© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 125/19 Staatliche Fördermittelvergabe in der Extremismusprävention Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 125/19 Seite 2 Staatliche Fördermittelvergabe in der Extremismusprävention Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 125/19 Abschluss der Arbeit: 21. Mai 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 125/19 Seite 3 1. Einleitung Die Dokumentation widmet sich der Fördermittelvergabe im Rahmen der Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung.1 Die Bundesregierung fördert mit eigenen Programmen zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und gegen jede Form des Extremismus. Aktuelle Programme sind „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (seit 2010) sowie „Demokratie leben“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (seit 2015).2 Die Dokumentation geht auf die Fragen ein, welche Kriterien bei der Entscheidung über die Fördermittelvergabe herangezogen werden, auf welche Weise sichergestellt wird, dass die jeweiligen Fördermittelempfänger auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen und ob Fälle bekannt sind, in denen verfassungsfeindliche Projektträger Förderungen empfangen haben. 2. Auswahl der Fördermittelempfänger 2.1. Rechtliche Anforderungen der Fördermittelvergabe Einen Überblick über die verfassungsrechtlichen Maßstäbe sowie die haushaltsrechtlichen und verwaltungsverfahrensrechtlichen Anforderungen bei der Fördermittelvergabe gibt die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Neutralitätspflichten für Zuwendungsempfänger , WD 3 - 3000 - 117/18 Anlage 1. Nach der Ausarbeitung lassen sich aus dem Demokratieprinzip, dem Gebot der Chancengleichheit der politischen Parteien sowie der Meinungsfreiheit folgende relevante Kriterien für die Fördermittelvergabe ableiten: die Bedeutung der Förderung für den Meinungs- und Willensbildungsprozess , die Wahlrelevanz, die Staatsnähe des Fördermittelempfängers sowie die Art und der Umfang der Förderung. Zudem müssen ein legitimierender Grund für die Förderung und eine parteipolitische Neutralität bestehen. In der Regel erfolgt eine Fördermittelvergabe auf der Grundlage des Haushaltsgesetzes sowie aufgrund von intern von der Exekutive formulierten Maßgaben. Darüber hinaus sind die Regelungen der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu beachten. Aus § 23 BHO ergibt sich als Voraussetzung für die Gewährung einer Zuwendung, dass diese stets an einen vom jeweiligen Zuwendungsempfänger zu erfüllenden Zweck gebunden ist. Die näheren grundlegenden Voraussetzungen für die Gewährung von Zuwendungen sind sodann in § 44 BHO normiert. Ausgeformt werden §§ 23 und 44 BHO dabei durch die entsprechenden Ausführungen in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur 1 Im Internet abrufbar unter https://www.bmfsfj.de/blob/109002/5278d578ff8c59a19d4bef9fe4c034d8/strategieder -bundesregierung-zur-extremismuspraevention-und-demokratiefoerderung-data.pdf (Stand: 17. Mai 2019). 2 Vgl. BT-Drs 18/9192, S. 3 f.; für einen kurzen Überblick siehe https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles /die-demokratie-verteidigen-1528300 (Stand: 17. Mai 2019). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 125/19 Seite 4 Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO). Ergänzungen und Abweichungen zu diesen Verwaltungsvorschriften werden in den Förderrichtlinien der einzelnen Bundesprogramme festgelegt. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Fördermittelvergabe an Initiativen gegen Extremismus wird zudem auf die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassungsrechtliche Grenzen der finanziellen Förderung von Initiativen gegen Rechtsextremismus, WD 3 - 3000 - 193/15 Anlage 2 verwiesen. Die Ausarbeitung beleuchtet unter anderem die Auswahl der geförderten Aktionen und Projekte im Lichte der Meinungsfreiheit sowie der Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit politischer Parteien. 2.2. Kriterien der Fördermittelvergabe Die für das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ vom BMI erlassene Richtlinie zur Förderung von Projekten für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus in ländlichen oder strukturschwachen Regionen Anlage 3 legt fest, dass die eingereichten Förderanträge durch externe Gutachterinnen und Gutachter aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen auf Grundlage eines festgelegten Bewertungsrasters votiert werden. Die abschließende Entscheidung über eine Förderung obliege dem BMI und erfolge im Einvernehmen mit der Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Das BMI stimme sich dabei mit den jeweiligen Bundesländern über die geplanten Fördervorhaben und gegebenenfalls auch über die Fördermodalitäten ab. Für das Programm „Demokratie leben!“ ist im Förderaufruf für den Handlungsbereich Bund im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend Anlage 4 festgelegt, dass die Förderungsempfänger nach qualitativen Kriterien und unter Berücksichtigung des Bundesinteresses sowie der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ausgewählt werden. Die Förderanträge würden dabei nach einer vorgegeben Bewertungsmatrix begutachtet. Die wesentlichen Bewertungskriterien sind in dem Förderaufruf dargestellt. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 125/19 Seite 5 Für die Beantwortung der Frage, nach welchen Kriterien die Aufteilung die Mittel für die unterschiedlichen Maßnahmen in den jeweiligen Phänomenbereichen des Extremismus erfolgt, lässt sich die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD, Bundesmittel zur Bekämpfung des Extremismus, BT-Drs. 19/1349 Anlage 5 heranziehen. Nach den Antworten zu den Fragen 8, 9 und 10 entscheiden die zuständigen Ressorts auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel eigenständig über die Aufteilung der Mittel für die unterschiedlichen Maßnahmen in den jeweiligen Phänomenbereichen. Die Aufteilung trage vielfältigen Faktoren Rechnung. Dabei flössen fachliche und gesellschaftspolitische Erwägungen in die Entscheidung ein. Die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation der entsprechenden Bundesprogramme dienten dabei als Orientierungsrahmen. Es gebe jeweils eine unterschiedliche Anzahl zivilgesellschaftlicher Träger, die zu den jeweiligen Themenfeldern arbeiten. Damit lasse sich auch begründen, warum etwa die Anzahl der Projekte im Bereich Linksextremismus und damit die dafür aufgewandten Mittel geringer seien als in den Bereichen Rechtsextremismus oder islamistischer Extremismus. Des Weiteren gibt die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD, Das Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus , Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, BT-Drs. 19/1012 Anlage 6 Aufschluss darüber, wie die Auswahl der Förderungsempfänger und die Mittelaufteilung im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ erfolgen. Insbesondere die Antworten zu den Fragen 14, 16, 17 bis 19 und 29 befassen sich mit diesen Aspekten. 3. Sicherstellung der Verfassungstreue der Fördermittelempfänger Zu der Frage nach den Mechanismen zur Sicherstellung der Vergabe von Fördermitteln an Projektträger , die im Einklang mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen, wird erneut auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD, Das Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, BT-Drs. 19/1012 Anlage 6 verwiesen. In der Antwort zur Frage 39 erläutert die Bundesregierung die Funktion des Begleitschreibens zum Zuwendungsbescheid in diesem Zusammenhang. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 125/19 Seite 6 Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Lazar et al. und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kooperation zwischen Bundesministerien und dem Bundesamt für Verfassungsschutz zwecks Überprüfung zivilgesellschaftlicher Projekte, BT-Drs. 19/9152 Anlage 7 befasst sich mit dem sogenannten Haber-Verfahren, das die missbräuchliche Inanspruchnahme staatlicher Leistungen durch extremistische Gruppierungen ausschließen soll. Hierzu bietet das BMI allen Resorts an, über das BMI eine Prüfbitte zu Organisationen und Personen, die eine staatliche Förderung beantragen, an das Bundesamt für Verfassungsschutz zu stellen. Hinsichtlich des konkreten Ablaufs des Verfahrens, wird auf den „Haber-Diwell-Erlass“ des BMI vom 6. Februar 2017 Anlage 8 verwiesen. 4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Projektträger Es wird gefragt, ob Fälle bekannt sind, in denen Projektträger, die nicht auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen, im Rahmen der Demokratieförderung und Extremismusprävention des Bundes Fördermittel empfangen haben. Dazu wird auf die folgenden Antworten auf Kleine Anfragen verwiesen: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke et al. und der Fraktion DIE LINKE, Überprüfung von Demokratieprojekten durch den Verfassungsschutz, BT-Drs. 19/3563 Anlage 9 Nach der Antwort auf die Fragen 3 und 4 habe im Jahr 2016 eine Überprüfung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz im Rahmen des Programms „Demokratie Leben“ ergeben, dass ein Projektträger aus dem Programmbereich „Modellprojekte zur Radikalisierungsprävention“ als extremistisch beeinflusster Verband eingestuft wurde. Zu diesem Zeitpunkt sei dessen Projekt bereits gefördert worden. Die Förderung sei nicht über das Jahr 2016 fortgeführt worden. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke et al. und der Fraktion DIE LINKE, Begleitschreiben zum Zuwendungsbescheid im Rahmen der Bundesprogramme zur Extremismusprävention, BT-Drs. 18/930 Anlage 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 125/19 Seite 7 Nach der Antwort auf die Fragen 8 bis 10 hätten Träger, die aus den Mitteln der Bundesprograme gefördert wurden, mehrfach darauf hingewiesen, dass Personen oder Gruppierungen, bei denen nach Kenntnissen der Träger Anhaltspunkte auf verfassungsfeindliche Bestrebungen bestanden, versucht hätten, als Projektpartner an den Programmen zu partizipieren. Dies habe insbesondere islamistische Organisationen, ausländische nationalistische Gruppen wie die Grauen Wölfe sowie Personen mit Verbindungen zur rechtsextremen Szene betroffen. Bei Unklarheiten oder Zweifeln könnten sich Träger bei den Regiestellen der Bundesprogramme beraten lassen. Auf diese Weise habe in zwei Fällen eine Zusammenarbeit aufgrund der extremistischen Ausrichtung der Projektpartner verhindert werden können. Die Antwort führt des Weiteren drei Projekte auf, die vorzeitig beendet oder deren Fördermittel widerrufen worden seien, weil sich nach erfolgter Bewilligung herausgestellt habe, dass gegen die Träger oder gegen in den Projekten tätige Akteure Bedenken bestanden hätten. ***