© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 139/16 Zum Familiennachzug pflegebedürftiger Elternteile Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 139/16 Seite 2 Zum Familiennachzug pflegebedürftiger Elternteile Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 139/16 Abschluss der Arbeit: 2. Mai 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 139/16 Seite 3 1. Einleitung Der folgende Sachstand gibt einen Überblick über die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums zum Zwecke des sog. Familiennachzugs eines pflegebedürftigen Elternteils mit Drittstaatsangehörigkeit zu seinem erwachsenen Kind nach Deutschland. Dabei wird danach differenziert, ob das Kind, zu dem der Nachzug stattfinden soll (sog. Stammberechtigter), ebenfalls Drittstaatsangehöriger , Unionsbürger1 oder Deutscher ist. Abschließend wird auf die Frage eingegangen, ob es beim Familiennachzug von Eltern eine Ausnahmeregelung für die Beantragung des Visums durch den Stammberechtigten in Deutschland gibt. Die Ausführungen im Folgenden beziehen sich auf solche Fälle, in denen die nachziehende Person drittstaatsangehörig ist. Drittstaatsangehörige benötigen grundsätzlich für die Einreise nach Deutschland ein Visum, das sie bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung beantragen, siehe § 4 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Für den vorliegenden Fall des Familiennachzugs ist dabei ein sog. nationales Visum nach § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz erforderlich. Die materiellen Grundlagen für das nationale Visum stimmen mit denen für die im Inland erteilten Aufenthaltserlaubnisse , Niederlassungserlaubnisse, Blaue Karten EU und Erlaubnisse zum Daueraufenthalt-EU überein. Damit sind sowohl die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen als auch die speziellen Voraussetzungen für den jeweiligen Aufenthaltszweck – hier der Aufenthalt aus familiären Gründen – auch auf das nationale Visum anzuwenden.2 Angehörige bestimmter Drittstaaten sind jedoch von der Visumpflicht ausgenommen, siehe die Regelungen der Aufenthaltsverordnung, insbesondere Anlage A. Hierzu zählen beispielsweise die Staatsangehörigen Australiens, Brasiliens, El Salvadors, Israels, Japans, Kanadas, Neuseelands, Südkoreas und der Vereinigten Staaten von Amerika.3 Sie können im vorliegenden Fall den erforderlichen Aufenthaltstitel für den Aufenthalt aus familiären Gründen auch nach der Einreise einholen. Sofern die nachziehende Person Unionsbürger ist, stellen sich die spezifischen Fragen des Familiennachzugs aufgrund des europarechtlichen Grundsatzes der Freizügigkeit nicht. Differenziert wird daher im Folgenden lediglich nach der Staatsangehörigkeit des Stammberechtigten. 1 Entsprechend der Begriffsbestimmung in § 1 Freizügigkeitsgesetz/EU wird im Folgenden der Begriff des Unionsbürgers im Sinne eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union verwandt. 2 Siehe hierzu Winkelmann/Samel, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, § 6 AufenthG Rn. 55. 3 Siehe auch die Übersicht des Auswärtigen Amtes zur Visumpflicht bzw. -freiheit bei Einreise in die Bundesrepublik , abrufbar unter http://www.auswaertiges-amt.de/DE/EinreiseUndAufenthalt/StaatenlisteVisumpflicht _node.html (zuletzt abgerufen am 28. April 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 139/16 Seite 4 2. Familiennachzug von Eltern eines Drittstaatsangehörigen Der Familiennachzug von Eltern eines Drittstaatsangehörigen nach Deutschland richtet sich zum einen nach den Regelungen über den Familiennachzug zu Ausländern in §§ 27 und 29 AufenthG sowie zum anderen nach den Regelungen über den Nachzug von Eltern in § 36 AufenthG. Die Regelung des § 36 Abs. 1 AufenthG bezieht sich auf den Nachzug von Eltern eines minderjährigen Kindes und ist damit für die vorliegende Frage des Nachzugs von Eltern zu erwachsenen Kindern nicht von Bedeutung. Relevant ist hingegen § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG, nach dem sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis im Wege des Ermessens erteilt werden kann, wenn dies zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für pflege- oder