Deutscher Bundestag Frauenquote in politischen Parteien Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 129/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 2 Frauenquote in politischen Parteien Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 129/12 Abschluss der Arbeit: 20. Juni 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vereinbarkeit einer verpflichtenden Frauenquote für die Wahl von Parteiorganen mit Art. 21 GG 4 2.1. Grundsätzliche Vereinbarkeit verpflichtender Frauenquoten bei parteiinternen Wahlen mit Art. 21 GG 4 2.2. Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Ausgestaltung mit Art. 21 GG 5 3. Vereinbarkeit einer verpflichtenden Frauenquote bei der Aufstellung von Kandidaten für Wahlen zu den Gesetzgebungskörperschaften des Bundes oder des Landes im Statut einer Partei mit Art. 38 GG und dem Bundeswahlgesetz 6 3.1. Vereinbarkeit mit Art. 38 Abs. 1 GG 6 3.2. Vereinbarkeit mit BWahlG 8 4. Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Frauenquote mit der Verfassung und einfachem Recht 8 4.1. Vereinbarkeit mit Art. 21 GG 8 4.2. Vereinbarkeit von Sanktionen mit einfachem Recht 9 5. Vereinbarkeit einer „weichen“ Frauenquote mit der Verfassung und einfachem Recht 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 4 1. Einleitung In einigen Parteien bestehen bereits satzungsrechtliche Regelungen, um eine angemessenere Repräsentation von Frauen in politischen Parteien zu gewährleisten.1 Die nachfolgende Ausarbeitung beschäftigt sich mit der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Zulässigkeit von Frauenquoten in politischen Parteien. Hierbei geht es zunächst um die Einführung verpflichtender Frauenquoten für die Wahl von Parteiorganen, sodann um eine verpflichtende Quote für öffentliche Wahlen. Ferner werden die Zulässigkeit von Sanktionen bei Verstößen gegen entsprechende satzungsrechtliche Regelungen sowie die Zulässigkeit einer „weichen“ Frauenquote erörtert. 2. Vereinbarkeit einer verpflichtenden Frauenquote für die Wahl von Parteiorganen mit Art. 21 GG Zunächst ist zu prüfen, ob eine politische Partei in ihrer Satzung eine Verpflichtung aufnehmen kann, dass bei den Wahlen zu den Organen der Partei die Anzahl der weiblichen Mitglieder der Partei prozentual bei der Besetzung dieser Gremien berücksichtigt wird. 2.1. Grundsätzliche Vereinbarkeit verpflichtender Frauenquoten bei parteiinternen Wahlen mit Art. 21 GG Die Vereinbarkeit einer entsprechenden Regelung mit Art. 21 GG ist umstritten. Gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG muss die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen. Dies bedeutet, dass grundsätzlich alle Parteimitglieder über das gleiche passive Wahlrecht verfügen müssen.2 Allerdings ist anerkannt, dass die demokratischen Grundsätze, die das Staatswesen formen, nur in modifizierter Form auf die Binnenorganisation der Parteien angewandt werden können, um den Unterschieden zwischen Staat und Partei Rechnung zu tragen.3 Gegen die Vereinbarkeit wird der Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl eingewendet4; die Frauenquote bewirke, dass die Entscheidung über die Zusammensetzung des zu wählenden Organs nicht durch den Wahlakt bestimmt, sondern durch Satzungsbestimmungen präjudiziert werde.5 1 Vgl. z.B. §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 23 Abs. 1 des Organisationsstatuts der SPD, § 10 Abs. 4 der Satzung des Bundesverbandes Bündnis 90/DIE GRÜNEN, § 15 Abs. 2 Statut der CDU – Sollvorschrift. 2 Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz Kommentar, 12. Aufl. 2011, Art. 21 Rn. 81. 