© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 147/16 Möglichkeiten zur Bildung eines mit eigenen Rechten ausgestatteten Zusammenschlusses von Mitgliedern des Bundestages Unter Heranziehung eines Vergleichs mit dem Congressional Black Caucus des US-Kongresses Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 147/16 Seite 2 Möglichkeiten zur Bildung eines mit eigenen Rechten ausgestatteten Zusammenschlusses von Mitgliedern des Bundestages Unter Heranziehung eines Vergleichs mit dem Congressional Black Caucus des US-Kongresses Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 147/16 Abschluss der Arbeit: 26.05.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 147/16 Seite 3 1. Fragestellung Es ist die Frage aufgeworfen worden, welche Möglichkeiten bestehen, dass sich Mitglieder bereits bestehender Bundestagsfraktionen (zusätzlich) zu einer eigenständigen, unabhängigen und mit eigenen Rechten ausgestatteten Fraktion oder Gruppe zur Förderung bestimmter politischer Ziele zusammenschließen (dazu unten Ziff. 2.). Außerdem sollen die Rechte, die insbesondere die Geschäftsordnung des Bundestages (GO BT1) unabhängigen Zusammenschlüssen einräumt, dargestellt werden (dazu unten Ziff. 3.). Schließlich ist gebeten worden, die Rechte eines solchen Zusammenschlusses mit denen des „Congressional Black Caucus“ des US-Kongresses zu vergleichen (dazu unten Ziff. 4.). 2. Möglichkeiten der Gründung von Fraktionen oder Gruppen durch Fraktionsmitglieder Zu den Fraktionen und Gruppen bestimmt § 10 Abs. 1 GO BT folgendes: „(1) Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. Schließen sich Mitglieder des Bundestages abweichend von Satz 1 zusammen, bedarf die Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundestages.“ Aus dem Verweis auf dieselbe Partei bzw. dieselbe Parteifamilie (CDU/CSU) in § 10 Abs. 1 Satz 1 GO BT für die Mitglieder einer Fraktion wird der Grundsatz der politischen Homogenität2 hergeleitet . Daraus ergeben sich in Bezug auf die vorliegende Frage zwei wichtige Voraussetzungen für die Gründung einer Fraktion: Zum einen darf jeder Abgeordnete nur einer Fraktion angehören (Verbot der Doppelmitgliedschaft). Zum anderen dürfen die Abgeordneten der gleichen Partei nur Mitglieder in einer Fraktion und nicht in mehreren (Parallel-)Fraktionen sein. Sie dürfen daher nicht im Konsens neue politisch homogene Fraktionen bilden (Verbot der Fraktionsmehrung).3 Diese Verbote gelten auch für anerkannte Gruppen, d.h. für Zusammenschlüsse von weniger als 5% der Mitglieder des Bundestages (§ 10 Abs. 4 GO BT). Daraus folgt, dass Fraktionsabgeordnete nicht die Möglichkeit haben, zur Förderung gemeinsamer politischer Ziele eine weitere Fraktion oder Gruppe im Sinne des § 10 Abs. 1 bzw. Abs. 4 GO BT zu gründen. 1 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1980 (BGBl. I S. 1237), die zuletzt durch Beschluss des Bundestages vom 3. April 2014 geändert worden ist. 2 Vgl. Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 405 f. 3 Zu diesen beiden Verboten grundlegend: Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 406 f.; ebenso Klein/Krings, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 1. Auflage 2016, § 17 Fraktionen, Rdnr. 11 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 147/16 Seite 4 3. Rechte von unabhängigen Zusammenschlüssen von Abgeordneten Neben der Gründung einer Fraktion oder Gruppe sehen weder die Geschäftsordnung des Bundestages noch andere Vorschriften Regelungen zu unabhängigen Zusammenschlüssen von Abgeordneten vor. In der Praxis des Bundestages haben sich eine Reihe so genannter Parlamentarischer Gruppen (PG) in der Form solcher unabhängiger Zusammenschlüsse gebildet. Dazu gehören beispielsweise die PG Frei fließende Flüsse, die PG Luft- und Raumfahrt oder die PG Schienenverkehr. Davon abzugrenzen sind die so genannten Parlamentariergruppen des Deutschen Bundestestages, die zur Pflege der außenpolitischen Beziehungen des Deutschen Bundestages zu den Parlamenten