© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 146/19 Insolvenzunfähigkeit von Fraktionen des Deutschen Bundestages Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 2 Insolvenzunfähigkeit von Fraktionen des Deutschen Bundestages Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 146/19 Abschluss der Arbeit: 26.09.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 3 1. Fragestellung und Einleitung Die Ausarbeitung geht den Fragen nach, ob Fraktionen des Deutschen Bundestages insolvenzfähig sind und ein Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung (InsO) über ihr Vermögen zulässig wäre. Bisher hat es kein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Fraktion des Deutschen Bundestages gegeben. Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung (BHO) zur Notwendigkeit eines verbesserten Rechtsrahmens für die Liquidation von Fraktionen festgestellt, dass das Abgeordnetengesetz offen lasse, ob die Insolvenzordnung auch für Parlamentsfraktionen gelte oder zumindest dann, wenn diese sich in Liquidation befänden. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrechnungshof empfohlen, ein Verfahren für einen Mangelfall im Liquidationsverfahren einer Fraktion zu schaffen, das sich an der Praxis des Insolvenzverfahrens orientiert.1 2. Unterscheidung Fraktion und Fraktion in Liquidation Gesetzlich sind die Fraktionen des Deutschen Bundestages2 im Elften Abschnitt Abgeordnetengesetz (AbgG) geregelt. Nach § 46 Abs. 1, § 47 Abs. 1 AbgG sind Fraktionen rechtsfähige Vereinigungen von Abgeordneten im Deutschen Bundestag, die an der Erfüllung der Aufgaben des Deutschen Bundestages mitwirken. Für ihre Bildung verweist § 45 Abs. 2 AbgG auf die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT). Gemäß § 10 Abs. 1 GOBT ist für die Fraktionsbildung grundsätzlich eine Mindeststärke von fünf Prozent politisch gleichgerichteter Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich. Ihre Finanzierung ist einfachgesetzlich in den §§ 50 ff. AbgG geregelt. Geld- und Sachleistungen, die die Fraktionen aus dem Bundeshaushalt erhalten, sind zweckgebunden und dürfen nur für die Aufgaben verwendet werden, die ihnen nach dem Grundgesetz (GG), dem AbgG und der GOBT obliegen, § 50 Abs. 4 S. 1 AbgG. Die Mittel werden zur Eigenbewirtschaftung überlassen und haben einen Sonderstatus, der bei der Kontrolle der Mittelverwendung relevant wird.3 Die Mittelverwendung wird durch den Bundesrechnungshof geprüft. § 53 Abs. 2 S. 2 AbgG bestimmt dabei ausdrücklich, dass die politische Erforderlichkeit einer Maßnahme der Fraktionen nicht Gegenstand der Prüfung ist. § 54 AbgG enthält Bestimmungen über die Beendigung der Rechtsstellung und die Liquidation der Fraktion. Als Vereinigungen von Abgeordneten unterliegen Fraktionen dem Diskontinuitätsprinzip : Mit dem Ende der Wahlperiode endet auch die Rechtsstellung der Fraktion, § 54 Abs. 1 Nr. 3 AbgG. Die Rechtsstellung der Fraktion entfällt zudem bei Erlöschen des Fraktionsstatus, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AbgG. Das ist der Fall, wenn die Mitgliederzahl unter die von § 10 Abs. 1 GOBT geregelte Grenze absinkt. Schließlich können die Mitglieder einer Fraktion auch die Auflösung und damit den Wegfall der Rechtsstellung der Fraktion beschließen, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AbgG. An den 1 Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung (BHO) zur Notwendigkeit eines verbesserten Rechtsrahmens für die Liquidation von Fraktionen im Deutschen Bundestag vom 4. September 2018, BT-Drs. 19/4040, 10. 2 Im Folgenden: Fraktionen. 3 Waldhoff, in: Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz, 2016, § 50 Rn. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 4 Wegfall der Rechtsstellung schließt sich grundsätzlich die Liquidation der Fraktion, d. h. ihre vermögensrechtliche Auflösung und Auseinandersetzung.4 Gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 AbgG gilt die Fraktion für die Zwecke der Liquidation als fortbestehend. Diese funktionale Bezogenheit auf die Liquidation verhindert jedes „politische“ Weiterbestehen der ursprünglichen Einheit.5 Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand der Fraktion, soweit die Geschäftsordnung der Fraktion nichts anderes bestimmt, § 54 Abs. 2 S. 3 AbgG. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beenden , die Forderungen einzuziehen und die Gläubiger zu befriedigen, § 54 Abs. 3 S. 1 AbgG. Soweit nach der Beendigung der Liquidation noch zweckgebundene Geldleistungen oder Vermögenswerte, die mit diesen Geldern angeschafft worden sind, verbleiben, sind diese an den Bundeshaushalt zurückzuführen. 