (§ 27 IRPA). Mit dem Status sind die gleichen Rechte verbunden, die auch ein kanadischer Staatsangehöriger besitzt, außer dem aktiven und passiven Wahlrecht sowie der Qualifikation für das kanadische Militär. Darüber hinaus besteht für einen „Permanent Resident“ die Möglichkeit, die kanadische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Die wesentlichen Voraussetzungen für den Erwerb sind nach § 5 Citizenship Act (1985)3, dass der Zuwanderer dies beantragt, zu diesem Zeitpunkt für mindestens drei Jahre in Kanada als „Permanent Resident“ gelebt hat und einen entsprechenden Einbürgerungstest besteht. Im Jahr 2013 wurden ca. 130.000 Personen in Kanada eingebürgert.4 Mit der Verleihung des Status als „Permanent Resident“ verfolgt die kanadische Einwanderungspolitik drei Ziele: – Die Wirtschaft soll durch das Anwerben von qualifizierten Einwanderern benötigte Arbeitskräfte erhalten. – Die Familienzusammenführung von Einwanderern soll ermöglicht werden. – Der völkerrechtlichen Verantwortung Kanadas soll im Rahmen der Flüchtlingshilfe nachgekommen werden. Dementsprechend werden drei Gruppen von Einwanderern unterschieden: die „economic class“ (wirtschaftlich motivierte Einwanderung), die „family class“ (familiär motivierte Einwanderung) sowie „refugees and persons in need of protection“ (Flüchtlinge und andere schutzbedürftige Personen). Innerhalb der „economic class“ gibt es verschiedene Zuwanderungsprogramme. Diese richten sich jeweils an besondere Gruppen wirtschaftlicher Zuwanderer. Alle Programme münden in die Erteilung des Status eines „Permanent Resident“. Sie knüpfen diese jedoch an jeweils unterschiedliche Voraussetzungen. Gleichzeitig mit dem Arbeitsmigranten selbst erhalten auch sein Ehepartner und abhängige Kinder den Status des „Permanent Resident“. Nur in zwei Programmen, dem Federal skilled workers-Programm und dem Self-employed Persons-Programm, wird zur Bewertung des Antrags eines Zuwanderers auf ein Punktesystem zurückgegriffen. Außerdem haben alle Provinzen Kanadas das Recht, innerhalb der „economic class“ eigene Zuwanderer auszuwählen, die dann als „Provincial nominees“ von der Zentralregierung den Status des „Permanent Resident“ verliehen bekommen.5 Die Auswahl der Zuwanderer ist gesetzlich nur rudimentär geregelt. § 12 IRPA legt lediglich die drei Zuwanderungsgruppen als solche fest. § 14 Abs. 2 lit. a IRPA enthält eine umfassende 3 http://laws-lois.justice.gc.ca/eng/acts/C-29/page-3.html#docCont [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 4 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/resources/statistics /data-release/2013-Q4/index.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 5 Siehe hierzu die Erläuterungen der Einwanderungsbehörde mit den Verlinkungen auf die jeweiligen Seiten der Provinzen : http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/provincial/apply-who.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 6 Verordnungsermächtigung, nach der die kanadische Regierung die Auswahlkriterien, das Ob und das Wie ihrer Gewichtung und das Verfahren der Zulassung regeln darf. Die Provinz Quebec ist selbst für die Auswahl von Zuwanderern zuständig. Sie legt deshalb eigene Programme auf, die aber weitgehend denen der Zentralregierung entsprechen. 3. Das Punktesystem in den Zuwanderungsprogrammen der kanadischen Zentralregierung Im Folgenden wird die Verwendung von Punktesystemen im Bereich der „economic class“ dargestellt . Darüber hinaus wird ein Überblick über die Regelungen in den weiteren Zuwanderungskategorien gegeben. 