© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 141/17 Wahlrecht der im Ausland lebenden Deutschen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 141/17 Seite 2 Wahlrecht der im Ausland lebenden Deutschen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 141/17 Abschluss der Arbeit: 12. Juli 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 141/17 Seite 3 1. Einleitung Der folgende Sachstand gibt einen Überblick über das (aktive) Wahlrecht der im Ausland lebenden Deutschen (sog. Auslandsdeutschen) bei Bundestagswahlen nach § 12 Abs. 2 Bundeswahlgesetz (BWahlG). Dabei wird auch auf die Hintergründe der Regelung eingegangen. 2. Wahlrecht von Auslandsdeutschen 2.1. Regelung des § 12 Abs. 2 BWahlG Das Wahlrecht von Auslandsdeutschen ist in § 12 Abs. 2 BWahlG geregelt.1 Diese Bestimmung lautet: „(2) Wahlberechtigt sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch diejenigen Deutschen im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes, die am Wahltag außerhalb der Bundesrepublik Deutschland leben, sofern sie 1. nach Vollendung ihres vierzehnten Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten haben und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt oder 2. aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind. Als Wohnung oder gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne von Satz 1 gilt auch eine frühere Wohnung oder ein früherer Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet. Bei Rückkehr eines nach Satz 1 Wahlberechtigten in die Bundesrepublik Deutschland gilt die Dreimonatsfrist des Absatzes 1 Nr. 2 nicht.“ 2.2. Hintergründe der Regelung Die Regelung des § 12 Abs. 2 BWahlG wurde 2013 als Reaktion auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2012, mit dem das Gericht die bisherige Regelung zum Wahlrecht von Auslandsdeutschen für mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt hat, novelliert.2 In dem Beschluss hat das Gericht betont, dass es dem Gesetzgeber freisteht, zur Sicherung der Kommunikationsfunktion der Wahl zu verlangen, dass im Ausland lebende Deutsche imstande sind, am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen teilzunehmen. Es sei auch verfassungsrechtlich zulässig, für das aktive Wahlrecht ein Mindestmaß an persönlich und un- 1 Vertiefend hierzu Strelen, in: Schreiber (Hrsg.), BWahlG, Kommentar, 9. Aufl. 2017, § 12 Rn. 22 ff. 2 BVerfGE 132, 39. Siehe hierzu auch Morlok/Bäcker, Zur Beteiligung von Auslandsdeutschen an der politischen Willensbildung in Deutschland, MIP 2013, S. 5 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 141/17 Seite 4 mittelbar erworbener Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen der Bundesrepublik vorauszusetzen . Diese vom Gesetzgeber gewollte Vertrautheit des Wahlberechtigten mit den politischen Verhältnissen könne jedoch – so das Bundesverfassungsgericht – nicht mit der bisherigen Regelung, die ausschließlich einen dreimonatigen Inlandsaufenthalt zu einem beliebigen Zeitpunkt verlangte, gewährleistet werden.3 Hierzu führt das Gericht aus: „Dies betrifft […] diejenigen Auslandsdeutschen, die sich zu einem Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten haben, zu dem sie die notwendige Vertrautheit mit den hiesigen politischen Verhältnissen mangels hinreichender Reife und Einsichtsfähigkeit nicht erwerben konnten. Dazu gehören vor allem solche Auslandsdeutsche, die unmittelbar nach ihrer Geburt mindestens drei Monate im Bundesgebiet ansässig waren, dann mit ihren Eltern die Bundesrepublik Deutschland verlassen haben und nun nach Erreichen des 18. Lebensjahres das Wahlrecht […] besitzen.