© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 126/17 Legislativer Fußabdruck Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 126/17 Seite 2 Legislativer Fußabdruck Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 126/17 Abschluss der Arbeit: 30.08.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 126/17 Seite 3 1. Einleitung Der Sachstand thematisiert die Anwendung des sogenannten „legislativen Fußabdrucks“ in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten und in den USA. Die Ausführungen aktualisieren den Sachstand „Legislativer Fußabdruck“ aus dem Jahr 2011 (Az. WD 3 - 3000 – 056/11). Ausgeklammert wird dabei die Rechtslage in Deutschland, die gegenüber den Ausführungen im genannten Sachstand unverändert geblieben ist. Nach Informationen aus den jeweiligen Ländern hat sich die Rechtlage zum „legislativen Fußabdruck “ in den meisten thematisierten Staaten nicht bis kaum verändert. Zu diesen Ländern zählen : Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Litauen, Polen, Slowenien, Ungarn sowie die USA. Im Einzelnen ist die Rechtslage in diesen Staaten derzeit wie folgt ausgestaltet: 2. Rechtslage in den Staaten mit einem „legislativen Fußabdruck“ 2.1. Dänemark Im dänischen Recht existieren keine spezifischen Regelungen zum „legislativen Fußabdruck“. In der parlamentarischen Praxis und durch Richtlinien des Präsidiums des dänischen Parlaments hat sich jedoch das Vorgehen etabliert, dass alle schriftlichen Dokumente (Briefe, E-Mails usw.), die von Interessengruppen und Lobbyisten an den für den Gesetzentwurf zuständigen Ausschuss gesendet wurden, auf der Homepage des Parlaments veröffentlicht werden. Darüber hinaus hat das Justizministerium eine Richtlinie herausgegeben, die besagt, dass jeder Gesetzentwurf eine Auflistung enthalten soll über alle Organisationen (Interessengruppen, Sachverständige usw.), die vom zuständigen Ministerium bei der Ausarbeitung des Gesetzesvorschlags konsultiert wurden. Die Antworten und Beiträge dieser Organisationen werden ebenfalls auf der Homepage des Parlaments veröffentlicht und sind somit für jedermann zugänglich. 2.2. Estland Estland verfügt über weitreichende Regelungen zum „legislativen Fußabdruck“ und zur transparenten Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens. Allgemein wird der gesamte Entscheidungsprozess der Regierung und des Parlaments, vom Initiativbereich bis hin zur Veröffentlichung des Endergebnisses, öffentlich gemacht und kann auch in elektronischer Form abgerufen werden. Transparenzvorgaben enthalten dabei bereits die Regelungen für die Erstellung von Gesetzentwürfen . In den Erläuterungen zu einem Gesetzentwurf sind demnach grundsätzlich Anmerkungen über sämtliche beteiligten staatlichen oder lokalen Institutionen, privaten Interessengruppen oder Sachverständigen aufzunehmen. Die Anmerkungen müssen dabei einen Überblick über den Inhalt der geäußerten Stellungnahmen enthalten. Zudem sind auch Angaben über das Ausmaß ihrer Berücksichtigung zu tätigen. Wird ein Gesetzentwurf an das Parlament übermittelt, werden die Äußerungen staatlicher Institutionen und von Privaten getrennt dargestellt. Bei beteiligten Privaten werden grundsätzlich deren Namen genannt sowie die erfolgten Treffen aufgezählt. Zudem werden deren Vorschläge in einem Anhang dargestellt. In diesem Anhang sind sowohl der Inhalt des jeweiligen Vorschlages als auch der Name der Person, die den Vorschlag übermittelt hat, enthalten. Darüber hinaus werden Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 126/17 Seite 4 die Vorschläge benannt, die in den Entwurf eingeflossen sind. Wurden Vorschläge zurückgewiesen , sind die Gründe für diese Zurückweisung darzustellen. Transparenzvorgaben existieren darüber hinaus auch für das weitere Gesetzgebungsverfahren. Werden Interessengruppen oder Organisationen etwa in den Ausschussberatungen beteiligt, so werden deren Stellungnahmen und Äußerungen auf der Internetseite des Parlaments veröffentlicht . In der Praxis wurde in Estland die Erfahrung gemacht, dass die dargestellte Beteiligung von Interessengruppen das Gesetzgebungsverfahren verlängert hat. Entsprechende Evaluationen liegen diesbezüglich jedoch noch nicht vor. 2.3. Finnland Eine spezielle gesetzliche Grundlage für einen „legislativen Fußabdruck“ existiert in Finnland nicht. Die allgemeinen Vorgaben zur Erstellung von Gesetzentwürfen durch die Regierung schreiben jedoch vor, dass in der Begründung des Entwurfs sämtliche öffentlichen und nichtöffentlichen Akteure aufgelistet werden, die an der Ausarbeitung des Entwurfs beteiligt wurden. Fand eine besondere Anhörung dieser Akteure statt, so muss die Begründung diese benennen und eine Wiedergabe ihrer wesentlichen Erwägungen enthalten. Zudem sind die Schlussfolgerungen in den Begründungstext aufzunehmen, die aus den jeweiligen Stellungnahmen gezogen wurden. In den allgemeinen Richtlinien für die Ausschüsse ist zudem vorgesehen, dass die Ausschussberichte die Namen aller Sachverständigen enthalten, die in den Ausschüssen angehört wurden. Die Ausschussberichte wie auch deren Ausführungen werden nach Abschluss des Verfahrens im Ausschuss online veröffentlicht. 2.4. Frankreich In Frankreich existieren keine spezifischen gesetzlichen Vorgaben, die einen „legislativen Fußabdruck “ zum Gegenstand haben. Das französische Parlament wendet jedoch eine Reihe von Instrumenten an, die eine gewisse Nachvollziehbarkeit von äußeren Eingriffen auf das Gesetzgebungsverfahren gewährleisten sollen. Derzeit ist das Parlament bestrebt, zwei Grundsätze miteinander in Einklang zu bringen. So soll einerseits durch den Gesetzgeber umfassend auf die Expertise von Fachleuten zurückgegriffen werden können. Andererseits ist dabei jedoch sicherzustellen, dass die Interessen der Allgemeinheit etwaigen Partikularinteressen stets vorgehen. Um die Transparenz bei der Gesetzgebung umfassend zu gewährleisten, greift das französische Parlament im Wesentlichen auf drei Instrumente zurück: Es besteht zunächst ein Verzeichnis der Interessenvertreter. Dieses soll Interessenvertreter öffentlich machen, die mit den Abgeordneten bei deren Mandatsausübung in Kontakt kommen. Mit der Aufnahme in das Verzeichnis erkennt der jeweilige Interessenvertreter auch einen Verhaltenskodex an. Dieser verpflichtet ihn, etwa aufzuzeigen in wessen Auftrag er tätig wird. Darüber hinaus müssen auch die Umstände dargelegt werden, unter denen die Kontaktaufnahme zu den Abge- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 126/17 Seite 5 ordneten erfolgt. Weiterhin sind verschiedene ethische Verpflichtungen durch die Interessenvertreter anzuerkennen. Im Juli 2017 wurde das Verzeichnis, das vorher von der Nationalversammlung geführt wurde, einer unabhängigen Behörde übertragen. Ein weiteres Instrument zur Verbesserung der Transparenz im Gesetzgebungsverfahren stellt die Genehmigungspflicht für Arbeitsgruppen dar. Arbeitsgruppen sind Gremien, die allen Abgeordneten offen stehen und die sich mit speziellen Themenfeldern beschäftigen. In den Arbeitsgruppen sollen sich die Abgeordneten austauschen können und technische wie juristische Fragen beraten , die auch die ständigen Ausschüsse beschäftigen. Um eine rechtskonforme Arbeit der Arbeitsgruppen zu gewährleisten, ist für deren Bildung ein besonderes Genehmigungsverfahren vorgesehen. Eine Verbesserung der Transparenz soll weiterhin durch die parlamentarischen Berichte erreicht werden. Danach enthalten die Berichte der jeweiligen Ausschüsse eine Auflistung sämtlicher Personen, mit denen der Berichterstatter Gespräche geführt hat. Dabei ist auch darzulegen, ob diese Personen im Verzeichnis der Interessenvertreter aufgeführt sind. Fanden keine Gespräche statt, ist auch dies ausdrücklich im Bericht zu erwähnen. 2.5. Litauen In Litauen existiert ebenfalls keine spezifische Regelung zum „legislativen Fußabdruck“. Nach Artikel 135 der Geschäftsordnung des litauischen Parlaments sollen die Anmerkungen zu einem Gesetzesentwurf jedoch Informationen enthalten über: Die Gründe für die Ausarbeitung des Gesetzes. Angaben über die Akteure, die den Entwurf initiiert haben. Angaben über die Akteure, die an der Ausarbeitung beteiligt waren sowie die Berichte von konsultierten Experten und Sachverständigen. Sonstige Angaben, die für notwendig erachtet werden. 