3. Zur Insolvenzunfähigkeit 3.1. Insolvenzfähigkeit nach §§ 11 und 12 Insolvenzordnung Die Insolvenzordnung (InsO) regelt die Zulässigkeit eines Insolvenzverfahrens sowie Ausnahmen hiervon für juristische Personen des öffentlichen Rechts in § 11 und § 12 InsO. Die Vorschriften lauten wie folgt: „§ 11 Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens (1) Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. Der nicht rechtsfähige Verein steht insoweit einer juristischen Person gleich. (2) Ein Insolvenzverfahren kann ferner eröffnet werden: 1. über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (offene Handelsgesellschaft , Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, Partenreederei, Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung); […]“. „§ 12 Juristische Personen des öffentlichen Rechts (1) Unzulässig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen 1. des Bundes oder eines Landes; 2. einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes untersteht, wenn das Landesrecht dies bestimmt. […]“ 4 Siehe aber § 54 Abs. 7 AbgG: Eine Liquidation findet hingegen nicht statt, wenn sich nach Beginn der neuen Wahlperiode eine Nachfolgefraktion derselben Partei konstituiert und diese die Rechtsnachfolge antritt. 5 Waldhoff, in: Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz, 2016, § 54 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 5 Der Gesetzgeber hat einen weiten Anwendungsbereich für das Insolvenzverfahren geregelt: Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 InsO kann ein Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. Erfasst sind damit auch juristische Personen des öffentlichen Rechts. Der nicht rechtsfähige Verein steht gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 InsO einer juristischen Person gleich. Der weite Anwendungsbereich folgt der Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit der Regelung eines Insolvenzverfahrens verfolgt: Das Insolvenzverfahren dient dazu, Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, den Wettlauf der Gläubiger zu beenden und Rechtsfrieden herzustellen . Es bezweckt die „Rechtsverwirklichung durch Vollstreckung, die verfassungsrechtlich im allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch und in Art. 14 GG verbürgt ist“6. Eine Korrektur des weiten Anwendungsbereichs vollzieht der Gesetzgeber, indem er die Insolvenzunfähigkeit bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts in § 12 InsO regelt. So ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes oder eines Landes unzulässig, § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Zudem sieht § 12 InsO vor, dass durch Landesrecht die Insolvenzunfähigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes untersteht, bestimmt werden kann. Die Ausnahmevorschrift folgt dem Grundgedanken, dass der Staat nicht insolvenzfähig ist und es hinsichtlich des Bundes und der Bundesländer an einer übergeordneten Zwangsgewalt fehlt.7 Sie dient dazu, die Funktionsfähigkeit des Staates und der öffentlichen Verwaltung aufrechtzuerhalten .8 3.2. Verfassungsrechtliche Unzulässigkeit des Insolvenzverfahrens Das Bundesverfassungsgericht hatte sich zu Zeiten der Konkursordnung mit der Frage der Konkurs(un)fähigkeit öffentlich-rechtlicher Kirchen und öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu befassen.9 Das Bundesverfassungsgericht hat für Kirchen und ihre Organisationen, soweit sie als öffentlichrechtliche Körperschaften anerkannt sind, entschieden, dass die Konkursunfähigkeit unmittelbar aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3, 5 und 6 WRV gefolgert werden könne.10 Durch diese Bestimmungen werde gewährleistet, dass die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts ihre Angelegenheiten ihrem kirchlichen Auftrag entsprechend eigenständig ordnen und verwalten könnten. Die Anwendung konkursrechtlicher Vorschriften lasse sich mit dieser Selbstbestimmungsgarantie nicht vereinbaren.11 Mit der Eröffnung eines Konkursverfahrens gehe die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt auf den Verwalter über, daraus würden sich schwerwiegende Störungen im Wirkungsbereich der Kirche ergeben. Die Verwirklichung des kirchlichen Auftrags, der auch den 6 Hientzsch, Die politische Partei in der Insolvenz, NVwZ 2009, 1135 (1136). 