betreuungsbedürftige Elternteile wird als typische Fallkonstellation einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG angesehen.4 Nach der Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang eine außergewöhnliche Härte nach § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG bejaht, wenn der im Ausland lebende Familienangehörige allein kein eigenständiges Leben mehr führen kann, sondern auf die Gewährung von familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und diese Hilfe zumutbar nur im Bundesgebiet erbracht werden kann.5 Die Frage, ob ein pflegebedürftiger nachzugswilliger Elternteil im Rahmen des § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG auf die Pflege durch familienfremde Dritte in seinem Herkunftsland verwiesen werden kann, ist von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängig.6 Die spezifische Angewiesenheit auf familiäre Hilfe wegen Pflegebedürftigkeit ist nicht bei jedem Betreuungsbedarf gegeben, sondern kann nur dann in Betracht kommen, wenn die geleistete Nachbarschaftshilfe oder der im Herkunftsland angebotene professionelle pflegerische Beistand den Bedürfnissen des Nachzugswilligen qualitativ nicht gerecht werden können.7 Wenn der alters- oder krankheitsbedingte Autonomieverlust einer Person so weit fortgeschritten ist, dass ihr Wunsch auch nach objektiven Maßstäben verständlich und nachvollziehbar erscheint, sich in die familiäre Geborgenheit der ihr vertrauten persönlichen Umgebung engster Familienangehöriger zurückziehen zu wollen, spricht dies dagegen, sie auf die Hilfeleistungen Dritter verweisen zu können.8 Dabei ist auch das in den unterschiedlichen Kulturen verschieden stark ausgeprägte Bedürfnis nach Pflege und Betreuung durch enge Familienangehörige zu berücksichtigen.9 4 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand der Kommentierung: 85. EL (April 2014), § 36 AufenthG Rn. 22. 5 Siehe z.B. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1997 – 1 B 236/96, Rn. 8 (zitiert nach juris). 6 Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand der Kommentierung: 85. EL (April 2014), § 36 AufenthG Rn. 23. 7 BayVerwGH, Beschluss vom 29. Juni 2015 – 19 ZB 15.558, Rn. 12 (zitiert nach juris). 8 BayVerwGH, Beschluss vom 29. Juni 2015 – 19 ZB 15.558, Rn. 12 (zitiert nach juris). 9 BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 10/12, Rn. 38 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 139/16 Seite 5 Daneben müssen die Voraussetzungen aus §§ 27 und 29 AufenthG für den Familiennachzug zu einem Ausländer vorliegen.10 Im Mittelpunkt steht dabei der Aufenthaltstitel des Stammberechtigten . Der Stammberechtigte muss nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis, eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU, eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Blaue Karte EU besitzen. Darüber hinaus darf der Stammberechtigte für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen nicht auf Sozialleistungen angewiesen sein, § 27 Abs. 3 AufenthG. Zudem muss ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Außerdem muss der nachzugswillige Elternteil die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllen.11 Zu diesen Voraussetzungen zählt insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts , § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Die Erlangung bzw. die Finanzierung eines solchen Krankenversicherungs- oder Pflegeversicherungsschutzes kann für die einreisenden Betroffenen mit Schwierigkeiten verbunden sein, etwa weil der Krankenversicherungsschutz bereits vorhandene Krankheiten nicht abdeckt.12 Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass nach § 104 AufenthG der Familiennachzug zu Personen, für die nach dem 17. März 2016 die internationale subsidiäre Schutzberechtigung nach § 4 Abs. 1 Asylgesetz (§ 25 Abs. 2 AufenthG) festgestellt wurde, bis zum 16. März 2018 nicht gewährt wird.13 3. Familiennachzug von Eltern eines Unionsbürgers Nach Art. 21 Abs. 1 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Die drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern verfügen über kein originäres Freizügigkeitsrecht, sie partizipieren aber am Aufenthaltsstatus des Unionsbürgers. Einreise und Aufenthalt von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen richten sich nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU). Daneben finden bestimmte Regelungen des Aufenthaltsgesetzes Anwendung. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Aufenthaltsgesetz eine günstigere Rechtsstellung als das Freizügigkeitsgesetz/EU vermittelt, § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU. Die nach Unionsrecht freizügigkeitsberechtigten Personengruppen sind in § 2 Abs. 2 FreizügG/EU aufgezählt. Der Nachzug von drittstaatsangehörigen Verwandten eines Unionsbürgers richtet 10 Siehe die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009, 36.2.0. 11 Dienelt, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, § 36 AufenthG Rn. 49. 12 Oberhäuser, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 36 AufenthG Rn. 30; siehe auch Pfaff, Die mutterlose Gesellschaft – Die desintegrative Wirkung des § 36 AufenthG, ZAR 2005, 8 (9). 13 Die Regelungen über die Aufnahme eines Ausländers nach §§ 22, 23 AufenthG bleiben unberührt, § 104 Abs. 13 S. 3 AufenthG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 139/16 Seite 6 sich nach § 3 FreizügG/EU. Nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1-5 FreizügG/EU genannten Personengruppen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Zu dem Kreis der Familienangehörigen in diesem Sinne gehören nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU auch die Eltern eines Unionsbürgers als Verwandte in gerade aufsteigender Linie, solange ihnen Unterhalt durch den Unionsbürger gewährt wird. Das Aufenthaltsrecht der nicht erwerbstätigen Unionsbürger und deren Familienangehörigen, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, ist in § 4 FreizügG/EU gesondert geregelt. Sie haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes/EU, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Was unter ausreichenden Existenzmitteln und ausreichendem Krankenversicherungsschutz zu verstehen ist, wird im Freizügigkeitsgesetz/EU nicht näher definiert. In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 3. Februar 2016 heißt es zum Krankenversicherungsschutz, dass dieser als ausreichend anzusehen ist, wenn er im Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung folgende Leistungen umfasst: ärztliche und zahnärztliche Behandlungen; Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln; Krankenhausbehandlung ; medizinische Leistungen zur Rehabilitation; Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt.14 Hinsichtlich der ausreichenden Existenzmittel ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz keinen festen Betrag für die Höhe der Existenzmittel nennt. Es ist deshalb eine Vergleichsberechnung unter Einbeziehung der regionalen, sozialhilferechtlichen Bedarfssätze erforderlich.15 Es ist jedoch nicht erforderlich, dass der nachziehende Familienangehörige selbst über ausreichende Existenzmittel verfügt. Insoweit kann auf die finanziellen Mittel des Unionsbürgers, von dem das Aufenthaltsrecht abgeleitet wird, abgestellt werden.16 Familienangehörige von Unionsbürgern, die nicht ihrerseits Unionsbürger sind, bedürfen für die Einreise grundsätzlich eines Visums nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes, § 2 Abs. 4 S. 2 FreizügG/EU. Die Erteilung des Visums richtet sich in diesem Fall nach den materiellen Voraussetzungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU. Inwieweit von dem Grundsatz der Visumpflicht für drittstaatsangehörige Familienmitglieder Ausnahmen bestehen, ist im Einzelnen umstritten.17 14 Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 3. Februar 2016, 4.1.1. 15 Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 3. Februar 2016, 4.1.2.3. 16 Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 3. Februar 2016, 4.1.3. 