2.6. Polen Laut der Geschäftsordnung des Ministerrates in Polen müssen alle Organisationen und Sachverständigen , die bei der Ausarbeitung eines Gesetzes vom zuständigen Ministerium konsultiert wurden, auf dem jeweiligen Gesetzesentwurf aufgelistet werden. Ebenfalls soll veröffentlicht werden, inwiefern die Informationen der Sachverständigen in den Gesetzesentwurf eingeflossen sind. Des Weiteren finden sich in der Geschäftsordnung des polnischen Parlaments (Sejm) Regelungen für die Aktivitäten von Lobbyvertretern. Alle Vertreter von Lobbyorganisationen, Interessengruppen , NGOs usw., die an öffentlichen Anhörungen zu Gesetzesvorhaben der Regierung teilnehmen, werden in einem Register erfasst. Die Sitzungen der Ausschüsse werden zudem aufgezeichnet und dokumentiert. 2.7. Slowenien Das slowenische Parlament hat im Jahr 2017 seine Geschäftsordnung ergänzt. Mit dem neueingeführten Art. 115 werden nunmehr auch Vorgaben für einen „legislativen Fußabdrucks“ in die Geschäftsordnung aufgenommen. Gesetzentwürfe der Regierung müssen danach Angaben über na- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 126/17 Seite 6 türliche und juristische Personen enthalten, die an der Ausarbeitung des Entwurfs beteiligt wurden . Hierbei sind auch Ausführungen zu den gezahlten Honoraren aufzunehmen. Die genannten Pflichten bestehen nur für die Regierung. Nach slowenischem Recht (Public Sector Integrity Act) müssen zudem alle Personen, die eine Lobbytätigkeit ausüben, registriert sein. Darüber hinaus müssen die registrierten Lobbyisten der Kommission zur Verhütung von Korruption jedes Jahr einen Bericht vorlegen, indem sie offenlegen , für welche Organisationen sie tätig waren, welche Regierungsinstitutionen die Adressaten ihrer Tätigkeit waren und welche Ziele mit der Lobbytätigkeit verfolgt wurden. Zur besseren Kontrolle ist zusätzlich vorgesehen, dass auch die Adressaten von Lobbytätigkeiten dazu verpflichtet werden, alle Kontakte zu Lobbyvertretern zu dokumentieren und innerhalb von drei Tagen an die Kommission zu übermitteln. Ferner wird in Slowenien versucht, die Öffentlichkeit in den Gesetzgebungsprozess mit einzubeziehen (Resolution on Legislative Regulation). Ein grundlegendes Prinzip dabei ist die Offenlegung aller Vorschläge, die von der Öffentlichkeit und den Sachverständigen gemacht wurden. Erforderlich sind dafür auch Angaben darüber, in welchem Ausmaß die Beiträge in den Gesetzesentwurf eingeflossen sind. Diese Informationen müssen auf dem Vorblatt des ausgearbeiteten Gesetzes veröffentlicht werden. 2.8. Ungarn In Ungarn gab es in den Jahren von 2006 bis 2010 ein Gesetz zur Regulierung von Lobbytätigkeiten . Dieses Gesetz wurde jedoch von der ungarischen Regierung aufgehoben, da die Tätigkeit von Lobbyisten nur in sehr begrenztem Ausmaß registriert und reguliert wurde. Daher wurde im Jahr 2010 eine neue Regelung erlassen. Diese soll zu einer breiteren Teilhabe der Bevölkerung am Gesetzgebungsprozess führen. Daten oder Erfahrungen über Erfolge der Umsetzung liegen zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch noch nicht vor. 2.9. USA Im amerikanischen Recht existieren Vorschriften, die die Lobbyvertreter und Interessengruppen dazu verpflichten, sich regelmäßig in eine sogenannte Lobbydatenbank einzutragen. Hierin müssen sie detaillierte Angaben machen über alle Themenbereiche, in denen sie tätig sind. Das bedeutet , dass die Lobbyvertreter alle Gesetze benennen müssen, an deren Ausarbeitung sie beteiligt waren. Darüber hinaus müssen sie aber auch die genauen Gesetzesabschnitte offenlegen, an denen sie mitgewirkt haben. Der Senat hat hierfür Hinweise veröffentlicht, die die Lobbyvertreter dazu anhalten, möglichst genaue und detaillierte Angaben zu ihren Tätigkeiten und Aktivitäten zu machen. Ein expliziter „legislativer Fußabdruck“ existiert jedoch nicht, da die Informationen der „Lobbydatenbank “ weder veröffentlicht noch auf den betroffenen Gesetzesentwürfen dokumentiert werden . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 126/17 Seite 7 3. Fazit Bisher verfügen von den aufgezeigten Staaten lediglich Estland und Slowenien über spezielle gesetzliche Regelungen für einen „legislativen Fußabdruck“. Die anderen aufgezeigten Staaten wenden unterschiedliche Instrumentarien an, die der Transparenz dienen und insbesondere die äußere Einflussnahme auf das Gesetzgebungsverfahren öffentlich nachvollziehbar machen sollen. Inwieweit die dargestellten Regelungen und Instrumentarien praktische Wirksamkeit entfalten, kann in diesem Sachstand nicht aufgezeigt werden. ***