© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 137/19 Wahlrechtsausschlüsse von Menschen mit psychischen Behinderungen Regelungen im europäischen Vergleich Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Spanien 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 137/19 Seite 4 1. Einleitung Der nachfolgende Sachstand gibt einen Überblick über die aktuellen Regelungen zu Wahlrechtsausschlüssen von Menschen mit geistigen Behinderungen in ausgewählten europäischen Staaten 1. Ferner werden die in den Ländern vereinzelt existierenden Verfahren zur Feststellung von Wahlrechtsausschlüssen Betroffener sowie Maßnahmen zur Begegnung des Missbrauchs eines voll inklusiven Wahlrechts dargestellt. Einleitend wird die Rechtslage in Deutschland dargestellt. Die weiteren Ausführungen erfolgen unter Einteilung der Länder in drei Regelungsgruppen: Automatischer Wahlrechtsausschluss, Wahlrechtsausschluss nur nach konkreter Überprüfung im Einzelfall und kein Wahlrechtsausschluss . 2. Rechtslage in Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland steht das aktive sowie passive Wahlrecht gemäß Art. 38 Grundgesetz (GG) grundsätzlich jedem deutschen Staatsbürger, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, zu. Bis Januar 2019 waren Personen, denen für die Besorgung aller ihrer Angelegenheiten eine Betreuung angeordnet wurde, gemäß § 13 Nr. 2 Bundeswahlgesetz (BWahlG) a.F. und § 6a Nr. 2 Europawahlgesetz (EuWG) a.F. vom Wahlrecht zu Bundestags- und Europawahlen ausgeschlossen. Die Bestellung einer Betreuung erfolgt nach § 1896 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für Volljährige , die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können. Nur wenn der Betroffene keine seiner Angelegenheiten in sämtlichen Lebensbereichen selbst erledigen kann, wird eine allumfassende Betreuung bestellt. Des Weiteren schlossen § 13 Nr. 3 BWahlG und § 6a Nr. 3 EuWG Personen vom Wahlrecht aus, die nach einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Straftat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Die Anordnung einer solchen Unterbringung richtet sich dabei nach § 63 i. V. m. § 20 des Strafgesetzbuches (StGB). § 20 StGB statuiert, dass „ohne Schuld handelt , wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“ Nach § 63 StGB werden nur diejenigen Straftäter in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht , von denen infolge ihres „Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und [die] deshalb für die Allgemeinheit gefährlich [sind]“. Während der Geltung der §§ 13 Nr. 2 und Nr. 3 BWahlG sowie der §§ 6a Nr. 2 und Nr. 3 EuWG fand keine eigenständige Prüfung der Wahlfähigkeit von Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen statt. Im betreuungsrechtlichen Verfahren wird durch eine richterliche Entscheidung festgestellt , ob die betreffende Person alle ihre Angelegenheiten wahrnehmen kann. Die Entscheidung darüber, dass keine selbstständige Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit vorliegt und somit eine 1 Vgl. zur Rechtslage im Jahr 2012 den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Wahlrechtsausschluss von Menschen mit Behinderungen in den Mitgliedsstaaten der EU, WD 3 - 3000 - 081/12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 137/19 Seite 5 dauerhafte Vollbetreuung notwendig ist, indizierte, dass das erforderliche Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung der Wahl nicht vorliege und die Person unter den Wahlrechtsauschluss des § 13 Nr. 2 BWahlG falle. Ebenso indizierte eine im Rahmen eines Strafverfahrens festgestellte Schuldunfähigkeit das Fehlen der Wahlfähigkeit und führte zum automatischen Wahlrechtsausschluss nach § 13 Nr. 3 BWahlG. Mit Beschluss vom 29. Januar 2019 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Wahlrechtsausschlüsse für Menschen unter Vollbetreuung sowie die Wahlrechtsausschlüsse für schuldunfähige , in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Menschen für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig.2 Mit Wirkung zum 1. Juli 20193 wurden das BWahlG sowie das EuWG dahingehend geändert, dass nun ein voll inklusives Wahlrecht in Form der Beendigung der Wahlrechtsausschlüsse gilt. Darüber hinaus wurde eine Assistenz für Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung des Wahlrechts in der Bundeswahlordnung (BWO) und in der Europawahlordnung (EuWO) geregelt. Gleichzeitig wurde auch die missbräuchliche Stimmabgabe im Rahmen zulässiger Assistenz in § 107a StGB mit Strafe bewährt. 