7 Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 4. Aufl., 2018, § 12 Rn. 1. 8 Gundlach, in: Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Aufl., 2016, § 12 Rn. 1; siehe auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 12/2443, 113. 9 BVerfGE 66, 1 (19 ff.); BVerfGE 89, 144 (153). 10 BVerfGE 66, 1 ff. (17). 11 BVerfGE 66, 1 ff. (18 ff.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 6 Einsatz finanzieller Mittel erfordere, wäre nahezu unmöglich.12 Das Bundesverfassungsgericht hat weiter festgestellt, dass ein Konkursverfahren weder hinreichend geeignet wäre, seiner Zielsetzung zu genügen, noch von der Sache her im Allgemeininteresse veranlasst wäre. Der Kirche müssten von vornherein weite Teile ihres Vermögens belassen werden, um ihr die Möglichkeit zu erhalten, ihrem Auftrag nachzukommen. Dadurch stünde nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des Vermögens zur Verfügung. Vor allem aber sei die Zahlungsunfähigkeit bei der kirchlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts praktisch nicht gegeben.13 Im Fall der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat das Bundesverfassungsgericht mit einer ähnlichen Begründung eine Konkursunfähigkeit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG hergeleitet.14 Mit der verfassungsrechtlichen Funktionsgewährleistung des öffentlichen Rundfunks sei die Anwendung der konkursrechtlichen Vorschriften unvereinbar.15 Im Rahmen eines Konkursverfahrens könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Konkursverwalter aufgrund seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis den finanziellen Rahmen des Programms der Rundfunkanstalt bestimme und beeinflusse. Dies würde zu unzulässigen Eingriffen führen.16 Auch im Hinblick auf die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass letztlich kein Bedürfnis bestehe, ein Konkursverfahren über das Vermögen zuzulassen. Die verfassungsrechtliche Funktionsgewährleistung des öffentlichen Rundfunks umfasse eine das jeweilige Land treffende finanzielle Gewährleistungspflicht. Notfalls müsse das Land für die Verbindlichkeiten der Rundfunkanstalt einstehen.17 Obwohl diese Rechtsprechung keinen Eingang in die Formulierung des § 12 InsO gefunden hat, wurde sie im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich bestätigt.18 Auch unter dem Regime des geltenden Insolvenzrechts sind nach allgemeinem Verständnis öffentlich-rechtliche Kirchen und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten insolvenzunfähig.19 12 BVerfGE 66, 1 ff. (21). 13 BVerfGE 66, 1 ff. (23 f.). 14 BVerfG 89, 144 ff. (152). 15 BVerfG 89, 144 ff. (153). 16 BVerfG 89, 144 ff. (153). 17 BVerfG 89, 144 ff. (154 f.). 18 Vgl. Gundlach/Frenzel/Schmidt, Die Insolvenzfähigkeit nach der InsO, NZI 2000, 561 ff. (566) mit weiteren Nachweisen. 19 Statt vieler: Vuia, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., 2019, § 12 Rn. 11; kritisch Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, 15. Aufl., 2019, § 12 Rn. 12 und 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 7 4. Zur Insolvenzunfähigkeit von Fraktionen 4.1. Insolvenzfähigkeit nach § 11 InsO? Fraglich ist, ob Fraktionen vom Anwendungsbereich des § 11 InsO erfasst sind. Die gesetzlichen Regelungen im AbgG lassen die Frage nach der Rechtsnatur offen.20 Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Frage der Rechtsnatur der Fraktion häufiger auseinanderzusetzen gehabt. Es hat jedoch keine eindeutigen Aussagen zum Rechtscharakter der Fraktion getroffen.21 Die Aussagen des Gerichts zur Rechtsnatur der Fraktionen sind deskriptiv, ohne diese unmissverständlich zu fixieren: Fraktionen werden als „Faktoren der parlamentarischen Willensbildung“22, „politisches Gliederungsprinzip für die Arbeit des Bundestages“23, „notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens “24, Gliederungen des Parlaments, die der organisierten Staatlichkeit eingefügt seien25 sowie als Teile oder Organe des Parlaments bezeichnet.26 In der Literatur wird die Frage nach der Rechtsnatur der Fraktion höchst uneinheitlich beantwortet.27 Allgemein herrscht Einigkeit darüber, dass keine der anerkannten Organisationsformen uneingeschränkt auf eine Fraktion zutreffe, ohne dass Modifikationen notwendig würden.28 Die Fraktion wird von Teilen der Literatur als juristische Person eingeordnet bzw. dieser gleichgestellt.29 Zum Teil wird auch die Auffassung vertreten, dass der Fraktion eine Rechtsnatur sui generis zukomme, da sie sich unter keine der geltenden Charakterisierungsmöglichkeiten einordnen lasse. Dabei wird Fraktionen eine Doppelstellung zuerkannt: Im 20 Aus der Gesetzesbegründung zu § 46 AbgG geht hervor, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine konkrete Festlegung der rechtlichen Einordnung der Fraktionen verzichtet hat, BT-Drs. 12/4756, 6. 