© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 144/18 Einsicht in wirtschaftliche Gutachten der Deutschen Bahn AG durch Bundestagsabgeordnete Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 2 Einsicht in wirtschaftliche Gutachten der Deutschen Bahn AG durch Bundestagsabgeordnete Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 144/18 Abschluss der Arbeit: 25. Mai 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Das Auskunftsrecht der einzelnen Abgeordneten als parlamentarisches Kontrollrecht 4 2.1. Grundlagen 4 2.2. Begrenzung des Auskunftsrechts 4 2.3. Differenzierung zwischen Selbst- und Fremdinformationsrechten 6 2.4. Zwischenergebnis 7 3. Der Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz 7 3.1. Grundlagen 7 3.2. Abgeordnete als Anspruchsberechtigte 8 3.3. Grenzen des Informationszugangsanspruchs 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wird, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Bundestagsabgeordnete einen Anspruch auf Einsicht in wirtschaftliche Gutachten zur Deutschen Bahn AG besitzen. 2. Das Auskunftsrecht der einzelnen Abgeordneten als parlamentarisches Kontrollrecht 2.1. Grundlagen Den Abgeordneten steht ein allgemeines Frage- und Informationsrecht1 gegenüber der Bundesregierung zu, das nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG folgt.2 Es dient dazu, „dem einzelnen Abgeordneten die für seine Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu beschaffen“.3 Die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der parlamentarischen Fragerechte ist in den §§ 100 ff. Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT) geregelt (Große und Kleine Anfragen, Einzelfragen und Fragestunde, Befragung der Bundesregierung). Mit diesem Frage- und Informationsrecht korrespondiert eine Antwortpflicht der Bundesregierung,4 wobei die Antwort wahrheitsgemäß und so vollständig wie möglich sein muss.5 Will die Regierung eine Antwort verweigern, bedarf es einer einzelfallbezogenen Begründung, aus welchen Erwägungen die Beantwortung einer Anfrage nicht erfolgen kann.6 Eine pauschale, vom Inhalt der konkreten Anfrage losgelöste Begründung reicht für eine Auskunftsverweigerung nicht aus.7 2.2. Begrenzung des Auskunftsrechts Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht das Auskunftsrecht der Abgeordneten nicht grenzenlos. Entsprechend der verfassungsrechtlichen Grundlage im Demokratieprinzip und in der daraus folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament dürfen sich Fragen nur auf Gegenstände aus dem Verantwortungsbereich der Regierung beziehen.8 1 Auch als „parlamentarisches Informationsrecht“ oder als „parlamentarischer Informationsanspruch“ bezeichnet. 2 BVerfGE 124, 161 (188); siehe zum Folgenden die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, Das Akteneinsichtsrecht als Auskunftsrecht des einzelnen Abgeordneten, WD 3 - 3000 - 293/15. 3 BVerfGE 12, 123 (125). 4 BVerfGE 57, 1 (5). 5 Siehe Butzer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Stand: 36. Edition – 15. Februar 2018, Art. 38 Rn. 113. 6 BVerfGE 124, 161 (192 f.). 7 BVerfGE 124, 78 (122 f.); BVerfGE 124, 161 (192 ff.). 8 BVerfGE 124, 161 (196). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 5 Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum parlamentarischen Auskunftsrecht in 20179 war in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt, ob zum Verantwortungsbereich der Bundesregierung in diesem Sinne neben deren eigenem Handeln und dem Handeln nachgeordneter Behörden auch das Handeln in privatrechtlichen Rechtsformen zählt. In der genannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage nun in Bezug auf die Deutsche Bahn AG bejaht und dies mit dem bereits in anderem Zusammenhang festgestellten demokratischen Legitimationsbedarf allen amtlichen Handelns mit Entscheidungscharakter begründet .10 Dies gelte auch für die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand. Bei der Beteiligung an privatwirtschaftlichen Unternehmen könne die Verantwortlichkeit der Regierung nicht auf die ihr gesellschaftsrechtlich eingeräumten Einwirkungs- und Kontrollrechte beschränkt werden.11 Der Staat müsse sich ausreichende Einwirkungsrechte vorbehalten. Reichten