3. Rechtslage in ausgewählten Staaten Europas 3.1. Automatischer Wahlrechtsauschluss 3.1.1. Luxemburg Der Ausschluss bestimmter Personengruppen vom aktiven und passiven Wahlrecht in Luxemburg basiert auf der luxemburgischen Verfassung sowie dem luxemburgischen Wahlgesetz. Nach Art. 53 der Verfassung und Art. 6 des Wahlgesetzes sind u.a. Personen, die unter Vormundschaft stehen, automatisch vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Wahlrechtsfähigkeit wird bei der Anordnung der Vormundschaft nicht eigenständig geprüft. 3.1.2. Polen Gemäß Art. 62 Abs. 2 der Polnischen Verfassung dürfen Personen, die durch rechtskräftiges Gerichtsurteil entmündigt wurden oder denen die bürgerlichen Rechte oder das Wahlrecht entzogen wurden, weder an einer Volksabstimmung teilnehmen noch besitzen sie ein aktives oder passives Wahlrecht. Artikel 10 des Wahlgesetzes vom 5. Januar 2011 erweitert diesen Ausschluss auch für Europawahlen. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht sowohl eine vollständige als auch eine teilweise Entmündigung vor. Gemäß Artikel 13 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann eine Person , die das dreizehnte Lebensjahr erreicht hat, vollständig entmündigt werden, wenn sie wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder anderer psychischer Störung, insbesondere Alkoholoder Drogenabhängigkeit, außer Stande ist, ihr Verhalten zu beherrschen. Gemäß Artikel 16 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann ein Volljähriger wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder anderer psychischer Störung, insbesondere Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, 2 BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 2 BvC 62/14. 3 Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze vom 18.06.2019 (BGBl I S. 834). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 137/19 Seite 6 teilweise entmündigt werden, wenn sein Zustand es nicht rechtfertigt, ihn vollständig zu entmündigen , er aber Unterstützung bei der Erledigung seiner Angelegenheiten benötigt. Da die Verfassung nur von Entmündigung im Allgemeinen spricht, kann der Entzug des Wahlrechts sowohl aufgrund einer teilweisen als auch einer vollständigen Entmündigung erfolgen. Das Verfahren der Entmündigung ist im Zivilverfahrensgesetz geregelt (Artikel 544-560). In Rede stehende Fälle werden vom Landgericht (Bezirksgericht) entschieden. Berufungen können nur die Entmündigung als Ganzes betreffen. Demnach ist es nicht möglich, den Entzug des Wahlrechts gesondert in Frage zu stellen, ohne die anderen Folgen der Entmündigung zu berücksichtigen. Eine Person, die entmündigt wurde, darf stets selbst Berufung einlegen, auch wenn ein Betreuer bestellt wurde (Artikel 560 des Zivilverfahrensgesetzes). 3.1.3. Schweiz In der Schweiz gibt es neben dem Wahlrecht auch das Stimmrecht, welches die Teilhabe an Abstimmungen ermöglicht. Unter dem Oberbegriff „Politische Rechte“ werden das Stimmrecht, das aktive und passive Wahlrecht sowie das Recht, Referenden und Initiativen zu unterzeichnen, zusammengefasst . Nach Art. 2 des Bundesgesetzes über politische Rechte sind Entmündigte vom Stimmrecht ausgeschlossen. Als solche „gelten Personen, die wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden.“ Eine eigenständige Prüfung der Wahlfähigkeit von Menschen mit geistigen Behinderungen zur Feststellung eines Wahlrechtsausschlusses erfolgt danach nicht. 