3 Streinz in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 21 Abs. 1 Rn. 150, Pieroth in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Aufl 2011, Art. 21 Rn. 23. 4 Sannwald (Fn. 2), Art. 21 Rn. 81. 5 Henke in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz (BK), 64. Lfg. 1991, Art. 21 Rn. 289; Heyen, Allgemeines und gleiches Wahlrecht durch gleiche Quoten?, DÖV 1989, S. 652; Maidowski, Umgekehrte Diskriminierung - Quotenregelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in den politischen Parteien, 1989, S. 184 ff., der allerdings eines begrenzte Quotierung für zulässig erachtet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 5 Bei einer Quotierung werde den Männern jede Chance auf eine Wahl auf die den Frauen reservierten Plätze versperrt.6 Das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, wie es in Art. 3 Abs. 3 GG niedergelegt ist, könne weder durch einen Verweis auf den Vorrang des Gebots der Förderung der Gleichberechtigung des Art. 3 Abs. 2 GG, noch mit Repräsentationsvorstellungen , dem Sozialstaatsprinzip oder dem Übergangscharakter einer Quotenregelung überwunden werden.7 Vielmehr müsse die gleiche Repräsentation der Frauen durch eine Änderung der Einstellung der Wähler und den daraus sich ergebenden Wahlergebnissen erfolgen.8 Für die Vereinbarkeit der Frauenquote mit Art. 21 GG wird vorgebracht, eine Partei müsse die Möglichkeit haben, entsprechend ihrer politischen Programmatik bestimmte Mitgliedergruppen besonders in ihren Organen zu repräsentieren. Der Grundsatz der Programmfreiheit rechtfertige die Einschränkung des Grundsatzes der Stimmen- und Wahlgleichheit.9 Die Anforderungen des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG an die demokratische Entscheidungsfindung innerhalb einer Partei seien nicht so streng wie innerhalb des Staates; eine Frauenquote sei daher weder verboten noch geboten , solange den Männern noch eine faire Mitwirkungschance innerhalb der Partei belassen bliebe .10 Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor, da Art. 3 Abs. 2 GG selbst den Staat berechtige, eine weiter fortbestehende Benachteiligung von Frauen auszugleichen. Nicht nur dem Gesetzgeber , erst recht dem Satzungsgeber einer Partei müsse ein weiter Einschätzungsspielraum zugestanden werden, ob eine tatsächliche Benachteiligung vorliege.11 Parteiintern seien auch rechtliche Benachteiligungen zulässig, die im staatlichen Raum nicht zulässig wären.12 2.2. Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Ausgestaltung mit Art. 21 GG Wenn mit der wohl überwiegenden neueren Lehre von der grundsätzlichen Zulässigkeit von verpflichtenden Quotenregelungen für Wahlen zu Parteiorganen ausgegangen wird, ist als nächstes die konkrete Ausgestaltung einer entsprechenden Regelung zu überprüfen. 6 Lenski, Parteiengesetz und Recht der Kandidatenaufstellung, 1. Aufl. 2011, § 10 PartG Rn. 27. 7 Sachs, Gleichberechtigung und Frauenquoten, NJW 1989, S. 553, 555f. 8 Henke (Fn. 5), Art. 21 Rn. 289. 9 Klein in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, 64. EL 2012, Art. 21 Rn. 347; Ipsen in: ders., Parteiengesetz Kommentar, 2008, § 17 Rn. 19; Augsberg in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz (PartG) und europäisches Parteienrecht , Kommentar, 1. Aufl. 2009, § 15 Rn. 28; Pieroth in: Jarass/Pieroth (Fn. 3), Art. 21 Rn. 24. 