21 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 302 f. mit Rechtsprechungshinweisen. 22 BVerfGE 70, 324 (351). 23 BVerfGE 80, 188 (219). 24 BVerfGE 147, 50 ff. (Rn. 163). 25 BVerfGE 70, 324 (362). 26 Ausführlich dazu Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 302. 27 Zum bunten Meinungsspektrum siehe die Zusammenstellungen bei Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 286 ff. sowie bei Singer, Der mitbestimmungsrechtliche Status der Parlamentsfraktion, NZA 2008, 789 (790 f.). 28 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 284. 29 Lontzek, in: Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz, 2016, § 46 Rn. 4; Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen , 2001, 284; Ipsen, Staatsrecht I, 28. Aufl., 2016, § 6 Rn. 270, der die Fraktion als juristische Person sui generis bezeichnet, der Fraktion aber letztlich eine Doppelnatur zuweist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 8 parlamentarischen Bereich seien sie rechtsfähige Einrichtungen des Verfassungslebens, im außerparlamentarischen Rechtsverkehr rechtsfähige Vereine des Bürgerlichen Rechts30 bzw. juristische Person sui generis31. Da Fraktionen gemäß § 46 AbgG rechtsfähige Vereinigungen und zudem Träger eigenen Vermögens sind, ist angesichts des weiten Anwendungsbereichs des § 11 InsO von ihrer grundsätzlichen Insolvenzfähigkeit auszugehen.32 Auf eine Entscheidung des Meinungsstreits zur Rechtsnatur der Fraktion kommt es letztlich nicht an, da § 11 InsO neben juristischen Personen auch den nicht rechtsfähigen Verein erfasst. 4.2. Insolvenzunfähigkeit nach § 12 InsO? Eine Insolvenzunfähigkeit nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO würde voraussetzen, dass Fraktionen als „Bund“ im Sinne der Vorschrift zu verstehen wären. Nach allgemeinen Verständnis in der Literatur bezieht sich die durch § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO festgeschriebene Insolvenzunfähigkeit von Bund und Ländern auf diese Gebietskörperschaften als solche.33 Ob sich der Schutz des § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch auf die Organe des Bundes und der Länder bezieht, wird in der Literatur nicht einheitlich bewertet. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, es bleibe bei der Insolvenzfähigkeit nach § 11 Abs. 1 S. 1 InsO, soweit einzelne Organe des Bundes oder der Länder selbst juristische Personen des öffentlichen Rechts seien oder zumindest selbst Träger von Rechten und Pflichten sein könnten.34 Zum Teil wird für die Frage der grundsätzlichen Möglichkeit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens auch darauf abgestellt, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts über ein rechtlich verselbstständigtes, haftungsrechtlich abgesondertes Vermögen verfüge oder nicht.35 Bezogen auf die Fraktionen kommen Vertreter dieser Ansicht zu dem Ergebnis, dass Fraktionen nicht unter die Ausnahmevorschrift 30 Singer, Der mitbestimmungsrechtliche Status der Parlamentsfraktion, NZA 2008, 789 (793); wohl auch Stevens, Die Rechtsstellung der Bundestagsfraktion, 2000, 75 ff. 31 Ipsen, Staatsrecht I, 28. Aufl., 2016, § 6 Rn. 270. 32 So auch Ehricke, in: Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2004, § 12 Rn. 47; Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung : InsO, 15. Aufl., 2019, § 12 Rn. 4. 33 Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, 15. Aufl. 2019, § 12 Rn. 4; Gundlach, in: Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Aufl. 2016, Rn. 2; Vuia, in: Stürner/Eidenmüller/Schoppmeyer, Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., 2019, § 12 Rn. 10. 34 Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, 15. Aufl. 2019, § 12 Rn. 4; ein weiteres Verständnis des Begriffes „Bund und Länder“ wohl bei Wolfer, in: Fridgen/Geiwitz/Göpfert, BeckOK InsO, 14. Edition, Stand: 25.04.2019, § 12 Vorbemerkung zu Rn. 1-6; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 4. Aufl., 2018, § 12 Rn. 3; Mönning/Mönning, in: Nehrlich/Römermann, Insolvenzordnung, Werkstand: 38. EL, Januar 2019, § 12 Rn. 10, die sich aber nicht explizit zur Einordnung von Fraktionen äußern. 