3.1. Zuwanderung in der „economic class“ Innerhalb der „economic class“ gibt es sechs verschiedene Zuwanderungsprogramme. Diese sind: – Federal skilled workers (FSW)-Programm Dieses Programm richtet sich an Zuwanderer, die bereits mindestens ein Jahr Arbeitserfahrung in einem von 50 ausgewählten Berufen erworben haben. – Self-employed Persons (SEP)-Programm Dieses Programm richtet sich an Zuwanderer, die als Kulturschaffende oder Sportler tätig sind und an Personen, die Erfahrung in der Leitung landwirtschaftlicher Betriebe haben. – Federal Skilled Trades (FST)-Programm Dieses Programm richtet sich an Zuwanderer, die bereits mindestens zwei Jahre Arbeitserfahrung in einem ausgewählten handwerklichen oder industriellen Beruf haben und ein Arbeitsangebot in Kanada nachweisen können. – Canadian Experience Class (CEC)-Programm Dieses Programm richtet sich an Zuwanderer, die bereits mindestens zwölf Monate innerhalb der drei dem Antrag vorausgegangen Jahre in Kanada in einem ausgewählten Berufsfeld gearbeitet haben. – Start-up visa-Programm Dieses Programm richtet sich an Personen, die sich zur Umsetzung einer Geschäftsidee in Kanada niederlassen wollen, wobei die Idee selbst von einer hierfür anerkannten Organisation für gut befunden worden sein muss. – Live-in caregivers (LC)-Programm Dieses Programm richtet sich an Personen, die Kinder, Ältere oder Menschen mit Behinderung in deren privaten Zuhause ohne Aufsicht betreuen und auch dort leben. Die Zuwanderungsanträge werden nach Eingang behandelt und beschieden. Ein Punktesystem zur Bewertung der Zuwanderungsanträge findet nur im Rahmen des FSW-Programmes und des SEP-Programmes Anwendung. Ziel der Punkteprogramme ist es, anhand standardisierter Verfahren zu ermitteln, welche Bewerber für den kanadischen Arbeitsmarkt von Interesse sind. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 7 3.1.1. Regulierung und Punktesystem im Federal skilled workers-Programm Die Prüfung eines Zuwanderungsantrages im FSW-Programm ist zweistufig aufgebaut. In einem ersten Schritt wird das Vorliegen der Antragsvoraussetzungen geprüft. Fehlen diese, ist der Antrag ohne weitere Prüfung abzulehnen. Hierzu zählen: – ein Jahr Berufserfahrung in einem von 50 ausgewählten Berufen (etwa Wissenschaftler, Ärzte, Zahnärzte, Architekten, Köche, Elektriker, Kranführer und Klempner);6 dieses Kriterium entfällt , wenn der Zuwanderer ein Arbeitsangebot nachweist, – Sprachkenntnisse in Französisch oder Englisch, – kanadischer oder anerkannter ausländischer Schulabschluss. In einem zweiten Schritt wird die Bewerbung anhand eines Punktesystems evaluiert. Im FSW- Programm werden Punkte vergeben für den Grad der Qualifikation, die Berufserfahrung, das Lebensalter, die Sprachkompetenz sowie die eingeschätzte Flexibilität und Eignung des Bewerbers für den kanadischen Arbeitsmarkt. Die Punktzahl erhöht sich durch ein verbindliches Arbeitsangebot eines kanadischen Arbeitgebers nochmals maßgeblich. Die Mindestpunktzahl beträgt zurzeit 67 Punkte. Bei Erreichen der erforderlichen Mindestpunktzahl besteht kein Rechtsanspruch auf Einwanderung. Im Einzelnen werden maximal vergeben7: Kategorien Maximale Punktzahl Sprachkenntnisse (Language Ability) 28 Ausbildung (Education) 25 Berufserfahrung (Experience) 15 Alter (Age) 12 Arbeitsangebot (Arranged employment in Canada) 10 Anpassungsfähigkeit (Adaptability) 10 SUMME: =100 Die Punkte werden innerhalb der einzelnen Oberpunkte nach festen Schlüsseln verteilt. Beispielsweise : Für die Beherrschung von Englisch oder Französisch auf gewissen Niveaustufen in den Kategorien Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben werden jeweils zwischen 4 und 6 Punkte vergeben. Hinsichtlich der Ausbildung wird für einen High School-Abschluss (entspricht in etwa der mittleren Reife) 5 Punkte vergeben, für Hochschulabschlüsse zwischen 15 und 25 Punkte. Für Arbeitserfahrung wird für 1 bis 6 Jahre zwischen 9 und 15 Punkte vergeben. Für das Alter werden zwischen 18 und 35 Jahren 12 Punkte vergeben, ab 36 Jahren für jedes Jahr ein Punkt weniger. Ein besonders qualifiziertes, nachgewiesenes Arbeitsangebot wird mit pauschal 10 6 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/skilled/ complete-applications.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 7 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/skilled/ apply-factors.