Deutscher Bundestag Parlamentarisches Finanzmarktgremium Informations- und Entscheidungsrechte des Deutschen Bundestages im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsfonds Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 138/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 138/12 Seite 2 Parlamentarisches Finanzmarktgremium Informations- und Entscheidungsrechte des Deutschen Bundestages im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsfonds Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 138/12 Abschluss der Arbeit: 11. Mai 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 138/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Das Parlamentarische Finanzmarktgremium 4 2.1. Aufgaben und Befugnisse 4 2.2. Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP 5 3. Übertragbarkeit der Aussagen des BVerfG zum 9-er Gremium des Stabilisierungsmechanismusgesetz? 6 3.1. Entscheidung des BVerfG zum 9-er Gremium 6 3.2. Anwendbarkeit auf das Parlamentarische Finanzmarktgremium? 6 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 138/12 Seite 4 1. Einleitung Der Finanzmarkstabilisierungsfonds (auch: Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung – SoFFin) wurde 2008 mit dem Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMStFG)1 eingerichtet. Zweck des Fonds ist gemäß § 1 FMStFG die Stabilisierung des Finanzmarktes durch Überwindung von Liquiditätsengpässen und durch Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Eigenkapitalbasis von Finanzinstitutionen. Die Vergabe von Krediten war zunächst bis zum 31. Dezember 2010 befristet. Das Zweite Finanzmarktstabilisierungsgesetz (2. FMStG)2 hat die Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen bis zum 31. Dezember 2012 erneut ermöglicht . Die Ausarbeitung untersucht, ob die Informations- und Entscheidungsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder im Hinblick auf den SoFFin an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Zuge seiner Entscheidung zum Sondergremium3 formulierten Maßstäbe anzupassen sind. 2. Das Parlamentarische Finanzmarktgremium § 10a FMStFG sieht die Einrichtung eines Gremiums zum Finanzmarktstabilisierungsfonds vor, welches für die Dauer von einer Legislaturperiode vom Deutschen Bundestag gewählt wird. Es besteht aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses4 und wird diesem zugeordnet. Das Gremium tagt in jeder Sitzungswoche geheim; seine Mitglieder sind zur Geheimhaltung aller Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind. 2.1. Aufgaben und Befugnisse Das Gremium nimmt die parlamentarische Kontrolle über den Restrukturierungsfonds und den SoFFin wahr. Es berät über grundsätzliche und strategische Fragen und langfristige Entwicklungen der Finanzmarktpolitik.5 1 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 1982), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 206) geändert worden ist. 2 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes, BT-Drs. 17/8343 vom 17. Januar 2012. 3 BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28. Februar 2012, http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/es20120228_2bve000811.html (letzter Abruf 10. Mai 2012). 4 Die neun Mitglieder des Gremiums sind zur Zeit: Florian Toncar (FDP) (Vorsitzender), Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) (stellvertretender Vorsitzender), Ralph Brinkhaus (CDU/CSU), Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU), Georg Schirmbeck (CDU/CSU), Carsten Schneider (SPD), Dr. Carsten Sieling (SPD), Roland Claus (Die Linke.), Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen). 5 http://www.fmsa.de/de/fmsa/organisation/gremium/ (letzter Abruf 3. Mai 2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 138/12 Seite 5 Die Befugnisse des Gremiums ergeben sich zum einen aus § 10a Abs. 2 FMStFG. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) unterrichtet das Gremium laufend über alle den Fonds betreffenden Fragen. Das Gremium kann Mitglieder des Lenkungsausschusses und Leitungsausschusses sowie Vertreter der Organe eines von einer Maßnahme des Fonds begünstigten Unternehmens laden. Die Vertreter der Organe sind zur Auskunft vor dem Gremium berechtigt und verpflichtet. Außerdem wurde durch das 2. FMStFG § 9 Abs. 1 FMStFG dahingehend geändert, dass das Gremium über die Aufhebung einer gesperrten Kreditermächtigung entscheiden soll. Gemäß § 9 Abs. 1 FMStG wird das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ermächtigt, Kredite zu den dort genannten Zwecken bis zur Höhe von 70 Milliarden Euro aufzunehmen. 2.2. Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP Die Arbeitsgruppe Haushalt der Fraktionen CDU/CSU und FDP hat zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes6 einen Änderungsantrag7 vorgelegt, der am 23. Mai 2012 im Haushaltsausschuss beraten werden soll. Dieser sieht die Einfügung eines Art. 2a vor, der § 9a Abs. 1 FMStFG dahingehend ändern soll, dass zukünftig der Haushaltsausschuss über die Aufhebung einer gesperrten Kreditermächtigung entscheiden soll. Das Gremium nach § 10a FMStFG würde dann nur noch in Fällen der Geheimhaltungsbedürftigkeit über die Aufhebung der Sperre selbstständig entscheiden können. „Die Aufhebung der Sperre bedarf der Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Soweit nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden muss, um die Erreichung des Ziels der Finanzmarkstabilisierung nicht von vornherein unmöglich zu machen , bedarf die Aufhebung der Sperre abweichend von Satz 3 der Einwilligung durch das Gremium nach § 10a. Die Bundesregierung kann dieses Erfordernis geltend machen, das Gremium kann der Annahme dieses Erfordernisses unverzüglich mit Mehrheit widersprechen . In diesem Fall entscheidet der Haushaltsausschuss. Sofern gemäß Satz 4 das Gremium nach § 10a über die Einwilligung entscheidet, unterrichtet das Gremium den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach Fortfall des Grundes für die Geheimhaltung unverzüglich über die Einwilligung.