35 Vuia, in: Stürner/Eidenmüller/Schoppmeyer, Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., 2019, § 12 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 9 des § 12 InsO fallen.36 Dieses Ergebnis kann sich auf die eigene Rechtsfähigkeit der Fraktion nach § 46 AbgG und ihre vermögensrechtliche Verselbstständigung stützen: Fraktionen verfügen über einen eigenständigen Etat und damit auch über ein abgrenzbares Vermögen (siehe oben unter 1.1.). Nach allgemeiner Auffassung, besteht für Verbindlichkeiten der Fraktion keine Einstandspflicht des Bundes, da die Fraktionen als rechtsfähige Einheiten selber haften.37 Dieses Ergebnis wird der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Fraktion aber nicht gerecht.38 Insofern könnte eine verfassungskonforme Auslegung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO gefordert sein. 4.2.1. Verfassungsrechtliche Bedeutung der Fraktion Das Bundesverfassungsgericht hat die Insolvenzunfähigkeit weiterer, nicht in § 12 InsO genannter Personen festgestellt (siehe dazu unter 2.2.). Fraglich ist, ob unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung eine Insolvenzunfähigkeit für Fraktionen aus der Verfassung hergeleitet werden kann. Dafür spricht zunächst die verfassungsrechtliche Bedeutung der Fraktion. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruhen Bildung und Fortbestand der Fraktionen auf dem freien Willensentschluss der Abgeordneten in Ausübung ihres verfassungsrechtlich garantierten freien Mandats gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG.39 In den Parlamentsfraktionen vollzieht sich ein erheblicher Teil der Meinungs- und Willensbildung der Abgeordneten und dadurch des Parlaments im Ganzen.40 Die Fraktionen nehmen entscheidend Einfluss auf den technischen Ablauf der täglichen Parlamentsarbeit und sichern durch ihr Wirken im Willensbildungsprozess die Funktionsfähigkeit des Parlaments.41 Die Möglichkeit des einzelnen Abgeordneten, mit anderen eine Fraktion zu bilden, verändert dessen Wirkungsmöglichkeiten erheblich. Die Existenz oder Nichtexistenz einer Fraktion berührt damit die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG.42 Störungen im Wirkungsbereich der Fraktionsarbeit würden damit auch mittelbar Störungen für die Arbeit der fraktionszugehörigen Abgeordneten bedeuten. 4.2.2. Verfassungswidrige Beeinträchtigung durch ein Insolvenzverfahren Folgt man der Ansicht, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Fraktion zulässig wäre (4.2.), würde dies einen massiven Eingriff in die Autonomie der Fraktionen bedeuten. 36 Vgl. Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, 15. Aufl., 2019, § 12 Rn. 4; Sommer, in: Borchmann/Hiligardt u. a., Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar: Hessische Landkreisordnung (HKO), 14. Fassung 2019, § 26a HKO 3. Rechtsnatur der Fraktion. 37 Waldhoff, in: Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz, 2016, § 50 Rn. 22. 38 So auch Ehricke, in: Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl., 2004, § 12 Rn. 47; a. A. Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages Rheinland-Pfalz, Insolvenzfähigkeit von Fraktionen, WD 7/52-1487 vom 13.10.2003, abrufbar unter: https://www.landtag.rlp.de/de/parlament/parlamentsdokumente/gutachten/14-wahlperiode/ (letzter Abruf: 19.09.2019) und Sozialgericht Köln, Urteil vom 28.03.2003, Az.: S 16 U 56/99. 39 BVerfGE 84, 304 (317); 80, 188 (222); 70, 324 (363); 43, 142 (149). 40 BVerfGE 43, 142 (149). 41 BVerfGE 43, 142 (147). 42 BVerfGE 43, 142 (149). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 10 Zunächst steht schon die Einsetzung eines Insolvenzverwalters in Konflikt mit der Unabhängigkeit der Fraktion. Die Bildung von Fraktionen liegt in der Entscheidungshoheit der Abgeordneten. Diese haben die Freiheit über ihre Organisation zu entscheiden. Dabei sind sie verpflichtet, ihre Organisation und Arbeitsweise auf den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie aufzubauen und an diesen auszurichten, § 48 AbgG. Ein vom Gericht eingesetzter Insolvenzverwalter würde aufgrund seiner weitreichenden Befugnisse den Vorsitzenden bzw. Parlamentarischen Geschäftsführer und ihre Stellvertreter zumindest in bestimmten Aufgabenbereichen verdrängen. Diese fremdbestimmte Entscheidung des Gerichts würde stark in die Autonomie der fraktionszugehörigen Abgeordneten eingreifen. Vor allem aber sieht die InsO weitreichende Befugnisse des Insolvenzverwalters vor. Hier sind insbesondere