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 8 Punkten bewertet. Hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit gibt es besondere Kriterien, z. B. eine Ausbildung oder Verwandtschaft in Kanada, die mit jeweils 5 oder 10 Punkten bewertet werden.8 Ferner hat ein Interessent am FSW-Programm den Nachweis zu erbringen, dass er sich für ein Jahr finanziell selbst versorgen kann. Für diesen Überbrückungszeitraum werden derzeit bei einer alleinstehenden Person 11.824 Kanadische Dollar (CAD), bei einer vierköpfigen Familie 21.971 CAD veranschlagt.9 Diese Voraussetzung gilt nicht, wenn der Zuwanderer über ein anerkanntes Arbeitsangebot verfügt. Darüber hinaus gibt es Ausschlusskriterien wie (auch geringfügige) Straffälligkeit , die einer Zuwanderung entgegenstehen.10 Schließlich muss der Bewerber einen medizinischen Test bestehen und ein polizeiliches Führungszeugnis beibringen Erstmalig für die Zeit vom 1. Mai 2014 bis zum 31. Dezember 2014 gelten zahlenmäßige Begrenzungen der Zuwanderung. Diesen unterfallen jedoch nur solche Zuwanderer, die sich ohne ein anerkanntes, besonders qualifiziertes Arbeitsangebot in Kanada niederlassen wollen. Die Grenze liegt bei insgesamt 25.500 Zuwanderern, wobei aus jedem der 50 Berufe nicht mehr als 1.000 Zuwanderer einwandern dürfen.11 Im Jahr 2013 sind über das FSW-Programm 34.165 Menschen mit 48.948 Familienangehörigen, damit ca. 32 % der Gesamtzuwanderer, zugewandert.12 3.1.2. Regulierung und Punktesystem im Self-employed Persons-Programm Das SEP-Programm ist im Gegensatz zum FSP-Programm einstufig aufgebaut, eine Vorprüfung erfolgt nicht. Im SEP-Programm werden nach denselben Kriterien wie im FSW-Programm Punkte vergeben, also nach dem Grad der Qualifikation, der Berufserfahrung, dem Lebensalter, der Sprachkompetenz sowie der eingeschätzten Flexibilität und Eignung des Bewerbers für den kanadischen Arbeitsmarkt. Einzig für ein Arbeitsangebot werden bei Selbstständigen aus der Natur der Sache heraus keine Punkte vergeben. Auch hier besteht kein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel . Die Mindestpunktzahl beträgt derzeit 35 Punkte. Im Einzelnen werden maximal vergeben13: 8 Zu den Details der Punkteschlüssel vgl. die Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/skilled/apply-factors.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 9 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/skilled/ funds.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 10 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/information/ inadmissibility/index.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 11 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/skilled/ apply-who.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 12 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/EnGLish/resources/ statistics/facts2013-preliminary/01.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 13 Siehe für einen genaue Aufschlüsselung der Punkte die Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung : http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/self_employed/selection_factors.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 9 Kategorien Maximale Punktzahl Berufserfahrung (Experience) 35 Ausbildung (Education) 25 Sprachkenntnisse (Language Ability) 24 Alter (Age) 10 Anpassungsfähigkeit (Adaptability) 6 SUMME: = 100 Der Punkteschlüssel im SEP-Programm verfolgt dabei eine etwas andere Gewichtung als im FSW- Programm. Daneben muss der Bewerber entsprechend dem FSW-Programm über ausreichende Barmittel verfügen, um sich selbst zu versorgen, einen medizinischen Test bestehen und ein polizeiliches Führungszeugnis beibringen. Außerdem gelten dieselben Ausschlusskriterien wie im FSW- Programm. Im SEP-Programm besteht keine zahlenmäßige Begrenzung der Zuwanderung. Im Jahr 2013 sind über das SEP-Programm 94 Menschen mit 170 Familienangehörigen, damit 0,1 % der Gesamtzuwanderer , zugewandert.14 3.1.3. Weitere Zuwanderungsprogramme der „economic class“ ohne Punktesystem In den weiteren Programmen der „economic class“ findet kein Punktesystem Anwendung. Hier werden jeweils spezifische Voraussetzungen formuliert, die von dem Bewerber zu erfüllen sind. Im FST-Programm ist insbesondere ein Angebot für eine mindestens auf ein Jahr befristete Vollzeitstelle (>30h pro Woche) erforderlich. Das CEC-Programm verlangt, dass der Bewerber für mindestens ein Jahr in einem besonders qualifizierten Beruf in Kanada gearbeitet hat. Daneben gelten die allgemeinen Ausschlusskriterien sowie