10 Kunig in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht, Bd. 3, 3. Aufl. 2005, § 40 Rn. 34; ebenso Ebsen, Verbindliche Regelungen für Männer und Frauen in Parteistatuten, 1988; Lange, „Frauenquoten“ in politischen Parteien, NJW 1988, 1174, 1179 f.; ähnlich von Nieding, Politische Wahlen und Frauenquote - Eine Betrachtung zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von geschlechtsbezogenen Förderungsmaßnahmen in der Politik, NVwZ 1994, 1171, 1174; Morlok in: Dreier, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 3. Aufl. 2006, Art. 21 Rn. 137; Gusy in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl. 2001, Art. 21 Rn. 70; Pieroth in: Jarass/Pieroth (Fn. 3), Art. 21 Rn. 24; Schreiber, Bundeswahlgesetz - Kommentar, 8. Aufl. 2009, § 27 Rn. 14. 11 Augsberg in: Kersten/Rixen (Fn.9), § 15 Rn. 28. 12 Augsberg in: Kersten/Rixen (Fn.9), § 15 Rn. 28 f.; Oebbecke, Quotierung auf Landeslisten: Zur Zulässigkeit des Reißverschlußverfahrens bei der Aufstellung von Landeslisten für die Bundestagswahl, JZ 1988, 176, 180 f.; vgl. Bundesschiedsgericht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, NVwZ-RR 1999, 545, 546. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 6 Die vorgeschlagene Ausgestaltung sieht die prozentuale Berücksichtigung von Frauen bei Parteiämtern vor, wobei die Bezugsgröße entweder der Anteil an Frauen in der Mitgliedschaft in der betreffenden Gliederung der Partei oder in der Gesamtpartei oder des zuständigen Landesverbandes der Partei ist. Die Verpflichtung zur prozentualen Berücksichtigung von Frauen entsprechend ihres prozentualen Anteils in der Partei belässt den Männern – soweit es sich nur um Gremien handelt, die mit mehreren Personen besetzt sind – fraglos noch eine faire Mitwirkungschance innerhalb der Partei und wäre damit mit der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur mit Art. 21 GG vereinbar. Als Bezugsgrößen kommen sowohl die Gliederung der Partei, der Landesverband oder die Gesamtpartei in Betracht. Es ist lediglich zu berücksichtigen, dass bei den konkreten Wahlen ausreichend Bewerbungen des unterrepräsentierten Geschlechts vorliegen; sollte dies nicht der Fall sein, müssten die entsprechenden Plätze wohl mit dem anderen Geschlecht besetzt werden dürfen.13 3. Vereinbarkeit einer verpflichtenden Frauenquote bei der Aufstellung von Kandidaten für Wahlen zu den Gesetzgebungskörperschaften des Bundes oder des Landes im Statut einer Partei mit Art. 38 GG und dem Bundeswahlgesetz14 Die Aufstellung von Kandidaten für Wahlen zu Gesetzgebungskörperschaften ist nicht nur ein wesentliches Element der Mitwirkung politischer Parteien an der politischen Willensbildung, sondern auch Teil der Wahlvorbereitung. Daher handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um eine „Nahtstelle“ zwischen der inneren Ordnung der politischen Parteien, die diese im Rahmen des Art. 21 GG weitgehend autonom gestalten können, und das auf die Staatsbürger bezogene Wahlrecht.15 Für die Kandidatenaufstellung zu öffentlichen Wahlen gelten daher die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 GG.16 Auch bei diesen Aufstellungen ist die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz sowie dem Bundeswahlgesetz umstritten. 3.1. Vereinbarkeit mit Art. 38 Abs. 1 GG Einige Autoren halten eine verpflichtende Frauenquote in diesem Bereich für unzulässig. Bei einer verpflichtenden Frauenquote bei der Aufstellung von Kandidaten zu öffentlichen Wahlen handele es sich um einen Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit, der in diesem Bereich auch nicht durch die Parteienfreiheit gerechtfertigt werden könne. Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedürfe ein Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit, die es in einem strengen und formalen Sinne verstehe, eines zwingenden Grundes, der seine Legitimation unmittelbar aus der 13 Ähnlich Lange (Fn. 10), NJW 1988, 1174, 1182. 14 Bundeswahlgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288, 1594), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. April 2012 (BGBl. I S. 518) geändert worden ist. 15 BVerfGE 89, 243, 252. 16 Ipsen in: Ipsen (Fn. 9), § 17 Rn. 20; Achterberg/Schulte in: Dreier (Fn. 10), Art. 38 Abs. 1 Rn. 144 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 7 Verfassung erfahre und ein vergleichbares Gewicht besitze.17 Dies sei bei Frauenquoten nicht der Fall. Auch Art. 3 Abs. 2 GG, der als Staatsziel die Herstellung der tatsächlichen Gleichberechtigung der Geschlechter fordere und in diesem Sinne wohl auch die Beseitigung einer Unterrepräsentation von Frauen in Parlamenten erfordern könnte, rechtfertige diese Einschränkung nicht. Schließlich handele es sich hierbei nicht um ein Kollektivgrundrecht, sondern nur um ein Staatsziel.18 Außerdem dürften auch bei Maßnahmen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung die Differenzierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 Satz nicht durchbrochen werden. Sollte eine solche Durchbrechung grundsätzlich für möglich gehalten werden, ließe sich diese aber bei dem für das Gemeinwesen fundamentalen Wahlrechtsgleichheitssatz nicht rechtfertigen.19 Für die Zulässigkeit einer verpflichtenden Frauenquote wird eingewandt, auch die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 GG seien – obwohl vorbehaltlos gewährleistet – gewissen Einschränkungen zugänglich.20 Als „zwingender Grund“, der den Wahlgrundsatz der Wahlgleichheit einschränken könne, käme die Organisations- und Programmfreiheit der Parteien, die von Art. 21 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GG geschützt seien, in Betracht.21 Der besonders bedeutsame Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit müsse im Wege der praktischen Konkordanz mit der Funktion der Parteien als Faktor der politischen Willensbildung im Staat in Einklang gebracht werden.22 Innerparteiliche Quotenregelungen seien daher nicht ohne Weiteres als verfassungswidrig anzusehen. Als Prüfungsmaßstab müsse auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zurückgegriffen werden, der bei der Kandidatenaufstellung besonders streng zu prüfen sei.23 Hierbei sei die Staatsaufgabe der Herstellung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, der in Art. 3 Abs. 2 GG niedergelegt sei, zu beachten. Wenn dieses Ziel bereits den Staat binde, dürfe den Parteien die Verfolgung desselben Ziels mit geeigneten und erforderlichen Mitteln wie beispielsweise der Frauenquote nicht verwehrt werden.24 17 Ipsen in: Ipsen (Fn. 9), § 17 Rn. 21 mit Verweis auf BVerfGE 95, 418; Klein in: Maunz/Dürig (Fn. 9), Art. 38 Rn. 123. 18 Ipsen in: Ipsen (Fn. 9), § 17 Rn. 22 mit Nachweisen zum Staatszielcharakter. 19 Ipsen in: Ipsen (Fn. 9), § 17 Rn. 24. Im Ergebnis ebenso Heyen, Allgemeines und gleiches Wahlrecht durch gleiche Quoten? Nachlese zum SPD-Beschluß einer geschlechtsparitätischen Mandatsverteilung, DÖV 1989, 649, 654; Pieroth in: Jarass/Pieroth (Fn. 10), Art. 38 Rn. 22a. 20 Klein in: Maunz/Dürig (Fn. 9), Art. 38 Rn. 85 und 108 (60. EL 2010). 21 So auch Achterberg/Schulte in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 3), Art. 38 Abs. 1 Rn. 145; Maidowski (Fn. 5) S. 193, 195. 