“ Der Änderungsantrag wird damit begründet, dass es nach dem Urteil des BVerfG zum Sondergremium problematisch erscheine, eine Entscheidung wie die Entsperrung der Kreditermächtigung gemäß § 9 Abs. 1 FMStFG generell einem nur mit neun gewählten Abgeordneten besetzten Gremium zu übertragen. Diese Aufgabe werde nun dem Haushaltsausschuss statt dem Plenum übertragen , da klare, streng konditionale und gesetzlich bestimmt Inanspruchnahmevoraussetzungen für Kreditermächtigungen nach dem FMStFG bestünden.8 6 BT-Drs. 17/9049 vom 20. März 2012. 7 Ausschussdrucksache 17(8)4411. 8 Ausschussdrucksache 17(8)4411, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 138/12 Seite 6 3. Übertragbarkeit der Aussagen des BVerfG zum 9-er Gremium des Stabilisierungsmechanismusgesetz ? 3.1. Entscheidung des BVerfG zum 9-er Gremium Mit Urteil vom 28. Februar 2012 hat das BVerfG9 entschieden, dass die im Stabilisierungsmechanismusgesetz (StabMechG) enthaltene Übertragung von Entscheidungsbefugnissen im Zusammenhang mit der Europäischen Finanzmarktstabilisierungsfaszilität (EFSF) auf ein neunköpfiges Sondergremium überwiegend verfassungswidrig ist.10 Allein bei Zustimmungen des Bundestages zu Staatsanleihekäufen der EFSF am Sekundärmarkt sei aus Geheimhaltungsgründen eine Delegation auf das Sondergremium erlaubt. Zwar komme dem Bundestag nach dem Grundsatz der Funktionsfähigkeit ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Einrichtung seiner Gremien zu.11 Bei der Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten sei jedoch ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit und den aus Art. 38 Abs. 1 GG resultierenden Rechten der Abgeordneten zu wahren.12 3.2. Anwendbarkeit auf das Parlamentarische Finanzmarktgremium? Eine direkte Übertragbarkeit der Aussagen des BVerfG in der o.g. Entscheidung auf das Gremium nach § 10a FMStFG besteht nicht, da es sich beim SoFFin um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt handelt. Es lässt sich aber auch nicht ausschließen, dass das BVerfG zukünftig seine in der Entscheidung formulierten Maßstäbe zur Wahrnehmung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Bundestages auch auf innerstaatliche Sachverhalte anwendet. Häde geht in seiner Stellungnahme für die Anhörung vom 7. Mai 2012 im Haushaltsausschuss aber davon aus, dass die Aufhebung einer gesperrten Kreditermächtigung nach § 9 Abs. 1 FMStFG inhaltlich nicht vergleichbar sei mit der Zustimmung zu Gewährleistungen, in deren Zusammenhang fremdbestimmte Entscheidungen oder Automatismen zu befürchten wären.13 Da die parlamentarische Beteiligung an einer solchen Kreditsperre verfassungsrechtlich nicht geboten sei, sei grundsätzlich auch die Beteiligung eines kleineren Gremiums statt des Plenums mög- 9 BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28. Februar 2012, http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/es20120228_2bve000811.html (letzter Abruf 10. Mai 2012). 10 Rohleder, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „EFSF-Sondergremium“ des Deutschen Bundestages, Aktueller Begriff – Europa Nr. 02/12 vom 7. März 2012. 11 BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28. Februar 2012, Rn. 139. 12 BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28. Februar 2012, Rn. 144. 13 Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 7. Mai 2012, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a08/anhoerungen/Fiskalpakt_und_ESM/Stellungnahmen/Prof __Dr__Ulrich_Haede.pdf (letzter Abruf 10. Mai 2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 138/12 Seite 7 lich.14 Kaufmann hält die Regelung im Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP für verfassungsrechtlich unbedenklich, insbesondere da sich die Kreditsperre auf einen bereits im Gesetzgebungsverfahren vom Gesetzgeber gebilligten Kreditrahmen beziehe.15 Auch er verneint eine direkte Vergleichbarkeit bei der Aufhebung der Kreditsperre gemäß § 9 Abs. 1 FMStG und der im Urteil des BVerfG maßgeblichen Haushaltsverantwortung des Bundestages im System intergouvernementalen Handelns. Ungeachtet dessen befürwortet er die Befugnisse des Gremiums bei geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen entsprechend den Vorgaben des BVerfG für das Sondergremium im StabMechG auszugestalten.16 Die anderen Sachverständigen der Anhörung im Haushaltsausschuss haben sich nicht zu dieser Frage geäußert. Die Anpassung der Informations- und Entscheidungsrechte des Deutschen Bundestages im Rahmen des SoFFin an die im Urteil des BVerfG zum Sondergremium entwickelten Maßstäben ist aus den o.g. Gründen wohl verfassungsrechtlich nicht zwingend notwendig. Als „Vorsichtsmaßnahme “ für eine zukünftige Ausweitung der Maßstäbe des BVerfG auch auf innerstaatliche Sachverhalte ist sie verfassungsrechtlich jedenfalls zulässig. ( ) 14 Häde, a.a.O., S. 17. 15 Kaufmann, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Rahmen der 88. Sitzung des Haushaltsausschusses am Montag, den 7. Mai 2012, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a08/anhoerungen/Fiskalpakt_und_ESM/Stellungnahmen/Prof __Dr__Marcel_Kaufmann.pdf (letzter Abruf 10. Mai 2012), S. 6 ff. 16 Kaufmann, a.a.O., S. 8.