die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters zu nennen: Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO. Es besteht die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter aufgrund der ihm zugewiesenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse die mit dem Einsatz finanzieller Mittel verbundene Aufgabenwahrnehmung der Fraktionen und damit deren politische Arbeit zumindest mittelbar bestimmen und beeinflussen oder gar bestimmen könnte. Darüber hinaus kann der Insolvenzverwalter auch eine Postsperre mit der Folge beantragen, dass Postsendungen des Schuldners ihm zugeleitet werden und er berechtigt ist, diese zu öffnen, § 99 InsO. Zudem ist der Insolvenzverwalter zum Betreten der Geschäftsräume und dortigen Anstellen von Nachforschungen befugt, § 22 Abs. 3 S. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter würde somit Informationen erhalten, die in keinem direkten Zusammenhang mit der Insolvenzmasse stehen, wie beispielsweise interne Absprachen, politische Strategien oder Positionierungen. In Anlehnung an die zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Insolvenzunfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Kirchen und öffentlich-rechtlichen Rundfunk geäußerten Kritik43 könnte eingewandt werden, dass die für das Gesellschaftsrecht gefundene Lösung der Funktionsteilung Beeinträchtigungen im Insolvenzverfahren vermeide. Nach den Grundsätzen der Funktionsteilung ist zwischen einem Verdrängungsbereich mit Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters, dem Insolvenzschuldnerbereich mit Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane des Schuldners und dem Überschneidungsbereich zu unterscheiden, in dem der Insolvenzverwalter und die Gesellschaftsorgane gemeinschaftlich zuständig sind.44 Den Gesellschaftsorganen verbleibt für den Bereich des insolvenzfreien Vermögens die eigenverantwortliche Leitungsbefugnis. Bei dem insolvenzfreien Vermögen handelt es sich insbesondere um solche Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. Zudem kann insolvenzfreies Vermögen durch Freigabe des Insolvenzverwalters entstehen.45 Für die Vollstreckung von bürgerlich-rechtlichen Geldforderungen in das Vermögen des Bundes, eines Landes sowie einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts besteht ein Vollstreckungsschutz nach § 882a Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO. 43 Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, 15. Aufl., 2019, § 12 Rn. 15; siehe dazu auch Gundlach/Frenzel/ Schmidt, Die Insolvenzfähigkeit nach der InsO, NZI 2000, 561 ff. (567) mit weiteren Nachweisen. 44 Siehe dazu Koch, in: Goette/Habersack/Kalss, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., 2016, § 264 Rn. 44. 45 Koch, in: Goette/Habersack/Kalss, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., 2016, § 264 Rn. 47 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 11 Danach ist die Zwangsvollstreckung in Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht, unzulässig. Fraglich ist, ob diese Regelungen geeignet sind, Beeinträchtigungen im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung der Fraktionen und deren politische Arbeit zu vermeiden. Dagegen spricht, dass eine Abgrenzung, welches Vermögen nach § 36 InsO der Insolvenzmasse zuzurechnen wäre und welches nicht, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre.46 Eine Abgrenzung der Funktionsbereiche dürfte vor diesem Hintergrund nicht praktikabel sein. In der Literatur wird zutreffend darauf hingewiesen, dass es selbst dem Gesetzgeber nicht erlaubt sei, die staatlichen Mittel für die Fraktion so spezifiziert auszuweisen, wie das sonst bei solchen Mitteln geboten sei, denn die Fraktionen müssten autonom entscheiden können, wie sie ihre Verfassungsaufgaben wahrnehmen würden. Es sei daher ausgeschlossen, dass einem Insolvenzverwalter diese Möglichkeit zugebilligt werde.47 Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Funktionsteilung und die Regelung zum Vollstreckungsschutz die weiteren Beeinträchtigungen durch den Insolvenzverwalter (dessen fremdbestimmte Einsetzung sowie die weiteren Eingriffsbefugnisse) unberührt lassen würden. 4.2.3. Abwägung mit dem Schutzbedürfnis der Gläubiger Zu erwägen ist, ob die Beeinträchtigungen durch das Schutzbedürfnis und die Rechte der Gläubiger gerechtfertigt sein könnten. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Konkursunfähigkeit insbesondere auch damit begründet, dass letztlich kein Bedürfnis für ein Konkursverfahren bestehe. Eine Zahlungsunfähigkeit der Kirche scheide aufgrund der kirchlichen Organisationsstruktur und dem dahinter stehenden Vermögen praktisch aus. Bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sei die Zahlungsfähigkeit letztlich durch das Land gesichert. Dies könnte für Fraktionen anders zu beurteilen sein: Ihnen steht im Gegensatz zu den Kirchen keine eigene Vermögensmasse von einer solchen Größenordnung zu, dass der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit faktisch ausgeschlossen werden könnte. Nach allgemeiner Ansicht haften die Fraktionen als rechtsfähige und verselbständigte Einheiten selbst. Weder den Bund noch die Fraktionsmitglieder würde grundsätzlich eine vermögensrechtliche Haftung treffen. Eine allgemeine Einstandspflicht des Bundes bestehe nicht, so dass gegenüber einer Fraktion bestehende, aber nicht mehr werthaltige Forderungen nicht im Wege der Durchgriffshaftung als Ansprüche gegen den Bundeshaushalt geltend gemacht werden könnten.48 Vor diesem Hintergrund ist zunächst 46 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 275. 47 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 275. 48 Waldhoff, in: Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz, 2016, § 54 Rn. 9; so auch der Amtliche Leitsatz des OVG Lüneburg: „Die Kommune haftet nicht für die von Fraktionen oder Gruppen eingegangenen Verbindlichkeiten. Fraktionen und Gruppen können von der Kommune nicht deshalb weitere Zuwendungen beanspruchen, weil sie eingegangene oder übernommene Verpflichtungen mit ihren Mitteln nicht erfüllen können“, OVG Lüneburg, Beschluss vom 09.06.2009 – 10 ME 17/09; a. A. wohl Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Kommentar zur Geschäftsordnung des Bundestages, 2013, Vorbemerkung V. zu § 10, die von einem subsidiäres Eintreten des Bundes in die laufenden Verträge ausgehen, soweit sich diese im parlamentarisch üblichen Rahmen gehalten haben. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 12 festzustellen, dass die Gläubiger weniger geschützt sind als bei den durch das Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen. Hierbei ist insbesondere auch an die Interessen der angestellten Mitarbeiter der Fraktion zu denken. Die Möglichkeit Insolvenzausfallgeld beanspruchen zu können, besteht mangels einer spezialgesetzlichen Regelung nur bei einer Insolvenzfähigkeit der Fraktion.49 Unabhängig von einer Durchgriffshaftung wird in der Literatur jedoch zutreffend darauf hingewiesen , dass Fraktionen einen Anspruch auf eine angemessene Ausstattung haben. Dieser Anspruch sei nicht erfüllt, wenn eine Fraktion aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt sei. Dies wirke sich zwangsläufig auf das Parlament insgesamt aus. Wenn der Staat in dieser Situation Verbindlichkeiten einer Fraktion übernehme, so mache er das, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten.50 Dies könnte dafür sprechen, dass es auch bei Fraktionen kein Bedürfnis für ein Insolvenzverfahren gibt. Zudem sind die finanziellen Mittel der Fraktion zweckgebunden für ihre politische Aufgabenerfüllung. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass allenfalls geringe Mittel der Insolvenzmasse zufallen würden. Letztlich haben das Schutzbedürfnis der Gläubiger und ihre Rechte auf ein geordnetes Insolvenzverfahren zur Sicherung ihrer Rechtsstellung zurückzustehen. Die Bedeutung der Fraktion im Laufe einer Wahlperiode für die Funktionsfähigkeit des Parlaments sowie die Konsequenzen, die die fremdbestimmte Einsetzung eines Insolvenzverwalters hätte, überwiegen in der Abwägung. Die Befugnisse eines staatlich eingesetzten Insolvenzverwalters würden einen zu schwerwiegenden Eingriff in die Autonomie der Fraktionen bedeuten. 5. Zur Insolvenzunfähigkeit der Fraktion in Liquidation In der Literatur wurde im Hinblick auf die Frage nach der Insolvenzfähigkeit einer Fraktion bisher nicht danach differenziert, ob es sich um eine aktive oder eine Fraktion in Liquidation handelt. Vertreter der Ansicht, dass schon die aktive Fraktion insolvenzfähig ist, dürften für die Fraktion in Liquidation zu keinem anderen Ergebnis kommen.51 Waldhoff behandelt die Frage der Insolvenzunfähigkeit der Fraktion in seiner Kommentierung zu den Vorschriften der Liquidation der Fraktion. Eine differenzierte Bewertung der Insolvenzfähigkeit für die Fraktion in Liquidation wird von ihm dabei nicht erwogen.52 Die Ausführungen des Bundesrechnungshofs lassen darauf schließen, dass auch dieser weder von der Insolvenzfähigkeit einer aktiven Fraktion noch von 49 Vgl. § 358 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 SGB III. In den Fraktionsgesetzen der Länder ist zum Teil geregelt, dass das Land im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Fraktion für Ansprüche der Fraktionsmitarbeiter aus ihren Arbeitsverträgen (zumindest für einen bestimmten Zeitraum) aufkommt, vgl. § 15 Abs. 5 Brandenburgisches Fraktionsgesetz; § 10 Abs. 3 Sächsisches Fraktionsgesetz; § 9 Abs. 4 Hamburger Fraktionsgesetz. Das AbgG enthält hingegen keine entsprechende Regelung. 