© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 134/13 Videoaufzeichnungen aus Autobahntunneln nach dem Bundesdatenschutzgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/13 Seite 2 Videoaufzeichnungen aus Autobahntunneln nach dem Bundesdatenschutzgesetz Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 134/13 Abschluss der Arbeit: 17. Juli 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/13 Seite 3 1. Einleitung Die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche findet in weiten Bereichen Anwendung. Sie dient in der Regel dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Dieser Belang muss jedoch mit den Rechten von Bürgern, die der Videoüberwachung ohne Möglichkeit der Einflussnahme ausgesetzt sind, in Einklang gebracht werden. In diesem Zusammenhang muss außer auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines jeden Bürgers gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auch auf die privatrechtlichen Regelungen wie etwa aus dem Delikts-, Besitz- und Eigentumsrecht , insbesondere das Recht am eigenen Bild gemäß § 22 Kunsturhebergesetz1, geachtet werden. Eine gesetzliche Grundlage zum Einsatz von Videoüberwachungen findet sich in § 6b Bundesdatenschutzgesetz 2 (BDSG). Die Norm soll diesem Interessenausgleich Rechnung tragen.3 Anlagen zur Videoüberwachung werden auch zur Kontrolle von Tunneln auf Bundesfernstraßen eingesetzt. Dies entspricht auch der Richtlinie 2004/54/EG über die Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz4, die Videoüberwachungen von Tunneln mit einer bestimmten Beschaffenheit vorsieht. Die folgende Ausarbeitung befasst sich mit der Frage, inwieweit § 6b BDSG auf Videoüberwachungen in Autobahntunneln anzuwenden ist. Zudem werden die einzelnen Tatbestandsmerkmale erörtert, die für eine Zulässigkeit von Videoüberwachungen nach § 6b BDSG erfüllt sein müssen. 2. Die Regelung des § 6b BDSG § 6b BDSG trifft Regelungen zu Videoüberwachungen öffentlich zugänglicher Bereiche. Unter Videoüberwachung fällt nach der Definition der Norm „die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen“. Die Norm umfasst damit schon die bloße Beobachtung , auf eine Erhebung der Daten zum Zwecke der nachfolgenden Speicherung kommt es im Gegensatz zu einer Vielzahl der datenschutzrechtlichen Regelungen des BDSG nicht an. Videoüberwachungen sind gemäß § 6b BDSG nur zulässig, soweit sie für bestimmte Zwecke erforderlich sind. Zudem muss eine Interessenabwägung mit entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen stattfinden. 1 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturhebergesetz ) vom 9. Januar 1907 (RGBl. S. 7, BGBl. III/FNA 440-3), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. 2. 2001 (BGBl. I S. 266). 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. 8. 2009 (BGBl. I S. 2814). 3 BR-Drs. 461/00, S. 92. 4 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29. 4. 2004, ABl. L 167 v. 30. 4. 2004, S. 39. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/13 Seite 4 2.1. Anwendungsbereich der Norm § 6b BDSG regelt ausschließlich die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume. Darunter fallen jedenfalls Räume, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind.5 Bundesautobahnen sind als Bundesfernstraßen gemäß § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 Bundesfernstraßengesetz6 (FStrG) „öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind“. Diese Bestimmung, dem Verkehr zu dienen, und damit die Eigenschaft als Bundesfernstraße erhalten sie gemäß § 2 Abs. 1 FStrG durch Widmung. Damit ist jede öffentliche Straße, die eine Widmung als Bundesfernstraße erhalten hat, zugleich auch dem öffentlichen Verkehr gewidmet, da gerade darin der Widmungszweck zur Bundesfernstraße besteht. Die Bestimmung des § 6b BDSG kann folglich auf Bundesautobahnen angewendet werden. Eine Bebauung der Bundesautobahn mit einem Tunnelbauwerk beeinflusst nicht ihre Widmung und Eigenschaft als Bundesautobahn. Tunnel sind vielmehr gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG ein Teil der Bundesfernstraßen. Eine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Norm ist, dass die Beobachtungen durch die Videoüberwachung eine Identifizierung Betroffener grundsätzlich ermöglichen. Aus dem Schutzbereich und damit aus dem Anwendungsbereich der Norm fallen hingegen solche Beobachtungen heraus, durch die Betroffene nicht identifizierbar sind.7 Sind folglich durch Videoüberwachungen in Autobahntunneln Beobachtungen vorgesehen, die eine Identifizierung Betroffener grundsätzlich ermöglichen, sind diese nur unter den Voraussetzungen des § 6b BDSG zulässig. 