© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 138/17 Sanktionsmöglichkeiten gegen politische Parteien in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 138/17 Seite 2 Sanktionsmöglichkeiten gegen politische Parteien in Deutschland Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 138/17 Abschluss der Arbeit: 13. Juli 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 138/17 Seite 3 1. Einleitung Gefragt wird nach unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten gegen politische Parteien in Deutschland . Insbesondere sollen die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Parteien, das Sanktionsregime im Zusammenhang mit Parteispenden, die Bedeutung von Vorstrafen für die politische Betätigung und das Parteiverbotsverfahren dargestellt werden. 2. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (Frage 1-3) Das deutsche Strafrecht kennt keine Strafbarkeit juristischer Personen oder von Personenvereinigungen . Täter können nur natürliche Personen sein. Dies gilt auch in Bezug auf politische Parteien , die in der Regel nach dem Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches organisiert sind. So bezieht sich die speziell dem Bereich politischer Parteien betreffende Strafvorschrift des § 31d Parteiengesetz (PartG), der bestimmtes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Rechenschaftspflicht der Parteien und der Handhabung von Parteispenden pönalisiert, nur auf natürliche Personen als Täterkreis. Das deutsche Recht kennt neben Straftaten auch Ordnungswidrigkeiten. Ordnungswidrigkeiten sind geringfügigere Gesetzesübertretungen, die nicht den Unrechtsgehalt einer Straftat erreichen und nur mit einer Geldbuße geahndet werden können. Sie sind im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) und in zahlreichen Spezialgesetzen geregelt. Nach § 30 OWiG können Geldbußen auch gegen juristische Personen und bestimmte Personenvereinigungen festgesetzt werden: „§ 30 Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (1) Hat jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, 2. als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes, 3. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft, 4. als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung oder 5. als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte, so kann gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden. (…)“ Fälle, in denen nach dieser Norm Geldbußen gegen politische Parteien festgesetzt wurden, waren weder in der Presse, noch in juristischen Datenbanken zu finden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 138/17 Seite 4 3. Parteispenden (Frage 4) Politische Parteien sind grundsätzlich berechtigt, Spenden anzunehmen, § 25 Abs. 1 S. 1 PartG. Sie sind nach §§ 23 ff. PartG verpflichtet, jährlich einen Rechenschaftsbericht zu veröffentlichen, der vom Präsidenten des Deutschen Bundestages geprüft wird. In dem Bericht müssen unter anderem Parteispenden ausgewiesen werden. Nach § 25 Abs. 3 PartG ist bei Spenden über 10.000 € der Name des Spenders zu nennen. Spenden über 50.000 € sind zudem unverzüglich dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen; sie werden zeitnah unter Angabe des Spenders veröffentlicht. Nach § 25 Abs. 2 PartG dürfen schließlich von bestimmten Spendern keine Spenden angenommen werden. Die Vorschrift nennt insbesondere öffentlich-rechtliche Körperschaften, politische Stiftungen , bestimmte ausländische Quellen und anonyme Spender. Verstößt eine Partei gegen diese Pflichten, sieht das PartG Zahlungspflichten jeweils in Höhe eines Mehrfachen des unrichtig angegebenen oder rechtswidrig erlangten Betrages vor: „§ 31b Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts Stellt der Präsident des Deutschen Bundestages im Rahmen seiner Prüfung nach § 23a Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht fest, entsteht gegen die Partei ein Anspruch in Höhe des Zweifachen des den unrichtigen Angaben entsprechenden Betrages, soweit kein Fall des § 31c vorliegt. (…) § 31c Rechtswidrig erlangte oder nicht veröffentlichte Spenden Hat eine Partei Spenden unter Verstoß gegen § 25 Abs. 2 angenommen und nicht gemäß § 25 Abs. 4 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weitergeleitet, entsteht gegen sie ein Anspruch in Höhe des Dreifachen des rechtswidrig erlangten Betrages; bereits abgeführte Spenden werden angerechnet. Hat eine Partei Spenden nicht den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend im Rechenschaftsbericht veröffentlicht (§ 25 Abs. 3), entsteht gegen sie ein Anspruch in Höhe des Zweifachen des nicht den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend veröffentlichten Betrages. (…)“ Die Vorschriften sind bereits in zahlreichen Fällen zur Anwendung gekommen. 4. Bedeutung von Vorstrafen (Frage 5) Da sich Parteien als solche nicht strafbar machen können,1 kann ihre Betätigung auch nicht wegen Vorstrafen beschränkt werden. Hinzuweisen ist jedoch auf § 10 Abs. 1 S. 4 PartG, wonach Personen , die infolge eines Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht verloren haben, nicht Mitglied einer Partei werden können. 5. Parteiverbot und Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung (Frage 6) Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes kennt das Instrument des Parteiverbots. Das Bundesverfassungsgericht kann Parteien nach Art. 21 Abs. 2 GG verbieten: 1 Vgl. oben 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 138/17 Seite 5 „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“ Antragsberechtigt sind in dem Verfahren der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und unter bestimmten Voraussetzungen die Landesregierungen. Das Bundesverfassungsgericht kann die Partei mit Zweidrittelmehrheit der Senatsmitglieder verbieten, § 13 Nr. 2, § 15 Abs. 4, §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine Partei nur verboten werden, wenn sie danach strebt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, und wenn zudem Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ihr Handeln auch zum Erfolg führen kann. Nur zweimal in der Geschichte der Bundesrepublik wurden Parteien verboten: In den Fünfzigerjahren verbot das Bundesverfassungsgericht die Sozialistische Reichspartei und die Kommunistische Partei Deutschlands. Im Januar 2017 wies das Gericht einen Verbotsantrag gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands zurück: Zwar strebe die Partei die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Jedoch erscheine es ausgeschlossen, dass sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele verwirklichen kann.2 Infolge des gescheiterten Verbotsverfahrens und aufgrund eines obiter dictum des Bundesverfassungsgerichts beschlossen Bundestag und Bundesrat jüngst eine Änderung des Grundgesetzes, wonach Parteien, die zwar verfassungsfeindlich aber nicht gefährlich sind, von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können.3 Sobald das Gesetz in Kraft tritt, werden die Abs. 3 und 4 des Art. 21 GG lauten: „(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien. (4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“ *** 2 Vgl. zu dem Urteil: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Das NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017, Aktueller Begriff Nr. 03/17, Anlage 1. 3 Vgl. zu der Neuregelung: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Geänderte Parteienfinanzierung für verfassungsfeindliche Parteien, Aktueller Begriff Nr. 19/17, Anlage 2.