medizinische und sprachliche Voraussetzungen. Im Jahr 2013 sind über das CEC-Programm 4.359 Personen (mit 2.844 Familienangehörigen) und damit 3 % der Gesamtzuwanderer zugewandert. Für das FST-Programm und das start-up visa- Programm liegen für 2013 keine Zahlen vor. 3.2. Regulierung der Zuwanderung in der “family class” und der “refugees and persons in need of protection” Die weiteren Gruppen sollen nur überblicksartig dargestellt werden. Wer einen nahen Familienangehörigen in Kanada hat, kann über die Kategorie des Familiennachzugs ins Land einwandern,15 wenn der Familienangehörige bereit ist, eine rechtsverbindliche 14 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/EnGLish/resources/ statistics/facts2013-preliminary/01.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 15 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/ sponsor/index.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 10 Verpflichtung für Unterhalt und Auskommen einzugehen. Dadurch wird der Angehörige verpflichtet, den Einwanderer finanziell zu unterstützen. Einwanderungsberechtigt ist nur die engste Verwandtschaft. Im Jahr 2013 sind 79.586 Familienangehörige und damit 31 % der Gesamtzuwanderer, zugewandert.16 Flüchtlinge und schutzbedürftige Personen können auf zwei Wegen in Kanada als „Permanent Resident“ anerkannt werden. Im „resettlement“-Programm werden Personen von außerhalb Kanadas in Kanada aufgenommen, wenn sie entweder in ihrem Heimatstaat Verfolgung aufgrund ihrer Ethnie, Religionszugehörigkeit, politischer Überzeugung, Staatsangehörigkeit oder Angehörigkeit zu gewissen sozialen Gruppen zu befürchten haben („Convention Refugee Abroad Class“). Sie müssen vom UNHCR oder einer anderen Organisation Kanada zugewiesen sein und von Kanada anerkannt oder von Privaten unterstützt werden. Außerdem können Personen zuwandern , die Opfer von Krieg, bewaffneten Konflikten oder schweren Menschenrechtsverletzungen geworden sind und von Privaten unterstützt werden oder selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können („Country of Asylum Class“).17 Daneben können Personen, die sich in Kanada befinden, Asyl beantragen, wenn sie außerhalb Kanadas Folter, den Tod oder grausame Behandlung zu befürchten haben.18 3.3. Aktuelle Veränderungen im Zuwanderungssystem Im Jahr 2014 beschloss das kanadische Parlament weitreichende Änderungen des Einwanderungsrechts . Einerseits wurden zwei bestehende Einwanderungsprogramme, das Federal Immigrant Investor (II)-Programm und das Entrepreneur (EN)-Programm, mit Wirkung zum 11. Februar 2014 beendet.19 Das II-Programm richtete sich an Investoren, die Investitionen in Höhe von 400.000 CAD tätigen sowie 800.000 CAD Eigenkapital mitbringen. Bei beiden Programmen hatte sich über die Zeit ein enormer Rückstau gebildet, der zu einer Wartezeit von ca. 12 Jahren führte.20 Das kanadische 16 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/EnGLish/resources/ statistics/facts2013-preliminary/01.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 17 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/refugees/index.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 18 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/refugees/inside/ index.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 19 Economic Action Plan 2014 Act, (Bill C-31), abrufbar unter: http://openparliament.ca/bills/41-2/C-31/; http://news.gc.ca/web/article-en.do?nid=814939 [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 20 http://www.torontosun.com/2011/10/07/immigration-backlog-keeping-millionaires-out-of-canada [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 11 Parlament sah hierin ein Hindernis für eine effektive, an Kanadas wirtschaftlichen Bedürfnissen ausgerichtete Einwanderungspolitik.21 Weitere Änderungen treten am 1. Januar 2015 in Kraft. Den FSW-, FST- und CEC-Programmen wird dann das einheitliche „Express Entry“-Programm als erste Stufe im Bewerbungsverfahren vorgeschaltet.22 Ziel der Änderung ist es, noch passgenauer die Einwanderer auszuwählen, für die bei der kanadischen Wirtschaft Bedarf besteht. Insbesondere soll das aktuelle