© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 134/16 Zuständigkeitsfragen zu Asylpetitionen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Sonderfall der Abschiebungsanordnung 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/16 Seite 4 1. Fragestellung Es wird die Frage gestellt, wie die Zuständigkeiten zwischen dem Bundestag und den Landesparlamenten in Bezug auf Asylpetitionen verteilt sind. Hintergrund ist die auf Landesebene teilweise vorzufindende Praxis, Asylpetitionen, die sich auf Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten beziehen, ohne eigene Behandlung „zuständigkeitshalber“ an den Petitionsausschuss des Bundestages weiterzuleiten. Unter Asylpetitionen werden im Folgenden solche Petitionen verstanden, die von Asylbewerbern oder für Asylbewerber im Kontext von Asylverfahren und/oder aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingereicht werden.1 Dabei sollen insbesondere diejenigen Fallkonstellationen erörtert werden, in denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Abschiebungsandrohung nach § 34 Asylgesetz (AsylG) oder eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG gegenüber abgelehnten Asylbewerbern erlassen hat. Ferner bestehen Zuständigkeitsfragen in Fällen, in denen Asylbewerber bereits in einem anderen Staat asylrechtlichen Schutz erhalten haben und deren Asylanträge daher vom BAMF abgelehnt wurden. 2. Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern bei Parlamentspetitionen Nach Art. 17 GG hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Das Erfordernis der Zuständigkeit gilt nicht nur für Petitionen an die „zuständigen Stellten“, sondern auch für Petitionen an die Volksvertretungen (Parlamentspetitionen).2 Für Asylpetitionen könnten der Bundestag und/oder die Landesparlamente zuständig sein. 2.1. Verbandskompetenz von Bund und Ländern Die Zuständigkeit bei Parlamentspetitionen richtet sich nach der betroffenen Verbandskompetenz: Bezieht sich der Gegenstand der Petition auf eine Angelegenheit, die in die Verbandskompetenz des Bundes fällt, ist der Petitionsausschuss des Bundestages zuständig, bei einer Verbandskompetenz der Länder sind es die Petitionsausschüsse der Länder.3 Innerhalb ihrer Verbandskompetenz sind die Parlamente nicht nur für Angelegenheiten zuständig, die in ihre Organkompetenz fallen und für die ihnen dementsprechend die Abhilfekompetenz zukommt, sondern auch für Angelegenheiten aus den Bereichen der Exekutive und Judikative. Die Parlamente verfügen insoweit 1 In diesem Sinne auch Schröder, Leitfaden für Asylpetitionen beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages , in: Asylmagazin 2004, 7 ff. („Petitionen, die sich für den weiteren Aufenthalt einer Asylbewerberin oder eines Asylbewerbers im Bundesgebiet aussprechen“). Siehe auch Gerstberger, Asylpetitionen im Deutschen Bundestag, in: Barwig u.a. (Hrsg.), Ausweisung im demokratischen Rechtsstaat (1995), 95 ff. 2 Statt vieler Klein, in: Maunz/Dürig , GG (Loseblatt-Slg., Stand: Oktober 2011), Rn. 104 f. zu Art. 17. Zu Administrativpetitionen siehe Röper, Über Administrativpetitionen, DÖV 2015, 456 ff. 3 Siehe Bauer, in: Dreier, GG (3. Aufl., 2015), Rn. 24 zu Art. 45c; Vitzthum/März, Der Petitionsausschuss, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis (1989), § 45 Rn. 16; Langenfeld, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX (3. Aufl., 2011), § 39 Rn. 43. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/16 Seite 5 über eine sog. formelle Allzuständigkeit.4 Dementsprechend behandelt der Petitionsausschuss des Bundestages nach Nr. 5 der Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (Verfahrensgrundsätze) Petitionen, die folgende Bereiche betreffen: – den eigenen Zuständigkeitsbereich des Bundestages, insbesondere die Bundesgesetzgebung, – den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung, von Bundesbehörden oder sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben des Bundes wahrnehmen, – die anderen Verfassungsorgane des Bundes, – den Vollzug von