2.2. Tatbestandsvoraussetzungen 2.2.1. Zweckbestimmung Gemäß § 6b Abs. 1 BDSG ist eine Videoüberwachung zu folgenden drei Zwecken zulässig: zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Erfüllung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke. Videoaufzeichnungen in Autobahntunneln könnten zunächst der Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen dienen, § 6b Abs. 1 Nr. 1 BDSG. Davon umfasst sind Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung , die sich aus dem Gesetz ergeben.8 Für eine zulässige Zweckbestimmung gemäß § 6b BDSG bedarf es daher einer weiteren gesetzlichen Grundlage, die eine Tätigkeit der öffentlichen Ver- 5 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 11. Aufl. 2012, § 6b Rn. 8. 6 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) vom 28. Juni 2007 (BGBl. I S. 1206), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. 5. 2013 (BGBl. I S. 1388). 7 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 11. Aufl. 2012, § 6b Rn. 7. 8 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 11. Aufl. 2012, § 6b Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 134/13 Seite 5 waltung festschreibt. Im Rahmen dessen wäre dann eine Videoüberwachung zulässig, soweit die weiteren Voraussetzungen des § 6b BDSG erfüllt sind. § 6b Abs. 1 Nr. 1 BDSG verweist damit auf weitere gesetzliche Grundlagen, die im Einzelfall zu prüfen sind. Ob eine Videoüberwachung im Einzelnen zulässig ist, hängt damit von einem konkreten Sachverhalt ab. Eine weitere Zweckbestimmung, die für die Zulässigkeit von Videoüberwachungen in Autobahntunneln in Frage kommt, ist die Erfüllung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke , § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG. Auch in diesem Fall ist eine Videoüberwachung nach § 6b BDSG nur zulässig, wenn sie die Zweckbestimmung einer anderen gesetzlichen Grundlage erfüllt. Auf welche konkret festgelegten Zwecke es ankommen kann, ist wiederum eine Frage des Einzelfalls und kann nur auf Grundlage eines konkreten Sachverhalts beurteilt werden. Darüber hinaus muss die Videoüberwachung gemäß § 6b Abs. 1 BDSG zur Erreichung der Zweckbestimmung erforderlich sein. Dies setzt zunächst voraus, dass die Maßnahme geeignet ist, also das Überwachungsziel tatsächlich erreicht wird. Zudem darf kein anderes, gleich wirksames, aber den Betroffenen weniger in seinen Rechten beeinträchtigendes Mittel zur Verfügung stehen.9 Ein solches Mittel ist jedoch dann nicht alternativ, wenn die Anwendung des Mittels der Stelle, die die Maßnahme durchführt, objektiv nicht zumutbar ist.10 2.2.2. Interessenabwägung Schließlich müssen für die Zulässigkeit einer Videoüberwachung gemäß § 6b Abs. 1 BDSG das durch die Maßnahme verfolgte Interesse mit den entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen der Betroffenen abgewogen werden. Schutzwürdige Interessen der Betroffenen werden vor allem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das darin enthaltene Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt jedem Einzelnen die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen.11 Eine Überwachung ist daher nur dann zulässig, wenn das Interesse der Betroffenen an dem Schutz ihrer persönlichen Daten nicht überwiegt. Dies erfordert eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. 9 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 11. Aufl. 2012, § 6b Rn. 18a. 10 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 11. Aufl. 2012, § 6b Rn. 18b. 11 BVerfGE 117, 202, 228.