anderer Staaten in jeder Wahlperiode vom Präsidium neu konstituiert werden.4 Den Parlamentarischen Gruppen stehen jedoch keine eigenen Rechte zu. Das heißt, sie haben beispielsweise nicht das Recht, eigene Mitglieder als Vertreter der Gruppe in Ausschüsse zu entsenden. Außerdem erhalten sie keine eigenständige finanzielle, technische oder personelle Unterstützung. Über ihre Mitglieder können sie jedoch faktisch alle Rechte wahrnehmen, die den Mitgliedern selbst, d.h. den Abgeordneten, zustehen. Darüber hinaus können sie auch die Wahrnehmung solcher Rechte koordinieren, die nur von einer Mindestzahl von Abgeordneten wahrgenommen werden können. Eine Reihe von parlamentarischen Rechten steht nicht nur den Fraktionen, sondern auch 5% der Mitglieder des Bundestages zu. Dazu gehört zunächst das Recht, Gesetzentwürfe (§ 76 Abs. 1 GG i.V.m. § 76 Abs. 1 GO BT) oder sonstige Vorlagen (§ 75 i.V.m. § 76 GO BT) in den Bundestag einzubringen. Besteht eine Parlamentarische Gruppe aus mindestens 5% der Mitglieder des Bundestages, kann sie folglich auch Große und Kleine Anfragen ihrer Mitglieder initiieren. Darüber hinaus verfügen 5% der Mitglieder des Bundestages z.B. über Antragsrechte im Zusammenhang mit der Tagesordnung (§ 20 Abs. 3 Satz 1 GO BT), der Herbeirufung eines Mitglieds der Bundesregierung (§ 42 GO BT) oder der Ermächtigung des Europaausschusses, die Rechte des Bundestages gemäß Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen (§ 93b Abs. 2 Satz 1 GOBT). In der Praxis des Bundestages kommt es nicht selten vor, dass Gesetzentwürfe von überfraktionellen Gruppen, die sich ad hoc zu diesem Zweck zusammengefunden haben, eingebracht werden. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit sind hier die verschiedenen überfraktionellen Gesetzentwürfe , die im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung zur Sterbehilfe im Bundestag debattiert wurden.5 4. Rechte des Congressional Black Caucus im US-Kongress Der Congressional Black Caucus (CBC) ist ein Zusammenschluss von Mitgliedern des US-Senats und des US-House of Representatives. Weder Hautfarbe noch Parteizugehörigkeit ist in den offiziellen 4 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite (http://www.bundestag.de/bundestag/europa_internationales /parlamentariergruppen/allgemein/244832) sowie auf der Intranetseite (http://www.bundestag.btg/Butag- Verw/W/I/3/Aufgaben.php#aufgaben) des Deutschen Bundestages. 5 Siehe dazu mit den Nachweisen zu den Gesetzentwürfen: Reimer, Sterbehilfe - Die Details der vier Gesetzentwürfe , Das Parlament Nr. 28-30 vom 6. Juli 2015, im Internet aufrufbar unter: http://www.das-parlament .de/2015/28_30/titelseite/-/382448. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 147/16 Seite 5 Regeln des CBC vorgeschrieben, dennoch wurden bis heute nur afro-amerikanische Senatoren und Abgeordnete als Mitglieder vom CBC zugelassen. Da die ganz überwiegende Zahl der afro-amerikanischen Senatoren und Abgeordneten der Demokratischen Partei angehört, waren und sind die meisten Mitglieder des CBC Demokraten.6 Der CBC gehört zu den so genannten „congressional member organisations“ (CMO) des US-Kongresses . Im Unterschied zu den ebenfalls in den Häusern des US-Kongresses vorhandenen „informal member groups“, werden die CMOs bei dem Ausschuss für die Parlamentsverwaltung registriert.7 In Bezug auf die Rechte und Pflichten der CMOs werden sie nicht als eigenständige Organisation, sondern gleichsam als verlängerter Arm der einzelnen Abgeordneten- und Senatorenbüros angesehen .8 Im Einzelnen sind im „Members’ Congressional Handbook“ folgende Regeln festgelegt:9 Finanzierung und Ausstattung CMOs haben keine eigenständige Rechtspersönlichkeit. Sie sind kein Arbeitgeber. Die Amtsausstattung der Mitglieder („Members’ Representational Allowance“) darf nicht direkt zur Unterstützung der CMO eingesetzt werden. Einer CMO dürfen keine eigenen Büroräume zugewiesen werden. Weder die CMOs noch ihre einzelnen Mitglieder dürfen