17 Vertiefend hierzu Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand der Kommentierung: 81. EL (April 2013), § 2 FreizügG/EU Rn. 97 ff.; Oberhäuser, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 2 FreizügG/EU Rn. 41 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 139/16 Seite 7 4. Familiennachzug von Eltern eines Deutschen Der Familiennachzug von (drittstaatsangehörigen) Eltern eines Deutschen nach Deutschland richtet sich zunächst nach den Regelungen über den Familiennachzug zu Deutschen in §§ 27 und 28 AufenthG. Die besonderen Regelungen in § 28 AufenthG über den Familiennachzug zu Deutschen beziehen sich jedoch nur auf Ehegatten von Deutschen, auf minderjährige ledige Kinder von Deutschen sowie Elternteile von minderjährigen ledigen Deutschen. Der Familiennachzug sonstiger Familienangehöriger von Deutschen – und damit auch der Familiennachzug von drittstaatsangehörigen Eltern erwachsener Deutscher18 – richtet sich nach § 36 AufenthG, der nach § 28 Abs. 4 AufenthG entsprechende Anwendung findet. An dieser Stelle ist somit auf die Ausführungen oben unter 2. zu verweisen unter der Maßgabe, dass die Anforderungen des § 29 AufenthG keine Anwendung finden. So gilt für den Nachzug von ausländischen Eltern eines Deutschen nicht das Erfordernis des ausreichenden Wohnraums aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. 5. Beantragung des Visums für den Familiennachzug Befindet sich der nachzugswillige Familienangehörige im Ausland, so benötigt er für die Einreise nach Deutschland zum Zwecke des Familiennachzugs grundsätzlich ein Visum (siehe oben unter 1.). Der Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs ist grundsätzlich von dem nachzugswilligen Familienangehörigen selbst zu stellen, § 81 Abs. 1 AufenthG.19 Der nachzugswillige Ausländer kann sich jedoch durch Erteilung einer Vollmacht bei der Antragstellung vertreten lassen.20 Für Visaangelegenheiten sind nach deutschem Recht grundsätzlich die deutschen Auslandsvertretungen (Botschaften, Generalkonsulate, Konsulate) zuständig, soweit sie vom Auswärtigen Amt durch Organisationsakt hierzu ermächtigt sind, § 71 Abs. 2 AufenthG. Das Visum kann mit Ermächtigung der zuständigen Auslandsvertretung oder des Auswärtigen Amtes ausnahmsweise auch von einer anderen als der für den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Auslandsvertretung erteilt werden.21 Derzeit können beispielsweise syrische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Syrien aufgrund der Schließung der Deutschen Botschaft in Damaskus vorübergehend Visa auch an allen drei deutschen Visastellen in der Türkei beantragen.22 18 Dienelt, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, § 28 AufenthG Rn. 36. 19 Siehe auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009, 81.1.2. 20 Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009, 81.1.2; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand der Kommentierung: 85. EL (April 2014), § 81 AufenthG Rn. 4. 21 Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009, 71.2.2. 22 Siehe die Informationen der deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei unter http://www.tuerkei .diplo.de/Vertretung/tuerkei/de/02-visa/08-visa-fuer-syrien/0-visa-fuer-buerger-aus-syrien.html (zuletzt abgerufen am 29. April 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 139/16 Seite 8 Eine Ausnahme von den dargestellten Voraussetzungen des Antragserfordernisses ist lediglich in § 29 Abs. 2 S. 3 AufenthG vorgesehen. Danach kann beim Familiennachzug eines Ehegatten oder eines minderjährigen ledigen Kindes eines Ausländers die für die Privilegierung in § 29 Abs. 2 S. 2 AufenthG einzuhaltende Frist auch durch die rechtzeitige Antragstellung des Stammberechtigten bei der zuständigen Ausländerbehörde in Deutschland gewahrt werden.23 Eine entsprechende ausdrückliche Ausnahmeregelung besteht für den Familiennachzug der Eltern des Stammberechtigten nicht, so dass für den vorliegenden Fall von der Geltung der oben dargestellten Antragsvoraussetzungen auszugehen ist. Ende der Bearbeitung 23 Siehe auch die Anmerkungen der Deutschen Botschaft in Beirut auf den Formularen für den Familiennachzug von Ehegatten und Kindern aus Syrien, jeweils auf S. 2, abrufbar unter http://www.beirut.diplo.de/contentblob /4502554/Daten/5676332/Antragsformular_Fz_25_Ehegatte.pdf und http://www.beirut.diplo.de/contentblob /4502562/Daten/5676335/Antragsformular_Fz_25_Kind.pdf (zuletzt abgerufen am 29. April 2016).