Windhund- Verfahren, d.h. die Behandlung der Einwanderungsanträge nach Eingang, abgeschafft werden. Unter dem „Express Entry“-Programm sollen sich alle Zuwanderungsinteressenten ohne Beschränkung auf gewisse Berufe und ohne zahlenmäßige Begrenzung bewerben können. Den Bewerbern soll dadurch ermöglicht werden, ihre Vorzüge und Berufserfahrungen frei, ohne Beschränkung auf gewisse Berufsfelder, herauszustellen. Die Bewerbungen werden in einem Bewerberpool zusammengefasst. Aus diesem können Behörden und Unternehmen die Bewerber auswählen, für die konkreter Bedarf besteht. Werden Bewerber auf diese Weise ausgewählt, erhalten sie eine Einladung, mit der sie eine „Permanent Resident“-Aufenthaltserlaubnis beantragen können.23 Ob in diesem Zusammenhang auch das Punkteverfahren abgeschafft wird, erscheint noch nicht entschieden. Jedoch ist davon auszugehen, dass dieses grundsätzlich beibehalten wird, um eine gewisse Vorauswahl der Bewerber zu treffen.24 4. Das Punktesystem in den Zuwanderungsprogrammen der Provinz Quebec Die Provinz Quebec wählt, wie bereits erwähnt, hinsichtlich der „economic class“, „familiy class“ und „refugees“ Zuwanderer selbst aus. Dabei verfährt sie nach ähnlichen Kriterien wie die Zentralregierung . Hinsichtlich der „economic class“ richtet sie vergleichbare Programme an Arbeiter und Selbstständige. Daneben besteht ihr Investor-Programm im Gegensatz zu dem der Zentralregierung fort.25 21 Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.cic.gc.ca/english/department/media/ notices/2014-06-19.asp [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 22 Strengthening Canadian Citizenship Act, (Bill C-24), abrufbar unter http://openparliament.ca/bills/41-2/C-24/ [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 23 Vgl. dazu insgesamt Informationen auf der Internetpräsenz der kanadischen Regierung: http://www.canadianimmigration.net/immigrate-to-canada/express-entry.html [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]; http://www.immigration.ca/en/immigrationnewsarticles-menu/152-canada-immigration-news-articles/2014/april/ 738-express-entry-immigration-program-to-launch-in-2015.html [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 24 Für eine Beibehaltung: http://moving2canada.com/immigration-to-canada/express-entry/ [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Anders: http://www.thestar.com/opinion/commentary/2014/05/12/canadas_immigration_system_ undergoing_quiet_ugly_revolution.html [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 25 Informationen auf der Internetpräsenz der Regierung der Provinz Quebec: http://www.immigration-quebec.gouv. qc.ca/en/immigrate-settle/businesspeople/applying-business-immigrant/three-programs/investors/index.html [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 12 Innerhalb der „economic class“ verwendet auch Quebec für sein Skilled Worker-Programm ein Punktesystem. Auch hier besteht kein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel. Außerdem gelten dieselben Ausschlusskriterien wie im Rahmen des FSW-Programmes. Die Mindestpunktzahl, um überhaupt im Aufnahmeverfahren berücksichtigt zu werden, beträgt derzeit 55 Punkte. Im Einzelnen werden maximal vergeben26: Kategorien Maximale Punktzahl Sprachkenntnisse (Language Proficiency) 22 Berufsfeld (Area of Training) 16 Alter (Age) 16 Eigenschaften des Ehepartners (Spouse's Characteristics) 16 Ausbildung (Education) 12 (Untergrenze = 2) Arbeitsangebot (Validated Employment Offer) 10 Berufserfahrung (Work Experience) 8 Unterkunft und Familie vor Ort (Stay and Family in Quebec) 8 Finanzielle Eigenmittel (Financial Self-Sufficiency)* 1 (Untergrenze = 1) Kinder (Children)** 8 SUMME = 117 / 125** * Die notwendigen Eigenmittel beziehen sich auf einen Zeitraum von drei Monaten. Für diesen Überbrückungszeitraum werden derzeit bei einer alleinstehenden Person 2.956 CAD, bei einer vierköpfigen Familie 5.242 CAD veranschlagt.27 ** Für Kinder bis 21 Jahren, die den Bewerber begleiten, werden Sonderpunkte vergeben. Diese erhöhen jedoch die Mindestpunktzahl auf 63. Hat der Bewerber diese Hürde genommen, erfolgt eine nähere Prüfung der Bewerbung. Dabei werden weitere Punkte für Anpassungsfähigkeit (Adaptability) 6 SUMME neu = 123 / 131 vergeben. Die Mindestpunktzahl beträgt nun 55 (bzw. 63, wenn Kinder vorhanden sind). Erfüllt der Bewerber diese Kriterien, wird er in das Skilled Worker-Programm aufgenommen. 