22 Achterberg/Schulte (Fn. 21), Art. 38 Abs. 1 Rn. 146 m.w.N. 23 Achterberg/Schulte (Fn. 21), Art. 38 Abs. 1 Rn. 147 m.w.N. 24 Klein (Fn. 20) Art. 38 Rn. 108; Oebbecke (Fn. 12), S. 176 ff.; Achterberg/Schulte in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 3), Art. 38 Abs. 1 Rn. 145 - 147; Morlok in: Dreier (Fn.10), Art. 38 Rn. 102; Trute in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz -Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 41, 62; Roth in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar , 2002, Art. 38 Rn. 78; Eulers, Frauen im Wahlrecht: Möglichkeiten zur Verbesserung der Partizipation von Frauen im Bundestag, 1991, S. 136 f., 148, 151; Deller, Die Zulässigkeit von satzungsrechtlichen und gesetzlichen Quotenregelungen zugunsten von Frauen in politischen Parteien, 1994, S. 10; Schreiber (Fn. 10), § 27 Rn. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 8 3.2. Vereinbarkeit mit BWahlG Soweit mit der überwiegenden Meinung im neueren Schrifttum die Zulässigkeit einer parteiinternen Quotierung von Kandidatenlisten zu öffentlichen Wahlen angenommen wird, müsste diese Quotierung auch mit den Vorschriften des BWahlG im Einklang stehen. Hier kommt insbesondere ein Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Satz 2 BWahlG in Betracht, der die Vorschlagsberechtigung für jeden stimmberechtigten Teilnehmer einer Wahlversammlung im Sinne des § 21 BWahlG vorsieht. Hieraus wird gefolgert, ein entsprechendes Vorschlagsrecht müsse uneingeschränkt sein und dürfe nicht durch eine Frauenquote eingeschränkt werden.25 Entsprechend müsse das Vorschlagsrecht für jede Position des Wahlvorschlages – also auch für Platz 1 der Landesliste – für jeden Teilnehmer offenstehen.26 Dem Parteivorstand bleibt es aber auch nach dieser Ansicht unbenommen , durch seine Vorschläge darauf hinzuwirken, dass die Geschlechter zu gleichen Teilen und alternierend auf dem Wahlvorschlag vertreten sind. 4. Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Frauenquote mit der Verfassung und einfachem Recht Der Vorschlag sieht bei Nichteinhaltung der Frauenquote innerparteiliche Sanktionen vor. Entweder würde bei Nichterfüllung der Frauenquote die betreffende Gliederung Delegiertenmandate auf der nächsthöheren Ebene verlieren oder die betreffende Gliederung müsste Strafzahlungen an die nächsthöhere Ebene oder die Bundespartei zahlen. Entsprechende Regelungen müssten mit der Verfassung – insbesondere Art. 21 GG – und einfachem Recht in Einklang stehen. 4.1. Vereinbarkeit mit Art. 21 GG Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG fordert, dass die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Allerdings unterliegen die Anforderungen an diese Ordnung – wie bereits unter 2.1 ausgeführt – einer Modifizierung. Ein Verstoß gegen die demokratische Grundausrichtung läge vor, wenn die Partei keine Gebietsverbände hätte oder aber einzelne Mitglieder von einzelnen innerparteilichen Wahlen ausgeschlossen würden.27 Zu den demokratischen Grundsätzen gehört ferner das Recht aller Mitglieder, an der Meinungs- und Willensbildung der Partei 14 f. mit zahlreichen Nachweisen; Lange (Fn. 10), NJW 1988, 1174, 1180; Oebbecke, JZ 1988, 176, 179 f. Im Ergebnis ebenso Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 28. Januar 2005, BT-Drs. 15/4750, Anlage 19. 