“ Die Novellierung 2013 hat an der gesetzgeberischen Entscheidung festgehalten, neben der deutschen Staatsangehörigkeit bei Auslandsdeutschen ein Mindestmaß an realer Verbindung zur Bundesrepublik zu verlangen. In den Gesetzgebungsmaterialien wird zudem darauf verwiesen, dass sich eine Teilnahme an Bundestagswahlen von Auslandsdeutschen ohne Inlandsbindung und ohne örtlichen Anknüpfungspunkt in der Bundesrepublik nicht mit dem bestehenden Wahlsystem der personalisierten Verhältniswahl vereinbaren ließe.4 Nach diesem müsse jeder Wähler einem Wahlkreis und damit zugleich einem Land zugeordnet werden. Bei Auslandsdeutschen erfolge die Zuordnung zu einem Wahlkreis über ihren letzten Wohnort im Inland bzw. über ihren Geburtsort oder dem Ort, an dem sich ihre Betroffenheit von den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik schwerpunktmäßig manifestiere. Ohne eine solche örtliche Anknüpfung sei die Zuordnung zu einem Wahlkreis nicht möglich. Die Zuordnung könne auch nicht generell zu einem bestimmten Wahlkreis erfolgen. 2.3. Tatbestandsalternativen des § 12 Abs. 2 BWahlG Die Regelung des § 12 Abs. 2 BWahlG enthält für das Wahlrecht von Auslandsdeutschen zwei Tatbestandsalternativen. Nach der Tatbestandsalternative des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BWahlG ist ein Auslandsdeutscher ohne Wohnsitz in Deutschland wahlberechtigt, wenn er nach Vollendung seines 14. Lebensjahres mindestens drei Monate in der Bundesrepublik gelebt hat und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurück liegt. Diese Tatbestandsalternative soll den Regelfall der dauerhaft im Ausland lebenden volljährigen deutschen Staatsangehörigen erfassen, bei denen typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie über das notwendige Mindestmaß an persönlich und unmittelbar erworbener Vertrautheit mit dem politischen Verhältnissen der Bundesrepublik verfügen.5 Der Mindestaufenthalt von drei Monaten ist auf doppelte Weise qualifiziert, um einen grundsätzlich tragfähigen Rückschluss auf ein Mindestmaß an persönlich und unmittelbar erworbener 3 BVerfGE 132, 39 (54 ff.). 4 BT-Drs. 17/11820, S. 4. 5 BT-Drs. 17/11820, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 141/17 Seite 5 Vertrautheit mit dem politischen System der Bundesrepublik zuzulassen.6 Zum einen muss der dreimonatige Aufenthalt nach Vollendung des 14. Lebensjahres stattgefunden haben. So soll verhindert werden, dass solchen Auslandsdeutschen die Teilnahme an der Wahl ermöglicht wird, die sich in einem Zeitraum ihres Lebens in der Bundesrepublik aufgehalten haben, in dem sie mangels hinreichender Reife und Einsichtsfähigkeit keine Vertrautheit mit den hiesigen politischen Verhältnissen erwerben konnten. Zum anderen genügt ein früherer Aufenthalt im Bundesgebiet nicht, wenn er länger als 25 Jahre zurück liegt. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es hierzu: „Es kann unterstellt werden, dass früher im Inland gewonnene Einsichten und Erfahrungen auch bei einem Fortzug ins Ausland noch eine gewisse Zeit fortwirken, so dass Deutsche auch von außerhalb noch an dem politischen Geschehen Anteil nehmen. Das rechtfertigt es, ihnen so lange die Teilnahme an Bundestagswahlen zu gestatten, wie eine informierte Mitwirkung am politischen Willens- und Meinungsbildungsprozess in der Bundesrepublik Deutschland noch gewährleistet erscheint.“ Nach der Tatbestandsalternative des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BWahlG sind auch diejenigen Auslandsdeutschen wahlberechtigt, die zwar nicht die Voraussetzungen der Tatbestandsalternative unter Nr. 1 erfüllen, jedoch aus anderen vergleichbaren Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik erworben haben und von ihnen betroffen sind. Als Auffangtatbestand erfasst die Regelung solche Fälle, in denen die Voraussetzungen der Nr. 1 entweder nie vorgelegen haben oder wegen des Überschreitens der Frist von 25 Jahren weggefallen sind. Informationen zu der Frage, in welchen Fällen eine persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen und eine entsprechende Betroffenheit gegeben sind, können dem Internetauftritt des Bundeswahlleiters entnommen werden.7 Das Verfahren der Ausübung des Wahlrechts von Auslandsdeutschen (z.B. Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis) richtet sich nach der Bundeswahlordnung. *** 6 BT-Drs. 17/11820, S. 5, dort zum Folgenden. 7 https://www.bundeswahlleiter.de/dam/jcr/49fd7b4e-436c-45c3-baed-e9d8ffb8c547/anwendungshinweise _12_bwg.pdf (zuletzt abgerufen am 10. Juli 2017).