diese Rechte nicht aus, folge daraus keine Beschränkung des Fragerechts. Das Fragerecht erstrecke sich daher auch auf alle „mehrheitlich oder vollständig in der Hand des Bundes befindlichen Unternehmen in Privatrechtsform“. Im Fall der Deutschen Bahn AG erstrecke es sich nicht nur auf die Ausübung der Beteiligungsverwaltung durch die Regierung, die Regulierungstätigkeit der Bundesbehörden und die Erfüllung des Gewährleistungsauftrags aus Art. 87e Abs. 4 GG, sondern auch auf die unternehmerische Tätigkeit der Bahn. An der Legitimationsbedürftigkeit der unternehmerischen Tätigkeit ändere auch Art. 87e GG nichts. Solange der Bund die Gewährleistungsverantwortung für Schienenwege und Verkehrsangebote trage und Alleineigentümer der Deutschen Bahn AG sei, könne er „bei dem derzeitigen Stand der Verflechtung von Staat und Unternehmen“ nicht von der Verantwortung für die Unternehmensführung freigestellt werden. Darüber hinaus wird das Auskunftsrecht durch den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, Gründe des Staatswohls sowie die Grundrechte begrenzt. Im vorliegenden Fall ist zum einen die Begrenzung durch die Verpflichtung der Bundesregierung aus Art. 1 Abs. 3 GG zur Beachtung der Grundrechte von Bedeutung. Konkret könnten die begehrten Gutachten grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 GG geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, deren Schutzbedürftigkeit das parlamentarische Informationsinteresse überwiegen könnte. Grundsätzlich können sich nach Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG auch inländische juristische Personen des Privatrechts auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in der genannten Entscheidung aus 2017 klargestellt, dass dies nicht für juristische Personen gelte, deren Anteile sich ausschließlich – wie im Fall der Deutschen Bahn AG – oder überwiegend in den Händen des Staates befänden.12 Sie seien nicht grundrechtsberechtigt, sondern grundrechtsverpflichtet. Eine 9 BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11. 10 Die folgenden Ausführungen basieren auf dem Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste, Reichweite des parlamentarischen Fragerechts – Zum Urteil des BVerfG vom 7. November 2017, Az. 2 BvE 2/11, WD 3 - 3000 - 220/17. 11 BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11, Rn. 214 ff. und Rn. 261 ff., dort zum Folgenden. 12 BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11, Rn. 241 ff. und Rn. 269 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 6 abwehrrechtliche Position der Bahn gegenüber dem Staat folge auch nicht aus Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG (Führung von Eisenbahnen in privatrechtlicher Form). Zum anderen ist vorliegend jedoch auch die Begrenzung des parlamentarischen Auskunftsrechts durch Gründe des Staatswohls zu erörtern. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in seiner Entscheidung aus 2017 in Bezug auf die Deutsche Bahn AG auch festgestellt, dass das (fiskalische) Interesse des Staates am Schutz vertraulicher Informationen seiner (Beteiligungs-)Unternehmen einen verfassungsrechtlichen Staatswohlbelang darstellt.13 Hierzu führt das Gericht aus: „Der einfachrechtlich gewährte Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse kann das verfassungsrechtlich verankerte Frage- und Auskunftsrecht des Parlaments gegenüber der Regierung zwar nicht unmittelbar einschränken, mittelbar aber insoweit, als er seinerseits dem Schutz öffentlicher Belange, die verfassungsrechtlich anzuerkennen sind, dient. Die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des in öffentlicher Hand befindlichen Unternehmens kann Auswirkungen auf den Wert der gehaltenen Anteile oder auf das Geschäftsergebnis haben, letzteres mit der Folge, dass sich die Gewinnabschöpfung mindert oder Zuschüsse aus dem öffentlichen Haushalt erforderlich oder umfänglicher werden. Auch wenn privatrechtlich organisierte Unternehmen, die sich ganz oder mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, keinen Grundrechtsschutz genießen, besteht doch zumindest ein auch verfassungsrechtlich anerkennenswertes öffentliches Interesse daran, dass deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt werden. Andernfalls könnte der Staat nicht über solche Gesellschaften mit dem Ziel wirtschaftlich erfolgreichen Handelns am Markt teilnehmen, was das Grundgesetz aber in den Art. 87e und 87f GG ausdrücklich vorsieht.