© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 146/16 Fragen zum Wahlsystem Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 146/16 Seite 2 Fragen zum Wahlsystem Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 146/16 Abschluss der Arbeit: 23.05.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 146/16 Seite 3 1. Welches Wahlsystem wird in Deutschland verwendet? Falls Wahllisten verwendet werden, werden offene oder geschlossene Listen verwendet? Die Wahl zum Deutschen Bundestag richtet sich nach dem Bundeswahlgesetz (BWahlG). Dem Bundeswahlgesetz liegt ein sog. personalisiertes Verhältniswahlrecht zugrunde, das eine Kombination von Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht darstellt. Diese Kombination von Mehrheits- und Verhältniswahl spiegelt sich in dem Zweistimmensystem wider: Nach § 4 BWahlG hat jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste. Die Mehrheitswahl bezieht sich auf die Wahl der 299 Wahlkreisabgeordneten, die Verhältniswahl auf die nach den Landeslisten der Parteien zu wählenden 299 Listenabgeordneten. Maßgeblich für die Sitzanteile der Parteien im Bundestag ist das Ergebnis der Verhältniswahl (Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren). Dabei können nur solche Parteien berücksichtigt werden, die im Bundesgebiet mehr als 5 % der Zweitstimmen (Sperrklausel) oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben (Grundmandatsklausel). Hat eine Partei mehr Sitze durch Mehrheitswahl (Wahlkreisabgeordnete) erzielt als ihr nach der Verhältniswahl zustehen, erhält sie entsprechend zusätzliche Sitze (Überhangmandate), die aber im Verhältnis zu den anderen Parteien durch Ausgleichssitze zu kompensieren sind (Ausgleichsverfahren). Auf Bundesebene können mit der Zweitstimme nur geschlossene (gebundene) Landeslisten gewählt werden, auf denen die Reihenfolge der Kandidaten festgelegt ist, § 6 Abs. 6 S. 4 BWahlG. Auf Länderebene hingegen gibt es einige Wahlgesetze, die offene Listen vorsehen, z.B. zur Wahl des Bayerischen Landtags und der Hamburgischen Bürgerschaft. 2. Gab es wahlrechtliche Reformen bezüglich der Wahllisten? Welche Veränderungen wurden eingeführt? In Bezug auf die geschlossenen Landeslisten nach § 6 Abs. 6 S. 4 BWahlG gab es keine Änderungen. 3. Gab es in der jüngeren Vergangenheit Gesetzesvorschläge zu einer Reform des Wahlsystems ? Falls ja, zu welchem Ergebnis führten diese? Die letzten Änderungen des Bundeswahlgesetzes im Jahr 2013 bezogen sich darauf, bestimmte Effekte des Wahlsystems zu vermeiden: zum einen den Effekt des negativen Stimmengewichts, wonach ein Zuwachs von Zweitstimmen zum Verlust von Sitzen und ein Verlust von Zweitstimmen zu einem Zuwachs von Sitzen führen kann und zum anderen die Wirkungen von ausgleichslosen Überhangmandaten auf das Ergebnis der Verhältniswahl. Insbesondere das zum Ausgleich von Überhangmandaten eingeführte Ausgleichsverfahren könnte zu einer erheblichen Vergrößerung des Bundestages führen. Vor diesem Hintergrund plädiert der Präsident des Deutschen Bundestages für eine Wahlrechtsreform, die eine Höchstsitzzahl des Bundestages festlegt (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw15-wahlrechtsreform /418312). Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde allerdings noch nicht in den Bundestag eingebracht. Ende der Bearbeitung