Bundesrecht oder EU-Recht, das die Länder als eigene Angelegenheit (Artikel 83 und 84 GG) oder im Auftrag des Bundes (Artikel 85 GG) ausführen, insoweit, als der Vollzug einer Aufsicht des Bundes unterliegt oder die Petition ein Anliegen zur Gesetzgebung des Bundes oder der EU enthält, – Gerichtsverfahren, soweit auf Bundesebene von den zuständigen Stellen ein bestimmtes Verhalten als Verfahrensbeteiligte in einem Rechtsstreit verlangt wird, eine gesetzliche Regelung gefordert wird, die eine mit den Petitionen angegriffene Rechtsprechung für die Zukunft unmöglich machen würde oder die zuständigen Stellen aufgefordert werden, ein ihnen günstiges Urteil nicht zu vollstrecken. Ausgenommen sind Petitionen, die einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit verlangen. Asylpetitionen können sich auf verschiedene Bereiche der Verbandskompetenz des Bundes und der Länder beziehen, z.B. auf die Änderung der bundesgesetzlichen Grundlagen im Asyloder Asylbewerberleistungsgesetz. Von besonderer Bedeutung sind aber Beschwerden über den Verwaltungsvollzug. Für die hier zu untersuchende Gruppe der abgelehnten Asylbewerber sind insoweit die Entscheidungen und Maßnahmen im Rahmen des Asylverfahrens und im Kontext der Aufenthaltsbeendigung maßgeblich. 2.2. Bundes- und Landeskompetenzen bei Asylpetitionen gegen den Verwaltungsvollzug Entscheidungen und Maßnahmen im Rahmen des Asylverfahrens und im Kontext der Aufenthaltsbeendigung betreffen Bundes- und Landeskompetenzen. Entsprechende Asylpetitionen können daher die Zuständigkeit des Bundestages und der Landesparlamente begründen. Da der Bundestag und die Landesparlamente die Asylpetitionen nur im Rahmen ihrer jeweiligen Verbandskompetenz behandeln können, kommt es auf die Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten an. Die Zuständigkeitsabgrenzung kann dazu führen, dass für eine konkrete Asylpetition nur der Bundestag oder nur ein Landesparlament zuständig ist, da sich der Gegenstand der Petition nur 4 Vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.12.2005 – 1 BvR 2354/05 -, juris, Rn. 6: „Im Falle der Parlamentspetition begründet Art. 17 GG zur Erfüllung diese Verpflichtung auch eine formelle Allzuständigkeit im Sinne einer Behandlungskompetenz des Parlaments, das insbesondere bei das Verhalten der Verwaltung betreffenden Petitionen mangels materieller Entscheidungskompetenz keine eigene Abhilfemöglichkeit hat, sondern im Wege politischen Einflusses Lösungen anregt und die Regierung um Abhilfe ersucht (…).“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/16 Seite 6 auf eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme des Bundes oder nur auf eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme eines Landes bezieht. Betrifft die Asylpetition aber sowohl Gegenstände der Bundesals auch der Länderkompetenz, sind Bundestag und Landesparlament nebeneinander für die jeweils in ihre Verbandskompetenz fallende Frage zuständig.5 Fälle einer ausschließlichen Zuständigkeit des Bundestages oder der Landesparlamente liegen z.B. vor, wenn sich die Asylpetition allein gegen die ablehnende Asylentscheidung des BAMF richtet (Bundestag) oder wenn allein die Nichtgewährung eines asylfremden Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörden gerügt wird (Landesparlament). Fälle einer „geteilten“ Zuständigkeit von Bundestag und Landesparlamenten können eintreten, wenn sich die Asylpetition gegen das gesamte den Asylbewerber betreffende Verfahren richtet, also gegen die ablehnende Asylentscheidung und gegen die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung. So könnte sich eine Asylpetition gegen die Ablehnung des Flüchtlingsstatus durch das BAMF wenden und zugleich die Nichtgewährung eines asylfremden Aufenthaltstitels und die Nichtbeachtung eines Duldungsgrundes durch die Ausländerbehörde rügen.6 Besondere Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen, wenn das Begehren des Petenten nicht eindeutig oder sehr allgemein formuliert ist. Der allgemeine Wunsch nach einem Bleiberecht kann sich sowohl auf die Änderung der negativen Asylentscheidung durch das BAMF als auch auf die Gewährung einer Bleibemöglichkeit durch die Ausländerbehörden beziehen. Insoweit kommt es auf die Auslegung der konkreten Asylpetition an. Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen ferner durch die im Einzelnen komplizierte Zuständigkeitsverteilung zwischen dem BAMF und den Ausländerbehörden in Bezug auf die Aufenthaltsbeendigung von abgelehnten Asylbewerbern. Grundsätzlich sind die Ausländerbehörden für die Aufenthaltsbeendigung von Ausländern zuständig. Sie prüfen insbesondere, ob gegenüber vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen und vollziehen die Abschiebung , § 71 Abs. 1 AufenthG.7 Im Rahmen von Asylverfahren fällt die Prüfung von Abschiebungshindernissen aber teilweise in die Zuständigkeit des BAMF. Das BAMF ist darüber hinaus befugt, die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern anzudrohen oder anzuordnen und damit aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten. Die Verzahnung von asyl- und aufenthaltsrechtlichen Befugnissen des BAMF wird in § 5 Abs. 1 AsylG deutlich, wonach das BAMF über Asylanträge entscheidet und „nach Maßgabe dieses Gesetzes auch für ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen zuständig“ ist.8 5 Siehe dazu auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage in BT-Drs. 16/6785, 60. 6 Zum Problem der dann „auseinanderfallenden“ Zuständigkeiten bei Asylpetitionen vgl. die Kleine Anfrage in BT-Drs. 16/6785, 58 (Frage 101) und 60 (Frage 105). 7 Vgl. Möller/Peter, in: Hofmann, Ausländerrecht (2. Aufl., 2016), Rn. 47 zu § 60 AufenthG. In Bezug auf die zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse entscheidet die Ausländerbehörde allerdings nur nach vorheriger Beteiligung des BAMF, § 72 Abs. 2 AufenthG. 8 Vgl. Preisner, in: Beck‘scher Online-Kommentar Ausländerrecht (10. Edition, Stand: Februar 2016), Rn. 4 zu § 5 AsylG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/16 Seite 7 3. Ablehnung des asylrechtlichen Schutzes Das BAMF entscheidet über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des internationalen subsidiären Schutzes, über die Anerkennung der Asylberechtigung sowie über die Gewährung national subsidiären Schutzes, § 31 Abs. 2, 3 AsylG.9 Der national subsidiäre Schutz bezieht sich auf die Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG. Die Abschiebungshindernisse in § 60 Abs. 7 AufenthG betreffen ausdrücklich konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit in dem Zielstaat der Abschiebung („von der Abschiebung … in einen anderen Staat“). Aber auch die von § 60 Abs. 5 AufenthG erfassten drohenden Menschenrechtsverletzungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu verstehen.10 Die Prüfung dieser zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse obliegt in Asylverfahren dem BAMF, § 24 Abs. 2 AsylG. Die Zuständigkeit verbleibt auch dann beim BAMF, wenn es die Prüfung der zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse pflichtwidrig unterlassen hat.11 Die Ausländerbehörden sind insoweit an die Entscheidungen des BAMF gebunden, § 42 S. 1 AsylG, und zwar auch dann, wenn nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens veränderte Umstände geltend gemacht werden. In einem solchen Fall muss der Betroffene beim BAMF einen Asylfolgeantrag oder einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens stellen.12 Auch wenn keine sachliche Prüfung des Asylantrags stattfindet, da der Asylantrag unzulässig (z.B. bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat, § 26a AsylG) oder unbeachtlich ist, sind die zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote aus § 60 Abs. 5, 7 AsylG vom BAMF zu prüfen, § 31 Abs. 3 S. 1 AsylG. Eine Unzulässigkeit des Asylantrags liegt auch vor, wenn der Asylbewerber bereits über eine ausländische Flüchtlingsanerkennung verfügt oder ihm internationaler Schutz durch einen anderen EU-Mitgliedstaat gewährt wurde (sog. Anerkannten-Fälle).13 Die Prüfung der zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse durch das BAMF bezieht sich dann auf die mögliche Abschiebung in den Schutz gewährenden Staat. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse hat das BAMF auch im Fall der Rücknahme des Asylantrags zu prüfen: Nach § 32 AsylG stellt das BAMF in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG vorliegt. 9 Zu den Arten des asylrechtlichen Schutzes siehe Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Kategorien des asylrechtlichen Schutzes, Aktueller Begriff Nr. 30/15, abrufbar unter: http://www.bundestag.btg/Butag- Verw/W/Ausarbeitungen/Einzelpublikationen/Ablage/2015/Kategorien_des_a_1450169075.pdf. 10 BVerwG NVwZ 1998, 526. 11 Siehe Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: März 2015), Rn. 52 zu § 31 AsylG: „Das Bundesamt ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, von dieser Zuständigkeit Gebrauch zu machen und seine unterlassene Feststellung von Amts wegen ggfs. nachzuholen.“ 12 Siehe Möller/Peter (Fn. 7), Rn. 48 zu § 60 AufenthG. 13 Vgl. BVerwG NVwZ 2014, 1460, 1463; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht (11. Aufl., 2016), Rn. 9 § 34a AsylG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/16 Seite 8 4. Maßnahmen im Kontext der Aufenthaltsbeendigung Mit der Ablehnung des Asylantrags wird der Asylbewerber ausreisepflichtig.14 Bei vollziehbarer Ausreisepflicht droht die Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung. Die Abschiebung kann dann nur noch abgewendet werden, wenn dem abgelehnten Asylbewerber ein anderer, asylunabhängiger Aufenthaltstitel gewährt wird oder wenn eine Duldung in Betracht kommt. Für diese Maßnahmen im Kontext der Aufenthaltsbeendigung bestehen Zuständigkeiten des BAMF und der Ausländerbehörden. 4.1. Zuständigkeiten des BAMF Gegenüber abgelehnten Asylbewerbern erlässt das BAMF die für die Vollstreckung der Ausreisepflicht (Abschiebung) erforderliche Abschiebungsandrohung. Die Abschiebungsandrohung soll bereits mit der Ablehnung des Asylantrags verbunden werden, § 34 AsylG. In der Abschiebungsandrohung wird u.a. die Frist zur freiwilligen Ausreise festgesetzt sowie der Zielstaat der Abschiebung bezeichnet, § 59 Abs. 1, 2 AufenthG. 4.2. Zuständigkeiten der Ausländerbehörden 4.2.1. Asylunabhängige Aufenthaltstitel Nach erfolgloser Beendigung des Asylverfahrens besteht die Möglichkeit, einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel zu beantragen. In Betracht kommt gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG aber nur die Beantragung eines humanitären Aufenthaltstitels nach den §§ 22 – 26 AufenthG. Wurde der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, z.B. weil der Asylbewerber über seine Identität getäuscht hat, ist eine entsprechende Antragstellung ausgeschlossen, § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG. Zuständig für die Gewährung der humanitären Aufenthaltstitel außerhalb des Asylverfahrens sind die Ausländerbehörden, § 71 Abs. 1 S. 1 AufenthG. 4.2.2. Duldung Die Ausländerbehörden entscheiden ferner über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 60a AufenthG. In § 60a Abs. 2 AufenthG sind die sog. inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse geregelt. Ist die Abschiebung oder rechtlich unmöglich, besteht ein Anspruch auf Duldung, § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG. Eine Anspruchsduldung greift ferner, wenn die Anwesenheit des Ausländers im Zusammenhang mit einem Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, § 60a Abs. 2 S. 2 AufenthG. Darüber hinaus kann eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG gewährt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern (Ermessensduldung). Zuständig für die Prüfung der Duldungsgründe sind nach § 71 Abs. 1 S. 1 AufenthG die Ausländerbehörden.15 14 Ausdrücklich geregelt ist die Ausreisepflicht allerdings nicht. Sie ergibt sich aber aus der vom BAMF nach § 34 AsylG vorzunehmenden Abschiebungsandrohung, vgl. Bergmann (Fn. 13), Rn. 5 f. zu § 34 AsylG. 