“14 2.3. Differenzierung zwischen Selbst- und Fremdinformationsrechten Bei den auf Parlamentsinformation gerichteten Kontrollrechten differenziert die Literatur zwischen Selbst- und Fremdinformationsrechten des Parlaments.15 Parlamentarische Fremdinformationsrechte seien dadurch gekennzeichnet, dass das Parlament keinen unmittelbaren Zugriff auf die von ihm begehrten Informationen habe, sondern diese Informationen von der Regierung übermittelt bekomme.16 Demgegenüber würden bei den parlamentarischen Selbstinformationsrechten die begehrten Informationen nicht vermittels der Regierung, sondern durch ein eigenes Informationszugriffsrecht erlangt.17 13 BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11, Rn. 281 ff. 14 BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11, Rn. 282 – Hervorhebungen nicht im Original. 15 Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 38 Rn. 39 f.; Klein, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand der Kommentierung: 71. EL (März 2014), Art. 43 Rn. 118; siehe zum Folgenden die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, Das Akteneinsichtsrecht als Auskunftsrecht des einzelnen Abgeordneten, WD 3 - 3000 - 293/15. 16 Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 61. 17 Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 64. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 7 Nach wohl herrschender Meinung in der Literatur haben einzelne Bundestagsabgeordnete aus dem parlamentarischen Fragerecht keinen Anspruch auf Akteneinsicht.18 Anders als in einigen Landesverfassungen sieht das Grundgesetz für den einzelnen Abgeordneten keine allgemeine Berechtigung vor, in bei der Exekutive befindliche Akten Einsicht zu nehmen.19 Lediglich bereichsspezifisch und für bestimmte Teile des Bundestages, beispielsweise Untersuchungsausschüsse (siehe § 18 Untersuchungsausschussgesetz), ist auf Bundesebene ein solches Recht geregelt. Teilweise wird erwogen ein solches Akteneinsichtsrechts aus dem Zitierrecht aus Art. 43 Abs. 1 GG herzuleiten.20 Dem werden jedoch systematische Erwägungen entgegengehalten. Das Zitierrecht stelle ein Fremdinformationsrecht dar, während das hier zu konstruierende Akteneinsichtsrecht ein Selbstinformationsrecht sei. Auch eine Verankerung in der Regelung des Art. 35 GG zur Amtshilfe wird abgelehnt, da Parlament und Regierung keine „Behörden“ im Sinne dieser Vorschriften seien. 2.4. Zwischenergebnis Festzuhalten ist damit an dieser Stelle, dass sich das parlamentarische Auskunftsrecht auch auf die unternehmerische Tätigkeit der Deutschen Bahn AG erstreckt. Einem entsprechenden Informationsbegehren können Grundrechte der Deutschen Bahn AG nicht entgegengehalten werden, jedoch kann das (fiskalische) Interesse des Staates am Schutz vertraulicher Informationen seiner (Beteiligungs-)Unternehmen als Staatswohlbelang betroffen sein. Weitergehende Aussagen können hier jedoch ohne Kenntnis der konkret begehrten Informationen nicht getroffen werden. Dies gilt auch in Anbetracht des Umstandes, dass neben Informationen über die Deutsche Bahn AG auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder Urheberrechte von solchen Unternehmen enthalten sein könnten, die nicht vom Staat beherrscht werden und sich daher uneingeschränkt auf die Grundrechte berufen können. Entscheidend ist letztlich ohnehin, dass nach herrschender Meinung in der Literatur das Auskunftsrecht des einzelnen Abgeordneten nicht die Einsicht in bei der Exekutive befindliche Akten umfasst. 3. Der Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz Es stellt sich jedoch weiter die Frage, ob sich für den einzelnen Bundestagsabgeordneten ein Anspruch auf Akteneinsicht aus dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ergibt. 