3.2. Wahlrechtsausschluss nach konkreter Überprüfung im Einzelfall 3.2.1. Belgien In Belgien waren bis zum 20. Dezember 2018 gemäß Art. 7 des belgischen Wahlgesetzes folgende Personen automatisch vom Wahlrecht ausgeschlossen und konnten während der Dauer der Geschäftsunfähigkeit nicht zur Wahl zugelassen werden: diejenigen Personen, die durch ein Gericht entmündigt wurden, Personen, die unter das Minderheitenstatut fielen sowie diejenigen, die aufgrund der Bestimmungen über „Anormale“ und „Gewohnheitsstraftäter“ in den Kapiteln I bis IV des Gesetzes vom 9. April 1930 über die Sozialverteidigung (défense sociale), ersetzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1964, eingewiesen wurden. Art. 7 des belgischen Wahlgesetzes wurde dahingehend geändert, dass nur noch solche Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen werden, die nach Art. 492/1 des belgischen Bürgerlichen Gesetzbuches durch das Gericht ausdrücklich als unfähig, ihre politischen Rechte auszuüben, erklärt wurden. Bei der Anordnung einer Betreuung nach Art. 492/1 des belgischen Bürgerlichen Gesetzbuches muss das Gericht die Lebensbereiche, in denen eine Betreuung angeordnet wird, unter Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Lebensumstände und des Gesundheitszustandes genau definieren. Eine unter Betreuung stehende Person, die nicht ausdrücklich als unfähig zur Ausübung ihrer politischen Rechte erklärt wurde, besitzt ihr volles Wahlrecht. Ferner enthält Art. 143 in Absatz 4 und 5 des belgischen Wahlgesetzes die Regelung einer Assistenz von Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihres Wahlrechts. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 137/19 Seite 7 3.2.1.1. Litauen Nach Art. 34 der Verfassung Litauens sind volljährige Staatsbürger, deren Geschäftsunfähigkeit gerichtlich festgestellt wurde, vom Wahlrecht ausgeschlossen. Nach früherer Rechtslage verloren Personen, die gerichtlich als geschäftsunfähig eingestuft wurden, automatisch das Wahlrecht. Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist seit 2019 eine konkrete gerichtliche Feststellung des Verlusts des Wahlrechts auf Grundlage einer Einzelfallprüfung erforderlich: Gerichte können Personen auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches vollständig oder auch teilweise für bestimmte Bereiche, darunter insbesondere das Wahlrecht, für geschäftsunfähig erklären. Die Entscheidung beruht auf einer forensisch-psychiatrischen Untersuchung und muss die Bereiche der Geschäftsunfähigkeit der konkreten Person ausdrücklich und exakt bezeichnen. Den Antrag auf Feststellung der Geschäftsunfähigkeit einer Person in einem bestimmten Bereich können auch Ehepartner, Eltern, erwachsene Kinder, Pflegeeinrichtungen oder die Staatsanwaltschaft stellen. Zu den Kommunalwahlen im Jahr 2019 waren 4279 Personen und damit 0,17 % aller registrierten Wähler vom Wahlrecht ausgeschlossen. 3.2.2. Ungarn Die ungarische Verfassung statuiert in Artikel XXIII (6), dass solche Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, die aufgrund einer Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden oder denen aufgrund einer Gerichtsentscheidung das Wahlrecht wegen ihres Geisteszustandes entzogen wurde. Abschnitt 13/A des ungarischen Gesetzes zum Wahlverfahren regelt die Feststellung des Wahlrechtsausschlusses von Personen mit geistiger Behinderung. Danach sollen Gerichte bei der Entscheidung in Bezug auf die Anordnung oder Verlängerung einer Betreuung auch über den Ausschluss vom Wahlrecht entscheiden. Personen, die infolge von Unzurechnungsfähigkeit oder einer Suchtkrankheit nicht die nötige Einsichts- und Urteilsfähigkeit zur Ausübung des Wahlrechts besitzen, sollen danach nicht das Recht haben, zu wählen oder an Referenden und Volksabstimmungen teilzunehmen. Das Verfahren zur Prüfung und Anordnung einer Betreuung richtet sich nach dem ungarischen Zivilprozessrecht. Maßgeblich ist eine psychiatrische Beurteilung der von der Betreuung betroffenen Person. Diese Beurteilung muss konkret auf die Frage eingehen, ob die betreffende Person die Fähigkeit besitzt, die Bedeutung ihrer Wahlhandlung nachzuvollziehen. 