25 Lenski (Fn. 6), § 21 Rn. 87; Ipsen, Gesetzesrecht und Satzungsrecht bei der Kandidatenaufstellung politischer Parteien, DVBl. 2004, 532, 535 f. 26 Schreiber (Fn. 10), § 27 Rn. 15 a.E. 27 Kunig (Fn. 10), § 40 Rn. 34 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 9 entsprechend ihrer Stellung mitzuwirken.28 Diese Rechte werden aber durch das Mehrheitsprinzip und die festgelegte politische Leitlinie, wie sie im Parteiprogramm ausgestaltet ist, begrenzt. Der gleiche Einfluss aller Mitglieder im Sinne einer Basisdemokratie wird nicht als notwendig angesehen.29 Wird den betreffenden Gliederungen, die bei parteiinternen Wahlen oder der Kandidatenaufstellung gegen eine satzungsgemäße verpflichtende Frauenquote verstoßen, das Recht zur Entsendung von Delegierten auf die nächsthöhere Ebene verkürzt, wären die Mitglieder der betroffenen Gliederung weniger stark bei der Entscheidungsfindung auf der nächsthöheren Ebene vertreten. Dies könnte aber gerechtfertigt sein, wenn die Partei durch eine entsprechende Klausel in Satzung und/ oder Parteiprogramm die Gleichstellung beider Geschlechter auch im politischen Leben als politische Leitlinie festlegt. In diesem Fall wäre auch die Kürzung von Delegiertenstimmen auf der nächsthöheren Ebene mit Art. 21 GG zu rechtfertigen.30 In dieser Hinsicht wäre wohl auch die Verhängung einer „Strafzahlung“ für die betroffene Gliederung , die diese an die nächsthöhere Ebene oder die Bundespartei zu zahlen hat, grundsätzlich mit Art. 21 GG zu vereinbaren, zumal die Geldzahlungen nicht die Vertretung der Gliederung auf der nächsthöheren Ebene beeinträchtigen würde. 4.2. Vereinbarkeit von Sanktionen mit einfachem Recht Fraglich ist, ob entsprechende Sanktionen mit den Vorschriften des PartG31 im Einklang stehen. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 PartG müssen die schriftlichen Satzungen der Parteien Bestimmungen über zulässige Ordnungsmaßnahmen gegen Gebietsverbände enthalten. Diese Vorschrift gebietet nicht die Aufnahme von Ordnungsmaßnahmen in die Satzung, sondern will vielmehr sicherstellen , dass die Partei sämtliche mögliche Ordnungsmaßnahmen gegen Gebietsverbände in der Satzung festlegt. Nicht in der Satzung genannte Ordnungsmaßnahmen wären damit unzulässig.32 Als Maßnahmen gegen Gebietsverbände sieht § 16 Abs. 1 PartG Auflösung und Ausschluss nachgeordneter Gebietsverbände sowie die Amtsenthebung ganzer Organe derselben vor. An die genannten Sanktionen stellt das Gesetz bestimmte Anforderungen. Andere, weniger einschneidende Maßnahmen bleiben daneben aber zulässig, soweit sie ausdrücklich in der Satzung vorgesehen sind.33 Der – vorübergehende – Stimmentzug eines Gebietsverbandes oder auch eine Strafzahlung wären jedenfalls ein milderes Mittel gegenüber der Auflösung oder dem Ausschluss 28 Henke (Fn. 5), Art. 21 Rn. 264. 29 Henke (Fn. 5), Art. 21 Rn. 264. 30 Ähnlich Lange (Fn. 10), NJW 1988, 1174, 1182 f. 31 Parteiengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. August 2011 (BGBl. I S. 1748) geändert worden ist. 32 Ipsen in: Ipsen (Fn. 9), § 6 Rn. 10; Augsberg in: Kersten/Rixen (Fn. 9), § 6 Rn. 18; Lenski (Fn. 6), § 6 Rn. 23. 33 Wißmann in: Kersten/Rixen (Fn. 9), § 16 Rn. 14; Lenski (Fn. 6), § 16 Rn. 22; anders wohl Ipsen in: Ipsen (Fn. 9), § 16 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 129/12 Seite 10 nachgeordneter Gebietsverbände, so dass diese Sanktionen wohl mit dem PartG im Einklang stünden. 5. Vereinbarkeit einer „weichen“ Frauenquote mit der Verfassung und einfachem Recht Nach ganz einhelliger Auffassung34 können sich Parteien in ihren Satzungen oder durch einfachen Beschluss auf die Einhaltung einer Frauenquote verpflichten, soweit dies eine „Soll- Vorschrift“ ist. In diesem Fall würde zwar politischer Druck aufgebaut, das uneingeschränkte Vorschlagsrecht und das passive Wahlrecht blieben aber unberührt. 34 Statt vieler nur die im Übrigen kritischen Stimmen Lenski (Fn. 6), § 21 Rn. 88; Ipsen (Fn. 25), 535, Sannwald (Fn. 2), Art. 21 Rn. 81.