3.1. Grundlagen Mit dem Informationsfreiheitsgesetz hat der Bundesgesetzgeber einen materiell voraussetzungslosen Anspruch auf Informationszugang normiert, der gegenüber Behörden des Bundes und 18 Siehe Klein, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand der Kommentierung: 71. EL (März 2014), Art. 43 Rn. 118; Lorz/Richterich, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2016, § 35 Rn. 94; vgl. hierzu bereits Wissenschaftliche Dienste, Informationsrechte des Bundestages – Berichte der Bundesregierung an Landesregierungen und Fachministerkonferenzen, WD 3 - 3000 - 314/14. 19 Siehe beispielsweise Art. 45 Abs. 2 S. 1 Verfassung von Berlin: „Jeder Abgeordnete hat das Recht, Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Verwaltung zu nehmen.“ 20 Siehe zur Diskussion im Folgenden mit weiteren Nachweisen Lorz/Richterich, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2016, § 35 Rn. 94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 8 sonstigen Bundesorganen gilt, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (§ 1 Abs. 1 IFG). Der Anspruchsinhalt umfasst neben Auskunftserteilung und sonstiger Informationsbereitstellung ausdrücklich auch die Akteneinsicht (§ 1 Abs. 2 S. 1 IFG). Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, darf dieser nach § 1 Abs. 2 S. 2 IFG nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Das einfachrechtliche Informationszugangsrecht reicht also bezüglich der Art des Auskunftsbegehrens weiter als das parlamentarische Kontrollrecht der einzelnen Abgeordneten. Die sich insoweit aufdrängende Frage, ob es verfassungsrechtlich gewollt sein kann, dass den Bürgern ein weitergehender Informationsanspruch gegen die Regierung zusteht, als den durch das Grundgesetz zur Kontrolle der Exekutive aufgerufenen Bundestagsabgeordneten, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht behandelt.21 Aufgrund der vorliegenden Fragestellung bezüglich von Gutachten zur Deutschen Bahn AG ist außerdem darauf hinzuweisen, dass das Informationsfreiheitsgesetz gegenüber Privatrechtssubjekten einen Anspruch auf Informationszugang nicht vorsieht.22 Nach § 1 Abs. 1 S. 3 IFG steht jedoch eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts einer Behörde im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlichrechtlichen Aufgaben bedient. Die Literatur geht davon aus, dass die Deutsche Bahn AG als Fall der Organisationsprivatisierung einen Anwendungsfall dieser Regelung darstellt.23 Das materiell informationspflichtige Privatrechtssubjekt im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 3 IFG ist aber nicht auch anspruchsverpflichtet und damit verfahrensrechtlich Anspruchsgegner, obwohl der Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 3 IFG eine solche Deutung zuließe. Die Gesetzessystematik, konkret § 7 Abs. 1 S. 2 IFG, zeigt nämlich, dass im Falle des § 1 Abs. 1 S. 3 IFG der Antrag an die Behörde zu richten ist, die sich des Privatrechtssubjekts bedient.24 3.2. Abgeordnete als Anspruchsberechtigte Anspruchsberechtigt ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG „jeder“. Nicht geklärt ist insoweit, ob sich Bundestagsabgeordnete in Ausübung ihres Mandates auf den Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz berufen können. Das Verwaltungsgericht Berlin hat diese Frage in einer 2008 gefällten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen.25 In der Literatur wird teilweise eine Anspruchsberechtigung von Abgeordneten nach dem Informationsfreiheitsgesetz mit dem 21 Teuber befasst sich lediglich zu Beginn seiner Monographie mit dem nicht-parlamentsrechtlichen juristischen Informationsbegriff des Informationsfreiheitsgesetzes, der enger gefasst sei als der Informationsbegriff, der die parlamentarische Kontrolle betreffe, vgl. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 39 f. 22 Vgl. hierzu Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 214 ff. 23 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 227. 24 So dürfte auch ein Bürgerschreiben der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zu verstehen sein, in dem es heißt, dass die Deutsche Bahn AG nicht vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes erfasst werde. Das Schreiben ist auf der Plattform fragdenstaat.de, unter https://fragdenstaat.de/files /foi/22113/39222_2014_geschwaerzt.pdf abrufbar (zuletzt abgerufen am 24. Mai 2018). 