3.2.3. Slowakei Das Wahlrecht der Slowakei sieht keinen generellen Ausschluss von Menschen mit geistigen Behinderungen vor. Das slowakische Verfassungsgericht hat unter Bezug auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Sache Kiss vs. Ungarn klargestellt, dass sich die Klassifikationen von Beeinträchtigungen unterscheiden und jede Person eine individuelle Behandlung benötigt. Gerichte können bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses der Betroffenen oder auch von Familienangehörigen über die geistige Fähigkeit der Person zur Ausübung des Wahlrechts entscheiden. Gemäß der §§ 231-246 des Gesetzes Nr. 161/2015 muss das Gericht sowie ein aus einer Liste des Ministeriums der Justiz auszuwählender psychiatrischer Sachverständiger die betroffene Person anhören. Sofern keine Zweifel bezüglich der geistigen Fähigkeiten der Person bestehen, muss diese nicht angehört werden. In solchen Fällen kann auch der behandelnde Arzt die erforderlichen Informationen bereitstellen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 137/19 Seite 8 3.3. Kein Wahlrechtsausschluss In Finnland, Großbritannien, Italien und Österreich bestehen keine Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit geistiger Behinderung; Rechtsänderungen haben sich seit 2012 nicht ergeben. 3.3.1. Frankreich Wahlberechtigt sind laut Art. 3 der Verfassung der französischen Republik „nach Maßgabe des [Wahl]gesetzes alle volljährigen französischen Staatsangehörigen beiderlei Geschlechts, die im Besitz ihrer bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte sind“. Art. L2 des Wahlgesetzes sieht einen Wahlrechtsausschluss von Personen vor, die einen der gesetzlich vorgesehenen Fälle der Geschäftsunfähigkeit erfüllen. In dieser Vorschrift wird nicht speziell auf Menschen mit Behinderungen Bezug genommen. Nach vorherrschender Interpretation sind insbesondere unter Schutz stehende Volljährige im Sinne des früheren Art. L5 des Wahlgesetzes betroffen. Nach dieser Regelung wurde bei der erstmaligen Anordnung oder Erneuerung einer Maßnahme der Vormundschaft auch über die Beibehaltung oder Aussetzung des Wahlrechts einer geschützten Person entschieden. Das Gesetz Nr. 2007-308 vom 5. März 2007 zur Reform des rechtlichen Schutzes von Volljährigen („protection juridique des majeurs“) betonte, dass die Beschränkungen des Wahlrechts für unter Schutz stehende Volljährige keinen Grundsatz , sondern eine Ausnahme darstellte. Die Geschäftsunfähigkeit musste durch eine ausführliche ärztliche Bescheinigung nachgewiesen sein, die von einem Facharzt ausgestellt wurde. Durch das Gesetz Nr. 2018-2022 vom 23. März 2019 wurde Art. L5 des Wahlgesetzes nunmehr aufgehoben und damit auch unter Vormundschaft stehenden Personen unabhängig von einer richterlichen Entscheidung ein volles Wahlrecht eingeräumt. 3.3.2. Spanien Gemäß Art. 68 Abs. 5 der Verfassung Spaniens sind alle Spanier, die im Vollbesitz ihrer politischen Rechte sind, wahlberechtigt. Durch Gesetz Nr. 2/2018 vom 5. Dezember 2018 wurde Art. 3 des Gesetzes über das Allgemeine Wahlsystem (Ley Orgánica 5/1985, de 19 de junio, del Régimen Electoral Central) geändert. Nach diesem konnte u.a. entmündigten oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Personen das Wahlrecht durch ausdrückliche richterliche Entscheidung entzogen werden.4 Seit der Gesetzesänderung können geistig behinderte Personen nicht mehr von Wahlen ausgeschlossen werden. Art. 3 Abs. 2 des Wahlgesetzes garantiert nunmehr , dass jede Person ihr Recht auf aktive Stimmabgabe bewusst, frei und freiwillig ausüben kann, unabhängig von der Art der Kommunikation und der benötigten Hilfsmittel. Gerichtliche Wahlrechtsausschlüsse nach alter Rechtslage sind ungültig. Ferner ist geregelt, dass staatliche Stellen geistig beeinträchtigten Personen die erforderlichen Hilfsmittel zur Ausübung ihres Wahlrechts unter gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen müssen. *** 4 Vgl. dazu die Übersicht im Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Wahlrechtsausschluss von Menschen mit Behinderungen in den Mitgliedsstaaten der EU, WD 3 - 3000 - 081/12, S. 11.