26 Informationen auf der Internetpräsenz der Regierung der Provinz Quebec: http://www.immigration-quebec.gouv. qc.ca/en/immigrate-settle/permanent-workers/official-immigration-application/requirements-programs/index.html [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Eine genau Aufschlüsselung der Punkte kann abgerufen werden unter: http://www.immigration-quebec.gouv.qc.ca/ publications/fr/divers/Grille-synthese.pdf [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 27 Informationen auf der Internetpräsenz der Regierung der Provinz Quebec: http://www.immigration-quebec.gouv. qc.ca/EN/immigrate-settle/permanent-workers/official-immigration-application/requirements-programs/glossary. html#financial [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 13 In der Provinz Quebec gibt es feste Aufnahmequoten. Vom 1. April 2014 bis 31. März 2015 werden im Skilled Worker-Programm bis zu 6.500 Zuwanderer zugelassen. Die Quoten gelten jedoch nur für solche Zuwanderer, die sich ohne ein anerkanntes, besonders qualifiziertes Arbeitsangebot in Quebec niederlassen wollen.28 5. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einführung eines Punktesystems in Deutschland Die Einführung eines Punktesystems zur Steuerung der Auswahl von Zuwanderern war in Deutschland schon im Jahr 2006 Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens. So sah der Entwurf der rot-grünen Bundesregierung für ein Zuwanderungsgesetz (ZuwanderungsG-E)29 in dessen § 20 Abs. 2 S. 2 ein Punktesystem vor. Dieses war nahe an das kanadische Punktesystem angelehnt. Im Folgenden sollen die unionsrechtlichen und die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Einführung eines Punktesystems beleuchtet werden. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist dabei nach der Kompetenz des Bundesgesetzgebers und nach materiellen Grenzen eines Punktesystems zu fragen. 5.1. Unionsrechtliche Grenzen der Einführung eines Punktesystems Wegen der unionsrechtlich gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)30) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 Abs. S. 1 AEUV) der Unionsbürger, die auch weitestgehend auf die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) (Island, Liechtenstein, Norwegen) sowie der Schweiz Anwendung finden, könnte ein Punktesystem nur für die Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen eingeführt werden. Zu den weiteren unionsrechtlichen Anforderungen s. Rathke, Unionsrechtliche Anforderungen an ein Punktesystem bei der Zuwanderung, PE 6 - 3000 - 127/14 Anlage 1 5.2. Kompetenz des Bundes zur Einführung eines Punktesystems Der Bundesgesetzgeber hat die Kompetenz, ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild zu schaffen. Zu differenzieren ist dabei nach der Kompetenz zur Regelung des Einwanderungsrechts, also des Rechts zur Einreise in die Bundesrepublik, und des Aufenthaltsrechts, d.h. der Rechts- 28 Informationen auf der Internetpräsenz der Regierung der Provinz Quebec: http://www.immigration-quebec.gouv.qc. ca/en/informations/rules-procedures.html [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 29 Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BT-Drs. 14/7387, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/14/073/1407387.pdf [zuletzt abgerufen am 16. Juli 2014]. 30 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (In der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008, ABl. Nr. C 115 S. 47), zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndBeschl. 2012/419/EU vom 11. Juli 2012 (ABl. Nr. L 204 S. 131). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 14 stellung des Zuwanderers nach Einreise. Für ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild sind beide Kompetenzen erforderlich, denn der Status des „Permanent Resident“ gewährt sowohl das Recht zur Einreise als auch insbesondere das Recht zur Aufnahme einer Beschäftigung. Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des Einwanderungsrechts . Diese folgt aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 und 4 Grundgesetz (GG)31. Hiernach besteht eine Kompetenz für die Bereiche der „Freizügigkeit“ und der „Ein- und Auswanderung“. Beide Tatbestände erfassen die Einreise in das Bundesgebiet.32 Sie unterscheiden sich lediglich mit Blick auf die Dauer des Aufenthalts.33 Eine genaue Abgrenzung ist insoweit – auch im Hinblick auf die Befristung von Aufenthaltstiteln – entbehrlich. Die Kompetenz erfasst Regelungen über die zahlenmäßige Beschränkung sowie über die Voraussetzungen der Einwanderung selbst.34 Hingegen unterfallen Regelungen, welche die Rechtsstellung der Ausländer nach der Einwanderung betreffen, der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG („Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer“). Dies betrifft insbesondere die Frage, ob und in welcher Form Zuwanderer das Recht zu arbeiten erwerben. Für derartige Regelungen gilt nach Art. 72 Abs. 2 GG die Erforderlichkeitsklausel. Eine bundesgesetzliche Regelung des Arbeitsrechtes von Zuwanderern ist unter Berücksichtigung des Prognosespielraums des Gesetzgebers35 zur Wahrung der Wirtschaftseinheit wohl erforderlich. Eine unterschiedliche Regelung des Zugangs von Drittstaatsangehörigen zum Arbeitsmarkt würde zu Brüchen in der wirtschaftlichen Landschaft Deutschlands führen. Die eingeschränkte Mobilität und damit Einsetzbarkeit von Arbeitnehmern mit insoweit räumlich begrenzter Arbeitserlaubnis stünde im Gegensatz zu einer stark vernetzten und von Freizügigkeit geprägten bundesdeutschen Wirtschaftsordnung.36 Eine Bundeskompetenz dürfte zu bejahen sein. Eine Abweichungskompetenz der Länder nach Art. 72 Abs. 3 GG besteht nicht. Hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens ist für eine Regelung nach kanadischem Vorbild gleichfalls wesentlich, dass die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis im Status des „Permanent Resident“ zu einer untrennbaren Einheit verknüpft sind. Über die Erteilung dieses Status entscheidet die „Citizenship and Immigration Canada (CIC)“, mithin eine Behörde in einer einheitlichen Entscheidung . Dieses sog. „One-stop-Verfahren“ gibt es im deutschen Recht bereits bei der Erteilung 31 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG (Art. 93) vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478). 32 Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 1. Juni 2014, Edition: 21, Art. 73, Rn. 12. 33 Uhle, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (70. Ergänzungslieferung 2013), Art. 73, Rn. 71. 34 Uhle, Fn. 33, Art. 73, Rn. 71. 35 Zum Prognosespielraum ausführlich Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz Kommentar, 12. Aufl. 2011, Art. 72 Rn. 76. 36 Vgl. hierzu die Ausführungen des BVerfG zur Bundeskompetenz für die Regelung der Zugangsmöglichkeit zu Berufen oder Gewerben (BVerfGE 106, 62, 146 ff.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 15 einer „Blauen Karte EU“ gemäß § 19a AufentG37. Zwar muss die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsaufnahme zustimmen, der Ausländer hat sich aber lediglich an die Ausländerbehörde bzw. die deutsche konsularische Vertretung im Ausland zu wenden. 5.3. Auswirkungen des Parlamentsvorbehalts für die Einführung eines Punktesystems Bei einer gesetzlichen Ausgestaltung eines Punktesystems ist der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte und in ständiger Rechtsprechung angewandte Parlamentsvorbehalt zu beachten.38 Hiernach hat der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht anderen Normgebern zu überlassen.39 Für die Wesentlichkeit einer Angelegenheit sprechen unter anderem deren Grundrechtsrelevanz, die Größe des Adressatenkreises sowie die Langfristigkeit einer Festlegung. Gegen die Wesentlichkeit einer Frage sprechen unter anderem die Erforderlichkeit flexibler Regelungen und die Entlastung des Parlaments .40 Die Auswahl von Zuwanderern besitzt einen erheblichen Bezug zum (auch auf Nicht- Deutsche anwendbaren) allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Auch ist der Adressatenkreis im Hinblick auf die hohe Zahl an zuwanderungswilligen Ausländern erheblich (so sind im Jahr 2012 ca. 220.000 Personen aus Drittländern eingewandert41). Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass dem Parlament keine Regelung bis ins Detail der Punktezuweisung und -gewichtung abverlangt werden kann. Das Parlament ist insoweit zu entlasten, der Sachverstand der Verwaltung nutzbar zu machen. Folglich sind jedenfalls die Hauptgesichtspunkte, für die die Punkte vergeben werden sollen, vom Gesetzgeber vorzugeben. Weiter muss – zumindest aus dem Ziel des Gesetzes – erkennbar sein, wie diese Merkmale zu gewichten sind. Hingegen ist eine genaue Zuweisung der Anzahl der zu vergebenden und der Grenzen der zu erreichenden Punkte nicht zu fordern. Die Regelung aus § 20 Abs. 2 ZuwanderungsG-E kann hierfür als wohl verfassungskonformes Beispiel dienen. Die Übernahme der kanadischen Regelungstechnik auf untergesetzlicher Ebene scheidet daher aus. Eine derart weitgehende Verordnungsermächtigung ist mit dem Parlamentsvorbehalt nicht zu vereinbaren. 37 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3556). 38 Huster/Rux, in: BeckOK, Fn. 32, Art. 20, Rn. 172 f. 39 BVerfGE 95, 267 (307); Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Fn. 33, Art. 20 GG, Rn. 107. 40 Herzog/Grzeszick, Fn. 33, Art. 20 GG, Rn. 107. 41 Migrationsbericht 2012 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesregierung, S. 15 f. Hiernach sind im Jahr 2012 77,5 % von insgesamt 965.908 nicht-deutschen Einwanderern aus europäischen Staaten zugewandert, mithin 22,5 % aus nicht-europäischen Staaten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 148/14 Seite 16 5.4. Wahrung der Grundrechte bei der Einführung eines Punktesystems Weiter muss ein Punktesystem auch mit den Grundrechten vereinbar sein. Als tangiertes Grundrecht kommt hier der allgemeine Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Dieser ist als sog. Jedermann-Grundrecht auch auf Ausländer anwendbar. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem und die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem . Die Bewertungskriterien und die konkrete Zumessung der Punkte dürfen deshalb nur nach sachlichen Kriterien differenzieren. Die zu beurteilenden Zuwanderer dürfen nicht willkürlich oder unverhältnismäßig verschieden behandelt werden. Hieran gemessen erscheint eine am kanadischen Punktesystem orientierte Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Insbesondere kennt das Grundgesetz kein allgemeines Verbot der Altersdiskriminierung.42 Vielmehr könnte eine Zuweisung von Punkten nach dem Alter mit der höheren Leistungs- und Anpassungsfähigkeit sowie der längeren Erwerbsdauer jüngerer Zuwanderer wohl sachlich gerechtfertigt werden. 5.5. Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung Schließlich ist nicht zu erwarten, dass das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung der Berücksichtigung des Alters als Zumessungsmaßstab für Punkte entgegensteht. Keine Anwendung findet ausweislich Art. 3 Abs. 2 Gleichbehandlungs-Richtlinie das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Gleichbehandlungs-Richtlinie verankerte Verbot der Altersdiskriminierung.43 Auch das in Art. 21 Abs. 1 Grundrechte Charta (GrCh)44 normierte Verbot der Altersdiskriminierung findet wohl keine Anwendung. Hierzu müsste Deutschland bei der Ausgestaltung des Einwanderungsrechts nach Art. 51 Abs. 1 GrCh zur „Durchführung des Rechts der Union“ handeln . Dies ist jedoch nach überzeugender Ansicht nicht der Fall, soweit die nationale Regelung lediglich den Deutschland verbleibenden Regelungsspielraum im Rahmen der geteilten Kompetenz zur Regelung des Einwanderungsrechtes (s. oben) ausgestaltet.45 Dies wäre bei Einführung eines Punktesystems unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben der Fall. ( ) ( ) 42 Vgl. Kischel, in: BeckOK, Fn. 32, Art. 3, Rn. 139. 43 Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. Nr. L 303 S. 16. 44 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 303 S. 1. 45 Vgl. Ohler, Grundrechtliche Bindungen der Mitgliedstaaten nach Art. 51 GRCh, NVwZ 2013, 1433 (1434).