Waren, Gelder oder Dienstleistungen von privaten Organisationen oder Privatpersonen zur Unterstützung der CMO annehmen. Die Mitglieder dürfen allerdings privates Vermögen zur Unterstützung der CMOs zur Verfügung stellen. Ein Mitglied darf, um die Ziele der CMO zu unterstützen, Mitarbeiter und Büroräume, die dem Mitglied zugewiesen sind, zur Verfügung stellen. Es dürfen jedoch keine Mitarbeiter im Namen der CMO eingestellt werden. Personen, die an CMO-Vorhaben mitarbeiten, müssen auf ihrer Visitenkarten zuerst ihren Arbeitgeber angeben, bevor sie den Namen der CMO angeben. CMO dürfen eigene Webseiten haben, wenn dafür kein offizielles Budget verwendet wird und die Webseite außerhalb der Dienstzeiten erstellt und gepflegt wird. Kommunikation CMOs dürfen nicht den Frankierservice des Kongresses nutzen. Die Mitglieder dürfen ihre Telefonund IT-Ausstattung zur Unterstützung der CMOs nutzen. Sie dürfen außerdem ein Teil ihrer Internetauftritte für die Angelegenheiten der CMOs zur Verfügung stellen; sie dürfen ihre Mitgliedschaft auf ihrem Briefpapier erwähnen. Das interne Postsystem darf für die Kommunikation im 6 Vgl. die Darstellung auf der Internetseite des cbc: https://cbc-butterfield.house.gov/history. 7 Diese Registrierung ist festgelegt im Members’ Congressional Handbook für den 114. Kongress, S. 39 (https://cha.house.gov/sites/republicans.cha.house.gov/files/documents/member_services_docs/Members %20Handbook%20114th.pdf). Dazu auch Glassman, Congressional Member Organizations: Their Purpose and Activities, History, and Formation, Congressional Research Service, August 2015, S. 1. 8 House Ethics Manual, 2008 Edition, S. 336 (http://ethics.house.gov/sites/ethics.house.gov/files/documents /2008_House_Ethics_Manual.pdf). 9 Vgl. Members’ Congressional Handbook für den 114. Kongress, S. 39 ff. (Internet-Link oben Fn. 7). Bei dem kursiv dargestellten Text handelt es sich um eine gegenüber dem Original gekürzte Arbeitsübersetzung für dieses Gutachten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 147/16 Seite 6 Zusammenhang mit der CMO genutzt werden. Offizielles Budget darf nicht für den Druck oder die Kosten des Briefpapiers der CMOs genutzt werden. In dem Gutachten des Congressional Research Service über die CMOs werden, neben diesen Regeln des Handbooks, keine weiteren, besonderen parlamentarischen Rechte erwähnt, die den CMOs zustehen.10 Vielmehr wird deutlich, dass die Senatoren und Abgeordneten die CMOs nutzen, um ihre Kräfte für die jeweilige politische Aufgabe zu bündeln. Gleichzeitig scheint es auch darum zu gehen, dass die Mitglieder durch die CMOs ihr individuelles politisches Profil schärfen wollen und gerade junge bzw. neue Senatoren und Abgeordnete sich dadurch besseren Anschluss und Orientierung im parlamentarischen Alltag erhoffen.11 Aus allem ergibt sich, dass die CMOs und damit auch der Congressional Black Caucus, insoweit ähnlich wie die Parlamentarischen Gruppen, Interessenvereinigungen sind, die keine eigenständige parlamentarische Organisation darstellen und denen auch keine besonderen parlamentarischen Rechte zugewiesen sind. Gerade der Blick auf den bedeutenden Congressional Black Caucus zeigt jedoch, dass diese Zusammenschlüsse von Parlamentariern einen nicht unerheblichen politischen Einfluss ausüben können.12 Ende der Bearbeitung 10 Glassman, Congressional Member Organizations: Their Purpose and Activities, History, and Formation, Congressional Research Service, August 2015. 11 Glassman, Congressional Member Organizations: Their Purpose and Activities, History, and Formation, Congressional Research Service, Congressional Research Service, August 2015, S. 3 ff. 12 Vgl. zum Einfluss des Congressional Black Caucus auf die US-amerikanische Politik in der Vergangenheit: Manning /Shogan, African American Members of the United States Congress: 1870-2012, Congressional Research Service, November 2012, S. 5 ff.; Singh, The Congressional Black Caucus – Racial Politics in the U.S. Congress, 1998.