25 VG Berlin, Urteil vom 11. Juni 2008 – VG 2 69.07, S. 12 – abrufbar unter http://www.lda.brandenburg.de/media _fast/5955/VG_Berlin_2_A_69_07.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 9 Argument verneint, dass der dortige Anspruch den Bürgern eröffnet sein solle.26 Dieser Umstand spreche dafür, Abgeordnete in ihrer Abgeordnetenfunktion nicht in den Kreis der Antragsberechtigten miteinzubeziehen und sie auf die parlamentarischen Kontrollrechte zu verweisen. Dieser Argumentation wird von anderen Stimmen entgegengehalten, dass sie nicht zwingend sei. Aus dem vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten ergebe sich keine Sperrwirkung gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz, zumal nach dem parlamentarischen Informationsrecht nur die Bundesregierung und nicht auch andere Stellen der öffentlichen Verwaltung informationspflichtig seien.27 In der Praxis wurde in der Vergangenheit jedenfalls der Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz bereits von Bundestagsabgeordneten geltend gemacht, wie der Fall eines Bundestagsabgeordneten zeigt, der auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Einsicht in den Vertrag des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit dem Konsortium Toll Collect über die Einführung eines System zur Erhebung der Lkw-Maut auf deutschen Autobahnen begehrt hat.28 Daneben kann ein Abgeordneter selbstverständlich auch als Privatperson ein Informationsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz geltend machen. 3.3. Grenzen des Informationszugangsanspruchs Auch der Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz besteht jedoch nicht grenzenlos. Eingeschränkt wird er durch die in §§ 3-6 IFG normierten Ausnahmetatbestände, die öffentlichen und privaten Belangen Rechnung tragen.29 Im Einzelnen dienen sie dem Schutz von besonderen öffentlichen Belangen (§ 3 IFG), dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses (§ 4 IFG), dem Schutz von personenbezogenen Daten (§ 5 IFG) sowie dem Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 6 IFG). Welche Ausnahmetatbestände die Erfüllung eines auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Informationsbegehrens einschränken, ist immer eine Frage des konkreten Einzelfalles, die nur bei Kenntnis der betroffenen Informationen beantwortet werden kann. Anknüpfend an die Ausführungen oben zu den Grenzen des parlamentarischen Auskunftsrechts kann hier nur grundsätzlich darauf hingewiesen werden, dass in den begehrten Gutachten unter anderem Informationen enthalten sein könnten, die vom grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bzw. der Urheberrechte und damit von § 6 IFG erfasst sind oder das (fiskalische) Interesse des Staates am Schutz vertraulicher Informationen seiner (Beteiligungs-)Unternehmen berühren und damit ggf. unter einen Ausschlussgrund zum Schutz von besonderen öffentlichen Belangen aus § 3 IFG fallen. 26 Pieper, Informationszugangsfreiheit und präsidialer Akt, in: Dix u.a. (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht , Jahrbuch 2008, 2008, S. 59 (66). 27 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 83; siehe hierzu auch Shirvani, Verhältnis zwischen Informationszugangsrecht des Einzelnen und Fragerecht des Abgeordneten, NWVBl. 2016, 45 (50 f.). 28 Siehe Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2006 und 2007, S. 57 ff. 29 Vertiefend hierzu Wissenschaftliche Dienste, Reichweite des Informationsfreiheitsgesetzes, WD 3 - 3000 - 157/14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 144/18 Seite 10 Soweit Ausnahmetatbestände des Informationsfreiheitsgesetzes im konkreten Einzelfall greifen, ist der Antrag auf Informationszugang nach § 9 IFG abzulehnen. Beziehen sich die Ausschlussgründe nur auf einzelne Informationen, ist nach § 7 Abs. 2 S. 1 IFG dem Antrag in dem Umfang stattzugeben, in dem der Informationszugang ohne Preisgabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen oder ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich ist. Dabei sind Aussonderung und Schwärzung anerkannte und bewährte Methoden zur Sicherung geheimhaltungsbedürftiger Informationen beim Informationszugang im Wege der Akteneinsicht.30 *** 30 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 93.