50 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, 276. 51 Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, 15. Aufl., 2019, § 12 Rn. 4; Sommer, in: Borchmann/Hiligardt u. a., Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar: Hessische Landkreisordnung (HKO), 14. Fassung 2019, § 26a HKO 3. Rechtsnatur der Fraktion; Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages Rheinland- Pfalz, Insolvenzfähigkeit von Fraktionen, WD 7/52-1487 vom 13.10.2003, abrufbar unter: https://www.landtag .rlp.de/de/parlament/parlamentsdokumente/gutachten/14-wahlperiode/ (letzter Abruf: 19.09.2019) und Sozialgericht Köln, Urteil vom 28.03.2003, Az.: S 16 U 56/99. 52 Waldhoff, in: Austermann/Schmahl, Abgeordnetengesetz, 2016, § 54 Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 146/19 Seite 13 der Insolvenzfähigkeit einer Fraktion in Liquidation ausgeht. Dies zeigt sich an seiner Empfehlung an den Gesetzgeber, die Lücken im AbgG zu schließen und ein Verfahren für den Mangelfall zu schaffen, das sich an dem in der Praxis bewährten Insolvenzverfahren orientiert.53 Für die Fraktion in Liquidation stellt sich zunächst die Frage, ob diese als übrig gebliebener „Mantel“ einer Fraktion überhaupt unter den Anwendungsbereich des § 11 InsO fällt. Eine Liquidation setzt voraus, dass die Rechtsstellung der Fraktion nach § 46 AbgG entfallen ist. Das könnte dafür sprechen , dass die Fraktion in Liquidation nicht mehr als juristische Person (oder Rechtssubjekt sui generis) einzuordnen wäre. Für eine weitere Einordnung als juristische Person spricht jedoch, dass gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 AbgG die Fraktion für die Zwecke der Liquidation als fortbestehend gilt und diese Fiktion weiter die Qualität eines Rechtsubjekts mit einem eigenen Vermögen vermittelt. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Bewertung ist zunächst festzustellen, dass die Fraktion in Liquidation keine politischen Aufgaben mehr wahrnimmt. Zudem entfällt die unmittelbare Herleitung des verfassungsrechtlichen Status aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG mit dem Auflösungsbeschluss bzw. mit dem Ende des Abgeordnetenstatus ihrer zugehörigen Mitglieder zum Ende der Wahlperiode. Letztlich kann dies aber zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Fraktion in Liquidation steht in einem so engen Zusammenhang mit der ursprünglichen Fraktion, dass von einer Fortwirkung des abgeleiteten Status auszugehen ist. Dies verdeutlichen nicht zuletzt die Regelungen im AbgG zur Liquidation, mit denen der Gesetzgeber die besondere Rolle der Fraktionen herausstellt. So sieht das Gesetz als Regelfall vor, dass der Vorstand der Fraktion als Liquidator eingesetzt wird. Damit bleibt es auch im Rahmen der Liquidation bei der gesetzlich vorgesehenen Aufgabenzuweisung, wonach der Fraktion die Autonomie über die Mittelverwendung zukommt und der Bundesrechnungshof für die Prüfung der ordnungsgemäßen Mittelbewirtschaftung und -verwendung zuständig ist. Die Vorschriften zum Liquidationsverfahren erscheinen so als spezialgesetzliche Regelungen. Das Einsetzen eines Insolvenzverwalters ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und wäre insofern ein Fremdkörper. Wie bei der Fraktion käme es zudem auch bei der Fraktion in Liquidation durch einen Insolvenzverwalter zu den weiteren Beeinträchtigungen, insbesondere im Hinblick auf die vertrauensvolle Kommunikation. 6. Fazit Aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung sind Fraktionen des Deutschen Bundestages insolvenzunfähig. Es sprechen gute Gründe für die Annahme, dass auch die Fraktion in Liquidation insolvenzunfähig ist. *** 53 Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung (BHO) zur Notwendigkeit eines verbesserten Rechtsrahmens für die Liquidation von Fraktionen im Deutschen Bundestag vom 4. September 2018, BT-Drs. 19/4040, 10.