© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 136/17 Fragen zur Nutzung von falschen Identitäten gegenüber Behörden Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 136/17 Seite 2 Fragen zur Nutzung von falschen Identitäten gegenüber Behörden Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 136/17 Abschluss der Arbeit: 18.07.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 136/17 Seite 3 Fragestellung Gefragt wird nach der Nutzung von falschen Identitäten gegenüber Behörden. Zum einen wird um Informationen über das Vorkommen und über das Ausmaß von solchen Nutzungen gebeten. Darüber hinaus sollen Maßnahmen des Personalausweis- und Passrechts sowie des Asylrechts dargestellt werden, die darauf gerichtet sind, die Nutzung falscher Identitäten gegenüber Behörden zu verhindern. 1. Nutzung falscher Identitäten gegenüber Behörden Umfassende Erhebungen über Vorkommen und Ausmaß der Nutzung falscher Identitäten gegenüber Behörden gibt es – soweit ersichtlich – nicht. Auch für den Bereich des Ausländerrechts liegen nur zu einzelnen Aspekten der Nutzung falscher Identitäten Informationen vor. So ergibt sich beispielsweise aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage vom Februar 2017, dass von 491.097 im Jahr 2016 geprüften (Ausweis-)Dokumenten von Asylbewerbern 12.789 ge- oder verfälscht waren. In Bezug auf die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer hat die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage hin mitgeteilt, dass diese zum Stichtag 31. Dezember 2016 in 153.047 Fällen aus verschiedenen Gründen ausgesetzt werden musste. In 38.109 Fällen war die Abschiebung wegen fehlender Reisedokumente auszusetzen. 2. Gegenmaßnahmen 2.1. Personalausweis- und Passrecht Die Anzahl der zulässigen Ausweisdokumente ist nach den Vorschriften des Personalausweisund des Passgesetzes begrenzt. Nach § 1 Abs. 1 Personalausweisgesetz (PAuswG) gilt für Deutsche ab 16 Jahren eine Ausweispflicht. Nach § 4 Abs. 1 PAuswG darf niemand mehr als einen auf seine Person ausgestellten gültigen Ausweis der Bundesrepublik Deutschland besitzen. Für Grenzübertritte unterliegen Deutsche grundsätzlich der Passpflicht nach § 1 Abs. 1 Passgesetz (PassG). Gemäß § 1 Abs. 3 PassG darf niemand mehrere Pässe der Bundesrepublik Deutschland besitzen, sofern nicht ein berechtigtes Interesse an der Ausstellung mehrerer Pässe nachgewiesen wird. Ein berechtigtes Interesse liegt z.B. vor, wenn die antragstellende Person in einen Staat einreisen will, der Deutschen vermutlich die Einreise verweigert, weil aus dem Pass ersichtlich ist, dass sie sich in bestimmten anderen Staaten aufgehalten haben. Asylrecht Das für die Durchführung der Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) klärt den Sachverhalt auf und erhebt die erforderlichen Beweise, § 24 Abs. 1 S. 1 Asylgesetz (AsylG). Zur Sachverhaltsklärung gehört auch die Klärung der Identität des Asylbewerbers . Neben der Anhörung des Asylbewerbers kommt als weiteres Beweismittel insbesondere die Vorlage von Identitätspapieren in Betracht. Die Asylbewerber sind insoweit zur Mitwirkung verpflichtet. Nach § 15 Abs. 2 AsylG besteht eine Pflicht zur Vorlage des Passes oder Passersatzes sowie aller Urkunden und sonstiger Unterlagen, die für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können (z.B. Geburtsurkunde, Führerschein), § 15 Abs. 2 Nr. 4, 5 AsylG. Die Echtheit der Dokumente wird vom BAMF im Rahmen einer physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung überprüft. Wenn die Asylbewerber ihrer Vorlagepflicht nicht nachkommen, aber Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie im Besitz von Identitätspapieren sind, können die zuständigen Behörden die Ausländer und ihre Sachen durchsuchen, § 15 Abs. 4 S. 1 AsylG. Nach Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 136/17 Seite 4 dem vom Bundestag und Bundesrat beschlossenen, aber noch nicht in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Ausreisepflicht, soll auch das Auslesen von Datenträgern (z.B. Mobiltelefonen) zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit der Asylbewerber möglich sein. Schließlich müssen Asylbewerber erkennungsdienstliche Maßnahmen, z.B. die Abnahme von Fingerabdrücken, zur Sicherung ihrer Identität dulden, § 15 Abs. 2 Nr. 7, § 16 AsylG. Zur Prüfung der Identität des Ausländers dürfen die auf dem elektronischen Speichermedium eines Passes, anerkannten Passersatzes oder sonstigen Identitätspapiers gespeicherten biometrischen Daten (Fingerabdrücke, Lichtbild und Irisbilder) und sonstigen Daten ausgelesen, die benötigten biometrischen Daten erhoben und die biometrischen Daten miteinander verglichen werden, § 16 Abs. 1a AsylG. Zulässig sind ferner Sprachaufzeichnungen, die zur Einholung von Sprachanalysen dienen, § 16 Abs. 1 S. 2 AsylG. In Bezug auf die in Deutschland auszustellenden Identitätsdokumente von Ausländern, die um Asyl nachsuchen, ist zwischen dem Ankunftsnachweis und der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung zu unterscheiden. Der Ankunftsnachweis (§ 63a AsylG) bescheinigt die Registrierung der Asylsuchenden in Deutschland. Er wird wieder eingezogen, wenn die Ausländer nach Stellung des Asylantrags eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung (§ 63 AsylG) erhalten. Mit der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung wiederum erfüllen die Asylbewerber ihre Ausweispflicht (§ 64 Abs. 1 AsylG). Die bei der Registrierung erhobenen Daten, z.B. Name, Geburtsdatum, Geburtsort, Lichtbild, Fingerabdruckdaten, werden in einem Kerndatensystem gespeichert, auf das andere beteiligte Behörden, wie Ausländer- und Meldebehörden, zugreifen können. Mit dem Kerndatensystem sollen die Identifikation der Asylsuchenden gesichert und mehrfache Registrierungen verhindert werden. Bei minderjährigen Asylsuchenden kann das Alter unklar sein. Das für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige BAMF nimmt in der Regel keine eigenständigen Altersbestimmungen vor, sondern legt die Altersbestimmungen anderer Behörden, z.B. die der Jugendämter, zugrunde. Die Jugendämter nehmen Altersbestimmungen im Rahmen der (vorläufigen) Inobhutnahme von minderjährigen Ausländern vor. Die Jugendämter haben das Alter des Ausländers zunächst durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. In Zweifelsfällen hat das Jugendamt „auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen (…) eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen“. Eine Täuschung über die Identität kann für Asylbewerber schließlich verschiedene negative verfahrensrechtliche Auswirkungen haben. So entscheidet das BAMF über den Asylantrag innerhalb von einer Woche im beschleunigten Verfahren, wenn der Asylbewerber ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat, oder die Umstände offensichtlich diese Annahme rechtfertigen (§ 30a Abs. 1 Nr. 3 AsylG). Ferner ist ein unbegründeter Asylanatrag in qualifizierter Form – und mit der Folge verkürzter Ausreise- und Rechtsschutzfristen – als offensichtlich unbegründet abzulehnen , wenn der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht, § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG. Für den Fall, dass die Abschiebung des abgelehnten Asylbewerbers ausgesetzt wird (Duldung), darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn der Ausländer die Aussetzung der Abschiebung insbesondere durch Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst zu vertreten hat, § 60a Abs. 5 S. 4 Aufenthaltsgesetz. ***