15 Siehe auch Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht (11. Aufl., 2016), Rn. 56 zu § 60a AufenthG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/16 Seite 9 4.3. Sonderfall der Abschiebungsanordnung Von der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung für die Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen (BAMF) und inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen (Ausländerbehörden) gilt für den Fall der Abschiebungsanordnung eine Ausnahme. Die Abschiebungsanordnung ergeht, wenn der Asylantrag wegen Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylG oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates nach § 27a AsylG („Dublin-Zuständigkeit“) abgelehnt worden ist, § 34a Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 4 AsylG. In diesen Fällen ordnet das BAMF die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG und die damit verbundene Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise hingegen entfällt . Ziel der Abschiebungsanordnung ist es, die Rückführung in den sicheren Drittstaat oder zuständigen EU-Mitgliedstaat möglichst umgehend zu ermöglichen.16 Die Sicherheit über die Durchführung der Abschiebung erfordert nicht nur die Prüfung der zielstaatsbezogenen , sondern auch der inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse.17 Die insoweit gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt: „Nach der – von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden – jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob ‚feststeht‘, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (...). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (…).“18 Die Abschiebungsanordnung umfasst auch die sog. Aufgriffsfälle. Damit werden diejenigen Ausländer erfasst, die den Asylantrag nicht in Deutschland, sondern in einem anderen aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt haben. Das BAMF kann gegenüber diesen Ausländern die Abschiebung nach § 34a Abs. 1 S. 2 AsylG anordnen, obwohl – mangels Asylantrags in Deutschland – keine Entscheidung nach § 27a AsylG ergeht.19 16 Vgl. dazu Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: Dezember 2013), Rn. 9 ff. zu § 34a AsylG. 17 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Abschiebungsanordnung siehe auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Föderale Zuständigkeit in Dublin-Verfahren (WD 3 - 3000 - 119/14). 18 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.09.2014, Az.: 2 BvR 1795/14 (Hervorhebungen nicht im Original). 19 Vgl. Hailbronner (Fn. 16), Rn. 37 zu § 34a AsylG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/16 Seite 10 Von den Aufgriffsfällen ohne Asylantragstellung in Deutschland zu unterscheiden sind die Anerkannten -Fälle, also die Fälle, in denen den Ausländern bereits in einem anderen Staat asylrechtlicher Schutz gewährt wurde.20 Soweit der asylrechtlichen Schutz gewährende Staat zugleich dem Dublin-System unterliegt, kann eine Abschiebungsanordnung in diesen nach § 34a AsylG ergehen, entweder aufgrund der Dublin-Verpflichtungen21 oder weil es um eine – ebenfalls dem § 34a AsylG unterfallende – Abschiebung in einen sicheren Drittstaat geht.22 Auch in diesen Fällen obliegt die Prüfung der zielstaats- und inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen damit dem BAMF. Ende der Bearbeitung 20 Siehe dazu oben unter Ziff. 3. 21 So Bergmann (Fn. 13), Rn. 9 zu § 34a AsylG, der die Wiederaufnahmepflicht gegenüber subsidiär Schutzberechtigten auf Art. 18 Abs. 1, lit. b) und d) VO (EU) Nr. 604/2013 und gegenüber anerkannten Flüchtlingen auf eine analoge Anwendung der Dublin-III-Verordnung stützt. 22 Vgl. Bergmann (Fn. 13), Rn. 9 zu § 34 AsylG m.w.N. Zur abweichenden Auffassung in Bezug auf in anderen EU- Mitgliedstaaten anerkannten Flüchtlingen, gegenüber denen nur die Erteilung einer Abschiebungsandrohung in Betracht komme, siehe Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land – Rechtliche Probleme, abrufbar unter: file://parlament/daten/DP_wd3-2/Buero/20141121_funke-kaiser_schutzstatus.pdf.